Читать книгу Kind der Drachen – Vernunft oder Liebe? - Sabine Hentschel - Страница 10
Keine Hoffnung in Sicht
ОглавлениеNachdem sich die Drachenkinder geeinigt hatten, zogen sich Nerifteri, Varush, Andal und Aura zurück um ihre Sachen zusammenzupacken. Elen, Kira, Tara, Osiris und Le blieben im Wohnzimmer des Werwolfhauses zurück und redeten über diverse Möglichkeiten und Strategien.
Danny und Daamien hatten sich derweil nach draußen zurückgezogen. Es wehte eine kalte Brise über die Insel.
»Die frische Luft tut gut«, begann Danny das Gespräch. »Danke, dass du dich so für uns einsetzt.«
«Gern. Weißt du doch«, antwortete Daamien.
Danny seufzte leise. »Unsere Mütter scheinen es nicht für wichtig genug gehalten zu haben um zu kommen.«
Daamien blickte über die Insel zur Burg hinauf. Auf den großen Türmen hatten ihre Vorfahren einst große Nester als Schlafplätze für die Drachen errichtet. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht entsinnen jemals einen Drachen in diesen Nestern gesehen zu haben. Selbst jene, die nach der großen Verbannungsaktion geschlüpft waren, schienen plötzlich verschwunden.
»Ich glaube, es lag nicht an ihnen«, erwiderte Daamien leise, während er vor sich hin grübelte.
Danny blickte ihn fragend an. »Wie meinst du das? Was weißt du?«
»Erinnerst du dich, dass unser Flugzeug in Amsterdam später gestartet ist, als es sollte, weil ich noch telefonieren musste?«, fragte Daamien zurück.
Danny überlegte kurz. »Ja. Ich dachte, du telefonierst mit einem der anderen Unsterblichen wegen ihrer Anreise.«
Daamien schüttelte den Kopf. »Ich habe mit Chris telefoniert.«
»Deiner Tochter? Was wollte sie?«, erwiderte Danny.
Um sicher zu gehen, dass keiner lauschte, blickt sich Daamien kurz um. »Erzähl das bloß nicht meiner Frau! Ich bekomme dermaßen Ärger, wenn sie erfährt, wo ich Chris hingeschickt habe. Nerifteri ist immer noch der Meinung, sie ist ein Kind. Aber Chris ist 15 Jahre alt und hat verdammt viel Gespür für Menschen. Ich habe Nerifteri erzählt, dass ich Chris zu Nalun und Xervas geschickt habe, damit sie in Sicherheit ist. In Wirklichkeit ist sie nach London und dann in den Kaukasus gereist, um eure Mütter zu wecken.«
»Wieso? Wie wolltest du sie denn wecken?«, hakte Danny erstaunt nach.
»Mein Vater hat mir ein Amulett geschenkt, in dem ein Stück von Dakoons Flamme eingeschlossen ist. Es hat irgendwie etwas Magisches. Aber es ist wohl eher ein Stück Harz, dass Dakoon einst mit seiner Flamme zu diesem Gebilde geformt hat. Mein Vater war allerdings fest davon überzeugt, dass es jeden Drachen aus seinem Schlaf wecken würde, wenn man es auf seinen Kopf legt. Aber soweit kam Chris nicht einmal«, antwortete Daamien. »Garushin hat Wachen vor den Höhlen positioniert, um dafür zu Sorgen, dass keiner mehr zu ihnen kommt. Er führt irgendetwas im Schilde.«
»Er hält sie gefangen? Dieser ...«, erboste sich Danny. »Ich könnte ihn ...«
»Das solltest du lieber nicht zu laut sagen«, unterbrach Daamien ihn. »Du musst mir versprechen Nerifteri kein Wort davon zu erzählen. Ich habe Chris absichtlich in Gefahr gebracht, das wird sie mir nicht verzeihen.«
»Versprochen!«, antwortete Danny. »Wo ist Chris jetzt?«
»In unserem Versteck. Da sie ja erst mit 16 Jahren am Konzil teilnehmen darf, hielt ich es für besser sie nach Den Helder zurückzuschicken. Auch wenn wir uns vermutlich jetzt einen neuen Unterschlupf suchen müssen. Garushins Schergen werden ihr vermutlich gefolgt sein und sie nicht aus den Augen lassen.«, antwortete Daamien nachdenklich. Er machte sich Sorgen, dass er Chris zu viel zugemutet hatte.
»Da hast du recht. Wir sollten kein Risiko mehr eingehen. Wir werden alle eine neue Unterkunft brauchen«, sagte Danny ruhig. »Apropo Schergen: Da oben vor der Burg steht Darvu, vielleicht kann er dir sagen, wo Tamilia ist.«
Daamien blickte erneut zur Burg hinauf. »Sie wird ziemlich genervt sein und schlecht gelaunt. Ich sollte sie erst heute Abend aufsuchen. Sonst wird sie mir überhaupt nicht zuhören. Außerdem ist mir wohler dabei, wenn ihr dann schon in der Luft seid.«
Danny nickte zustimmend, dann wandte er sich zum Haus der Formwandler um. »Ich bin mir sicher, Marces hat Cara in sein Zimmer bringen lassen. Auch wenn er mich nicht zu ihr lassen wird, muss ich es wenigstens versuchen!«
Dann lief er, ohne ein weiteres Wort von Daamien abzuwarten, zum Haus der Formwandler. Dort angekommen, klopfte er an die Tür. Es dauerte eine Weile, bis man von innen polternde Schritte vernahm, dann ein Quietschen der Holztür und schließlich einen scheinbar gelangweilten Keton, der fragte: »Was willst du?«
Danny überlegte kurz, ob er direkt nach Cara oder nach Marces fragen sollte, kam aber schnell mit sich überein, dass es sinnvoller war Marces’ Autorität zu achten: »Ich möchte zu Marces. Ist er da?«
Keton blickte ihn verwundert an. »Keine Ahnung, wo der Kerl ist. Bin ich sein Butler?!«
Dann schlug er mit sichtlicher Freude Danny die Tür vor der Nase zu. Lediglich ein schallendes Gelächter war noch von drinnen zu vernehmen.
