Читать книгу Die Grauen Krieger - S. N. Stone - Страница 9
5. Montag
ОглавлениеCaleb ging durch die große Eingangshalle. Zu beiden Seiten schraubten sich Steintreppen in die Höhe. Die Decke war mit wunderbaren Bildern verziert und die Sonne schickte ihre Strahlen genau in das Zentrum des Baus. Blicke verfolgten ihn und er spürte ihre Gefühle. Jemand wie er war hier nicht gerne gesehen und die Abneigung und Verachtung schlug ihm entgegen. Er nahm die Emotionen in sich auf, verschloss sich nicht, er würde sie brauchen.
Er stand wieder vor dem Tisch von Kardinal Holster, noch eine Person befand sich im Raum. Verborgen im Halbdunklen einer Ecke, stumm und beinahe regungslos, beobachtete sie ihn. Er spürte den Hass, der von dem Mann ausging. Cale wusste, mit wem er es zu tun hatte, Chris! Er hätte vor einigen Jahren einer von ihnen werden sollen, aber es war schief gelaufen und er war in die Dienste der Kirche getreten. Er war ein Beschützer geworden, der nun Calebs Fähigkeiten beinahe komplett blockierte, zum Wohle des Kardinals.
Kardinal Holster schaute Caleb starr in die Augen, unbeeindruckt von dessen Veränderung.
„Sie haben Diavolis zerstört, gratuliere, eine Glanzleistung.“
Gestellt applaudierte er.
„Wie können Sie es wagen“, Holsters Gesicht lief rot an, „diese eigenmächtigen Entscheidungen werden Ihnen Ihren Kopf kosten. Das Buch sollte zurückgebracht werden, so war es Ihnen befohlen.“
Caleb hatte Mühe sich zu konzentrieren. Er kämpfte gegen die Macht an, die in seinem Kopf wütete. Er wollte nicht zulassen, dass jemand ihn unterdrückte. Er bündelte all den Hass und die Gewalt, die ihm zur Verfügung stand, und versuchte sie gegen den Beschützer zu nutzen. Seine Augen funkelten bedrohlich, aber er spürte, dass er es lediglich schaffte, nicht völlig die Kontrolle über sich zu verlieren. Chris war gut, das hatten sie immer gewusst. Calebs Hand zitterte, als er sich damit durch die Haare strich aber mittlerweile war er verdammt gut.
„Ist Ihnen eigentlich bewusst was Sie da getan haben?“
Cale reagierte nicht, schaute dem Kardinal stur an und kämpfte gegen den Gegner in seinem Kopf.
„Unglaublich! Ihr Verhalten ist nicht zu entschuldigen. Sie geraten außer Kontrolle. So etwas werde ich nicht dulden können.“
Er hielt inne und schrieb etwas auf einen Zettel, den er dann zusammenfaltete.
„Bitte überbringen Sie diese Nachricht an den Vatikan. Sie können vom Nebenzimmer aus telefonieren, das Telefon ist sicher.“
Er hielt es Chris entgegen, der die Nachricht nahm und verschwand. In Caleb brannte das Verlangen ihn zu töten, doch er konnte sich nicht rühren.
Nachdem Chris die Tür hinter sich geschlossen hatte, fiel der Schmerz so plötzlich von Caleb ab, dass er taumelte und beinahe zusammenbrach. In diesem Moment tat der Kardinal etwas, womit Cale niemals gerechnet hätte, er stand auf, lief um den Tisch herum und griff Caleb unter den Arm. Er zog ihn auf einen Stuhl und kam mit seinem Gesicht ganz nahe an Calebs Ohr heran, dann flüsterte er: „Ich bin bemüht meine Hand schützend über dich zu halten, über euch alle, ob du mir glaubst oder nicht, ist dabei nicht wichtig aber meine Möglichkeiten sind begrenzt und nahezu ausgeschöpft. Chris wird gleich zurückkehren, darum …“
Er legte seine Hand auf Cales Brust und eine Flut von Bildern durchströmte sein Bewusstsein, die er nicht fassen konnte. Dann war alles vorbei und der Kardinal saß schon wieder hinter seinem Tisch, als der andere zurückkam.
„Caleb, Sie können ihre Existenz rechtfertigen, wenn Sie ab jetzt keine Fehler mehr machen und die letzten Heiligtümer finden, die noch verschwunden sind. Finden Sie vor allem die Monstranz, die Phiole, sie ist wichtig, das wissen Sie, und sollte so schnell wie möglich wieder in den Besitz des Vatikans gelangen. Sie ist gefährlich und könnte in den falschen Händen der Menschheit erheblichen Schaden zufügen.“
Auch in den Händen der Kirche war dieses Artefakt eine Gefahr. Es gab kaum einen, der mit ihrer enormen Macht umzugehen wusste, aber Caleb schwieg.
Es war, als stünde er plötzlich wieder auf der Straße. Er wusste nicht mehr, wie er das Büro und das Gebäude verlassen hatte. Menschen eilten an ihm vorbei, in alle Richtungen. Er nahm es wie durch einen Schleier wahr. Die Realität war verschoben, er wandelte zwischen den Ebenen, es war gefährlich sich zwischen den Ebenen zu bewegen. Er musste nach Hause.
