Читать книгу Menschenseelen Teil 5 - Adam - - S. N. Stone - Страница 6
4. Kapitel
ОглавлениеEs gefiel ihm Asifa zu beobachten, Asifa gefiel ihm.
Sie trug einen Krug zum Brunnen und unterhielt sich mit einer anderen Dienerin, die dabei war, ihren zu füllen. Sie bemerkte sehr wohl, dass er hier oben stand, denn ab und zu schaute sie auf und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, wenn sie den Blick wieder senkte.
Danjal hatte sie bereits angesprochen, nur um sich eine Abfuhr einzufangen.
„Sie spielt mit dir. Bist du so weit?“
Der kleine Junge, der dieses große Reich regierte, stand neben ihm und schob sich eine Bandage aus Leder über Hand und Unterarm.
„Anchesenamun sagt, Asifa hätte sich nach dir erkundigt.“
„So hat sie das?“
Gemeinsam gingen sie hinaus in den Garten und auf die Rückseite des Palastes.
„Oh ja, du bist bei den Frauen ein beliebtes Thema.“ Der Herrscher zwinkerte ihm zu. „Gib Acht, dass sie dich nicht eines Tages überwältigen und das Geheimnis aus dir herauspressen, wie du als Remetju eine so helle Haut haben kannst. Du hast Neider.“
Das, was die Menschen der schwarzen Erde mit Hilfe eines Lehmgemischs erreichen wollten, war ihm von Geburt an gegeben. Seine Mutter war nach ihrer Flucht in dieses Land gekommen und auch wenn er hier das Licht der Welt erblickt hatte, so war er doch eigentlich keiner von ihnen.
Der Kindkönig reichte ihm auch eine Bandage und die Eskorte, die sie auf der Balzjagd begleitete, schloss sich ihnen an.
Die Jagd war erfolgreich und amüsant gewesen, aber auch erschöpfend. Das Bad und die wohlduftenden Seifen lockerten seine Muskeln und spülten den Staub der Wege weg. Die anschließende Rasur seiner Körperbehaarung war lästig, aber das Salben mit ätherischen Ölen machte es wieder gut. Die Diener kleideten ihn in feinstes Leinen und schminkten seine Augen, legten ihm Schmuck an, von dem er die Hälfte später ablegte, weil er es nicht mochte.
Auf seinem Weg durch die Gänge begleitete ihn Kichern und Flüstern, wenn er an der ein oder anderen Gruppe Frauen vorbeiging. Ja er fiel auf, schon alleine wegen seiner Größe.
Aber Asifa ignorierte ihn, zumindest tat sie so. Er hatte sie im hinteren Teil des großen Säulensaals entdeckt und sich neben sie gestellt.
Tutanchamun, der Herrscher über Kemet, hatte seine Staatsgeschäfte noch nicht beendet. Trotz seiner vielen Termine und der eingeschobenen Jagd war er frisch und munter. Danjal beobachtete ihn.
„Allzu häufig wendet er sich an Eje“, sagte er.
Asifa hatte die Arme vor der Brust verschränkt und würdigte ihn keines Blickes, als sie antwortete. „Er ist sein Großwesir. Es ist Ejes Aufgabe ihn in seinen Geschäften zu unterstützen.“
„Zu unterstützen, nicht selbst zu regieren.“
„Ich stehe ihm ebenfalls skeptisch gegenüber, aber er hat seine Dienste schon unter Echnaton bewiesen und der Herrscher ist jung, viel zu jung um alleine regieren zu können.“
„Du machst dir Sorgen um ihn?“
„Anchesenamun macht sich Sorgen um ihn. Ich bin hier, um ihr zu berichten.“
„Also eine Spionin für die Große königliche Gemahlin.“
„Spionin für eine Freundin! Seid Ihr der Nächste, der den Herrscher für seine Machenschaften gewinnen möchte?“
„Ich weiß nicht, an welche Machenschaften du denkst, aber nein, ich bin hier um Spaß zu haben. Ich habe in diesem Fall keinerlei Interesse an irgendwelchen Aktivitäten.“
Sie nickte und sagte: „Wenn er Euch etwas wert ist, dann gebt gut auf ihn Acht.“
Die Versammlung löste sich auf und Asifa war verschwunden, als er wieder zur Seite sah. Er bezweifelte, dass sie sich aus rein persönlichen Gründen nach ihm erkundigt hatte.
Das anschließende Festmahl war von Üppigkeit geprägt. Die fremden Staatsmänner führten sich wie Götter auf und labten sich an den Speisen und Getränken. Der Wohlstand, in dem das Land schon so lange weilte, war in ihren Ländern nicht selbstverständlich. Kriege und Misswirtschaft hatten ihren Tribut gefordert. Neue Bündnisse waren geschlossen worden und neue Handelsabkommen würden folgen. Aber das war nichts, womit sich Danjal beschäftigen wollte. Diener und Dienerinnen räumten Speisen ab und brachten neue, schenkten Wein nach und Bier und Wasser, servierten Obst und Gebäck zum Nachtisch.
