Читать книгу Menschenseelen Teil 4 - Ker - - S. N. Stone - Страница 4
2. Kapitel
ОглавлениеJenna schloss die Tür zum Einfamilienhaus ihrer Eltern auf. Sie hatte einen langen und harten Arbeitstag hinter sich und dachte wehmütig an ihr Forschungsprojekt. Auch da hatte sie viel gearbeitet, manchmal sogar die Nächte im Labor verbracht, aber es hatte sie nicht gestört, es war ihr Baby gewesen.
Der Job, den sie hier angenommen hatte, war anstrengend, jedoch stupide und langweilig. Keine Herausforderung. Wenigstens waren die Kollegen und der Chef nett und die Bezahlung gut. Eigentlich, so dachte Jen, konnte sie sich nicht beklagen.
Am Liebsten wäre sie jetzt in die Badewanne gegangen, anschließend ein Glas Wein mit ihrer Mutter und dann ins Bett. Stattdessen würde sie schnell unter die Dusche springen, sich etwas Nettes überziehen, um mit Sascha den Abend bei dem Italiener zu verbringen, der nicht nur eine tolle Pizza machte, sondern auch ein Angebot an Cocktails hatte. Jen war froh, dass das Wochenende vor der Tür stand, morgen würde sie ausschlafen, ganz sicher!
„Ich bin da“, rief sie ins Leere und warf ihren Schlüssel auf die Kommode, stellte ihre Tasche ab, zog sich Jacke und Schuhe aus und machte sich auf in die Küche, wo sie die Stimme ihrer Mutter hörte.
„Das war ein Tag“, begann sie schon auf dem Weg zu erzählen. „Gott sei Dank, dass jetzt-“ Jen brach mitten im Satz ab. Ihre Mutter war nicht in Gesellschaft ihres Vaters, wie sie vermutet hatte.
„Schatz, wie schön, dass du endlich da bist. Schau mal, wer gerade in der Nähe war und dich besuchen wollte.“
Ihre Mama kam auf sie zu, drückte sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Danjal war aufgestanden. Sie starrte ihn an, suchte nach diesem arroganten und überheblichen Grinsen, das er so gerne auflegte, fand es aber nicht. Er schwieg und auch Jen wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Ich werde mal nach deinem Vater sehen, er schneidet die Hecke und braucht sicher ein wenig Hilfe.“ Ihre Mutter zog sich eine Strickjacke über.
„Ich finde immer noch, dass er sehr nett ist und er vermisst dich“, raunte sie Jen zu, bevor sie durch die Hintertür in den Garten verschwand.
Ihre Mutter hatte schon beim letzten Mal nicht verstehen wollen, dass Danjal und sie kein Paar mehr waren. Ihre Beziehung schien so unendlich lange her, dass selbst die Erinnerungen an seine intimen Berührungen nurmehr Schatten waren.
„Du bist niemand, der einfach mal so vorbeischaut, also was willst du?“
„Ich will, dass du mit mir nach Berlin kommst, dass du nach Hause kommst!“
„Also erst einmal bin ich hier zu Hause und dann, was glaubst du eigentlich? Dass du nur mit dem Finger schnippen musst und alle machen was du willst?“ Sie schaute ihn an.
Er hatte den Kopf schief gelegt und die Augenbrauen hochgezogen. Ja, O. K., diese Frage war in seinem Fall wohl irgendwie blöd.
„Johannes braucht dich und ich brauche dich auch.“
„Johannes ist mir egal und du brauchst mich nicht! Suche dir eine andere Auserwählte, die du dann überredest, dir zu helfen.“
„Es gibt zur Zeit keine anderen Auserwählten und du weißt genau, dass das nicht der Grund ist.“
Wusste sie das?
„Danjal, ich habe jetzt hier mein Leben. Ich habe einen Job, eine Wohnung in Aussicht, ich habe einen Freund-“
„Einen Freund?“
Jenna richtete sich ein wenig auf. „Ja! Sascha und ich sind wieder zusammen.“
Er runzelte die Stirn. „War er nicht irgendwie ein Arschloch oder so?“
„Mehr Arschloch als du kann er kaum sein!“
„Autsch, das war gemein“, sagte er und jetzt war das Grinsen da. „Hab ich irgendetwas verpasst? Sind wir im Bösen auseinandergegangen?“
„Nicht so richtig, aber ich habe die Nase voll und keine Lust mehr auf das alles, auf deine Spielchen, auf die Toten, darauf andauernd Freunde zu verlieren. Und jetzt geh!“
Als sie zum verabredeten Zeitpunkt das Haus verließ, um zu Sascha ins Auto zu steigen, sah sie Danjal, an seinen Wagen gelehnt, der zu ihr herüberstarrte. Er war auch noch da, als Sascha sie Stunden später wieder absetzte. Jen war bemüht, ihn zu ignorieren.
