Читать книгу Menschenseelen Teil 4 - Ker - - S. N. Stone - Страница 5
3. Kapitel
ОглавлениеSascha hatte Feierabend und das war auch gut so. Wütend stellte er seinen Aktenkoffer in den Fußraum des Beifahrersitzes und schwang sich hinter das Lenkrad. Er hatte den Zuschlag für den Kunden nicht erhalten und das Gespräch mit seinem Boss war nicht so gelaufen, wie er es sich erhofft hatte. Sein Kollege sei besser geeignet. Was hatte der denn, was er nicht hatte?
Er startete den Wagen und fuhr die Straße in Richtung Autobahn entlang. In einer halben Stunde würde er zu Hause sein. Sascha überlegte, ob er sich mit Jen treffen sollte, oder lieber mit Mareike. Die war schon eine heiße Braut und die Nächte, die sie miteinander verbracht hatten, waren wirklich nicht schlecht gewesen. Mal sehen, wie lange ihr Techtelmechtel andauern würde, noch hatte er Spaß an ihr.
Die Autobahnauffahrt, der Beschleunigungsstreifen. Er gab Gas, ließ den Motor brummen und röhren, ach er liebte dieses Gefühl der Schnelligkeit. Mit Jen konnte er das nicht machen, sie hatte Angst, wenn er über die Straßen raste. Sie hatte andere Vorzüge, die er zu schätzen wusste. Sie gab eine gute und artige Frau an seiner Seite ab und wenn alles so lief, wie er sich das vorstellte, würde er erfolgreich sein, sehr erfolgreich und dann würde er jemanden wie sie brauchen. Die liebende Ehefrau, die ihm den Rücken stärkte.
Mann, es war echt voll. Er nahm den Fuß vom Gaspedal. Der Wagen wurde langsamer. Immer diese Sonntagsfahrer! Er bremste und passte sich den Verkehrsverhältnissen an. Sascha summte das Lied aus dem Radio mit.
Es geriet in zäh fließenden Verkehr. Eine neue Baustelle, deren Vorhandensein er vergessen hatte. Hätte er daran gedacht, wäre er gleich über die Bundesstraße gefahren. Er nahm die nächste Abfahrt, besser durch die Dörfer, als im Stau zu stehen.
Nicht nur er hatte diese Idee, Pkws vor und nach ihm nahmen denselben Weg. Auch ein dunkler Wagen, der schon eine Weile hinter ihm fuhr.
Zügiger ging es voran, leider nicht so zügig, wie er es sich gewünscht hätte. Immer wieder gab er Gas, musste aber ständig abbremsen. Na dann würde es wohl doch nur für Jenna reichen, sie wohnte im Nachbarort. Noch großartig irgendwo anders hinfahren war zeitlich nicht mehr drin. Er musste morgen ausgeschlafen sein, denn er würde einen wohlhabenden Mann treffen, der, wenn er sich dazu entschied, seine Anlagegeschäfte über ihn laufen zu lassen, endlich das ganz große Geld bringen würde.
Und erneut bremsen. Aber es ging nicht. Das Auto wurde nicht langsamer! Er konnte das Pedal bis zum Boden durchtreten. Sascha ging vom Pedal und wieder drauf, trat es abermals durch, der Wagen vor ihm kam schon bedrohlich nahe. Nichts! Er würde auf den Vordermann aufprallen, er war zu schnell, er konnte nichts machen. Panisch zog er das Lenkrad nach links
Jenna nahm ihre Tasche aus dem Auto und war insgeheim froh, dass Sascha sich nicht gemeldet hatte. Vielleicht musste er heute auch mal länger arbeiten und hatte keine Zeit. Sie drehte ihren Kopf, ER war nicht da.
Als sie das Auto abschließen wollte, klingelte ihr Handy. Sie stöhnte auf, sicher Sascha. Kurz überlegte sie, ob sie nicht rangehen sollte, entschied sich aber dagegen. Sie würde ihm sagen müssen, dass sie keine Lust hatte. Als sie ihr Smartphone aus der Tasche gekramt hatte, warf sie einen Blick auf das Display, es war nicht Saschas Nummer, es war eine ihr unbekannte Nummer.
„Drescher“, meldete sie sich.
Die Frau am anderen Ende teilte ihr mit, dass ihr Lebensgefährte, Sascha Lüders, einen Autounfall gehabt habe und in die Klinik eingeliefert worden sei. Es ginge ihm nicht gut, sein Zustand sei aber nicht kritisch. Die Frau bat Jenna ins Krankenhaus zu kommen.