Und über allem thronte der gottgleiche kleine Junge mit roten Wangen von zu viel Alkohol. Achesenamun saß an seiner Seite, die hohen Gäste zu seinen Füßen.
Ein schüchterner Diener trat an Danjal heran. „Herr, der Per-aa verlangt nach euch.“ Gemäß der Sitten hatte er dort nichts zu suchen, gemäß seines eigentlichen Standes und seiner Herkunft stand er sogar über dem König, wusste er. Doch abermals rief sich Danjal ins Gedächtnis, dass dies momentan nichts zur Sache tat. So folgte er dem Boten.
„Weißt du was ich will?“ Tutanchamun schaute ihn mit weingetrübten Augen an. „Ich will in die Stadt!“
„Dann lasst euch eine Leibwache und Eskorte -“
„-Nein! Du und ich, niemand sonst.“
„Ihr braucht Schutz!“
„Wagst du es dich meinem Wunsch zu widersetzen?“
„Mit Verlaub ist es nicht das, was Ihr an mir schätzt?“
„Deine Ehrlichkeit und dass du keine Scheu vor mir hast? Ja das ist es.“
„Dann hört auf mich, es ist nicht ungefährlich. Auch wenn Euch Euer Volk anbetet, es gibt in den Straßen genug Gesindel.“
„Ich möchte mein Volk so erleben, wie es jeder normal Sterbliche erlebt. Du passt auf mich auf. Ich weiß, dass du das kannst. Wir werden uns umkleiden, wir werden sein wie jeder andere.“
Haremhab konnte nicht verstehen, was der König mit seinem neuen Freund besprach, aber er konnte Eje beobachten. Und er kannte den Wesir nur zu gut, um zu wissen, dass dieser ein Problem mit der Verbindung des jungen Herrschers zu dem Fremden hatte.
Gemeinsam mit dem Hohepriester waren sie die Stellvertreter des Königs, Haremhab wusste aber, dass sie unterschiedlicher Ansicht waren, wie weit ihre Unterstützung gehen sollte.
Solange der Fremde keine Bedrohung darstellte, sah er keine Veranlassung zum Einschreiten. Eje hätte am liebsten einen Spion auf ihn angesetzt.
Das würde auch nicht viel bringen, dachte der Oberbefehlshaber des Heeres, denn er selbst hatte natürlich eigene Nachforschungen angestellt, als dieser Mann aufgetaucht war. Etwas über ihn in Erfahrung hatte er nicht bringen können. Er verhielt sich seit seiner Ankunft tadellos. Eine Frage beschäftigte Haremhab trotzdem; wo war er hergekommen und wie hatte er das Vertrauen des Herrschers sofort gewinnen können?
Danjal wich kein Stück von der Seite des kleinen Königs. Obwohl er die Insignien des Herrschers abgelegt und sie die einfache Kleidung der Mittelschicht trugen, war der Junge auffällig, wie eine sprechende Kröte. Die Augen und den Mund weit aufgerissen, stolperte er durch die Straßen von Memphis. Mehr als einmal musste Danjal ihm unter die Arme greifen, um ihn vor dem Fallen zu bewahren.
Die Menschen, die Händler, die Bäcker und Barbiere, das Treiben in den Gassen war, wenn der Abend eine kühlende Brise mit sich brachte, noch reger als am Tage. Es mischten sich unter die anständigen Leute die Diebe und die ersten Betrunkenen kamen aus den Schenken.
Irgendwann reichte es Danjal und er schob Tutanchamun in einer dieser, von der er wusste, dass die Menschen dort verschwiegen waren.
Man brachte ihnen einen Krug Bier und nachdem sie den ersten Becher geleert hatten, fand der König seine Worte wieder.
„Ich war meinem Volk noch nie so nahe. Eje behauptet immer ich muss das auch nicht. Glaubst du, sie sind glücklich mit mir?“
„Sollte ein Herrscher, wie Ihr es seid, sich wirklich solche Frage stellen?“
„Es ist mir wichtig.“
„Euer Volk ist ein zufriedenes Volk. Sie leben ohne Krieg und größtenteils im Wohlstand.“
„Und was ist mit mir?“
„Der Per-aa wird nicht in Frage gestellt.“
„Das beantwortet nicht meine Frage.“
Danjal lehnte sich zurück. „Ich denke Ihr habt Euch und Eurem Volk mit der Rückkehr zu den alten Göttern einen großen Gefallen getan. Was Euer Vater veranlasst hat, hat das Land beinahe in eine Katastrophe gestürzt.“
Amenophis IV. war ein Anhänger seiner eigenen Religion gewesen. Er hatte den Glauben an Aton, die Sonnenscheibe, als einzigen Gott eingeführt. Die alten Tempel waren zerstört und die Priester entmachtet worden und hatten ihren Einfluss verloren. Er hatte sämtliche hohe Beamte entlassen und durch atontreue Männer ersetzt. Größere Ausschreitungen waren ausgeblieben. Das Volk hatte sich gefügt, es fügte sich immer seinem Herrscher. Sie hatten die Statuen der alten Götter versteckt und heimlich angebetet.