„Ich hole dich morgen gegen elf Uhr ab, dann sind wir pünktlich bei Finn-Ole und Christiane.“
Eigentlich hatte sie keine Lust die beiden zu besuchen, sie mochte sie nicht. Sie wollte Sascha aber nicht enttäuschen, immerhin waren es seine Freunde, und so nickte sie und ließ sich von ihm einen Kuss geben.
Einen klitzekleinen Blick warf sie dann doch auf Danjal, als sie ins Haus ging.
Er war auch noch am nächsten Morgen und auch um Viertel nach Elf da, als sie mit Sascha zum Auto lief.
„Auf jeden Fall habe ich gesagt, dass ich es unerhört finde, dass sie mir einen Termin für Dienstag gegeben haben. Sie hätten den Wagen doch gleich machen können, ich hasse es, wenn irgendetwas klappert. Ich kann ihn auch woanders hinbringen, in eine große Werkstatt, so wie sonst in meine Porsche Werkstatt in Lübeck oder so.“ Er hielt ihr die Beifahrertür auf, damit sie einsteigen konnte. „Da will man die kleinen Unternehmen unterstützen und dann wird man so behandelt.“
Jenna ließ sich auf dem ledernen Sitz nieder und schaute durch die Frontscheibe zu Danjal.
„Wie findest du mein neues Hemd? Hat Unsummen gekostet, aber ich denke es lohnt sich.“
Jen ließ von IHM ab und sah zu Sascha, der den Wagen startete.
„Hmmm, sehr schön“, antwortete sie abwesend.
„Wenn ich am Montag den Zuschlag nicht bekomme, dann werde ich übrigens zu meinem Boss gehen und ihm unmissverständlich klar machen, dass das so nicht geht. Stimmt doch Jen, oder?“
„Nein, äh ich meine ja, das geht so nicht.“
„Ach du kannst froh sein, dass du nur in einem Labor rumsitzt und dich nicht mit so wichtigen Dingen beschäftigen musst wie Aktienmärkte und unzufriedene Anleger.“
Danjals hellgraue Augen verfolgten sie, während sie die Straße entlang fuhren.
***
„Findest du nicht auch, dass die neue Einrichtung von Finn-Ole und Christiane ein wenig zu eloquent ist?“
Jenna schloss die Augen. Sie hatte wahnsinnige Kopfschmerzen. Wusste Sascha eigentlich, was er da gerade gesagt hatte? Sicher nicht. Sollte sie ihn verbessern? Besser nicht. Sie hatte heute schon so viel 'ich' und 'mir' und 'meins' und abgefahrene Fremdwörter gehört, dass es auf ein falsch benutztes mehr oder weniger auch nicht ankam.
„Ich fand es eigentlich ganz hübsch“, antwortete sie.
Sie waren wieder vor ihrem Elternhaus. Sascha machte den Wagen aus und beugte sich zu ihr herüber.
„Liebling, wann wirst du bei mir einziehen?“ Seine Stimme war ganz warm und sanft.
„Wir haben uns doch darüber unterhalten.“
„Ich weiß, aber ich will es nicht akzeptieren. Du bist die Frau meines Lebens. Deine Eltern sind ganz wundervolle Menschen, aber du kannst nicht ewig hier wohnen. Meine Wohnung ist groß genug.“ Er streichelte ihr zärtlich über die Wange.
„Ich habe was in Aussicht.“
„Hattest du schon ein paar Mal und nie war es das Richtige. Vielleicht weil eine innere Stimme dir sagt, dass es bei mir das Richtige sein wird.“
Vielleicht eher, weil eine innere Stimme ihr sagte, dass das alles hier nicht das Richtige war. Ihr Blick ging wieder zu Danjal, der nun in seinem Wagen saß.
ER hat deine Schwester getötet …
Jen stieg aus und Sascha kam eilig um seinen heiß geliebten Porsche herumgelaufen. Er schloss für sie die Wagentür, nicht, weil er so höflich war, sondern, weil er es nicht mochte, wenn man sie zu heftig zuschlug.
Demonstrativ legte sie einen Arm um ihn und küsste ihn leidenschaftlich.