Niemand war da, als er die Stadtvilla betrat, alles war still, keine Bewegung im Haus zu spüren. Caleb schloss die Tür und ging hinauf in den ersten Stock um sich im Badezimmer das Gesicht mit eiskaltem Wasser zu waschen. Die Tropfen liefen an seinen Schläfen hinunter. Als er in den Spiegel starrte, sah er seine funkelnden Augen. Er war blass und zitterte, er war einem Zusammenbruch nahe, was geschah mit ihm? Er verlor sich. Caleb taumelte in sein Zimmer ohne in der Lage zu sein das Licht des Badezimmers auszuschalten. Er legte sich auf sein Bett und schloss die Augen.
Darla stand vor ihm, sie war so schön, so unglaublich schön, er wollte sie haben, sie besitzen. Das Lächeln dieses Mädchens hatte ihn schon beim ersten Mal verzaubert. Sie war der Grund, warum er in das Dorf zurückgekehrt war, was er sonst niemals tat, er kehrte nicht zurück, drehte sich nicht um. Er hätte sie sich nehmen können so wie er sich andere nahm, aber er wollte, dass sie ihm freiwillig folgte.
„ Herr, mein Vater bittet Euch heute Abend unser Gast zu sein.“ Sie hatte den Blick gesenkt, als sie zu ihm sprach. Ihre Stimme war so rein und klar wie das Wasser eines Baches und sie hatte keine Ahnung, dass er anders war. Er schaute auf sie herab und nahm ihr Kinn sanft in seine Hand um ihren Blick zu heben, sie sollte ihn ansehen. Er wusste, dass er einen gewissen Reiz auf Frauen ausübte. Er war jung und gut aussehend, groß, muskulös und von der Sonne gebräunt, sein Haar war kurz und seine Augen von einem klaren grün.
„ Sag deinem Vater, dass es mir eine Ehre ist, seine Einladung anzunehmen.“ Er lächelte.
Sie nickte beschämt und machte einen kleinen Knicks, dann rannte sie davon.
Es war schnell bekannt geworden, dass ein tapferer und ehrenwerter Krieger im Dorf war, Gabriel hatte dafür gesorgt und nun folgte die Einladung des Dorfoberhauptes, Darlas Vater.
Er betrat die Hütte, in der ein behagliches Feuer brannte und es wärmte seine durch unzählige Kämpfe geschundenen Glieder. Der Winter stand vor der Tür und brachte Kälte und Feuchtigkeit mit sich, längst verheilte Wunden schmerzten wieder.
Es war ein angenehmer Abend. Gute Speisen und verdünnter Wein wurden serviert und zur Unterhaltung spielte Darla auf einer kleinen Harfe und sang dazu. Lediglich die prüfenden, skeptischen Blicke ihrer Mutter störten seinen Frieden, er wusste, was sie war.
Er bekam Darla und spielte sogar mit dem Gedanken sesshaft zu werden. Die Hochzeit wurde groß gefeiert und er ließ eine Hütte für sie beide bauen, es fehlte ihr an nichts. Als der Frühling jedoch seine Arme um die Natur legte und die Sonne mit Kraft brannte, konnte Gabriel seine wahre Natur nicht mehr unterdrücken. Es zog ihn hinaus aufs Schlachtfeld und so folgte er einem Fürsten in den Krieg der wusste, mit wem er es zu tun hatte und ihn für seine Fähigkeiten großzügig entlohnte.
Die Truppen bestanden aus Wesen, die so waren wie er und sie zogen mordend und raubend durch das Land. Blut tränkte die Erde, mit der sie in Berührung kamen, sie hinterließen Schrecken und Verzweiflung.
Gabriel lernte immer mehr, wer er war, lernte, dass er etwas Anderes war, etwas mit enormen Fähigkeiten und Macht und Kraft. Im Land verbreitete sich die Kunde von den Dunklen Kriegern wie ein Lauffeuer und auch in den angrenzenden Ländern fürchtete man ihre Übergriffe. Boden und Besitz fielen dem Fürsten zu und Gabriel und seinesgleichen konnten ihren Durst nach Blut und Gewalt stillen und hatten teil an der Beute.
Als der Winter mit Schnee und Sturm einbrach, kehrte er zu seiner Frau zurück. Er kehrte in eine Welt zurück, die nicht seine war.
Darla überhäufte ihn mit Liebe und Gabriel konnte sie nicht erwidern. Es fiel ihm so unsagbar schwer sie gut zu behandeln, er war grob und kalt zu ihr, sie ertrug es, ohne zu klagen. Ihre Gefühle für ihn waren so ehrlich, wie er es nie zuvor bei einem Menschen erlebt hatte. Und er liebte sie von ganzem Herzen. Und für sie war er immer noch der ehrenwerte Krieger, der seine Dienste den Großherzogen und Königen anbot.
Der Frühling kam, nach einem langen harten Winter schien er die Welt wach zu küssen. Gabriel verließ seine junge Frau erneut und die Dunklen Krieger wüteten weiter, noch erbarmungsloser als zuvor. Sie waren übermächtig.
