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3. Kapitel

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Dass selbst alltägliche Dinge mit Danjal kompliziert werden konnten, merkte Jenna wenig später. Da sie nun wieder zu dritt wohnten, mussten die Vorräte aufgestockt werden. Aber bereits die Wahl des Supermarktes löste eine Diskussion aus.

„Was hast du denn dagegen? Wir bekommen dort alles. Er ist groß und gut sortierte.“

„Aber ein Discounter?“ Danjal machte ein angewidertes Gesicht.

„Wo willst du denn hin?“

„KaDeWe.“

„Sicher, damit wir für 12 Rollen Klopapier 20,- € bezahlen.“

„So teuer ist das dort nicht.“

„Das war ironisch gemeint.“

„Das weiß ich.“

„Danjal, ich bin ein ganz normaler Mensch, mit einem normalen Einkommen.“

„Aber ich nicht.“

„Ist mir bekannt. Bitte lass uns jetzt dort hin!“

Sie hatte sich durchgesetzt, ohne zu ahnen, dass die Probleme gleich in der Obst- und Gemüseabteilung weitergehen würden, und die befand sich direkt hinter dem Eingang.

Jenna war dabei Äpfel in eine Plastiktüte zu stecken, als sie ein südländisch aussehenden Mann grob zur Seite drängelte, sodass ihr das Obst aus der Hand fiel.

„In ilaa!“, zischte der.

Danjal, den schon die Parkplatzsituation genervt hatte, baute sich vor dem Kerl auf und sagte:

„Wakan dhtk waquha! Aietadhar abn hamar!“

Ein Wort gab das andere, aber Jenna verstand die beiden nicht, glaubte, dass sie Arabisch sprachen. Es hörte sich auf jeden Fall nicht freundlich an, obwohl sie wusste, dass selbst das Vorlesen des Wetterberichts in dieser Sprache wie eine Drohung klingen konnte. Danjals Augen funkelten und das Gesicht des Mannes war rot. Der Fremde würde den Kürzeren ziehen. Der dunkle Nebel schob sich vor Danjals Augen.

„Nicht Danjal, das bringt doch nichts“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

Ihre Hand schüttelte er ab und nur mit Widerwillen ließ er den Mann in Ruhe. Das Gefühl von wortwörtlich dicker Luft, als hätte man Danjals Macht greifen können, verschwand. Die umher stehenden Menschen widmeten sich wieder ihren Einkäufen, bereits vergessend, dass sie eben noch gegafft hatten.

Danjal sprach noch einen letzten Satz zu dem Mann. Was auch immer es war, was auch immer er gesagt hatte, was auch immer der Mann in IHM sah, er reagierte mit Entsetzen und entschuldigte sich bei ihr.

„Arabisch?“, fragte Jen und sie bogen in den Gang mit dem Brot ab.

Danjal nickte.

„Was hat er gesagt?“

„Das willst du nicht wissen.“

„Und was hast du gesagt?“

„Das willst du erst recht nicht wissen.“

Johannes und Ellen waren herübergekommen, wenig später war Sven zu ihnen gestoßen. Er hatte Jenna überschwänglich begrüßt und Louisa fest in den Arm genommen, Ellen mit freundlichen Worten in eine kurze Unterhaltung über die Gesundheit verwickelt und Johannes die Hand gereicht. Danjal war er zurückhaltend begegnet und offensichtlich froh darüber gewesen, dass der Pfarrer ihn umgehend um ein Gespräch bat.

Ellen und Louisa richteten das Zimmer des Mädchens her und sie verstaute mit Danjal die Einkäufe.

„Wie geht es ihr?“

„Louisa?“

Jen nickte.

„Keine Ahnung, es wird.“

„Du tust so gleichgültig, aber das ist es dir nicht, das weiß ich.“

Er zuckte mit den Schultern.

„Was wird jetzt geschehen?“

„Wir werden sehen und abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.“

„Du weißt mehr, als du zugibst.“

„Natürlich tue ich das. Ich würde dich enttäuschen, wenn es nicht so wäre.“

„Danjal ich muss dir noch etwas sagen, Johannes und ich arbeiten irgendwie mit den Arsaten zusammen.“

Er biss die Zähne so stark aufeinander, dass Jenna die Wangenmuskeln arbeiten sehen konnte.

„Ist doch kein Problem. Du kannst machen, was du willst.“ Er lächelte verkrampft.