Amenophis war weiter gegangen. Er hatte seinen Geburtsnamen als Huldigung seines Gottes in Echnaton geändert und ihm eine ganze Stadt bauen lassen. Achetaton war zur neuen Hauptstadt ernannt worden.
Echnaton und seine Hauptfrau Nofretete hatten sich ihrer Liebe zur Kunst und Spiritualität hingegeben. Der Per-aa hatte dafür die außenpolitischen Belange vernachlässigt. Der Einfluss des Königs auf benachbarte Länder hatte darunter stark gelitten. Immer weniger Tribute waren in die Staatskasse geflossen und Ersuche, um militärische Hilfe der Verbündeten, waren ungehört verhallt.
Als Tutanchaton mit 8 Jahren den Thron bestiegen und sein Erbe angetreten hatte, war er zum alten Vielgötterglauben zurückgekehrt. Er hatte seinen Namen in Tutanchamun geändert und Achetaton verlassen. Memphis war der Regierungshauptsitz und Theben das Zentrum der religiösen Macht geworden
Wem es zu verdanken war, dass das Land nach zehn Jahren Aton-Glaube zu alter Größe zurückgekehrt war, vermochte Danjal nicht zu sagen. Ob es Tutanchamuns Verdienst gewesen war oder ob er dem Anraten seiner Berater gefolgt war, war nicht eindeutig. Eindeutig war aber, dass die alten Priester und hohen Beamten ihren Einfluss zurückerlangt hatten und, dass Tutanchamun viel zu jung gewesen war, solch weitreichende Entscheidungen alleine zu treffen.
„Es ist gut, dass ich Eje und Haremhab an meiner Seite habe“, sagte der Kindkönig und schaute zu den Tänzerinnen, die mit blanken Busen ihre Körper zur Musik bewegten.
„Aber eines Tages werdet Ihr die Entscheidungen treffen müssen.“
„Ich treffe die Entscheidungen, sie unterstützen mich.“
***
Am Nachmittag lag Danjal im Schatten der Dattelpalmen im Garten. Morgens hatte er einer religiösen Zeremonie Tutanchamuns beigewohnt. Es hatte ihn gelangweilt. Die Erledigungen richterlicher Aufgaben anschließend waren unterhaltsamer gewesen.
Hier war es fast wie bei seiner Mutter, der Garten mit den Palmen, den Olivenbäumen, den Blumen und Wasserbecken, den Vögeln, dem Duft nach Zitronen und Orangen und das Summen der Insekten. Aber ohne nervige Geschwister und ohne den Zwang seine Aufgaben erfüllen zu müssen.
„Seid Ihr von Sinnen!?“ Asifas Körper warf einen Schatten auf ihn.
Danjal richtete sich auf. „Wie sprichst du mit mir?“
„Wie sollte ich denn mit Euch reden? Ich weiß nicht, wie es angemessen wäre. Ich weiß nicht, wo Ihr herkommt und ob ich überhaupt höflich zu Euch sein muss. Ihr könntet ein dahergelaufener Scharlatan sein. Sehr schlau seid Ihr auf jeden Fall nicht, wenn Ihr denkt, dass es eine gute Idee ist mit dem König durch die Kaschemmen von Memphis zu ziehen und Bier zu trinken.“
„Aber Bier ist nun mal das bevorzugte Getränk im Land.“
Sie beugte sich zu ihm hinunter und kniff die Augen zusammen. „Du ...“
Sie holte aus, aber er fing ihre Hand ab, bevor sie ihn im Gesicht traf.
„Meine Gründe hier zu sein, gehen dich nichts an und ich habe dir bereits gesagt, dass ich mich lediglich amüsieren möchte!“, zischte er.
„Aber nicht auf Kosten des Herrschers.“
„Ich glaube nicht, dass er dich zu seiner persönlichen Aufpasserin bestimmt hat.“
Sie machte sich von ihm los. „Hat er auch nicht. Vielleicht möchte ich nur sichergehen, dass das friedliche Leben hier bestand hat.“
„Dann solltest du die anderen im Auge behalten, die mehr Einfluss auf den König ausüben, als ich!“
„Das tue ich. Das hier ist mein Leben mit Menschen, die mir etwas wert sind. Das wollte ich Euch nur noch sagen.“ Sie drehte sich um und ging.
