Читать книгу Gelöscht - Die komplette Reihe - Sabina S. Schneider - Страница 5
Kapitel 03 - Das Glaslabyrinth
ОглавлениеIch mache mich so klein wie möglich, zwänge meinen Körper in die Schatten, die das Licht der leuchtenden Geländer nicht erreichen kann, und begutachte mein Werk. Ein Stück Papier, dessen Inhalt mich einen Monat gekostet hat.
Vier Zahlenstränge sind in vier Seiten eines Würfels aufgezeichnet. Sie beginnen unten mit null und enden oben mit sieben. Jede Ebene hat eine Zahl. Im Erdgeschoss gibt es keine Türen, sondern vier Löcher im Boden, die mit Stahlklappen verschlossen sind. Aus einer dieser Stahlklappen bin ich neugeboren mit Sunshine herausgetreten.
Die erste Ebene des Glaswürfels, der das Rolltreppenlabyrinth beherbergt, ist meine Ebene. Hier leben wir White. Wir haben das schlimmste Verbrechen begangen: Wir haben Leben ausgelöscht. Und der Preis für ein solches Vergehen ist unsere Erinnerung. Sind die Wände aus Glas, um uns zu jeder Zeit beobachten zu können? Uns davon abzulenken, dass wir in einem Gefängnis leben?
Ich denke an die vielen ausdruckslosen Gesichter und frage mich, ob das wirklich Leben ist. Nur wenige tragen noch ein Licht in sich.
Dannie ist … war eine von ihnen.
Jeden Tag haben meine Augen sie gefunden und nach einem Zeichen der Besserung gesucht. Nichts. Keine Gefühlsregung. Nicht einmal, als ich ihr heißes Wasser über die Hand geschüttet habe. Wie sehr haben sie ihr Gehirn zerstört, ihren Geist zerfetzt, wenn sie nicht einmal auf starke körperliche Reize regiert?
Tag für Tag suche ich nach dem Funken, den ich so leicht am ersten Tag gefunden habe. Seine Seltenheit und Kostbarkeit kann ich erst jetzt wertschätzen.
Die Ethikklasse von Mutter Aira wird immer kleiner. Was geschieht mit den Mädchen und Frauen, die zu viel Geist haben? Werden sie wirklich in die Gesellschaft zurückgeführt? Leben sie, sich ihrer eigenen Schuld nicht bewusst, ein normales Leben? Heiraten sie, bekommen sie Kinder? Gründen sie eine Familie?
Familie …
Das Wort klingt leer. Ich kenne die Bedeutung. Ich weiß, was ein Vater ist. Ich weiß, dass eine Mutter mehr ist als die Frauen, die sich hier um uns kümmern. Mir sagen auch die Begriffe Schwester und Bruder etwas. Doch das Gefühl fehlt mir. Zwei Menschen bekommen Kinder und werden zu Mutter und Vater. Ändert sie das? Werden sie zu mehr als Mann und Frau? Ist Geschwisterliebe stärker als Freundschaft?
Wenn Freundschaft so schmerzen kann, wie schlimm ist es bei der eigenen Familie? In meinem leeren Inneren finde ich keine Antworten. Was mir fehlt, ist die Erfahrung. Wie soll ich gut von schlecht unterscheiden, wenn ich keine Pfeiler habe, an denen ich die Grenzen ziehen kann? Die Werte, die mir Mutter Aira beigebracht hat, haben ihre Allmacht verloren. Ihre Wahrheit ist auf einer Lüge aufgebaut und kann mir nicht helfen. Ich will wissen. Ich will fühlen. Ich will erfahren.
Und alles, was mir im Moment bleibt, ist die Lösung des Glaslabyrinthes, das sich vor mir auftut. Verwirrend und doch mit einer tieferen Logik verflochten. Logik. Kann sie mir helfen? Mich leiten und mir den richtigen Weg zeigen? Zweifel regiert mein Herz und ich suche nach dem Licht in mir, ein leises Kitzeln im Gehirn an einer Stelle, die man mit den Fingern nicht erreichen kann. Kurz frage ich mich, ob dieses Licht mich leiten kann, doch dann schalte ich diese Gedanken ab, konzentriere mich auf das Rätsel vor mir, dessen Lösung ich in den Händen halte.
In der Mitte des Raumes starten sieben Rolltreppen. Mit vier der Rolltreppen gelangt man in den ersten Stock, doch jeweils nur zu einer bestimmten Tür. So weit so gut. Eine Treppe führt direkt zum zweiten Stock, eine andere zum dritten und die siebte zum vierten Stock. Zwei der Treppen halten in jeder Ebene. Die Zweiertreppe reicht nur bis zur Sechs, so auch die Dreiertreppe. Die Vierertreppe ist eine Sackgasse. Ein paar Treppen sind knifflig, aber dank vielen Versuchen und meiner Labyrinth-Karte weiß ich, welche Treppe ich nehmen muss, um zu welcher Tür zu gelangen.
Meine Finger zittern. Ich bin nervös. Was wird man mit mir machen, wenn sie herausfinden, dass ich mich in andere Ebenen schleiche? Doch ich kann nicht aufhören. Ich habe schon zu viel riskiert und das, was ich bereits weiß, kann ich nicht einfach verdrängen. Das morbide System des Kubus‘ ist faszinierend, lenkt mich von meiner inneren Leere ab. Das Rätsel ist zu meinem ständigen Begleiter geworden, wo es vorher die Freundschaft mit Dannie war, wie auch das Adrenalin, das jetzt durch meine Adern schießt.
Die erste Ebene ist aus Glas, wie der Kubus selbst. Ebene Zwei hat ebenfalls Glaswände, doch sie sind nicht durchsichtig, sondern milchig. Man sieht, dass sich jemand im Raum befindet. Doch die Umrisse sind verschwommen. Die Frauen und Mädchen dort tragen gelbe Armbänder. Sie sprechen sich mit Namen an, nicht mit Monat und Tag. Ihre Augen sind nicht so leer wie die der Bewohner meiner Ebene. Auf der dritten Ebene tragen die Frauen grüne Armbänder. Die meisten von ihnen lächeln. Ich habe mich bereits in beide Ebenen geschlichen.
Heute ist Ebene Vier mein Ziel. Die Ebenen scheinen alle ähnlich aufgebaut zu sein. In zwei Flügeln sind die Novizen untergebracht, bei den White Neugeborene genannt. In einem anderen die Lehrer und die Bediensteten. Im vierten Flügel sind die Ausbildungsräume und die Mensa. In Ebene Zwei und Drei wird dieses Muster aufrechterhalten, vermutlich auch in allen anderen. Mein Ziel in Ebene Vier ist der Lehrbereich.
Ich werfe einen letzten Blick auf meine Karte und verstaue sie in einer Innentasche meines BHs. Aus dem Körbchen ziehe ich eine blaue Folie, klebe sie sorgfältig auf mein weißes Armband, schleiche mich zur Treppe, drücke mich auf allen Vieren so nahe wie möglich an die sich bewegenden Stufen. Mein Herz klopft. Ich habe nicht viel Zeit. Sunshine ist mit einem Mädchen, das auffällig geworden ist, im Befragungsraum. Sie ist beschäftigt und meine Abwesenheit wird niemandem auffallen. Auch wenn die Wände gläsern sind und jeder alles sehen kann, sind die meisten zu apathisch, um ihre eigene Existenz anzuerkennen, geschweige denn die einer anderen Person.