„Darf ich dich morgen zu einem Strandspaziergang abholen?“
Innerlich seufzte Jen. Eigentlich wollte sie morgen viel lieber auf der Couch faulenzen, sich ausruhen.
„Darfst du, aber bitte erst gegen Nachmittag. Ich muss noch was für die Arbeit erledigen.“ Sie wollte wenigstens den Vormittag für sich haben.
„15 Uhr?“, schlug er vor und sie nickte.
Er brachte sie zur Tür, noch ein Kuss und dann war er auch schon verschwunden und Jenna ging hinein.
Er hatte sehr wohl beobachtet, wie Jenna diesen Kerl geküsst und dabei zu ihm herüber geschaut hatte. Er wusste, was sie damit bezwecken wollte, aber es machte ihn nur sauer und brachte ihn keineswegs dazu zu verschwinden, im Gegenteil.
Danjal stellte die Rückenlehne nach hinten und bemühte sich eine einigermaßen angenehme Schlafposition einzunehmen. Das Licht in dem Zimmer in der ersten Etage erlosch. Er schloss die Augen und hoffte auf ein paar Stunden Schlaf.
***
Wütend schloss Jenna das Fenster, Danjal war immer noch da. Sie ging hinunter in die Küche, wo Vater und Mutter bereits beim Frühstück saßen.
Sie wünschte ihnen einen guten Morgen und goss sich Kaffee ein.
„Du bist aber schon früh wach“, ertönte die brummige Stimme ihres Vaters hinter der Sonntagsausgabe der Tageszeitung. „Wolltest du nicht ausschlafen?“
„Habe ich.“
„Das ist gut.“ Er legte die Zeitung beiseite. „Nun sind sie doch pleitegegangen.“
„Wer denn?“, fragte ihre Mutter.
„Na die Firma von diesem Thomas Garrison, der, der sich vor ein paar Monaten vom Dach gestürzt hat. Paul hat mal für die deutsche Niederlassung in Hamburg gearbeitet. Nach Garrison Tod lief es einfach nicht mehr, es gab Differenzen in der neuen Führungsebene und sie haben das Ding gegen die Wand gefahren. Die schreiben, dass 270 Leute ihren Job verlieren werden.“
„Oh das ist aber gar nicht schön.“
„Dein Freund hat übrigens schon die zweite Nacht in seinem Auto verbracht“, wechselte ihr Vater das Thema.
„Willst du ihn nicht fragen, ob er hereinkommen will? Dann kann er mit uns frühstücken und vielleicht duschen“, schlug ihre Mutter vor.
Jenna schmiss ihr Brötchen auf den Teller. „Jetzt reichts!“ Sie sprang auf. „Er ist nicht mehr mein Freund und er wird ganz sicher nicht mit uns frühstücken. Ich werde dafür sorgen, dass er verschwindet!“, schimpfte sie und ging.
„Stalkst du mich?“, rief sie ihm entgegen.
Danjal hatte den Platz vor seinem Auto eingenommen.
„Wohl kaum, denn dann wäre ich überall dort, wo du auch bist.“
„Diese Situation hatten wir schon einmal.“ Sie stand nun vor ihm und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Und daran, wie es ausgegangen ist, muss ich dich bestimmt nicht erinnern.“
„Aber diesmal kannst du lange warten.“
„Kein Problem, ich habe Zeit.“
„Gut!“, sagte sie wütend.
„Gut!“, antwortete er gelassen.
„Außerdem hat Sascha um meine Hand angehalten“, fügte sie hinzu, drehte sich um und ging.
Das war zwar gelogen, hatte aber das freche Grinsen aus seinem Gesicht vertrieben.
Jenna war sein! Er würde sie sich nicht wegnehmen lassen! Den Kerl würde er genauer unter die Lupe nehmen.
Erst am Abend, als die beiden zurückkehrten, bekam er Gelegenheit dazu.
Diesmal würdigte sie ihn keines Blickes und verschwand sofort im Haus.
Er folgte Sascha zu einer Weinbar am Hafen und betrat die Lokalität nur kurz nach ihm. Am Tresen stellte sich Danjal neben ihn und bestellte ein Glas von einem guten und ziemlich teuren Wein.
„Schön, dass es noch Menschen gibt, die sich was Erlesenes leisten können“, kommentierte Sascha seine Wahl und prostete ihm zu.
„Ein hervorragendes Weingut und eine tolle Rebe, der Jahrgang war prädestiniert ein Erfolg zu werden.“
Der Kerl nickte, aber Danjal bezweifelte, dass er überhaupt Ahnung hatte.
Er hielt ihm seine Hand hin. „Sascha Lüders“, stellte er sich vor.