„Lerne mich doch einfach besser kennen!“, rief er ihr hinterher, aber sie reagierte nicht.
Das Lächeln am Brunnen hatte wohl doch nicht ihm gegolten.
***
Jagdausflüge, Wettkämpfe, Empfänge, das süße Nichtstun langweilte ihn bald. Was er liebte, was er schon immer geliebt hatte, waren Ausritte in die Wüste.
Zeitweise begleitete ihn der König, nie offiziell, denn das Reiten galt hier als unschicklich. So stahlen sie sich davon und oft ritt Danjal auch einfach alleine. Dann verbot er sich den Gedanken daran, dass er sich in der Unendlichkeit des Sandes frei fühlte.
Er lernte Anchesenamun kennen und blieb dadurch von Asifas prüfenden Blicken verschont. Jedoch trafen sie regelmäßig aufeinander, wenn Danjal die Geschäfte des jungen Herrschers verfolgte.
Haremhab war zu der Überzeugung gelangt, dass der Fremde keinen schlechten Einfluss auf den Per-aa hatte. Ganz im Gegenteil, der König hatte mit der Freundschaft an Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit gewonnen. Aber ein Geheimnis umgab den Mann.
„Ich denke nicht, dass wir die Lieferung aussetzen sollten. Wir würden damit die Verhandlungen blockieren und es würde uns keinen Vorteil bringen.“
„Aber mein Herrscher, die Tribute sind ausgeblieben. Eine Antwort auf unsere Mahnung haben wir nicht erhalten“, sagte Eje.
„Wie lange schon?“
Haremhab überschaute seine Aufzeichnungen. „Zwei Mal bisher und die Jetzigen sind überfällig“, antwortete er.
Tutanchamun überlegte und sagte: „Schickt einen Boten, lasst ihn eine Nachricht von mir überbringen. Der Schreiber soll nachher zu mir kommen.“
„Aber Herr!“ Eje setzte an weiterzusprechen.
„Schweig! Ich will es so. Widersprich mir nicht! Was ist das nächste Anliegen?“
Haremhab hielt die Luft kurz an. Das Gesicht des Großwesirs war rot, er ärgerte sich, dass der König nicht tat, wozu er riet.
„Das Bastet-Fest, Herr.“
„Die Vorbereitungen werden getroffen, hattest du gesagt.“
„Das stimmt. Wir benötigen weitere Arbeiter. Und die Priester-“
„Veranlasse, was zu veranlassen ist.“
Der Großwesir verneigte sich. „Wie Ihr wünscht.“
„Haremhab, hast du ausreichend Männer für die Spiele?“
„Die habe ich Majestät.“
„Sehr schön, ich freue mich. Ich werde auch teilnehmen.“
„Bitte verzeiht, aber ich denke, das sollte Ihr nicht tun. Die Kämpfer werden gegen Euch aus Respekt keinen ehrlichen Kampf fechten. Die von Euch veranstalteten Wagenrennen im Kreise Eurer Freunde mögen eine Ausnahme sein. Gestattet dem Volk in den Genuss von ehrlichen Siegen zu kommen.“
Der Junge dachte nach und sagte: „ Du hast wohl recht. Ich werde Danjal bitten stellvertretend für mich teilzunehmen. Gibt es sonst noch etwas?“
„Da wäre noch eine Sache.“ Es war Haremhab unangenehm darüber zu reden, denn es war ein unschönes Vorkommnis. „Wir haben eine beachtliche Anzahl von eigenartigen Todesfällen“
„Ein neues Fieber?“
„Es ist nicht bekannt, was die Menschen getötet hat. Ich habe mir die Toten angesehen, ein grausiges Bild. Ihre Gesichter, vor Angst verzerrt. Keine Wunden, einfach, als wäre ihnen das Leben aus den Körpern gestohlen worden.“
„Vielleicht ist Sachmet zornig? Hast du Heiler und Priester hinzugezogen.“
Haremhab nickte.
„Und was haben sie berichtet?“
„Die Heiler haben kein Anzeichen einer Krankheit entdeckt. Auch schienen die Menschen zuvor vollständig gesund. Die Priester glauben an ein böses Omen“
„Wie viele sind es?“
„Neun Stück, Männer und Frauen. Die Leute reden. Sie haben Angst.“
„Was denkt ihr, was dafür verantwortlich ist?“
„Ich denke es ist etwas Übernatürliches. Etwas, das tötet, ist unter den Menschen.“
„Ich werde die Götter befragen und zu meinem Volk sprechen.“
Es war eine Freude für die Sinne den Markt am Hafen zu besuchen. Handelsschiffe brachten Waren aus fernen Ländern und Verkäufer boten sie feil.