Es gruppierte sich eine Gegenwehr aus Wesen des Lichts und so wurden blutige Kämpfe geschlagen und auf beiden Seiten gab es große Verluste ohne, dass eine der beiden einen wirklichen Sieg davon tragen konnte.
Im Spätsommer wurde Gabriel verletzt. Obwohl seine Wunden eigentlich schnell und gut heilten, war diese Verletzung so schwerwiegend, dass er nicht mehr in der Lage war zu kämpfen, er ritt nach Hause. Als er den Weg zum Dorf entlang kam, sah er sie. Darla war gerade auf dem Feld, um bei der Ernte zu helfen. Das Licht der Sonne ließ ihr Haar golden schimmern und ihre Augen leuchteten, als sie ihn erblickte, er spürte ihre aufrichtige Liebe und Ergebenheit. Gabriel hielt sein Pferd an und stieg ab, versuchte sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen und zum ersten Mal war er froh hier zu sein und freute sich auf seine Frau. Sie warf sich ihm in die Arme und er nahm den leichten Duft von Pfirsich wahr. Seine Schmerzen waren jedoch so unbeschreiblich, dass er ihre Worte kaum mehr hörte. Dunkelheit umgab ihn von allen Seiten und er fühlte, wie sich die Realität verschob.
Tage später wachte er aus seiner Bewusstlosigkeit auf. Eine ältere Frau benetzte gerade seine Stirn mit einem feuchten Lappen. Als er klar sah, erkannte er seine Schwiegermutter, die in ihrer Bewegung innehielt und ihm direkt in die Augen schaute. Gabriel merkte, dass er sich verändert hatte. Er war zu schwach es zu unterdrücken und so schloss er einfach nur die Augen, in der Hoffnung sie würde es nicht mitbekommen.
„ Es wäre besser gewesen für uns alle, du hättest es nicht überlebt.“
Er vernahm ihre Stimme, sie klang kalt und hasserfüllt. „Deine Wunden haben sich entzündet und du hast viel Blut verloren, der Ritt hierher war zu lang.“
Er hörte, wie sie sich von ihm entfernte, spürte aber ihren Blick.
„ Nur aus Liebe zu meiner Tochter habe ich dein Leben gerettet, von mir aus hättest du verrecken können. Du hast sie nicht verdient, das wusste ich vom ersten Augenblick an, als du unser Haus betreten hast, ich wusste, dass du das Böse bringst.“
Er öffnete die Augen, sie stand nun wieder neben ihm.
„ Wenn du mir versprichst, meine Tochter besser zu behandeln als du es bisher getan hast verspreche ich dir, dass dein Geheimnis bei mir gut aufgehoben ist.“
Er wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus also nickte er nur und versank wieder in der tiefen Dunkelheit.
Sie war eine gute Heilerin und sorgte dafür, dass es ihm recht bald besser ging, wenn sie es auch vermied, seine Schmerzen allzu sehr zu lindern. Seine Wunde versorgte sie gut und auch die Zuneigung und Fürsorge seiner Frau halfen ihm nach wenigen Wochen wieder aufstehen zu können.
Er saß auf einem Stuhl, Darlas Mutter wusch die Verletzung mit einer Tinktur aus, die erbärmlich stank und unglaublich brannte. Sie beugte sich herunter und schaute ihm in die Augen.
„ Du hast Glück, dass du bist, was du bist, ein normaler Sterblicher hätte das nicht überlebt.“
Sie drückte das Tuch fest auf sein Fleisch, Gabriel stöhnte, in seinen Augen blitzte es auf. In diesem Moment trat Darla ins Haus, sie lachte und hielt einen Strauß Herbstblumen im Arm, den sie ihrer Mutter gab.
Gabriel war fasziniert von dieser Reinheit ihrer Empfindungen, die er in ihr sah, eine reine Seele. In der Nacht teilten sie das erste Mal seit seiner Rückkehr das Bett. Er versuchte zärtlich und zurückhaltend zu sein, es gelang ihm nicht. Sie weinte leise und er wusste, dass er Darla verletzte, immer und immer wieder, so drehte er sich zu ihr herüber und nahm sie in den Arm.
„ Es tut mir leid“, flüsterte er leise. „Darla, ich liebe dich und ich möchte dich nicht verlieren, bitte gib mir eine Chance mich zu ändern, hilf mir.“
„ Bleib bei mir, geh nicht wieder fort.“
Tränen liefen über ihre Wangen.
„ Lass uns eine Familie sein.“
Er sagte nichts, streichelte ihr nur sanft über das Haar. Konnte er es? Konnte er ein normales Leben führen?
„ Ich werde bleiben, vorerst, der Winter kommt und wird lang werden.“
Sie lagen schweigend da, dann schliefen sie ein.