In der Aufregung wird mich keiner vermissen … hoffe ich. Die Treppe bewegt sich quälend langsam und ich verfluche sie, wage es jedoch nicht mich zu bewegen und lasse mich hochrollen. Oben angekommen, trete ich an die Tür, die sich ohne mein Zutun öffnet. Warum nur, ist es so leicht, frage ich mich zum vierten Male. Glauben sie nicht, dass wir intelligent genug sind?
Ich schreite durch die Tür, husche in den Gängen herum und gleite schnellstmöglich in eine Toilette, verschließe die Kabine, setze mich auf den Klodeckel und sperre meine Ohren auf. Manchmal muss ich zurück, ohne auch nur irgendetwas Neues herausgefunden zu haben.
Gerade als ich wieder gehen will, höre ich, wie die Tür sich öffnet. Schritte von einer Person. Die Kabine neben mir schließt sich. Ich zähle bis zehn, betätige die Spülung und begebe mich ans Waschbecken. Ich wasche mir die Hände und richte mir die Haare, starre in das Gesicht, das mir immer noch fremd ist.
Das Geräusch der Spülung reist mich aus meiner Gedankenwelt und ich blicke immer noch starr in den Spiegel, als eine junge Frau sich zu mir ans Waschbecken gesellt. Ich lächle sie schüchtern an und sage: „Hallo.“
„Hallo“, erwidert die Frau.
„Ich … ich heiße Annabell und du? Entschuldige, aber ich bin noch nicht lange hier und kenne niemanden“, sage ich und lächle, wie ich hoffe, schüchtern.
„Mein Name ist Nyks. Willkommen Annabell! Ich hoffe, dir gefällt dein neues Zuhause.“
Das Lächeln der Frau scheint ehrlich zu sein und ich komme mir mit meiner Lüge schmutzig vor. „Nyks … ein schöner Name!“ Wenigstens das kann ich von Herzen ehrlich sagen.
„Danke, meine Eltern haben mich nach meiner Großmutter väterlicherseits benannt.“
Ihre Worte sind Dolchstöße in mein Herz. Sie kennt nicht nur ihren Namen, sondern erinnert sich an ihre Eltern? An ihre Großeltern. Meine Hand zittert. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Weißt du … was die Farbe unserer Armbänder bedeutet?“ Verwirrt blickt Nyks mich an, dann leuchten ihre Augen auf.
„Meine Mutter sagt immer: Blau ist die Farbe der Freiheit.“
„Es wäre schön, wenn das wahr wäre.“ Eine Sehnsucht erfüllt mich bei dem Wort. Freiheit. Was ist Freiheit?
„Ist es doch! Nach einem Jahr, wenn wir wieder gesund sind, dürfen wir wieder nachhause. Nicht, dass das hier ein Gefängnis ist.“ Sie lacht laut und fröhlich.
Für sie ist es also kein Gefängnis? Ich besehe sie mir genauer. Sie wirkt nicht kran. Weswegen sie wohl hier ist? „Wie würdest du das hier dann nennen?“, frage ich.
Nyks sieht mich verwirrt an, denkt nach und erwidert: „Eine Klinik. Wir sind krank und werden hier geheilt.“
„Was … was haben wir denn?“
Wieder überlegt Nyks und sagt dann langsam, zweifelnd: „Ich glaube, ich habe Erinnerungslücken. Irgendetwas ist geschehen … etwas habe ich gemacht … etwas …“ Ihr Gesicht verzieht sich und es wirkt, als hätte Nyks Schmerzen.
„Alles okay?“, frage ich und sehe mich verzweifelt um. Hilfe kann ich nicht rufen und sie hier alleine zu lassen, erscheint mir nicht richtig. Doch bevor ich in Panik gerate, entspannt sich ihr Gesicht. Ihre Augen werden leer. Das blaue Armband leuchtet kurz auf und verlöscht wieder. Nyks blinzelt, schaut sich verwirrt um, wäscht sich dann langsam die Hände.
„Nyks? Alles in Ordnung?“
Überrascht blickt sie mich an und fragt: „Wer bist du? Kennen wir uns?“
„Entschuldige, ich habe dich verwechselt“, beeile ich mich zu sagen und verschwinde durch die Tür, renne leise zum Ausgang. Ich atme tief durch, krabble auf allen Vieren zur Treppe und komme nach mühevoller Arbeit unten an. Der Weg nach unten ist immer schwerer als nach oben. Warum rollen diese dummen Treppen nur nach oben? Braucht man einen Code, um sie umzuprogrammieren?
Schnell lasse ich die blaue Folie in meiner geheimen Tasche verschwinden und betrete Ebene Eins. Meine Ebene. Ein neues Bild ist dazugekommen. Ich bin in einem Gefängnis. Ich bin in einer Klinik. Wer auch immer uns hier festhält, kann mit unseren Gehirnen machen, was er will. Erinnerungen selektiert entfernen. Warum sollte man bei einigen nur Teile löschen und bei anderen alles?
Wenn das hier ein Gefängnis ist und die Löschung eine Strafe, lebe ich unter Schwerverbrechern. Ich gehe die Informationen durch, die ich bisher gesammelt habe. In Ebene Eins sind alle Erinnerungen gelöscht und unsere Farbe ist weiß. In Ebene Zwei kennen die Insassen noch ihre Namen und tragen gelbe Armbänder. In Ebene Drei ist es grün. In der blauen Ebene, Vier, erinnern sie sich noch an ihre Familien. Enttäuschung breitet sich in mir aus. Ich weiß mehr, aber sehr viel weiter bringt mich das nicht. Ich biege um die Ecke und erstarre, als Sunshine mit über der Brust verschränkten Armen vor mir steht.
Ich werde langsamer, während mein Gehirn auf Hochtouren nach einer Ausrede sucht.
„Wo warst du, Mo?“
Ich zucke zusammen, als sie Dannies Spitznamen für mich verwendet. Ich weiß, ich habe Ärger am Hals und ein Teil von mir hofft, alles, was ich in den letzten Wochen gelernt habe, wieder vergessen zu dürfen. Ich öffne den Mund. Doch bevor auch nur ein Laut sich von meinen Lippen lösen kann, dröhnt eine nie gehörte tiefe Stimme hinter mir: „Sie war bei mir, Mutter Sunshine. Ich hatte sie gebeten, mir ein paar Fragen zu beantworten. Ihre Gehirnwindungen sind außergewöhnlich.“
Sunshine reißt die Augen auf und … macht einen Knicks? Vollkommen verwirrt drehe ich mich um und sehe einen komplett in schwarz gehüllten Mann vor mir. Seine dunklen Augen fixieren mich und ich presse die Lippen aufeinander.
