Читать книгу Menschenseelen Teil 4 - Ker - - S. N. Stone - Страница 7
5. Kapitel
ОглавлениеIhre Mutter war regelrecht entzückt gewesen, als sie mit Danjal in der Tür gestanden hatte. Wenig begeistert hatte sie die Tatsache aufgenommen, dass Jenna wieder nach Berlin gehen würde.
Danjal hatte sich auf ihr Bett gelegt und war eingeschlafen, noch bevor sie das erste Stück in ihre Reisetasche gepackt hatte. Sie würde vieles zurücklassen müssen, aber daran gewöhnte sie sich so langsam.
Als sie fertig war, stellte sie sich vor das Bett und betrachtete IHN. Er sah unschuldig aus, ein unglaublicher Umstand, wenn man bedachte, was er alles getan hatte.
Die Zeit, bis Danjal wach wurde, verbrachte Jenna mit ihren Eltern. Beim Abschied drückte ihre Mutter sie lange, dann nahm sie Danjal zur Seite. „Passen Sie gut auf meine Tochter auf, eine haben wir schon verloren“, konnte Jen sie sagen hören.
Auch ihr Vater hatte eine Trauermiene aufgelegt.
„Ich bin doch nicht am anderen Ende der Welt“, versuchte sie ihn zu trösten, „nur in Berlin. Wir haben es immer recht gut hinbekommen.“
„Ach es ist nur, es war, es war einfach schön dich wieder so nah bei uns zu haben.“
„Ich verspreche regelmäßig zu kommen und ihr kommt ab und zu nach Berlin.“
Er nickte und verabschiedete sich von Danjal.
Als sie vom Haus wegfuhren, winkten ihre Eltern ihnen noch lange nach.
Während der Fahrt vermied sie es sich mit Danjal zu unterhalten. Dass sie sich drüber gefreut hatte, dass er Sascha verletzt hatte, bereitete ihr jetzt ein schlechtes Gewissen, auch wenn er es verdient hatte.
Einmal hielten sie, weil Jenna auf die Toilette musste. Danjal kam hinter ihr her.
„Du musst mich nicht verfolgen, ich haue nicht mit einem sexy Lkw-Fahrer ab.“
„Ich befürchte nicht, dass du flüchtest, du bist ja aus freien Stücken bei mir, ich will dich beschützen.“
Jen blieb stehen. „Wovor?“
„Vor Abkömmlingen?!“
„Vergessen, dass ich mich gegen die wehren kann?“
„Kannst du das verlässlich? Und was ist mit Jägern, die es nicht so toll finden, dass du mich aus dem Refugium geholt hast?“
„Ich habe keine Probleme. Mir ist weder ein Abkömmling noch ein Arsat über den Weg gelaufen seit ...“ Sie wollte den Satz nicht beenden. „Dir?“
Er zuckte mit den Schultern.
Also ließ sie Danjal vor den Toiletten warten und sich dann zurück zum Auto eskortierte.
Es war mitten in der Nacht, als sie in Alt-Reinickendorf vor der Dorfkirche ankamen. Trotzdem führte sie der erste Weg zu Johannes.
Der Pfarrer schaute müde drein, freute sich aber Jenna zu sehen. Ellen schlief bereits und Louisa war im Bauernwohnhaus.
„Es ist schön, dass Sie wieder hier sind. Hatten Sie Probleme, seit Sie mit ihm zusammen sind?“
„Nein, seit ich aus Berlin weg bin, ist nichts vorgefallen.“
„Pater Sebastian ist zu Brents Nachfolger ernannt worden. Er hat mich aufgesucht und wir hatten ein langes Gespräch. Die Arsaten werden uns in Ruhe lassen. Zumindest wird er nichts veranlassen, was Ihnen oder mir oder IHM schadet. Obwohl er auf die Jäger wenig Einfluss hat, was Danjal angeht. Er bedauert es natürlich, dass Sie als momentan einzig bekannte Auserwählte ihnen nicht zur Verfügung stehen.“
„Und was gibt es Neues, seit wir das letzte Mal voneinander gehört haben?“
„Ellen geht es gut, Louisa ist rüber ins Haus gezogen, als ER zurückkam. Ich verfolge gerade mit großem Interesse eine Anzahl von gewaltsamen Todesfällen, ansonsten ist alles beim Alten.“
Danjal hatte das Gefühl gerade ziemlich überflüssig zu sein.