„Ich will mich auch nicht dafür entschuldigen, ich will nur, dass du es weißt.“ Sie nahm ihm die Milch aus der Hand und stellte sie in den Schrank.

„Da habt ihr euch ja ein tolles Ziel ausgesucht“, sagte Sven, als sie gemeinsam mit Danjal im Garten standen und ein Glas Wein tranken. „Javid Bahar, ich kenne niemanden, der sich so gut nach allen Seiten absichert, wie er. Aber jeder hat eine Schwachstelle und die werde ich finden.“

„Javid Bahar?“ Danjal runzelte die Stirn. „Der Abkömmling des Aeshma?“

Jen sah ihn an. „Sag nicht, dass du ihn kennst.“

„Den Sohn des Dämons der Gier? Nein, woher sollte ich?“

„Weil du sie alle gekannt hast, Alin“, bei ihrem Namen zuckte Danjal zusammen, „die Ker-Zwillinge, nur Aidan, den vielleicht Harmlosesten, den kanntest du nicht.“

„Harmlos war er nicht, nicht für euch.“

„Ich werde mich wohl nie an diese Art von Gespräche gewöhnen.“ Sven schüttelte den Kopf.

„Also was, kennst du ihn nun oder nicht.“

„Ich kennen ihn.“

„Wirst du uns helfen?“

„Ich denke ihr habt andere Sorgen, als jemanden wie ihn zu verfolgen.“

„Ich denke, er gehört zu unseren Sorgen dazu.“

Danjal würde es tunlichst vermeiden Jen und dem Jäger und gar den Arsaten zu helfen Javid auszulöschen. Er gewann viel zu viel durch ihn.

Bahar gab den Menschen Geld, Wohlstand, Ansehen, Einfluss nahm ihnen dafür aber ein Stück ihrer selbst. Er steigerte ihre Gier ins Unermessliche und kaum einer ging unbeschadet aus dieser Geschäftsverbindung heraus. Es trieb sie in den Wahnsinn.

Um eine Antwort auf Jennas Frage kam er herum, weil Louisa ihren Kopf durch die Terrassentür schob und ihnen zurief, dass das Abendessen fertig sei.

Sven verabschiedete sich, er wollte Vorbereitungen treffen.

Für einen Außenstehenden musste es den Anschein eines netten Zusammenkommens von Freunden erwecken, tatsächlich war die Stimmung angespannt. Die Gespräche liefen schleppend und wirkten erzwungen und Jen konnte die Blicke spüren, die auf Danjal ruhten.

Irgendwann legte der sein Besteck zur Seite und sah auf.

„Was?! Worauf wartet ihr? Ich werde nicht plötzlich erstrahlen und mir werden auch keine großen weißen Flügel wachsen!“

Peinliches Schweigen entstand.

„Na ich warte eher darauf, dass sich die Erde öffnet und du im Höllenschlund verschwindest“, sagte Ellen schließlich und lächelte. „Noch ein wenig Salat?“ Sie schob ihm die Schüssel rüber.

„Dann nehme ich Sie aber mit.“

„Bitteschön, meine alten Glieder könnten Wärme vertragen.“

Danjal hatte Ellens spitze Bemerkungen vermisste.

„Und“, hatte er zu Jen gesagt, „mir fehlt Elias. Wir hatten immer so viel Spaß miteinander.“

„Jetzt hast du Johannes.“

Er hatte aufgelacht. „Kein Vergleich. Aber vielleicht sollte ich mich mit ihm auch mal schlagen und seine Liebe des Lebens töten, zwei Mal, und ihn zum Krüppel machen. Vielleicht vertieft das unsere Beziehung.“

Eine Zeit lang hatte sie eine Erklärung gesucht, wie, und da konnte sie sich selbst nicht ausnehmen, er es trotzdem schaffte, dass man sich auf die ein oder andere Weise zu ihm hingezogen fühlte. Nie hatte sie sie gefunden. Wie würde zum Beispiel Sven reagieren, wenn er die Wahrheit über den Tod seines Bruders erfahren würde?

„Das ist das Dämonische und das Göttliche an ihm“, sagte Louisa plötzlich.

Das Mädchen stand neben ihr und beobachtete die Männer ebenfalls.

„Hast du gesehen, dass ich neue Vorhänge in meinem Zimmer habe? Ellen hat sie genäht, gelb mit rotem Mohn.“

„Äh nein, habe ich nicht gesehen.“

„Komm mit, ich zeige sie dir.“ Louisa zog sie weg.