„Ich wusste nicht, dass Ihr hier seid, Cailan Cherub.“
Ein Lächeln schmückt das ungewohnt kantige Gesicht. Der Mann macht eine Handbewegung und sagt: „Noch bin ich kein Cherub. Meine Ausbildung ist nicht abgeschlossen. Nennt mich einfach Cailan, Mutter Sunshine!“
„Wie Ihr wünscht, … Cailan.“
„Ich übergebe … Mo … wieder Euren fähigen Händen. Würde sie jedoch mit Eurer Erlaubnis morgen um dieselbe Zeit noch einmal … untersuchen wollen.“ Sunshines Blick fixiert mich, wandert meinen Körper entlang.
„Wie Ihr wünscht, … Cailan.“
„Sehr schön. Also Mo, morgen, selbe Zeit, selber Ort.“
Ich nicke und zwinge mich ruhig zu atmen.
Sunshine verneigt sich, als der Mann in Schwarz uns den Rücken zukehrt und verschwindet. Ihre Augen tasten mich wieder ab. Sorge liegt in ihrem Blick. „Hat … er … hat man dir wehgetan?“, fragt sie und presst die Lippen aufeinander.
Ich schüttle vorsichtig den Kopf. Noch nicht. Noch hat man mir nicht wehgetan. Doch Sunshines Sorge und ihre Worte schneiden mir ins Fleisch und die Wunde brennt, bevor sie blutet. Was wird mich morgen erwarten? Ich bin kurz davor Sunshine zu fragen. Doch das hätte schwerwiegende Folgen. Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera. Eine Erinnerungslöschung mit etwas abzuwiegen, das man nicht kennt, ist schwierig, wenn nicht unmöglich. Also presse ich die Lippen aufeinander und schlottere innerlich dem Morgen entgegen. Was will der Mann von mir, den Sunshine Cailan Cherub nennt? Was ist ein Cherub? Ich zittere und Sunshine nimmt mich in den Arm.
„Es tut mir so leid, Mo. Ich bin machtlos. Ich kann dir nicht helfen. Vielleicht … wenn du tust, was er dir sagt, hat er bald genug von dir. Und wenn du es wünscht, können wir danach alle schlimmen Erinnerungen löschen und du wirst wieder weiß sein, neugeboren und unschuldig.“ Dann dreht sich Sunshine um und geht. Lässt mich alleine mit meiner Angst zurück.
Sie wächst, wird immer schwerer und drückt mich in die Knie. Tränen treten mir in die Augen. Was wird mit mir geschehen? Was wird er mit mir machen? Was kann so schlimm sein, mich so beschmutzen, dass ich gelöscht werden muss, um wieder rein zu werden? Ich bin nicht rein. Doch das weiß Sunshine nicht.
Ich lüge.
Ich bin egoistisch.
Ich giere nach Information und Freiheit.
Ich habe das Wir aus den Augen verloren und denke nur an mich.
Und das innerhalb von wenigen Wochen. Ist das, was morgen kommen wird, meine Strafe? Werde ich weiter beschmutzt, weil ich mich nicht habe reinhalten können?
Fragen schwirren in meinem Kopf, als ich zu meinem Quartier wanke, mich in mein Bett fallen lasse und mich in meine Decke wickle. Ich bin müde, doch der Schlaf wird mich diese Nacht meiden. Da bin ich mir sicher, auch wenn ich gerade an allem anderen zweifle.
Der Moment ist da und ich weiß nicht, wo ich hin soll. Morgen, selbe Zeit, selber Ort, hat er gesagt. Mir fallen drei Orte ein. Das Labyrinth, die vierte Ebene oder hier im Reich des Glases, wo Sunshine uns gefunden hat. Ich wähle das Labyrinth in der Hoffnung, dass ich mich irre und er mich nicht findet. Er hält meine Erinnerung in seinen Händen, mein Wissen. Und laut Sunshine wird er sich meine Reinheit als Pfand für beides nehmen. Doch wie? Meine Fantasie weigert sich mir Möglichkeiten aufzuzeigen.
Verloren stehe ich im gläsernen Kubus da und sehe zum ersten Mal, wie sich der Boden öffnet und zwei weißgekleidete Gestalten hervortreten. Eine ältere Frau mit Adleraugen und eine junge, die sich ängstlich umblickt. Die Treppen sind nur für die Neugeborenen und Novizen gedacht. Doch ein Blick zeigt mir, dass sie nicht wie ich ist. Ihr Armband ist grün. Und ich blicke neidisch weg.
Die Mutter kommt auf mich zu und fragt gebieterisch: „Was suchst du hier?“
Ihre Augen wirken grausam, ihre Haltung strahlt Härte aus und ich bin zum ersten Mal dankbar, dass es Sunshine war, die mich geholt hat.
„Sie wartet auf mich.“
Die strenge Mutter neigt sofort den Kopf, macht einen Knicks und zerrt die Novizin an der Hand fort. Sie steigt auf eine Treppe, von der ich weiß, dass es die falsche ist.
„Sie werden umkehren müssen“, sagt der Mann, der mich beschmutzen wird.
Ich drehe mich um und starre in seine dunklen, fast schwarzen Augen.
Er beugt sich zu mir herunter und flüstert: „Aber das weißt du ja besser als jeder andere.“
Ich weiche erschrocken zurück. Er weiß, was ich getan habe.
„Keine Angst! Außer mir, weiß niemand von deinen Aktivitäten. Und wenn du brav bist, wird das auch so bleiben.“
Das ist er also, mein Lohn, den ich für den Austausch meiner Unschuld bekomme. Stumm blicke ich ihn nur an. Ich werde ihm nicht die Befriedigung geben, auf seine Worte zu reagieren. Mein Geist zuckt vor dem Wort und seiner Schwere zurück. Befriedigung … ich bin mir sicher, dass der Mann das in mir sucht. Doch ich verstehe noch nicht, wie er sie von mir bekommen will.
Plötzlich spüre ich seine Finger auf meiner Wange. Als ich mich auf ihn konzentriere, entdecke ich ein Lächeln in seinen Augen. Sanft, nicht höhnisch, als berühre er etwas Wertvolles. Kann ich das sein? Wertvoll?
„Du bist gut. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, ich hätte eine hirnlose White vor mir.“
Ich weiß nicht, wie es geschieht, oder warum. Alles, was ich spüre, ist aufwallende Wut. Ich war noch nie wütend und doch kenne ich das Gefühl. Mein Körper reagiert und ein lautes Klatschen hallt durch das gläserne Labyrinth. Überrascht blicke ich hoch zu dem kantigen Gesicht, erwarte Wut und treffe doch nur auf ein Spiegelbild meiner Gefühle.
Ein Glitzern, ein Lächeln … und etwas Wundervolles, das ich noch nie gesehen habe und doch benennen kann: Hoffnung. Doch er blinzelt und sein undurchsichtiger Blick bereitet mir Übelkeit. Er dreht sich um und sagt: „Folge mir!“ Als meine Beine mir nicht gehorchen und sich mit dem Boden verwurzeln, wirft er einen Blick über die Schulter und hebt fragend eine Augenbraue.
Fragend scheint hier nicht zu passen … während ich noch darüber nachdenke, entwurzelt sein Blick meine Füße und ich folge ihm wie ein Lemming. Als vor uns im Boden das Loch erscheint, aus dem kurz zuvor die beiden Frauen geschlüpft waren, hallt die richtige Bezeichnung in meinem Geist: herausfordernd. Und etwas an diesem Wort gibt mir Kraft. Ich strecke meinen Rücken durch und meine Schritte werden größer, bis ich neben ihm gehe, anstatt hinter ihm.