„Ich danke Ihnen, dass Sie mich wieder aufnehmen“, sagte Jen und lächelte. „Ich muss schauen, wie es weitergeht. Vor allem muss ich morgen erst einmal meinen Job kündigen.“
Die beiden unterhielten sich weiter und Danjal war überflüssig. So verabschiedete er sich und ging zum alten Bauernwohnhaus.
AUFWACHEN!!! - Stimme Nummer drei.
AUFWACHEN!!! Nun schrien sie alle, die Stimmen in ihrem Kopf überschlugen sich, schrien sie an, tobten. Louisa schreckte hoch. Da waren noch andere Geräusche, Schritte, Bewegung im Haus. Es war ein altes Gemäuer und es lebte. Ständig quietschten und knarrten die alten Dielen, der Wind pfiff durch die Holzfenster, wenn er ungünstig stand. Louisa fand das gruselig, aber nicht erschreckend. Die Geräusche jetzt, waren jedoch andere.
Sie huschte aus dem Bett und schaute sich um. Im Licht, das von der Straße hereinschien, konnte sie eine Flasche Haarspray ausmachen, die sie sich griff, bevor sie auf Zehenspitzen aus Jennas Zimmer schlich.
Da stand eine Gestalt im Flur. Dunkel, schwarz, konturlos. Louisa stürzte sich auf sie und sprühte blind das Spray, in der Hoffnung den Eindringling damit zu erwischen.
„Fuck! Scheiße, verdammt, was soll der Mist?“ Raus aus meinem Kopf!
Sie hastete zum Lichtschalter und knipste die Lampe an. Danjal stand vor ihr und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.
„Du bekloppte Irre, was soll das?“
„Ich dachte du wärst ein Einbrecher.“
„Hier traut sich niemand rein, wenn er auch nur ahnt, dass du da bist.“
Er ist gemein! - Nummer vier.
Louisa baute sich vor Danjal auf und stemmte die Arme in die Seiten. Auch wenn er es nicht sehen konnte, weil sie mit dem Haarspray genau seine Augen erwischt hatte.
„Sprich nicht so mit mir! Du hast kein Recht mich so zu behandeln. Und wenn du das noch einmal machst, werde ich dir wehtun!“
Ob sie das tatsächlich schaffen würde, bezweifelte sie, denn er war so voller Macht, aber es war ihr egal.
Danjal nahm die Hände von den Augen und blinzelte. Es brannte und seine Wimpern klebten aneinander.
„Tut mir leid, ehrlich“, sagte er.
Und sie war wieder in seinem Kopf gewesen, aber seine Worte bedauerte er tatsächlich.
„Komm ins Bad, wir sollten das ausspülen.“
„Hast du Jen mitgebracht?“, fragte Louisa und tupfte mit einem nassen Lappen über seine Augen.
„Ja, sie ist drüben beim Pfarrer.“
„War es einfach sie zu überreden, oder hast du Blödsinn gemacht?“
Er musste lächeln, sie war schon echt sonderbar, wer benutzte das Wort Blödsinn heute noch.
„Ich habe getan, was ich für richtig hielt, und sie ist sauer auf mich.“
„In all den Jahrtausenden hast du nicht gelernt, wie man mit Menschen umgeht?“
„Ich weiß, wie man mit euch umgeht, ich weiß nur nicht, wie man mit jemandem umgeht, den man haben will.“
Sie legte den Kopf schief. „Eine seltsame Beschreibung für Liebe“, stellte sie fest.
Danjal musste schlucken. „Du hast es wieder getan“, sagte er und wollte sie vom Thema ablenken, und sein Missfallen kundtun.
„Ich habe dir schon gesagt, dass ich es nicht mit Absicht mache, es passiert.“
„Dann lass es in Zukunft bei mir nicht mehr passieren. Du willst mir wehtun? Ich werde dir wehtun, wenn ich dich noch einmal in meinem Kopf finde!“
Jenna stand plötzlich in der Badezimmertür.