Jen sagte, dass sie sich umgehend auf den Weg machen würde, bedankte sich und legte auf.
Sie stand in der Notaufnahme und unterhielt sich mit zwei Polizisten und dem behandelnden Arzt. Sascha wurde noch versorgt, er hatte einen Armbruch erlitten etliche Schnittwunden, Abschürfungen und Prellungen davongetragen. Nach der Erstversorgung würde er auf die Station gebracht werden, man wollte ihn erst einmal unter Beobachtung stellen.
Einer der Polizisten berichtete, was ihren bisherigen Ermittlungen nach geschehen war: Sascha war auf der gut befahrenen Bundesstraße in den Gegenverkehr geraten und mit einem anderen Fahrzeug kollidiert. Seinen Angaben zufolge hatte er Probleme mit den Bremsen gehabt und sei in Panik geraten. Sein Pkw würde durch den kriminaltechnischen Dienst untersucht werden. Der Fahrer des anderen Autos sei mit ein paar leichten Verletzungen und dem Schrecken davongekommen. Alkohol- oder Drogenkonsum seien nach bisherigen Erkenntnissen auszuschließen, man warte aber noch auf die Blutuntersuchung.
Der andere Polizist bemerkte, wie aufgeregt sie war. „Sie können froh sein, dass so viel Verkehr war. Ihr Lebensgefährte war nicht allzu schnell unterwegs“, versuchte er sie zu beruhigen.
„Er ist ansprechbar und Sie können ihn sehen, sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind“, sagte der Arzt.
Sie bekam eine Karte von den Polizisten und dann ließ man sie alleine.
Jenna setzte sich in den Wartebereich. Probleme mit den Bremsen, sie konnte es nicht glauben. Sascha achtete penibel auf seinen Wagen. Jedes noch so kleine Wehwehchen wurde in einer Werkstatt beseitigt, in der Regel in einer Fachwerkstatt. Konnte es etwas mit dem Klappern zu tun haben, von dem er letztens gesprochen hatte?
Und dann stellte Jen fest, dass sie gar nicht alleine war, Danjal stand an der Tür. Und ihr war klar, wie es zu dem Unfall hatte kommen können.
„Das warst du!“
„Jenna, er ist ein Schwein! Er spricht abwertend und geringschätzend über dich, er behandelt dich schlecht und er betrügt dich!“
Jenna schluckte. „Er ist ein wenig von sich überzeugt. Wenn man ihn nicht kennt, dann empfindet man ihn als unangenehm, aber so ist er in Wirklichkeit nicht. Er ist lieb, besorgt, er kümmert sich um mich und ist für mich da.“
Danjal packte sie am Arm. „Hast du es nicht mitbekommen? Er betrügt dich! Ich habe es gesehen.“
„Lass mich los!“, zischte sie ihn an und zog ihren Arm weg. „Du lügst! Ja er hat mich mal betrogen, deshalb habe ich unsere Beziehung beendet, aber da waren wir fast noch Kinder, gerade mal 20 Jahre alt. Er hat sich geändert, er macht so etwas nicht mehr. Es war ein Ausrutscher damals. Und selbst, wenn es so wäre, es ist nicht deine Aufgabe das zu klären, sondern meine.“
„Jenna mach dir doch nichts vor, das hier kann nicht das sein, was du willst.“
„Ach und du weißt, was ich will? Hör auf, ich sage es dir noch einmal; halte dich aus meinem Leben raus! Du bist ja wohl der Letzte, von dem man annehmen kann, dass er mir Gutes tut.“
Eine Krankenschwester betrat den Raum, bat freundlich um Ruhe und teilte ihr mit, dass sie nun zu Sascha könne.
„Wenn du noch da bist, wenn ich zurückkomme, dann gnade dir Gott!“ Sie ließ ihn stehen.
„Immerhin habe ich ihn nicht umgebracht. Frage ihn nach gestern Abend, frage ihn nach Mareike“, rief er ihr hinterher.
Sascha sah schlimm aus, bemühte sich aber zu lächeln, als er sie sah.
„Hallo Baby“, sagte sie, als sie ihm vorsichtig einen Kuss auf die Stirn gab, „wie geht es dir?“
„Es geht so. Sie haben mir Schmerzmittel gegeben, so ist es besser auszuhalten.“
„Was ist nur geschehen? Warst du wieder zu schnell?“
„Vielleicht ein wenig unaufmerksam, aber meine Bremsen haben nicht funktioniert.“
„Und aus welchem Grund hast du in den Gegenverkehr gelenkt, und nicht nach rechts?“
„Baby, ich weiß nicht, alles ging so schnell.“
Jenna dachte über Danjals Worte nach. Sie könnte nicht akzeptieren, wenn Sascha sie betrog. Eigentlich war sie sich sicher, das dies kein Thema mehr war, aber den Samen des Zweifels hatte ER gesät.