Ich kenne den Gang, den wir entlanggehen. Als wir uns dem Verhörraum nähern, klopft mein Herz wild, doch ich richte meinen Blick geradeaus, weigere mich, Angst zu zeigen, wo sie doch die ganze Nacht und den ganzen Tag in meinen Eingeweiden gewütet hat. Ich bin unendlich erleichtert, als wir an dem Raum vorbeischreiten. Dann stehen wir in einer Sackgasse und ich wünsche mich in den verhassten Raum.
Nur ein seichtes Licht, das mehr Schatten wirft, als aufhellt, ist unser Zeuge.
Cailan dreht sich zu mir um. Kurz sehe ich seine Zähne aufblitzen, dann beugt er sich zu mir herunter.
Mein Herz klopft wild, als meine verfluchten Beine wieder Wurzel schlagen.
Seine Lippen sind meinem Gesicht zu nahe und doch nicht nahe genug. Ein Hauch seines Atems berührt meine Haut und ich erschauere. Als seine Lippen zu meinem Ohr wandern und leise: „Buh!“ hineinrufen.
Und zu meinem peinlichen Entsetzen verlässt ein Schreckensschrei meine zitternden Lippen. Und Cailan? Er lacht! Laut und schallend. Schamlos und gemein!
„Du fieser Kerl!“, rufe ich mit rotem Kopf und will von der Erde verschluckt werden. Meine Hände entwickeln wieder ein Eigenleben. Sie schießen vor, legen sich auf seine Brust, um ihn zu schubsen. Doch, oh hilf meinem umnebelten Verstand, bewegt er sich keinen Millimeter, egal wie sehr ich presse. Und für den Rest meiner mickrigen Würde, glaube ich fest daran, dass meine Hände Druck ausüben, anstatt vorsichtig zu tasten.
Er bedeckt mit einer Hand meine beiden. Sie ist so groß und warm. Mit leichtem Druck presst er meine klammen Finger gegen seine Brust und ich kann die Härte seiner Muskeln spüren.
„Hast du dir etwas anderes gewünscht? Hätte ich mehr mit meinen Lippen machen sollen?“
Mir wird heiß und kalt und mein Blick kann sich nicht von seinem Mund losreißen. Als hätte er mich mit einem Bann besprochen. Und er löst ihn wieder mit einem Lachen. Doch dieses Mal ist es leise und dunkel. Seine Hand presst immer noch meine gegen seine Brust und ich kann die Vibration fühlen. Es ist ein witziges Gefühl, seltsam und doch wunderschön. Die Vibration ergreift von meinen Fingern Besitz und jagt meine Arme hoch, landet in meinem Bauch, nur um dann aus meiner Kehle zu springen.
Ein seltsamer Laut. Glasklar und hoch. Ein Lachen? Mein Lachen! Abrupt lässt er meine Hände los und zu meiner Schmach brauche ich einige Sekunden, um von ihm abzulassen. Er räuspert sich, hantiert im Dunklen und das Geräusch einer surrenden Tür holt mich in die Wirklichkeit zurück. Die Sackgasse hat eine Geheimtür. Er schreitet hindurch und ich folge ihm zögerlich. Wir laufen eine Weile durch dunkle Gänge. Dann bleibt Cailan vor einer Tür stehen. Sie öffnet sich, er winkt mich herein und sagt: „Willkommen in meinem bescheidenen Zuhause!“
Mein Kiefer fällt herunter und mein Kopf schaltet auf Durchzug. Ein riesiger Raum mit einem großen, schweren Tisch aus dunklem Holz steht in der Ecke. Ein Bildschirm, der über die ganze Wand reicht, ist auf der gegenüberliegenden Seite. Davor befindet sich ein Sofa und ein Beistelltisch, vollbeladen mit Tastaturen und kleineren Bildschirmen.
Cailan marschiert zu einem Globus, öffnet ihn und verschiedene Flaschen kommen zum Vorschein. „Drink gefällig?“, fragt er galant.
„Danke, ein Wasser würde ich nehmen“, erwidere ich, als die Trockenheit in meiner Kehle mir fast Schmerzen bereitet.
„Ich habe kein Wasser angeboten“, sagt er und reicht mir ein Glas mit einer goldenen Flüssigkeit.
Ich nehme das Glas vorsichtig in beide Hände. Es wirkt so dünn und zerbrechlich, als könnte es selbst unter meinen schwachen Fingern zerbersten.
„Zum Wohl!“, sagt Cailan und nimmt einen Schluck. Seine Augen haben wieder diesen Ausdruck … Herausfordernd, war das Wort. Also nippe ich an der goldenen Flüssigkeit. Sie ist süßlich, brennt leicht in meiner Kehle. Es ist jedoch nicht unangenehm. Ein zweiter und dritter Schluck und ich fühle eine Wärme meinen Körper und Geist erfüllen. Etwas von meiner Angst fällt von mir ab und ich blöke wie ein Schaf das erste heraus, das mir in den Sinn kommt: „Warum bin ich hier?“
„Weil ich mit dir reden will“, antwortet Cailan, lässt mich keine Sekunde aus den Augen.
„Mit mir reden? Worüber?“ Es gibt nichts, das ich ihm erzählen könnte, nicht eine Sache. Das einzige, was ich in mir finde, sind Fragen. Fragen über Fragen.
„Ich möchte mit dir über das reden, was du in den letzten Wochen erfahren hast. Und ich habe eine Bitte.“
Ich versteife mich. Ist es das, wovor Sunshine mich gewarnt hat? Zu meiner Schande bin ich gespannt. Eine wichtige Frage, auf die ich gleich eine Antwort bekommen werde. Wie wird Cailan mich beschmutzen?
„Ich bitte dich, vorsichtiger zu sein und deine Nachforschungen einzuschränken.“
Es dauert, bis seine Worte mein Gehirn erreichen.
„Wie bitte?“, frage ich ungläubig. Überrascht stelle ich fest, dass ich enttäuscht bin. Auch erleichtert, aber vor allem enttäuscht.
„Weißt du, wie schwer es war, deine Spuren zu vertuschen? Ich konnte dich keine Sekunde aus den Augen lassen.“
Meine Knie werden weich und ich sinke kraftlos zu Boden. Das schöne Glas fällt aus meinen Händen und zerbricht. Ich greife danach, will die Scherben wieder zusammenfügen. Doch alles, was passiert, ist, dass mein Blut sich zu dem Scherbenhaufen gesellt. Gläsern und rot. Hart und flüssig. Kaputt und verwundet.
Ich tue das einzige, was mir einfällt, stecke den blutenden Finger in den Mund und sauge daran. Doch auch mein Gewandt hat was abbekommen. Es tropft genau zwischen meine Beine. Cailan steht auf, geht an einen Schrank, sucht etwas. Dann kommt er wieder, kniet sich neben mich, greift nach meiner Hand, und klebt etwas auf die Wunde. Ist das ein Pflaster?
Er bleibt neben mir knien und ich starre auf die Scherben.