Asifa genoss das bunte Treiben, brachten die Schiffe doch auch Erinnerungen an ihre Heimat mit.
Sie schlenderte an den Ständen vorbei, auf der Suche nach Duftölen, Schminke und Kräutern für Achesenamun.
„Darf ich dir deinen Korb tragen?“
Sie brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, wer zu ihr sprach.
„Ich habe nur ein paar Süßigkeiten. Die sind nicht schwer, das schaffe ich schon.“ Sie begutachtete eine Kette aus grünen Glasperlen.
„Du machst es mir wirklich nicht leicht.“
Asifa legte die Kette zurück. Für sie war sie zu teuer und die Herrin hatte wertvolleren Schmuck und schöneren.
„Und Ihr gebt einfach nicht auf.“
Er sah aus wie ein getretener Hund. Sie seufzte und hielt ihm den Korb hin.
„Hier!“
Er nahm ihn und lächelte und es blitzte in seinen außergewöhnlichen Augen auf.
Gemeinsam schlenderten sie über den Platz.
„Wo kommt Ihr her?“, fragte sie ganz beiläufig.
„Ich bin hier geboren.“
„Aber Ihr seht so anders aus. Ihr seid so hell.“
„Es gibt Länder, da ist die Haut der Menschen noch heller.“
„Wart Ihr schon dort?“
Er nickte. „Wo kommst du her?“
„Ich bin Hethiterin.“
„Vermisst du deine Heimat?“
Sie blieben an einem Stand mit Gewürzen stehen.
„Nur manchmal. An Tagen wie heute zum Beispiel, wenn ich hier die Schiffe und Barken sehe. Aber das Leben in Kemet ist angenehm. Ich fühle mich wohl.“
Der Gewürzhändler reichte ihr ein Säckchen mit Weihrauch und sie roch daran. Asifa schüttelte den Kopf und gab es zurück. Daneben fand sie jemanden, der Pasten, Öle und duftende Essenzen anbot.
„Wie findest du das?“ Sie hielt Danjal ein Gefäß unter die Nase. Dann ließ sie die Hand sinken. „Entschuldigt“, flüsterte sie.
„Ist nicht schlimm. Du musst mich nicht förmlich anreden. Es ist angenehm.“
Sie runzelte die Stirn.
„Das Öl meine ich.“ Er lächelte und Asifa erwiderte es.
Sie erstand das Öl und eine Kräutermischung.
„Vielleicht bist du doch ganz nett“, sagte sie, als sie wieder im Palast waren und er ihr den Korb zurückgab.
„Möchtest du mit mir -“
„-Ich sagte vielleicht! Es braucht mehr, als ein paar Worte.“
Sie ließ ihn stehen und verschwand zu den Räumen von Anchesenamun.
Dieses kleine Miststück! Er hatte geglaubt sie für sich gewonnen zu haben. Die Frauen, die ihn wirklich interessierten, waren starke Frauen. Bei ihnen machte es ihm Spaß, sie zu erobern. Es waren intelligente Frauen, die nicht sofort auf ihn ansprachen, weil sie instinktiv das Böse spürten und dadurch misstrauischer waren. Sie zu manipulieren wäre langweilig gewesen.
Er zog sich in seine Gemächer zurück.
***
Die Spiele waren beliebt beim ganzen Volk. Je nach Größe zog es die Menschen aus allen Teilen des Landes und darüber hinaus in die Hauptstadt. Sie waren eine Mischung verschiedener Wettkämpfe. Danjal nahm am Wagenrennen teil, am Bogenschießen und den Faustkämpfen. Er schnitt gut ab, beim Wagenrennen gewann er, beim Bogenschießen belegte er den zweiten Platz.
Tutanchamun saß unter einem goldenen Baldachin auf dem königlichen Balkon, neben ihm Anchesenamun, umgeben von den hohen Beamten und Priestern, Dienern und der Leibwache. Den Spielen war eine religiöse Zeremonie vorausgegangen, die der König abgehalten und in der er Menhit, die Göttin des Kampfes, angerufen hatte.
Danjal hätte alle Wettkämpfe mit nur einem Wimpernschlag gewinnen können, eigentlich hätte er die ganze Arena dem Erdboden gleichmachen können, die ganze Stadt oder das ganze Land untergehen lassen können, aber er tat es nicht, es war auch sein Zuhause. So steckte er beim Faustkampf absichtlich Schläge ein und verlor in der vierten Runde gegen einen schwarzen Mann, der beinahe genauso groß wie er war, aber um einiges breiter und mit dicken Muskeln bepackt.