„Wie geht es meinem Wagen?“
„Ich weiß es nicht, er ist bei der Polizei zur Untersuchung. Sie haben angedeutet, dass es ein Totalschaden sein könnte.“
„Verdammte Scheiße!“
„Aber wichtig ist doch, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist.“
Sascha lachte auf, verzog dabei das Gesicht vor Schmerzen. „Das ist eindeutig meine Jen. Natürlich bin ich froh, aber mein Wagen ist mir wichtig. Du solltest erst einmal so viel Geld verdienen, um dir so etwas leisten zu können, der hat ein Vermögen gekostet. Ich habe ihn schon gebraucht gekauft. Du kannst so etwas natürlich nicht verstehen, ist schon klar, typisch.“
Die Art, wie er mit ihr sprach verletzte sie. Hatte Danjal je so mit ihr gesprochen? Hatte sie es je gestattet, dass irgendwer so mit ihr sprach? Warum ließ sie es bei Sascha zu? In seiner Gegenwart fühlte sie sich oft klein und unbedeutend, aber das war sie nicht.
„Bleibst du ein bisschen bei mir?“, fragte er nun mit einer liebevollen Wärme in der Stimme.
Sie nickte.
„Erzähl mir noch etwas über Berlin, über deinen dummen Abstecher in die große weite Welt, viel zu groß für meine Jenna.“
Jetzt war es genug. Wer war sie denn, dass sie sich das antun musste?
„Betrügst du mich mit einer anderen?“, fragte sie gerade heraus.
„Was?“
„Wer ist Mareike?“
Saschas Unbehagen schimmerte durch sein von Hämatomen gezeichnetes Gesicht hindurch.
„Woher weißt du von Mareike?“, fragte er mit rauer Stimme.
„Es ist also wahr?!“ Jenna nickte mit dem Kopf. „Du betrügst mich wieder.“
„Süße, es ist nicht so, wie du denkst. Weißt du, ich brauche das. Du bist mein Fels in der Brandung, die anderen sind nur Vergnügen. Mit dir will ich eine Familie gründen.“
„Die anderen?!“, schrie sie ihm entgegen. „Und ich bin dein Fels? Ich will nicht dein Fels sein, der dir die Wäsche macht und dich bekocht, die Kinder hütet und putzt, während du irgendwo eine Mareike oder Silvia oder Stefanie vögelst!“
„Nun hab dich doch nicht so.“
„Ich werde dir gleich zeigen, wie ich mich habe.“
„Du reagierst total über. Sie sind bedeutungslos für mich. Jenna, Liebling, du bist die Frau meines Lebens.“
Jenna beugte sich zu ihm herunter und er lächelte sie an. „Siehst du meine Kleine, geht doch.“
Sie näherte sich seinen Lippen, dann stützte sie sich auf seinem gebrochenen Arm ab. Er schrie auf.
Anstelle ihn zu küssen, flüsterte sie ihm ins Ohr: „Fick dich du Idiot.“
Jen richtete sich auf, drehte sich um und verließ das Zimmer.
„Du“, sie kam auf ihn zu und ihre Augen loderten vor Zorn, „fährst jetzt hinter mir her zu meinen Eltern. Während ich meine Sachen packe, legst du dich hin und schläfst. Wenn du ausgeschlafen hast, fahren wir nach Berlin. Und ich will nichts hören, kein Kommentar, keinen blöden Spruch, gar nichts!“
Sie rauschte an ihm vorbei.
Auf dem Parkplatz holte er sie ein.
„Ich bin nicht schadenfroh“, sagte er.
Nein, man konnte ihm vieles nachsagen, aber schadenfroh war er wirklich nicht.
„Um ehrlich zu sein, hättest du ihm noch ein wenig mehr wehtun können“, gab Jen zu.
„Hatte ich vor, aber die Verkehrslage ließ es nicht zu. Und was anderes hatte ich nicht in petto, mir waren die Ideen ausgegangen.“
Naja, sein Versprechen hatte er gehalten, er hatte Sascha nicht getötet. Jenna fand es gerade gar nicht so schlecht jemanden an der Seite zu haben, der ziemlich mächtig war.