„Es tut mir leid!“, sage ich kleinlaut.
„Was tut dir leid?“, fragt Cailan, die Augen immer noch auf den Scherbenhaufen gerichtet.
„Dass ich dein schönes Glas zerbrochen habe.“ Ich schäme mich. Und Cailan? Er lacht! Verwirrt blicke ich zu ihm. Die Art wie seine Augen leuchten, seine Lippen sich biegen und seine Zähne funkeln ist … ist … schön. Ich bin überrascht über das Wort, das mein Gehirn ausspuckt und sehe schnell weg. Cailan wird wieder ernst und sagt: „Ich beantworte dir alle Fragen, soweit ich kann, wenn du deine Aktionen fürs erste einstellst.“
Ich schürze die Lippen und frage: „Woher weißt du, was ich getan habe?“
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ihr nicht beobachtet werdet?“
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und erwidere kalt: „Wir beobachten uns gegenseitig, nichts bleibt ungesehen in einer Glas-Welt. Nur ein schizophrener Neurotiker würde noch Kameras installieren.“ Oder ein Spanner, fügt mein Gehirn hinzu und ich beobachte skeptisch Cailans Reaktion.
Mein Argwohn wird jedoch von seinem Lachen hinweggefegt. Dann legt er seinen Kopf schief und seine Augen bohren sich in meine. „Wenn du schon so schlagfertig und feurig bist, ohne jede Erinnerungen, wie warst du dann früher?“
Es ist eine grausame Frage und ich schlucke Tränen hinunter. Glaube kurz Befriedigung in seinen Augen zu sehen. Oder etwas, das Befriedigung sein könnte. Mein Gehirn kann die Bedeutung dieses Wortes noch nicht vollkommen fassen. Verzweifelt blinzle ich die Tränen weg.
„Was willst du von mir?“, frage ich mit einem Kloß im Hals.
„Das ist eine schwierige Frage. In erster Linie wäre Dankbarkeit nicht schlecht. Es war wirklich nicht einfach alle Kameras auf mein System umzuleiten. Und beinahe wäre gestern alles aufgeflogen. Du kannst dir sicher vorstellen, was die Folgen gewesen wären?“
Ich schlucke und nicke langsam. Doch anstatt einem Danke prescht eine Frage aus mir heraus: „Warum deckst du mich?“ Seine Augen blitzen gefährlich auf.
Er überlegt eine Weile, während ich die Luft anhalte, und erwidert dann: „Es muss die Langeweile sein. Immer der gleiche Trott … und dann kamst du. Für eine White sind deine Gehirnaktivitäten außergewöhnlich. Und das Interessante sind deine Handlungen. In all der Zeit, in der diese Anstalt existiert, hat noch niemand gewagt, was du getan hast. Vielleicht nicht einmal daran gedacht. Weißt du, was man den Menschen nimmt, wenn man ihre Erinnerungen löscht? Den Willen und den Glauben. Es ist faszinierend, wie schnell intelligente Wesen sich nur auf ihre Urbedürfnisse konzentrieren, wenn man ihnen ihre Erfahrung wegnimmt.“
Wut kocht in mir auf. Die Worte sind nicht bösartig, klingen nach mit Neugier und Begeisterung. Und das macht es um so viel schlimmer. Ich will weinen, schreien, ihn wieder ohrfeigen. Doch alles was aus mir herausbricht sind geflüsterte Worte: „Wir sind Menschen. Was wir auch getan haben, sind wir doch Menschen.“ Ich bin keine Laborratte! Ich bin ein Mensch, eine Frau.
„Entschuldige! Natürlich hast du recht. Man vergisst das schnell, wenn man nur digitale Zahlen, Worte und Bilder analysiert“, erwidert Cailan schnell.
Zu schnell. Kann in so unbedachten Worten Wahrheit liegen? „Tust du das? Uns analysieren?“, frage ich und lauere wie eine Klapperschlange auf jede Information, die er mir unwissentlich preisgibt. Denn etwas in mir sagt, dass nur diese Wert haben. Dass ich nur diesen trauen kann. Wo kommt dieser Argwohn her? Wieso kann ich ihm nicht vertrauen? Und eine leise Stimme in mir flüstert mir die Antwort zu, die mein Herz schon kennt: Lügen und Halbwahrheiten. Menschen sprechen selten die Wahrheit. Selbst in dieser fadenscheinigen Welt, in die ich geworfen wurde, die in der ersten Strophe ihrer Hymne die Wahrheit besingt, ist voller Lügen, Schatten und Geheimnisse. Mein Herz blutet bei dem Gedanken, dass es eine Welt, wie ich sie mir erträumt habe, nirgendwo gibt.
„Ich analysiere dich. Und finde immer mehr Fragen als Antworten“, sagt Cailan und ich glaube ihm.
„Viel kann ich dir nicht sagen. Aber ich werde deine Fragen, so gut es geht, beantworten, wenn du meine beantwortest.“ Was erhoffe ich mir? Mehr Lügen und Halbwahrheiten?
Ich habe nichts zu bieten und dennoch willigt Cailan ein: „Okay. Ladies first. Du darfst anfangen.“ Ich öffne den Mund und schließe ihn. Tausende Fragen schießen mir durch den Kopf.
Sind wir ‚White‘ wirklich Schwerverbrecher? – Was habe ich getan?
Wo bin ich hier? – Wo komme ich her? – Was wird mit mir passieren?
Wie komme ich hier raus? – Was ist da draußen?
Wer bin ich? – Wer war ich? – Wer kann ich werden?
Habe ich eine Zukunft, wenn ich keine Vergangenheit habe?
Wie heiße ich? – Wie ist der Name meiner Eltern?
Kleine Fragen, die, selbst wenn Cailan sie beantworten kann oder will, nichts ändern. Was ändert das Wissen, wenn die Erinnerungen nicht wiederkehren? ALLES, schreit eine Stimme in mir. Es ändert alles! Und doch ist es eine andere Frage, die ich stelle.
„Wer bist du und was ist deine Rolle im System?“ Zwei Fragen. Ich habe zwei Fragen gestellt. Wird er sie mir beantworten?
Er scheint überrascht.
„Ich hätte eher gedacht, dass du Fragen über dich selbst stellen wirst.“
Ich blicke ihn nur stumm an, doch die Hoffnung keimt. Tragen seine Worte eine tiefere Bedeutung? Weiß er etwas über meine Vergangenheit?
„Mein Name ist Cailan van Matthews.“ Er macht eine Pause, beobachtet meine Reaktion.
Aber ich höre den Familiennamen zum ersten Mal. Cailan sieht enttäuscht aus, fährt jedoch fort: „Ich durchlaufe die Ausbildung zum Cherub. Was bedeutet, dass ich in jeder Abteilung dieser Anstalt für drei Monate arbeite. Wenn ich alle Prozesse beherrsche, bin ich befugt Anstalten wie diese zu leiten.“
DIESE Anstalt. Es gibt also mehrere. Das heißt, es gibt ein System außerhalb dieses Kubus‘. Eine Welt außerhalb dieses Apparats. Ich öffne den Mund, um mehr Fragen zu stellen. Ich brauche mehr Informationen. Details. Es ist ein Drang, der mich zerstören wird, wenn ich ihn nicht befriedige. Und plötzlich, in dem Moment eines Herzschlags, ergibt das Wort ‚Befriedigung‘ einen Sinn. Wir werden von dem Drang geleitet, Bedürfnisse zu befriedigen. Der Treibstoff, der mich handeln lässt, ist das Bedürfnis zu wissen. Ich brauche Informationen wie Sauerstoff zum Atmen.