Sein zerschlagenes Gesicht brachte ihm sogar einen mitleidigen Blick von Asifa ein.
Er ließ seine Wunden vom Heiler verarzten und sorgte in der Nacht selbst dafür, dass es ihm besser ging, hielt sich jedoch zurück, weil es auffällig gewesen wäre, wenn er am nächsten Tag ohne Spuren unter die Leute gegangen wäre.
***
„Mein König!“ Der alte Mann warf sich zu Boden.
„Erhebe dich“, befahl ihm Tutanchamun, „und sprich!“
Der Fischer war zu Eje geschickt worden, weil er behauptete, eine Beobachtung bezüglich der Toten gemacht zu haben.
Haremhab hatte noch keine Gelegenheit gehabt, seine Geschichte zu hören.
„Es war in der Nacht. Nut hatte den Mond bereits hoch in den Himmel gehoben. Ich war auf dem Weg zu meinem Haus, da sah ich ihn mit einer Dirne in einer Gasse verschwinden. Ich fand es sonderbar. Ich kenne das Mädchen. Sie arbeitet für Nashwa in einem der Häuser. Sie geht nicht mit Kunden auf die Straße.
Ich bin ihnen gefolgt, aber meine alten Beine wollten nicht so schnell. Ich habe sie aus den Augen verloren. Im Morgengrauen hat man Niut gefunden. Sie haben gesagt, sie hätte am ganzen Körper gezittert, war bleich wie der Tod und ihr Blick war starr.“
„Das Mädchen ist nicht ansprechbar. Die Heiler sind sich sicher, dass sie den Tag nicht überleben wird“, unterbrach ihn Eje. „Wir haben alle befragt, die an jenem Abend mit dem Mädchen zu tun gehabt hatten, aber niemand kann sich erinnern, was geschehen ist, warum die Hure ihren Arbeitsplatz verlassen hat und in wessen Begleitung. Nur Rehema hier kann etwas berichten.“
„Dann lass ihn sprechen“, befahl der König.
Der Alte räusperte sich. „Der Mann, in dessen Begleitung sie war, war groß und sehr gut gekleidet. Er war nicht kahl geschoren und sein Haar war nicht so dunkel wie das eines Remetju.“
„Das konntest du in der Nacht sehen?“, fragte Haremhab.
Der Fischer nickte. „Ja, der Mond schien hell.“
„Was kannst du noch sagen?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Nichts Herr.“
„Ich danke dir. Lass dir zwei Krüge mit Bier geben“, sagte der Herrscher.
Als er gegangen war, wendete er sich an Eje und ihn. „Geht dem nach, findet diesen Mann!“
„Es steht ja wohl außer Frage, wer der Mörder ist“, sagte Eje außerhalb des Thronsaals.
„Tut es das?“ Haremhab schaute ihn an.
„Eindeutig! Es begann mit dem Auftauchen dieses Bastards. Die Beschreibung passt und zu den Zeitpunkten der Angriffe befand er sich nicht im Palast.“
„Zurzeit sind viele Fremde in der Stadt. Die Spiele, das anstehende Bastet-Fest, ich denke Ihr interpretiert in die Worte des Fischers hinein, was Ihr gerne hören möchtet.“
Eje blieb stehen und sah ihn an. „Ihr habt wohl überhört, dass ich gesagt habe, dass dieser Fremde zum Zeitpunkt der Angriffe nicht im Palast war.“
Auch Haremhab hatte gestoppt. „Das habe ich sehr wohl, aber reicht Euch das tatsächlich als Beweis? Und woher wisst Ihr so sicher, dass er nicht hier war?“
Eje verzog den Mund zu einem fiesen Grinsen. „Ich habe meine Vögelchen, die mir einiges zwitschern.“
„Warum beschuldigt Ihr ihn dann nicht öffentlich?“
Nun geriet der Wesir ins Schwanken. „Ich habe keine stichfesten Beweise, aber ich werde sie finden. Ich werde dafür sorgen, dass bekannt wird, welch heimtückischer Mensch die Freundschaft des Königs ausnutzt!“ Und er ging von dannen.
Haremhab sah ihm nach.
Danjal stand ganz plötzlich hinter ihr. Vor Schreck ließ sie die Wasserschüssel fallen. Ein ohrenbetäubendes Scheppern erfüllte den Raum. Asifa kniete nieder, um die Tonscherben aufzusammeln, er half ihr.
„Was sollte das?“
„Es war gewiss nicht meine Absicht.“
„Warum habt Ihre Euch dann angeschlichen?“
„Habe ich gar nicht.“
Sie hatte die Scherben in ein Tuch gewickelt und wollte sie wegbringen.