Sie waren wirklich hübsch, aber mit den Gedanken hing Jen noch an der Äußerung des Mädchens.

„Und sie will mir noch eine passende Tagesdecke nähen. Es ist doch schön wieder hier zu sein. Und für den Winter will sie mir auch etwas machen. Magst du den Winter? Ich schon. Ich mag jede Jahreszeit.“ Und zu sich selber sagte sie. „Nein es ist in Ordnung, ich brauche sie nicht, wenn er da ist.“

Jen schloss kurz die Augen und als sie sie öffnete, wusste sie, dass sie hoch musste zu Danjal.

„Sie sind wieder da“, flüsterte sie ihm zu und schaute in die Dunkelheit hinaus.

„Sie bleiben so lange, wie ich es möchte.“

„Sie gehören zu dir?“

„Sie wurden mir geschickt.“

„Oh mein Gott!“ Jen deutete in den Garten. „Du musst sie reinholen, wer weiß, was die mit ihr machen!“

„Sie werden gar nichts machen, außer ich befehle es ihnen.“

„Trotzdem! Danjal bitte!“

Und er ging durch die Terrassentür hinaus in den Garten wo Louisa stand und sich zu einem der Garme herunterbeugte.

„Sie sind wunderschön.“

„Über wunderschön würden sich einige mit dir streiten“, sagte er.

„So groß und ihr Fell, ihre Augen.“ Louisa streckte ihre Hand aus und der Garm knurrte.

„Es sind keine Schoßhündchen.“

„Ich weiß.“ Vorsichtig streichelte sie ihm über den Kopf. Er hörte auf zu knurren.

„Komm wieder mit zu den anderen. Sie bleiben vorerst hier. Du kannst noch ausgiebig mit ihnen schmusen, aber nur, wenn ich dabei bin.“

„Weiß Johannes, dass sie hier sind?“

Er schüttelte den Kopf. „Bisher nicht. Sie halten sich verborgen.“

„Louisa ist der sonderbarste Mensch, dem ich je begegnet bin“, sagte Jen, als sie neben ihm auf der Matratze lag.

„Hat irgendeiner mitbekommen, was im Garten geschehen ist?“

„Nein. Möchtest du nicht, dass Johannes von ihnen weiß?“

„Sagen wir ich möchte überflüssige Diskussionen vermeiden.“

„Du willst was? Sieht dir gar nicht ähnlich.“

„Du hast recht, ich warte nur auf den passenden Moment sie auf Mehner zu hetzen und da wäre es unklug, wenn er von ihnen wüsste und sich vorbereiten kann.“

Er grinste zwar, aber es lag Wahrheit in seinen Worten.

Und da waren wieder die Hände, die ihn packten. Kalt und fest war ihr Griff. Sie zogen ihn in die eine, dann in die andere Richtung. Er wehrte sich, stemmte sich dagegen, brüllte sie an ihn loszulassen. Seine Entscheidung stand fest! Es gab keine Wahl zu treffen, er gehörte zu Lilith! Immer, unumstößlich! Niemals würde er ihr gegenüber illoyal werden, niemals!

Und sie zerrten an ihm, wollten es nicht wahrhaben, wollten ihn für sich und für sich.

Danjal schlief unruhig und so fand Jen auch keine Ruhe. Sein Körper zuckt von Krämpfen gequält. Er sagte etwas, aber sie konnte es nicht verstehen. Sie versuchte ihn zu beruhigen, aber es brachte nichts. Erst als er ihre Hand griff und es sich anfühlte, als würde er sich an ihr festhalten, beruhigte er sich.

Johannes saß noch spät im Schein der Schreibtischlampe vor seinem Laptop. Er starrte auf die Worte der Mail, die er von Sebastian erhalten hatte. Sie mussten sich treffen, er sollte es sehen. Was sollte er sehen? Was hatten sie herausgefunden?

Der Älteste der Arsaten war ebenfalls der Ansicht Danjals Existenz müsse geschützt werden. Was aber, wenn ER zu alten Verhaltensweisen zurückkehrte? Was, wenn er wieder zu einer Bedrohung wurde?

Momentan beeinflusste Jenna Drescher SEIN Handeln. Was, wenn sie nicht mehr da oder von Interesse für IHN war? Wie würden sie überhaupt reagieren können?

ER war eine Zeitbombe und ER war der Abkömmling Lilths und Adams. Johannes hätte gerne einen Blick in die Zukunft geworfen.

Menschenseelen Teil 5 - Adam -

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