Er erholte sich zusehends und bemühte sich ein normales Dasein zu führen, sich an dem Leben im Dorf zu beteiligen doch mit seinen Gedanken war er nicht anwesend. Auch empfand er die Zweifel, die ihm entgegen gebracht wurden und die Abneigung, man wollte ihn eigentlich nicht in der Gemeinschaft haben. Er sah in so viele Seelen und erkannte all die Lügen und Abartigkeiten der Dorfbewohner, die sie zu verbergen suchten. Der Wunsch seiner Natur nachzukommen, Blut zu fühlen, zu töten wurde unerträglich.
Bemüht seine Frau vor sich zu schützen zog er sich von ihr zurück. Trotz allem suchte sie seine Liebe, half ihm so gut es ging sich zurechtzufinden und wusste doch, dass sie ihn nicht würde halten können, er würde wieder in den Kampf ziehen.
In der Nacht bevor er aufbrechen wollte, wurde er durch einen gellenden Schrei geweckt. Gabriel schreckte hoch und konnte im Schein des Mondes drei Gestalten erkennen, die vor seinem Bett standen. Er erkannte seinen Schwiegervater, seinen Schwager und den Dorfpriester. Sie hatten Darla in ihre Mitte genommen und ihr Bruder hielt ihr ein Messer an den Hals.
„ Du bist die Hure eines Dämons!“ Darlas Vater zischte die Worte seiner Tochter entgegen. „Ich werde nicht zulassen, dass du die Brut des Bösen austrägst!“
Der Bruder schnitt ihr die Kehle durch.
Caleb schrie vor Schmerzen, sein Kopf schien zu explodieren. Er hatte sich verwandelt und in seinen Augen loderten die Feuer der Verdammnis. Er war fast wahnsinnig, zitterte am ganzen Körper. Die Tür wurde aufgestoßen und Mia kam herein. Sie sah ihn an und wusste, dass es für sie sehr gefährlich werden konnte, sich ihm jetzt zu nähern. Er war zwischen die Ebenen geraten.
Sie sprach leise zu ihm, behielt jedoch einen gewissen Abstand. Er hörte ihre Stimme, tauchte langsam auf, auf aus seinen Erinnerungen, die seine und doch nicht seine waren. Schmerzende Erinnerungen, die er als Schuld in seiner Seele mit sich trug und die sich von Zeit zu Zeit entluden, mit abgrundtiefem Hass.
„Lass mich in Ruhe!“
Er wollte, dass Mia ging. Schweiß rann seinen Rücken herunter, er schlug ihre Hand weg, die sie behutsam auf seinen Arm gelegt hatte.
„Geh!“
Seine Augen funkelten, das Grün war von übernatürlicher Intensität, seine Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Er sah, wie das Blut durch ihre Venen floss, er hörte das Rauschen und er hörte ihr Herz laut und schnell schlagen, fühlte ihre Angst und ihr Kraft, dabei musste doch gerade sie verstehen. Es dürstete ihm nach Blut, so wie damals wollte er töten, seinem Urinstinkt folgen.
Er hatte erst Darlas Familie getötet und war dann im Blutrausch durch das Dorf gezogen, hatte niemanden verschont. Sie hatten ihm seine Frau genommen und sein Baby, das in ihr heranwuchs und er hatte sich dafür gerächt. An seiner Schwiegermutter, der Hexe, die es gesehen hatte. Die gesehen hatte was in dem Leib ihrer Tochter für ein Knabe wuchs und ihr Versprechen gebrochen hatte. An seinem Schwiegervater, der den Tod seiner Tochter als einzige Lösung gesehen hatte, das Böse abzuwenden. An seinem Schwager, der die Klinge des Messers in den Hals seiner eignen Schwester gestoßen hatte. An der Welt, die verhindert hatte, dass er ein normales Leben führen konnte.
„Ich werde nicht gehen, du hast das ganze Haus zusammen geschrien und ich würde gerne wissen, was mit dir los ist!“ Er stieß sie zur Seite und verschwand.
Caleb stand im Bad und übergab sich. Langsam ließ die Anspannung nach. Er wischte sich den Mund ab und setzte sich auf den Boden. Langsam beruhigte er sich. Als er aus dem Badezimmer kam, stand Mia davor, besorgt schaute sie ihn an. „Es ist alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen, ich bekomme das wieder hin. Ich muss weg, warte nicht auf mich.“
Er ließ sie stehen und verließ das Haus.
Natascha saß an ihrem Schreibtisch und überlegte schon seit einer halben Ewigkeit, ob sie wirklich mit dem Professor in Verbindung treten sollte, was machte sie so sicher, dass er ihr helfen konnte? Sie starrte auf die Startseite vom Berliner Telefonbuch, das sie aufforderte den Namen des gesuchten Teilnehmers einzugeben. Null Treffer, sie hatte es schon versucht. Tom kam herein und stellte ihr eine Tasse mit dampfendem Kaffee vor die Nase, dabei schaute er ihr über die Schulter.
„Hey cool, als ich vor einer Stunde ging, hast du auch schon auf den Bildschirm gestarrt. Ich gebe dir mal den Tipp einen Namen einzugeben, mit purer Willenskraft wirst du es nämlich nicht schaffen eine Telefonnummer heraus zu finden.“ „Scherzkeks, habe ich schon versucht, kein einziger Treffer.“
„Willst du eine verflossene Liebe ausfindig machen oder was?“
Natascha druckste ein wenig herum, sie wollte niemandem von ihrer vagen Idee erzählen, es war zu idiotisch.