„Asifa, warte!“ Er hielt ihr eine Schatulle entgegen. „Ich würde mich freuen, wenn du den Abend des Bastet-Festes mit mir verbringst. Wenn du möchtest, komm nach Sonnenuntergang zum seitlichen Eingang des Tempels in Bubastis.“
Sie zögerte und nahm dann das Kästchen.
„Ich mache mir Sorgen um Anchesenamun“, sagte der kleine König. „Sie macht sich Vorwürfe, weil sie mir noch keinen Thronfolger gebären konnte. Sie opfert jeden Tag Hathor. Sie leidet unter dem Verlust unserer beiden Töchter.“
„Nehmt es mir nicht übel, mein König, aber ich bin nicht die richtige Person, um darüber zu sprechen.“
„Ich glaubte du seist mein Freund. Wenn nicht mit dir mit wem sollte ich dann reden?“
Es war Danjal unangenehm. In so etwas konnte und wollte er sich nicht hineinversetzen. Trotz allem riss er sich zusammen und antwortete: „Ihr seid jung, Ihr habt viele Frauen, eine von ihnen wird Euch einen Sohn schenken.“
„Ich brauche einen Erben.“ Er starrte versonnen in die Ferne. Es war still, nur das Rascheln der Palmwedel war zu hören, mit denen ihnen von Dienern kühlende Luft zugefächelt wurde.
„Denkst du es ist der richtige Weg, den Haremhab vorschlägt?“
Danjal war verwirrt, fragte der König seinen Oberbefehlshaber auch noch, wie er es anzustellen hatte, dass ihm ein Erbe geboren wurde?
„Ich meine gegen die Hethiter vorzugehen?“
Er musste lächeln. „Ich denke, dass Haremhab der ehrlichere Eurer Berater ist und ein sehr schlauer Soldat. Ihr könnt Euch die Vorherrschaft Eures Landes nicht streitig machen lassen. Ein militärisches Vorgehen, gegen die Angriffe der Hethiter auf Eurem Gebiet, erscheint logisch.“
„Der Großwesir sagte etwas Ähnliches. Ich habe mitgeteilt, sie würden meine Entscheidung erfahren. Ich bin kein Freund von Kriegshandlungen.“
„Der diplomatische Weg ist nicht immer der Richtige. Wenn er in die falsche Richtung führt, braucht man einen anderen.“
Tutanchamun nickte. „Stimmt, ich werde Haremhab den Befehl erteilen die Streitkräfte zu mobilisieren.“
In ihrer Kammer öffnete Asifa die Schatulle. Es lag eine Kette aus grünen Glasperlen darin.
***
Der Iteru aa war über die Ufer getreten und die Anreise nach Bubastis war am einfachsten mit dem Schiff zu vollziehen.
Es war ein immenser logistischer Aufwand vonnöten, die Herrscherfamilie und die Gefolgschaft, sowie die königlichen Gäste und zahlreiche weitere Personen über den großen Fluss zum Palast in Bubastis zu bringen.
Viele Menschen waren nach Memphis gekommen, um mit einer Barke den Wasserweg zum Festort zu nehmen.
Asifa mied die Nähe zu ihm und er bekam keine Gelegenheit mit ihr zu reden. Eje hingegen schien einen großen Bedarf daran zu haben, sich mit ihm zu unterhalten und ihn beobachten zu lassen.
Das Ziel ihrer Reise war erreicht und Danjal bekam seine Räumlichkeiten zugewiesen. Es war nicht so prunkvoll wie in Memphis, aber mehr als angenehm. Die Vorläufer der Feierlichkeiten waren in der Stadt deutlich zu spüren. Danjal hatte einige Male an dem Fest zu Ehren der Göttin Bastet teilgenommen und jedes Mal nicht gewusst, wie er ins Bett gekommen war. Es war das Schöne Fest der Trunkenheit und trunken war er gewesen.
Unmengen an Bier und Wein flossen, es wurde gefeiert, getanzt und geliebt. Kinder gezeugt und Versprechungen gemacht, an die man sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern konnte.
Morgen würde der Per-aa im großen Tempel die Feier offiziell eröffnen und auch der Hohepriester würde Bastet Opfer darbringen. Öffentliche Aufgaben galt es zu erledigen und am Abend, wenn Tutanchamun ihn nicht mehr an seiner Seite haben wollte, dann hoffte er Asifa zu treffen.
Wenn Asifa ehrlich war, war sie aufgeregt und konnte es kaum erwarten, dass der Abend kam und ihre Dienste nicht mehr benötigt wurden.