„Ich bin dran!“, unterbricht mich Cailan in meinen Gedanken, „wie war es für dich, als du zum ersten Mal erwacht bist?“ Bevor ich antworten kann, fügt er hinzu: „Ich kenne die Aufzeichnungen. Ich weiß, wie du dich verhalten hast. Aber wie hast du dich gefühlt?“
Ich blinzle. Denke nach. Was habe ich gefühlt? „Ich … ich war durstig. Ja, Durst war das erste, was ich verspürt habe. Ich wollte Wasser und war überrascht, dass ich wusste, was Wasser ist. Ich … ich konnte sprechen, wusste aber nicht, wer oder was ich bin. Plötzlich war ich einfach.“ Wir sitzen immer noch auf dem Boden und ich ziehe die Beine an meine Brust, umschlinge sie fest und will das Glitzern in Cailans Augen nicht sehen, als er fragt: „Hattest du Angst?“
Ich habe zwei Fragen gestellt, ich schulde Cailan zwei Antworten. Also denke ich nach und schüttle langsam den Kopf, rede mir ein, dass es keine Enttäuschung ist, die sich wie ein Schatten über sein Gesicht legt. „Ich … ich kenne das Wort ‚Angst‘. Die Bedeutung ist mir klar. Aber es braucht Zeit, eine Situation. Ich … ich muss sie empfinden, um sie wirklich zu begreifen.“
Und etwas rührt sich in meiner Brust, als Cailans Lippen leicht nach oben zucken. Ist das Angst? Ich schließe die Augen und suche nach der nächsten Frage, die mir weiterhelfen kann das zu bekommen, was ich brauche.
„Wie und wo werden die Erinnerungen der Insassen gespeichert?“ Wird Cailan mir diese Frage beantworten? Was bezweckt er, warum unterhält er sich mit mir?
„Wer sagt, dass die Erinnerungen gespeichert werden?“
Ich denke an das saugende Gefühl in dem Befragungsraum, als man mein Gehirn durchforstet hat. Meine Frage beruht auf einem Gefühl, der Vorstellung, dass die Erinnerungen nicht zerstört, sondern herausgesaugt werden. Auf einen anderen Datenträger übertragen. Vielleicht irgendwann überschrieben, gelöscht. Doch etwas sagt mir, dass eine Verwahrung mehr Sinn macht, wenn sie analysieren und Daten verwerten. Wenn sie Schwerverbrechern eine zweite Chance geben, einen Neuanfang, wie sie behaupten, dann brauchen sie Fallstudien, Vergleichsmuster, um die bestmöglichsten Ergebnisse zu erzielen.
Wenn sie es anstreben. An dieser Frage hängt so viel, dass meine Brust sich zusammenzieht und mir das Atmen immer schwerer fällt. Und ich erkenne Angst. Angst davor, das Vielleicht zu verlieren und damit die Hoffnung. Denn nichts tötet Hoffnung, außer Wissen. Ich bleibe stumm und warte.
Cailan entfährt ein leiser Seufzer und er sagt: „Die Daten werden nach der Extrahierung zwischengespeichert. Wir nennen sie Zeugen. Die Zeugen legitimieren nach dem Urteil die Vollstreckung. Es ist ein Sicherheitsmechanismus, der fehlerhafte Urteile heraussieben soll. Die Zeugen durchleben aus der dritten Perspektive die extrahierten Daten. Sie tragen die Daten ein Jahr in sich. Analysieren sie und können während dieser Zeit Einspruch erheben. Geschieht dies nicht, werden Standarddaten auf einen Server geladen und gelöscht. Nur Anomalien, von denen wir lernen können, werden aufgehoben.“
Die Luft bleibt mir weg. Ich kann nicht mehr atmen. Jemand trägt meine Erinnerungen in sich. Wenn dieser Jemand Zweifel an meiner Schuld hat, kann ich mein Erinnerungen wieder haben? Kann ich in mein altes Leben zurück, was auch immer das bedeutet?
„Eine Wiederintegration von Erinnerungen ist sehr selten. Und noch seltener ist sie erfolgreich“, sagt Cailan und treibt ein Messer in meine Brust.
Ich keuche auf. Meine Hoffnung zerbricht.
„Was empfindest du jetzt?“, fragt Cailan. Fordernd. Befehlend. Und er reist mir die Antwort von den Lippen. „Hast du Schmerzen?“
Meine Brust schnürt sich zusammen und ich nicke.
„Weil es keine Hoffnung gibt dich wieder ganz zu machen?“
Er impliziert, dass ich zerbrochen bin und er hat recht. Tränen rinnen meine Wangen herunter und ich spüre seine Finger auf meiner Haut.
Er fängt eine Träne auf und schiebt sich den Finger in den Mund. „Deine Trauer schmeckt salzig.“ Ich schließe die Augen und frage mich, wie viel von all dem hier wahr ist.
„Ich kann dir helfen. Ich habe eine Kopie deiner Daten und kann dir deine Vergangenheit näher bringen, wenn auch nicht reimplementieren. Möchtest du das?“
Meine Augenlider schießen hoch und ich starrte in die dunklen Augen, die wissen, wer ich war. Die wissen, was ich getan habe. Ich will zweifeln und lasse den Zweifel in mein Herz. Wie viel Lügen mir Cailan auch auftischt, es ist meine einzige Chance, mehr zu erfahren. Also nicke ich und besiegle mein Schicksal.
„Okay. Für heute ist es genug. Sonst bekommt Mutter Sunshine noch einen Herzinfarkt vor Sorge.“
Ich will mehr wissen, doch ich beuge mich seinen Worten. Stille Verzweiflung umgibt mich, als er mich aus seinem Zimmer führt. Wir gehen einen anderen Weg. Einen kürzeren. Es sind kaum zehn Minuten vergangen, als ich vor einer Tür stehe, die in das Glasreich führt. Ich durchschreite sie alleine, drehe mich um und sehe Cailan fragend an. Wann sehen wir uns das nächste Mal, fragen meine Augen schweigend. Doch ich bekomme keine Antwort.
Es dauert nicht lange, bis Sunshine mich findet. Sie nimmt mich in den Arm und streichelt mir über den Kopf.
„Hat er dir wehgetan?“, fragt sie mich.
Meine Hand fährt zu meiner Brust, in der ein zerbrochenes Herz liegt und ich bin mir nicht sicher, habe das Gefühl, dass er viel mehr getan hat, als mir Schmerzen zuzufügen. Doch ich schüttle nur stumm den Kopf.
Es sind Tage vergangen und ich sitze mit gefalteten Händen im Schoss. Mutter Sunshine behält jede meiner Bewegungen im Auge. Ich kann auf eigene Faust nichts unternehmen und Cailan meldet sich nicht. Die Unruhe in meinem Körper rüttelt an meinen Knochen, bringt meine Eingeweiden zum Kochen. Mal ist sie im linken Zeh, dann in den Kniekehlen, im Nacken. Sie saust hin und her und ich bin ihr ausgeliefert. Es ist wie Folter und ich bin mir nicht sicher, ob es nicht genau das sein soll.