„Keine verflossene Liebe “, sie schüttelte den Kopf, „einen alten Professor, der mich mal unterrichtet hat“, log sie. „Ich habe ein paar Fragen an ihn, außerdem wäre es sehr nett ihn wieder zu sehen. Er soll jetzt in Berlin leben, steht aber nicht im Telefonbuch.“
„Du weißt also nicht mal wo er wohnt?“
Tom nickte verschwörerisch, dann kniff er die Augen zusammen und runzelte die Stirn.
„Vielleicht sollte Sherlock 'Tom' Holmes sich der Sache mal annehmen. Watson geben sie mir den Namen des Gesuchten und vielleicht das Geburtsdatum!“
Natascha musste lächeln, Tom war ein Kindskopf. Sie schrieb jedoch Vor- und Zunamen auf ein Notizblatt, der Professor musste jetzt so um die 70 sein, mehr wusste sie nicht. Sie reichte es ihm herüber. Er verschwand zu seinem Schreibtisch und griff zum Telefon.
„Hab ihn Watson!“
Tom stand wieder neben ihr. Etwa zwanzig Minuten waren vergangen und er legte Natascha einen Computerausdruck hin. Da war es, Adresse, Telefonnummer.
„Wie hast du das gemacht?“
„LEA-Anfrage, wenn er hier wohnt, sollte man meinen, dass er beim Landeseinwohneramt gemeldet ist.“
„Wie bitte?“ Sie schaute ihn verwirrt an.
„Mit der Adresse vom Landeseinwohneramt und dem Namen kann man, wenn man dazu befugt ist, bei den Telefongesellschaften nachfragen, ob der Patient einen Telefonanschluss hat und wie die Nummer lautet. Ich habe es auf dem 'kleinen Dienstweg' gemacht. Ich kenne eine Dame bei einer dieser Gesellschaften, die mich, wenn man es so ausdrücken will, sehr nett findet. Sie war mir einen Gefallen schuldig. Alte Leute sind meist beim größten deutschen Telefonanbieter. Daher dachte ich, dass es gut passt. Kennt man keine nette Dame, dauert es ein wenig länger aber, das Resultat zählt, eh voilà!“
Mit Stolz geschwellter Brust stand er da.
„Oh Tom, ich danke dir, großartig.“
Natascha sprang auf und gab Tom einen Kuss auf die Wange, sie griff ihren Mantel und ihre Tasche und verschwand schnell aus dem Büro und dem Gebäude. Sie wollte den Professor anrufen, jedoch von einem neutralen Ort aus und so lief sie die Straße entlang bis zu einem Café, in das sie sich setzte.
Als sie ihren Espresso-Milchkaffee bekommen hatte, starrte sie aus dem Fenster und griff dann beherzt zu ihrem Handy. Was sollte schon passieren, es war einen Versuch wert. Ihr Herz pochte bis zum Hals, als sie die Nummer wählte.
„Ja?“
Es war die Stimme eines alten Mannes.
„Guten Tag, mein Name ist Natascha Schiernow. Ich bin auf der Suche nach Professor Wickel und hoffe, dass ich bei Ihnen richtig bin.“
Stille am anderen Ende der Leitung, dann kam eine zögerliche Reaktion.
„Was wollen Sie von dem Professor?“
Er war es, sie war sich sicher.
„Professor, ich bin Kunsthistorikerin und brauche Ihre Hilfe.“
Der Mann lachte auf. „Meine Hilfe? Ich bin zu alt, um noch jemandem zu helfen, lassen Sie mich in Ruhe.“
„Professor, bitte, ich glaube Ihnen. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die morden und rauben und viel Unheil über Welt bringen werden, all das, was Sie immer behauptet haben. Ich glaube, dass Sie recht haben. Ich glaube, dass sie momentan ihr Unwesen treiben und wertvolle, unglaublich einzigartige kunsthistorische Stücke in ihren Besitz bringen und töten.“
Sie hatte ausgesprochen, was in ihrem Kopf Form angenommen hatte, was sie aber erst jetzt in Worte fassen konnte, ohne es geplant zu haben.
Sie glaubte schon er habe aufgelegt, als er mit fester Stimme zu ihr sprach: „Wie gesagt, ich kann Ihnen nicht helfen.“
„Bitte!“ Sie schrie beinahe in das Telefon.
Ein paar andere Gäste schauten sie an, sie lächelte ihnen zu und senkte ihre Stimme.
„Bitte, Sie sind der Einzige, von dem ich glaube, dass er mir helfen kann. Ich bin einer Sache auf der Spur. Vielleicht haben Sie durch die Presse schon von den „Kunstmördern" gehört, ich glaube, da steckt mehr dahinter, als die Polizei glaubt. Ich bin denen begegnet, ich habe einem Auge in Auge gegenübergestanden und geglaubt er würde mich töten. Er war anders, ich träume seitdem jede Nacht davon und bange um mein Leben. Professor Sie müssen mit mir reden.“
Natascha merkte erst jetzt, dass sie wirklich wahnsinnige Angst um ihr Leben hatte. Die Erinnerungen an den Abend ließen sie nicht los und sie hatte das Gefühl, dass sie etwas beobachten.