Das Auftauchen des Fremden und sein Einfluss auf den König waren schon sehr merkwürdig. Der Gedanke daran tauchte immer wieder in ihrem Kopf auf, nur um sofort wieder zu verschwinden und nicht mehr greifbar zu sein, bis er zurückkehrte. Was sie in diesen kurzen Momenten aber wusste, war, dass er Tutanchamun offensichtlich gerne mochte. Und selbst einen schlechten Einfluss konnte sie nicht erkennen, wenn man von den unzähligen Wettbewerben absah, die der König gegen Danjal bestritt. Der Herrscher war vergebens bemüht, ihn im Wagenrennen zu schlagen.
Aber seitdem er da war, hatte der Per-aa an Selbstbewusstsein gewonnen und wurde erwachsen.
Asifa war Danjal aus dem Weg gegangen. Vor allem an Bord der königlichen Barke war das schwer gewesen. Sie mochte ihn. Sich das einzugestehen fiel ihr nicht leicht und sie wollte ihn testen. Er sollte beweisen, dass sie nicht nur eine von vielen Frauen war, die er haben konnte.
Viele Gelegenheiten dafür hatte sie ihm nicht gegeben.
Die Kette war wunderschön und als sie sich für den Abend umzog, legte Asifa sie an. Nachdem die königliche Gemahlin zu Abend gegessen hatte, würde sie zum Tempel gehen.
Sie trug die Kette. Ein gutes Zeichen. Nach dem Essen würde er in die Stadt gehen, sich dort ein wenig vergnügen und dann am Tempel auf sie warten. Der Kindkönig war ungehalten gewesen, als Danjal ihm mitgeteilt hatte, er würde nicht den ganzen Abend im Palast bleiben. So umgänglich der Per-aa ihm gegenüber auch war, das götterähnliche Getue kam ab und zu zum Vorschein. Aber es war Danjal egal.
Die Veranstaltungen hatten sich in die Länge gezogen. Der Alkohol war reichlich geflossen und würde auch im Palast und den Gärten die Nacht hindurch nicht versiegen. Als es zu dämmern begann, ging Danjal.
Die Straßen, Gassen und Plätze waren voll mit Menschen. Musik, Gesang, Gegröle, es war laut und bunt. Unweigerlich wurde man angerempelt und gestoßen. Er nahm eine dunkle, enge Seitengasse, um die Menge vor dem Tempel zu umgehen. Er hatte gewusst, dass er Asifa für sich gewinnen würde, er bekam immer, was er wollte.
Selbst hier in der Gasse stieß er auf Feiernde.
Irgendwann würde er den König und seinen Hof verlassen. Es galt Dinge zu erledigen.
Vier Männer kamen torkelnd auf ihn zu.
Vielleicht würde er in einigen Jahren zurückkehren und wenn Tutanchamun dann noch der Per-aa von Kemet war, würde er sehen, was aus dem Kindkönig geworden war.
Die Männer waren fast auf gleicher Höhe mit ihm.
Sie mischten sich nicht ein in die Politik dieses Landes. Es war ein unausgesprochenes Gesetz. Das Land, in dem sie lebten, wurde nicht beeinflusst von ihrer Anwesenheit.
Danjal verspürte einen starken, stechenden Schmerz zwischen den Rippen. Er lieb stehen und fasste an die Stelle. Blut klebte an seinen Händen. Ein Schmerz, brennend wie Feuer, im Rücken. Die Männer, sie standen neben ihm. Bevor er es richtig wahrnehmen konnte, bevor er reagieren konnte, stachen die Kerle weiter, eins ums andere Mal auf ihn ein, heftig, tief, tödlich. Und er ärgerte sich über sich selbst, er hatte nicht aufgepasst!
Die Sonne war untergegangen und Asifa wartete am Tempel. Er hatte das höfische Fest schon vor einer Weile verlassen, war aber bisher nicht aufgetaucht. Sie hatte Angst gehabt es nicht rechtzeitig zu schaffen und nun war er es, der nicht da war. Sie lehnte sich an die Mauer und schaute sich das Treiben an. So ausgelassen waren die Menschen. Von überall her waren sie gekommen. Sie mochte es bei den Spielen zuzusehen oder an den hohen Festen teilzunehmen. Es war schön zu sehen, wie sich all die Fremden miteinander amüsierten.
Die Zeit verging und mit ihr die Freude an dem Trubel.
Wahrscheinlich war er aufgehalten worden. Er hatte bemerkt, dass sie die Kette trug und ihr zugelächelt. Asifa wartete.
Irgendwann wurde es ihr zu viel. Enttäuscht musste sie sich eingestehen, dass wohl etwas anderes wichtiger gewesen sein musste. Er hätte sie haben können und das hatte ihm offensichtlich ausgereicht. Ihre Verabredung war ihm nicht mehr wichtig gewesen. Wer wusste schon, in wessen Arm er gerade lag. Asifa begann sich auf den Heimweg zu machen.
Um den Menschenmassen zu entgehen, schlug sie den Weg durch eine dunkle, enge Seitengasse ein.