Befinde ich mich mitten in einem Experiment? Alles in mir schreit: ja. Alles hier erscheint mir falsch. Die leeren Gesichter, die mich umgeben, sagen mir, dass es ein fehlgeschlagenes Experiment ist und ich bin die letzte lebende Laborratte. Was ist es, das mich von den anderen unterscheidet? Warum ergeben sie sich in ihr Schicksal? Wo ist ihr Kampfgeist, ihr Wille zum Leben und nicht vor sich Hinvegetieren?
Der Unterricht kommt mir vor wie eine Farce, doch ich höre zu, sauge jede Information in mich auf, die ich aus der Luft greifen kann. Immer und immer wieder spiele ich den Wortwechsel in Cailans Zimmer durch. Ich habe nach Informationen gefragt und er nach Gefühlen. Nach meinen Gefühlen. Ist es möglich, dass all die Technik, all das Wissen, wie man Erinnerungen aus einem Gehirn saugt, ihnen keinen Zugang zu Gefühlen gibt?
Er hat nach Angst gefragt und Schmerz. Nicht körperlichem, geistigem. Sie können sicher meine Körpersignale deuten, aber vielleicht reicht es nicht aus. Brauchen sie mehr Informationen für ihre Analysen?
Cailan hat behauptet, dass er die Daten über meine Vergangenheit hat. Ist das nur ein krankes Spiel? Wollen sie meine Reaktion testen? Ich habe schon aufgegeben, als er nachmittags einfach vor mir auftaucht. Vielleicht ist es die Sehnsucht, die mir einen Streich spielt. Das Warten, das sich ewig hingezogen hat. Ein Gemisch von Glückshormonen, freigesetzt durch die Erfüllung meines so lange gehegten Wunsches. Was auch immer es ist, zum ersten Mal fällt mir auf, dass Cailan ein schöner Mann ist, obwohl er müde und verbraucht aussieht. Gehetzt hüpfen seine Augen rastlos hin und her.
„Hallo!“, sagt er leise und seine Augen kleben für einen Moment an meinem Gesicht, lungern an den dunklen Schatten. Auch mich hat der Schlaf in den meisten Nächten gemieden.
„Hallo, Cailan!“
Mehr sagen wir nicht. Er dreht sich um und ich folge ihm zu der Tür, die ich so lange angestarrt habe, dass sie sich eigentlich vor langer Zeit hätte auflösen müssen. Sie schwingt auf und wir treten hindurch. Ich drehe mich in die Richtung, in der sich Cailans Zimmer befinden müsste. Doch er wendet sich in eine andere.
Stumm geht er voran und schweigend folge ich ihm. Nur mein Herz schreit eine Warnung und klopft wild in meiner Brust. Cailan wird es rücksichtlos zerreißen. Da bin ich sicher. Und doch kann ich ihm nur folgen, den Schmerz erwarten und versuchen ihn abzufedern.
Cailan führt mich in einen Raum, der bis auf einen langen Tisch leer zu sein scheint. Erst bei genauerem Hinsehen erkenne ich durchsichtige Wände, die nebeneinander verlaufen und das Zimmer in schmale Gänge teilen. Wo bin ich hier? Meine Augen tasten alles ab und bleiben an Kreisen hängen, die sich umeinander winden, im Zentrum ein schwarzer Punkt. Verwirrt sehe ich Cailan an und er sagt, ohne mich anzuschauen: „Das hier ist ein Raum für Schießübungen.“
„Schießübungen?“, frage ich vorsichtig.
„Für die Wachen, damit sie nicht einrosten. Wir haben hier noch nie einen Überfall gehabt, doch die … Bewohner hier müssen geschützt werden. Manchmal auch vor sich selbst.“
Ich erschaudere bei dem Zusatz.
„Nimm eine Waffe!“, sagt Cailan plötzlich.
„Wie bitte?“, frage ich verwirrt und mein Blick wandert zu einem Tisch, auf dem weiße Gegenstände in verschiedenen Größen liegen. Mein Herz schlägt schneller, als mein Gehirn das Wort ausspuckt: Pistolen. Ich weiche erschrocken zurück. Werkzeuge zum Töten!
„Du sollst eine Waffe in die Hand nehmen!“, wiederholt er ungeduldig.
Ich schlucke und erwidere leise: „Ich will nicht!“
Cailan greift nach einer der Pistolen, entlädt sie und richtet sie auf mich. „Ich sagte, nimm die Waffe in die Hand!“
Mit vor Angst geweiteten Augen nehme ich eine kleinere Pistole in die Hand, starre sie an. Wie kann ein Gerät, das Leben nehmen kann, nur so wenig wiegen? Mein Körper zittert. Dann höre ich einen Schuss, presse die Augen fest zusammen in Erwartung des Schmerzes. Doch als er nicht eintrifft, öffne ich vorsichtig meine Lider und sehe, dass Cailans Waffe raucht. Sie ist geradeaus gerichtet. Ich folge dem Lauf und sehe ein kleines Loch in dem schwarzen Punkt der Zielscheibe.
Cailan starrt mich an, richtet die Waffe wieder auf mich und fragt kalt: „Hattest du Angst?“
Ich nicke vorsichtig, die Augen auf die Öffnung der Waffe gerichtet.
„Warum hast du Angst? Wovor hast du Angst?“, fragt er, einen Eifer in den Augen, der meinen Magen auswringt.
„Vor … vor dem Schmerz“, stotterte ich leise.
„Hattest du schon Schmerzen? Weißt du überhaupt, was Schmerzen sind?“ In Cailans Stimme schwingt Herausforderung.
„Ich kenne keinen körperlichen Schmerz. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt angeschossen oder erschossen zu werden“, gebe ich zu. Mein Körper bebt. Ich kann meine Muskeln nicht zum Stillstand bringen, mein rasendes Herz nicht beruhigen.
„Und doch hast du Angst davor?“
Ich nicke langsam.
„Auch vor dem Tod?“
Fürchte ich mich zu sterben? Das unkontrollierte Zittern meines Körpers schreit: Ja! „Ich will nicht sterben. Ich will leben“, flüstere ich und bin erstaunt über den Wahrheitsgehalt dieser Worte. Ich will leben. Ich habe Angst davor verletzt zu werden.
„Entsichere die Waffe und richte sie auf die Zielscheibe!“
Ich schlucke, versuche die Pistole zu entsichern, wie ich es bei Cailan zuvor gesehen habe. Als es leise klickt, schlucke ich hart, richte mit zitternden Händen die Waffe auf das Ziel und drücke ab. Der Rückstoß ist überraschend und ich stolpere nach hinten. Meine Kugel verfehlt das Ziel komplett und bohrt sich in die Wand.