„Ist jetzt die Zeit also gekommen? Fräulein, wenn Sie tatsächlich recht haben und ich Ihnen weiterhelfen könnte, bewegen Sie sich auf ziemlich gefährlichem Gebiet. Wenn Sie jedoch von der Presse sind und nur einen reißerischen Bericht schreiben wollen, sollten Sie mich in Ruhe lassen.“ Natascha war den Tränen nahe vor Wut. Es erschien ihr nun, da sie sich ihre Angst eingestanden hatte, umso wichtiger den Professor zu treffen. Flehend versuchte sie es nochmals: „Bitte Professor, Sie müssen mir glauben, ich bin nicht von der Presse. Ich habe einige Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht, seriösen Fachzeitschriften, die sich alle ausschließlich mit der Kunsthistorie des Christentums beschäftigen aber dieses Gespräch mit Ihnen dient nicht zur allgemeinen Belustigung, es geht um so viel mehr …“
Sie konnte nicht mehr, ihre Stimme versagte.
„Ich muss etwas über die Gegenstände erfahren, nach denen Sie geforscht haben, über diese Leute.“
„Also gut“, Natascha glaubte kaum, was sie hörte, „ich werde Sie treffen. Kommen Sie am Mittwoch zu mir, 13 Uhr. Ich gebe Ihnen meine Adresse und zu niemandem ein Wort, und Sie müssen mir noch erklären, wie sie an meine Telefonnummer gekommen sind. Ich werde Ihnen ein paar Unterlagen zusammenstellen, die Sie dann mitnehmen können.“
„Großer Gott, ich danke Ihnen.“
„Passen Sie auf sich auf und das ist keine dahingesagte Floskel zum Abschied.“
Er legte auf.
Caleb fuhr ziellos durch die Stadt, er versuchte seine Gedanken zu ordnen. In seine Überlegungen mischten sich immer wieder die Bilder, die er gesehen hatte, als der Kardinal ihn berührt hatte, aber er konnte sie nicht deuten. Er glaubte nicht, dass Holster einer von ihnen war. Seltsam, aber egal wie, stand er wirklich auf ihrer Seite? Die Monstranz, sie musste gefunden werden, aber wie? Wo war sie? LeValet hatte es nicht gewusst und auch er hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er es spüren würde, wenn jemand sie benutzte, dazu sollte es jedoch nicht kommen.
Sein Weg führte ihn wie zufällig zum Raven. Dort angekommen veränderte er sich und eine Last schien von ihm zu fallen. Es war schwer für ihn sein menschliches Erscheinungsbild aufrecht zu halten und sein wahres Ich zu verbergen, hier war er frei. Er ging zur Bar und bestellte sich einen Drink, dann setzte er sich und wurde ruhiger. Er war jetzt in der Anderen Ebene.
Wenig später trat Damian an ihn heran, ihm gehörte der Club, und er setzte sich mit an den Tisch.
„Deine kleine Freundin hat heute wieder einen Besucher mitgebracht.“
Er deutete mit einem Nicken zu einem Tisch der abseits stand. Sarah unterhielt sich dort mit einem Mann, der sich neugierig umschaute. Caleb tauchte in den Kerl hinein und spürte die Abgründe seiner Seele, er zuckte leicht zusammen. „Ich glaube nicht, dass er der geeignete Besucher für das Raven ist. Vielleicht solltest du dich darum kümmern. Er wurde auf Sarahs Drängen rein gelassen, du weißt, wie sie ist und was ich meine. Wenn sie so weiter macht, werde ich ihr Hausverbot erteilen müssen, sie benimmt sich absolut gegen die Regeln.“
Damian stand auf und verbeugte sich leicht.
„Sie ist deine Angelegenheit, er übrigens auch. Er ist Journalist, falls es dich interessiert.“
Dann ging er.
Wenig begeistert trank Caleb sein Glas leer und holte sich einen weiteren Drink, er beobachtete Sarah. Ihr Blick war glasig, ihre Bewegungen langsam. Sie machte ihm viel zu viel Ärger, aber sie war ihm auch durchaus nützlich. Nun gut, er würde sich um den Journalisten kümmern, er war sowieso in der Stimmung ein wenig Unheil anzurichten.
Sarah stand auf und verschwand in der Damentoilette, dabei musste sie an seinem Platz vorbei und warf ihm ein kokettes Lächeln zu. Wenig später folgte ihr der Journalist. Als er wieder auftauchte, nahm er schnell seine Jacke und legte ein paar Euro auf den Tresen, dann verließ er den Club. Caleb würde ihm folgen ohne, dass der Andere etwas merken würde.
Es war noch nicht sehr spät aber schon dunkel. Die Wege wurden durch Laternen und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos erleuchtet. Der Journalist ging durch die Straße, in der das Raven lag, und bog dann in eine kleinere Nebenstraße ab. Zwischendurch schaute er sich unsicher um, bemerkte aber niemanden, dann verschwand er zwischen den Häusern.