„Ich habe euch schon gesucht, was macht ihr hier?“
Louisa drehte sich um und warf sich ihr in den Arm.
„Jenna! Ich freue mich so sehr, dass du wieder da bist.“
Danjal hob den Lappen auf und legte ihn ins Handwaschbecken.
„Ich habe gedacht er sei ein Einbrecher und habe ihm Haarspray ins Gesicht gesprüht.“
Danjals Augen taten noch immer weh und ein Blick in den Spiegel verriet ihm, dass sie stark gerötet waren. Die Dinge gerieten ihm außer Kontrolle. Nichts lief so, wie er es wollte. Seine Existenz verselbstständigte sich. Er hatte das Gefühl zu sehr von äußeren Einflüssen gelenkt zu werden. Eigentlich war er es, der einzig und alleine über die Dinge bestimmte.
Jenna löste sich ein wenig von Louisa und schaute an ihr vorbei, zu ihm. Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Er erwiderte es.
„Dann hätten wir nur ein Problem mit den Zimmern, ich schlafe momentan in deinem.“
Sie saßen im Wohnbereich am Esstisch.
„Ich bleibe heute Nacht“, Jenna schaute auf die Uhr, „also, das, was davon übrig ist, auf der Couch. Morgen können wir weitersehen. Wir sollten Elias Zimmer ausräumen, du könntest dort unterkommen.“
Jen fing sich einen bösen Blick von Danjal ein, der aufstand und raus ging.
„Warte kurz“, sagte sie zu Louisa und folgte ihm.
Sie fand ihn im Souterrain auf dem Boden im Flur sitzend.
„Was ist los?“
„Nichts.“
Jen hockte sich neben ihn.
„Ich war nicht einmal bei seiner Beerdigung“, sagte er nach einer Weile des Schweigens.
„Ich auch nicht.“
Sie berührte ihn vorsichtig am Arm, aber er zog ihn weg und stand auf.
„Gut, morgen räumen wir sein Zimmer aus, er braucht es ja nicht mehr. Ich bin müde, gute Nacht.“ Und Danjal verschwand.
Sie blieb noch einen Augenblick sitzen und ließ sich das Gespräch mit Johannes durch den Kopf gehen. Er hatte Zweifel angemeldet, was die Umstände anging, die zu Elias Tod geführt hatten. Nur Danjal kannte die volle Wahrheit, denn kein anderer war in dem Moment bei Bewusstsein, oder noch am Leben gewesen. Aber war das eben die Reaktion von jemandem, den man in Verdacht hatte, etwas damit zu tun gehabt zu haben?
Auch Jenna stand auf, schnappte sich eine Wolldecke und ein Kissen und legte sie aufs Sofa.
„Oh guck nicht so!“ Ciara verdrehte die Augen. „Du weißt, dass ich Langeweile nicht mag.“
„Du wolltest nach Berlin.“
„Darum geht es doch gar nicht. Es geht um die Sache an sich.“
„Du kannst nicht behaupten, dass wir in letzter Zeit untätig gewesen sind.“
„Nein sind wir nicht, aber ich vermisse die guten alten Zeiten, die epischen Schlachten.“
„Fahre in eines der vielen Krisengebiete und stelle dich einfach aufs Schlachtfeld.“
„Genau das ist es, was ich meine. Die Menschen sind fast schlimmer als wir. Ich brauche die Abwechslung, den Nervenkitzel, das Auslösen der Kriege, und das machen sie ganz ohne unser Zutun. Immer nur diese Selbstmorde öden mich an und was bewirken wir damit? So gut wie gar nichts.“
„Ciara, die Zeiten ändern sich, du musst es nehmen, wie es kommt.“
„Wie kannst du nur so gleichgültig sein?“
„Das bin ich nicht, auch mir gefällt es nicht, wie es ist. Wenn wir etwas daran ändern wollen, müssen wir überlegen, was wir Großes tun wollen, sodass es überhaupt noch auffällt. Und solange wir das nicht entschieden haben, sollten wir uns hier amüsieren.“
Seine Schwester nickt, gab ihm einen Kuss und gemeinsam gingen sie zurück zum Empfang des spanischen Botschafters.