Drei Schüsse folgen. Cailan trifft dreimal hintereinander in den schwarzen Punkt. Dann lässt er seine Waffe sinken, blickt mich an und sagt: „Ich möchte, dass du weißt, dass ich mein Ziel nie verfehle. Willst du das Geheimnis wissen? Den Grund, warum ich immer treffe?“
Langsam nicke ich, hoffe, dass es diese Reaktion ist, die er von mir will. Mein Blick liegt auf der Waffe, die immer noch auf der Suche nach einem Ziel ist.
„Ich stelle mir vor, ich habe den Menschen vor mir, den ich am meisten hasse, und drücke ab.“
Ich zucke zusammen, als sich seine Augen in meine bohren.
„Wer … wen hasst du so sehr?“, frage ich flüsternd.
„Ich gewähre dir heute eine Frage. Soll das deine heutige Frage sein?“
Ich schlucke. Die Kälte in Cailans Stimme macht mir Angst und ich schüttele langsam den Kopf. Während der ganzen Zeit, in der ich auf ihn gewartet habe, sind mir so viele Fragen durch den Kopf geschwirrt und jetzt japse ich nach nur einer, wie ein Fisch an Land nach Wasser.
Eine Frage, ich brauche eine Frage.
„K … können sich die White nach den Eingriffen wieder erholen? Die meisten sehen leer aus, apathisch. Können sie mit der Zeit lernen wieder normal zu werden? Zu empfinden?“ Wird Dannie je wieder die alte sein, hallt die umformulierte Frage in meinem Inneren.
Cailan starrt mich an, geht ein paar Schritte auf mich zu. Ich weiche vor der Härte in seinem Blick zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spüre. Als nur noch Zentimeter zwischen uns sind, hält er inne. Unsere Körper berühren sich nicht und doch kann ich die Hitze seines Körpers spüren, während seine Blicke Löcher in mich brennen.
Und wieder fühle ich eine unglaubliche Anziehungskraft, fange meine Hände ein, bevor sie sich in seine Brust krallen können. Das Gefühl, dass jeder Zentimeter zwischen uns zu viel ist, glüht in mir wie eine Sonne. Mein Körper reagiert auf Cailan. Haben wir uns früher gekannt oder ist es die Schönheit seines Körpers, die Härte seines Gesichtes, der Schmerz, den seine Augen in die Welt schreien, die mich anziehen? Ich zittere und unterdrücke den Drang, mich in seine Arme zu werfen.
„Eine komplette Löschung hinterlässt meist leere Geister. Viele werden dabei gebrochen. Die meisten. Eine White kann zu einem gewissen Maße den Unterschied von Gefühlen erlernen. Doch kompliziertere Empfindungen werden ihnen immer fremd bleiben.“ Seine Augen suchen mein Gesicht ab, harren auf meine Reaktion, jedes kleine Zeichen, das ihm verrät, wie es in meinem Inneren aussieht.
„Kompliziertere Empfindungen?“, frage ich leise … vorsichtig. Die Bedeutung dieser Worte kann meine letzte Hoffnung zerstören.
„Körperliche Bedürfnisse sind die einfachsten. Schwieriger wird es mit abstrakten Gefühlen. Eine White kann Hunger empfinden und Schmerz. Treue kann sie erlernen. Doch Empfindungen wie Hass und Liebe sind unmöglich. Oder Freundschaft …“
Das letzte Wort, das Cailan mit Genuss spricht, sagt mir, dass er von Dannie weiß. Er weiß, was ich getan habe. Und doch frage ich: „Was ist bei einer wiederholten Löschung?“
„Wiederholte Löschungen werden selten vorgenommen. Es muss ein Extremfall vorliegen. Wenn die Vorgänge zu nahe beieinander liegen, ist ein Wiederaufbau der kognitiven Fähigkeiten fast unmöglich.“
Ich höre Freude in Cailans Stimme, als mir Tränen die Wange hinunterlaufen.
Wie schon zuvor, streckt er seine Hand aus, fängt eine Träne auf und starrt mich an. „Weinen ist zum Beispiel etwas, das den meisten Whites versagt ist. Du glaubst gar nicht, was für ein Wunder es ist, dass du Angst haben und geistigen Schmerz empfinden kannst. Und dass du noch die Fähigkeit besitzt zu weinen.“ Seine Finger streichen über meine Wange, fahren zu meinem Hals hinunter und er nimmt mir die wenigen Zentimeter, die ich mir jetzt mehr als alles andere wieder wünsche. Sein Körper presst sich gegen meinen. Seine Hände gehen auf Wanderschaft.
Ist es das, was Sunshine befürchtet hat? Wird Cailan mich hier und jetzt beschmutzen und sich seine Befriedigung holen? Er beugt sich zu mir herunter, seine Lippen berühren sanft mein Ohr und er flüstert: „Sollen wir hier und jetzt herausfinden, was du noch empfinden kannst? Wird dein Körper für mich in Lust brennen?“
Ich keuche auf bei seinen Worten. Sein Atem auf meiner Haut fühlt sich an wie tausend kleine Nadeln. Mein Unterleib zieht sich zusammen und ich … ich … ich will, dass er mich berührt, strecke meine Hände aus, taste seine Seiten hoch, berühre seine Schultern, seine Wange.
Er zieht die Luft durch die Zähne. Wir stöhnen beide. Er verkrampft sich und blickt mir in die Augen. Ich sehe in ihm die Flamme, die ich in mir spüre. Ist das Lust? Begierde? Sein Daumen fährt über meine Lippen und ich erzittere unter der Berührung, will mehr. Doch Cailan zieht sich ruckartig zurück. Zischt, als hätte er sich verbrannt. Je weiter er sich von mir entfernt, desto mehr will ich ihn berühren.
Es ist fast schmerzhaft. Ich nehme diese unbändigen Gefühle, lege sie in Ketten und schließe sie tief in mir ein. Zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass das kleine Licht in mir heller lodert. Teile von mir erhellt, die ich nicht sehen will. Nicht jetzt. Und doch breitet sich alles klar vor mir aus. Cailan ist schön. Ich fühle mich zu ihm hingezogen. Und wenn Sunshines ‚Beschmutzen‘ Cailans Körpernähe bedeutet, will ich, dass er mich beschmutzt.
Ich zucke zurück vor diesen mächtigen Gefühlen.
„Ich bringe dich wieder in dein Quartier … für heute“, sagt Cailan kalt. Nichts mehr zeugt von dem Moment der Hitze, in dem auch er sich für einen Augenblick verloren hat, da bin ich mir sicher.
Verwirrt trete ich durch die Tür, drehe mich um und sehe Cailan hinter der Wand verschwinden. Das Ende meiner Glas-Welt, ist kein Ende, sondern der Anfang einer erschreckenden Welt voller ambivalenter Gefühle. Wäre es einfacher keine Angst vor einem Menschen zu haben und ihm körperlich nahe sein zu wollen? Wäre eine Welt, in der ich nur von simpelsten Gefühlen geleitet werden würde, in der ich noch an die Ideale glauben könnte, die mir Aira so schmackhaft gemacht hat, schöner?
Dann blicke ich in die leeren Gesichter meiner Mitinsassen und weiß, dass ich das nicht möchte. Dass ich Schmerz der Apathie vorziehe. Ich blicke auf meine Handgelenke und frage mich jedoch, wie viel Schmerzen ich ertragen kann, bevor ich zerbreche.