Caleb folgte ihm schnell. Er sah, wie der Journalist in seine Tasche griff und etwas heraus zog. Schon stand er neben ihm, gerade als dieser eine Nummer in sein Handy eintippte. Caleb sah das Fiese, Schmierige und Verlogene, das in der Seele des Mannes steckte und sog alles in sich auf.
„Was hast du vor?“
Seine Stimme war hart und kalt, sein Gesicht spiegelte keine Emotionen wider. Erschrocken drehte sich der Journalist um. „Man hast du mich erschreckt. Hey, ich habe dich in diesem Freakclub gesehen.“ Er grinste fies. „Na was glaubst du, was ich mache, jetzt, nachdem ich so unglaubliche Sachen gesehen habe, die Kleine ist ne echte Kanone.“
Caleb veränderte sich vollständig und das Grinsen verschwand aus dem Gesicht des Journalisten. Er ließ sein Handy fallen und wollte davon laufen, doch Cale packte ihn blitzschnell und schlug ihm hart ins Gesicht, sein Gegenüber taumelte. Zorn und Wut flammten in dem Mann auf, er verpasste Caleb einen Kinnhaken. Die Wucht des Schlages war erstaunlich und Caleb war ehrlich überrascht.
„Ah, du kämpfst um dein Leben, schade, dass du verlieren wirst.“
Er versetzte dem Journalisten einen Schlag gegen die Schläfe, sodass dieser das Gleichgewicht verlor. Noch bevor er zu Boden gegangen war, hatte Cale ihn am Arm gepackt und zog ihn wieder auf die Beine, um ihm einen weiteren Hieb zu verpassen. Er ließ ihn los und der Mann rutschte wie in Zeitlupe an einer Hauswand zu Boden. Er versuchte sein Handy zu erreichen. Zitternd schob er sich vor, doch es gelang ihm nicht.
Dann neigte sich Caleb zu ihm herunter. Er roch das Blut und schloss kurz die Augen.
Ah, Wut und Hass, er flüsterte: „Ich glaube nicht, dass du noch viel Gelegenheit haben wirst zu telefonieren.“
Er schlug zu, wieder und wieder, ließ den Kerl keine Luft holen, er wollte Blut, er wollte zerstören, verletzen, er wollte töten, töten! Er ließ ihm keine Chance mehr zur Gegenwehr. Wieder und wieder schlug er auf den Mann ein, es tat gut, bis dieser reglos am Boden lag, blutüberströmt, dann brach er ihm das Genick.
Caleb zog die Brieftasche seines Opfers aus dessen Jackentasche und durchsuchte sie. Er fand einen Presseausweis, Damian hatte recht gehabt. Gabriel warf alles achtlos neben den toten Körper, nahm seine menschliche Gestalt an und kehrte ins Raven zurück.
Sarah hockte ein Stück vom Eingang entfernt und rauchte eine Zigarette. Er ging auf sie zu und verwandelte sich.
„Was fällt dir eigentlich ein?“ Seine Stimme war eisig.
Er kniff die Augen zusammen und zog sie unsanft auf die Beine. Cale spürte ihren warmen Atem, grob hielt er sie am Handgelenk fest.
„Er war von der Presse!“, zischte er.
Sie schaute ihn an und schmunzelte: „Ich weiß“, ihre blauen Augen blitzten auf, „und, wo ist das Problem?“
„Das Problem ist, dass er wusste, was wir sind und ich denke mal, du hast es ihm gezeigt, spinnst du?“
„Was hätte er denn machen sollen? Einen Artikel schreiben, über den die Stadt lacht? Ich wollte meinen Spaß und den hatte ich. Es hätte ihm doch niemand geglaubt bis auf ein paar Spinner.“
Sie zog an ihrer Zigarette und schmiegte ihren Kopf an seine Brust.
„Gabriel, ich vermisse dich“, säuselte sie.
Er spürte ihr Verlangen, das sie fast immer begleitete. Er ließ sie los und packte sie an den Schultern.
„Sarah, es geht nicht um die Leute die nicht wissen, dass wir existieren, es geht um die Leute die es wissen und uns suchen. Das Raven als Selbstbedienungsladen?“, fragte er. Sie schluckte.
„Daran hatte ich nicht gedacht.“
Bestürzt schaute sie ihn an.
„Es tut mir leid“, sagte sie leise und warf ihre Zigarette zu Boden. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Er nahm sie in den Arm, irgendwann würde sie ihm den Kopf kosten das wusste er.
Caleb fuhr Sarah nach Hause, hielt vor der Tür und wollte eigentlich gleich weiter fahren. Sie küsste ihn leidenschaftlich, strich ihm durchs Haar und stieg aus. Er wartete, bis Nathan die Tür öffnete und startete den Motor seines Wagens. Sein Freund kam jedoch schnell zu ihm gelaufen und bedeutete ihm die Scheibe herunterzulassen. Er wollte jetzt nicht mit ihm reden, er würde es müssen, ihm von Holster und den Bildern erzählen, von seinen Gefühlen und seiner Wut aber nicht jetzt. Er ließ die Seitenscheibe trotzdem herunter und der Priester lehnte sich hinein. „Danke, war es schlimm?“
„Nein, du weißt wie sie ist. Wir reden später O.K.?“
Nathan nickte, drehte sich um und kehrte zum Haus zurück.