„Danjal, freut mich.“
Sascha runzelte die Stirn.
Hatte Jen vielleicht von ihm erzählt?
„Kommen Sie hier aus der Gegend?“, fragte Lüders.
„Nein, ich bin zu Besuch bei einer Freundin.“
Der andere lachte. „So, so, bei einer Freundin. Ja, solch Freundinnen sind goldwert“, er zwinkerte ihm zu. „Ich bin ja auch der Meinung, man sollte mehr als eine haben. Wir Männer sind eben so, wir brauchen das, das müssen die Girls schon verstehen. Mein Job ist sehr heavy, das Business verlangt nach Dispersion. Ich trage viel Verantwortung, ich bin Inverstment Advisor“, er kramte in seiner Sakkotasche und zog eine Karte hervor, die er Danjal zuschob. „Wenn Sie mal jemanden brauchen“, er machte eine sonderbare Geste, mit der Hand, so als würde man jemanden erschießen, zwinkerte wieder mit dem Auge und schnalzte mit der Zunge, „wenden Sie sich ruhig an mich. Ich berate gerne bundesweit.“
Danjal hatte schon eine Menge gesehen, aber der Typ war nicht ganz klar. Was fand Jen bloß an ihm?
„Ich habe meine Süße zu Hause, die ist mir sicher, schwer verliebt, Sie verstehen?! Naja, hat mit mir ja auch einen guten Fang gemacht. Sie ist toll zum Vorzeigen, intelligent, aber ein wenig naiv und unscheinbar. Den Spaß hole ich mir woanders. Wie siehts bei Ihnen aus?“
Abrupt sprang Sascha auf und ging mit großen Schritten zur Tür, durch die gerade eine groß gewachsene Brünette mit einem ziemlich knappen Kleid getreten war. Er nahm ihr das Jäckchen ab und führte sie zum Tresen.
„Darf ich vorstellen; Mareike, Danjal.“
Sie gab ihm die Hand und lächelte. „Freut mich einen Bekannten von Sascha kennenzulernen“, hauchte sie, „er hält sich, was das angeht immer so bedeckt.“
„Er ist ein zukünftiger Kunde, Süße lass uns an den Tisch da drüben gehen, Sie entschuldigen uns doch?“ Wieder ein Zwinkern.
Danjal überlegte, ob es vielleicht ein nervöser Tick war, den hätte er dem Typen liebend gerne aus dem Gesicht geschlagen.
„Nein kein Problem, sollte ich Interesse haben, melde ich mich bei Ihnen, ich habe ja Ihre Karte“, und er steckte sie ein.
Danjal beobachtete Sascha und die Frau noch eine Weile und trank seinen Rotwein. Es war nicht zu übersehen, welche Beziehung die beiden zueinander hatte und wie der Abend enden würde.
Während der Rückfahrt zu Jenna wog Danjal ab, was er mit diesen Informationen anstellen sollte. Ganz klar, er konnte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Normalerweise hätte er Sascha Lüders getötet. Zum einen, weil er ihn nicht mochte, zum anderen, weil er ihm Jenna wegnahm und dann, weil er Jenna betrog und nicht gut von ihr sprach. Jedoch hatte er Jen versprochen sich nicht mehr in ihr Leben einzumischen, aber mal ehrlich, es scherte ihn eigentlich einen feuchten Dreck, dieses Versprechen. Er hatte ihr aber auch versprochen, niemanden aus ihrem Umfeld zu töten.
Bevor Jenna ins Bett ging, schaute sie zu der anderen Straßenseite. Danjal und sein Wagen waren weg. Hatte er sich ihre Worte also zu Herzen genommen. Leider musste sie sich eingestehen, dass das auch nicht so ganz richtig war. Sie verscheuchte das Gefühl in ihrem Bauch, legte sich ins Bett und wollte einfach nur schlafen und morgen ihr neues normales Leben weiterleben.
Er war wieder da. Am Morgen und das unübersehbar, denn er fing sie auf dem Weg zum Auto ihrer Mutter ab.
„Ich muss mit dir reden“, sagte er.
Jen ging weiter.
„Bitte, es ist wichtig!“ Er lief hinter ihr her.
„Lass mich!“ Sie stieg ein.
„Es geht um deinen ach so tollen Sascha.“
Jen ließ die Scheibe runter. „Hör auf damit! Danjal bitte, ich kann nicht mehr. Bitte, bitte, lass es endlich gut sein.“ Sie startete den Wagen und fuhr davon.
Dann eben auf seine Art!