Caleb wusch sich das Blut von den Händen. Die Knöchel waren geschwollen und aufgeschlagen. Er zog sich um, dann nahm er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ging in den Garten hinaus. Er setzte sich auf die Bank am Wasserlauf, zündete sich eine Zigarette an und öffnete die Flasche mit dem Feuerzeug. Er trank das Bier zur Hälfte aus und legte den Kopf in den Nacken. Der Mond schimmerte hinter dunklen Wolken hervor. Es war kalt, aber er spürte es nicht, er schloss die Augen.
„Hey erträgst du Gesellschaft?“
Caleb hatte gefühlt, dass er kam. Die Abneigung gegen ihn die Wut und der Hass die Josh für ihn empfand, schlug ihm schon von Weitem entgegen aber auch die Liebe, die er für seinen kleinen Bruder trotz allem empfand. Joshua trat in das Licht der Gartenlaterne und wartete auf eine Antwort. Er machte Platz für seinen Bruder, der sich neben ihn setzte.
„Mia hat gesagt es geht dir nicht gut.“
„Es ist alles in Ordnung.“
Er schaute wieder zum Himmel.
„Sie macht sich echt Sorgen.“
Cale lachte trocken. „Ich habe doch gesagt, dass alles in Ordnung ist“, antwortete er ungehalten.
Sie schwiegen sich an. Er fühlte, dass Josh sich auch Sorgen um ihn machte, auch wenn dieser es niemals zugeben würde. Die Nacht war wunderbar, er liebte die Nacht, das war seine Zeit, seine Dunkelheit.
„Ich habe mit Mutter telefoniert.“ Joshua schaute zu ihm rüber. „Mia hat ihr erzählt, dass du hier bist und sie würde sich freuen, wenn du sie besuchst, sie hat Sehnsucht nach dir.“
In Calebs Augen blitzte es auf und er wusste, dass es seinen Bruder anwiderte, ihn so zu sehen.
„Vergiss es!“, zischte er.
„Man, sie ist deine Mutter, glaubst du nicht, dass du es ihr schuldig bist, sie mal zu besuchen, du warst fast ein Jahr verschwunden.“
„Ich bin ihr gar nichts schuldig!“ Caleb stand auf und wollte gehen.
„Caleb setze dich wieder hin, ich will mit dir reden bitte!“
Caleb zögerte, die Gefühle seines Bruders waren so widersprüchlich. Er spürte, dass Josh mit sich kämpfte, er fühlte die Unsicherheit, die er in sich trug.
„Ist schon in Ordnung, vergiss es.“ Er verstummte und schien sich seine Worte zurechtzulegen, dann sprach er weiter: „Ich werde Vater fragen, ob er mir Geld für die Firma gibt, ich gehe pleite, wenn ich nicht einen Investor finde. Ich habe eine Quelle aufgetan, aber dafür brauche ich finanzielle Unterstützung.“
Caleb setzte sich nun doch. Er wusste, was dieser Schritt für Joshua bedeutete.
„Ich weiß nicht ob es die richtige Entscheidung ist, aber ich habe keine andere Wahl. Ich wollte einfach mit jemandem darüber reden. Mia weiß nichts davon, ich will sie nicht unnötig beunruhigen.“
„Ich kann dir nicht helfen. Ich kann dir nichts geben, ich habe nichts. Wenn du meinst, versuche es bei Richard aber ich glaube nicht, dass du etwas von ihm bekommen wirst. Aber du solltest es deiner Frau erzählen, sie hat ein Recht zu erfahren, wie es um Euch steht.“
„Schön, dass du weißt, wie ich mit meiner Frau umzugehen habe.“
Caleb spürte, wie der Zorn in Josh die Oberhand gewann, jener Zorn, den er für seinen jüngeren Bruder seit langer Zeit in sich trug.
„Ich denke unser Gespräch ist beendet.“ Caleb erhob sich abermals und ging ein paar Schritte.
„Es ist schwer für mich nur die zweite Wahl zu sein.“
Die Worte seines Bruders veranlassten ihn stehen zu bleiben, er drehte sich jedoch nicht um.
„Sie konnte dich nicht kriegen und hat mich dafür genommen.“
„Sie wollte mich nie!“
Caleb war es leid, nun drehte er sich zu seinem Bruder um und funkelte ihn an.
„Und ich wollte sie auch nie.“
Joshua hatte den Kopf gesenkt und redete leise, mehr zu sich selbst: „Da bin ich mir nicht so sicher.“
„Ich glaube ich hätte es gemerkt, oder?“ Es tat ihm irgendwie weh.
„Glaube was du willst, aber lass mich in Ruhe! Wir können kein Gespräch miteinander führen, ohne dass du ausrastest, es kotzt mich an.“
Er ging und ließ seinen Bruder zurück.