Danny schnaubte vor Wut. »Dieser Lackaffe.«
Eine Minute später öffnete sich erneut die Tür und Nircha blickte Danny mit einem finsteren Gesichtsausdruck an. »Was willst du vom Hüter? Deine kleine Schwester freikaufen? Was bietest du denn?«
Noch bevor Danny ihr antworten konnte, hörte man von weit hinten aus dem Haus Lilly schreien: »Nircha! Jetzt hör auf!«
Daraufhin wandte sich Nircha von Danny ab, ließ aber die Tür soweit geöffnet, dass er in den Flur eintreten konnte. Der Raum war zu seiner Überraschung hell beleuchtet. Die Wände waren in einem zarten Gelb gestrichen und mehrere große Spiegel sorgten für ausreichend Licht in dem verwinkelten Gebäude. An der linken und rechten Seite führten lange Treppen hinauf in die zweite und dritte Ebene. Er blickte sich ein wenig um. Eigentlich sah es aus wie überall: Hier und da ein kleiner Tisch, Bilder von der Familie, Mitbringsel aus aller Welt. Die Formwandler hatten es sich zu seiner Verwunderung gemütlich gemacht. Wie oft waren sie wohl hier? Als er über die Etagen blickte, stach ihm das Deckengemälde ins Auge: ein großer schwarzer Rabe mit vier bunten Federn im Gefieder. Er hielt in den Klauen einen silbernen Spiegel, in dem sich Danny selbst sehen konnte.
»Deinem Gesichtsausdruck nach hast du unser Wappen noch nie gesehen. Was denkst du? Gefällt es dir?«, fragte Lilly ihn, als sie zu ihm trat.
Danny nickte. »Es ist sehr schön. Danke, dass ich eintreten durfte. Ich wollte ...«
»Ihr habt doch auch eins. Wieso sollten wir keins haben? Jede Rasse hat ihr eigenes Wappen«, fügte Lilly lachend an. Danny antwortete nicht.
»Also was willst du?«, fragte sie ihn daraufhin.
»Ich möchte zu Marces«, antwortete Danny kurz.
»Was willst du von ihm?«, hakte sie nach.
»Ich möchte ihn um Erlaubnis bitten noch einmal kurz mit Cara reden zu dürfen«, erklärte er ihr, in der Hoffnung, dass sie ihn bei diesem Anliegen unterstützen würde.
Lilly schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Das wird er nicht zulassen.«
»Ich würde ihn das gerne selbst fragen. Wo ist er?«, erwiderte Danny entschlossen.
Lilly seufzte. »Auf dem Weg nach Prag. Mit ihr. Du solltest das Gleiche tun. Von hier verschwinden, meinte ich. Schnellstmöglich.« Dann wandte sie sich von ihm ab und lief ein paar Meter Richtung Treppe. »Ihr alle.«
Danny blickte sie fragend an. Wollte sie ihnen helfen? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie war wie Tamilia. Zwar nicht so böse und kalt, aber zielstrebig, machthungrig. Oder hatte er sich in ihr getäuscht? War das vielleicht alles nur Fassade? Diese neue Seite an ihr verwirrte ihn. Danny bedankte sich schließlich bei ihr für das Gespräch und lief zurück zur Tür. Die Verwunderung über ihr Verhalten ließ ihn unbewusst den Kopf schütteln.
»Was wolltest du ihr denn sagen?«, rief Lilly ihm hinterher, als er gerade die Tür geöffnet hatte.
Danny wandte sich erneut um. »Cara? Dass wir sie lieben, schließlich ist sie unsere Schwester und dass wir immer für sie da sein werden, komme was wolle.«
Lilly seufzte. Auf einmal wirkte sie nachdenklich und still. Sie blickte zur Decke auf den Raben. »Ich werde es ihr ausrichten. Versprochen.«
Dann seufzte sie erneut und verschwand. Danny blickte ihr einen Moment nach. War das ihr Ernst? Würde sie es wirklich tun? War das ein Spiel für sie? Nachdenklich lief er zum Haus der Werwölfe zurück und bemerkte zunächst nicht, dass sich Osiris, Kira und Le bereits vor dem Haus versammelt hatten.
»Wo warst du?«, fragte ihn Kira besorgt.
»Im Haus der Formwandler.«, antwortete er. »Ich wollte Marces um die Erlaubnis bitten, mit Cara reden zu dürfen.«
»Und? Hast du sie gesehen? Wie geht es ihr?«, hakte Kira ungeduldig nach. Danny grübelte vor sich hin. Wie sollte er die Situation im Haus der Formwandler beschreiben?
»Marces war nicht mehr da. Er ist abgereist. Sie fliegen zurück nach Prag«, antwortete er schließlich.
»Nach Prag? Was ist in Prag?«, erwiderte Osiris.
»Prag? Steht da nicht sein altes Haus? Also quasi sein Hauptquartier?«, fügte Le fragend an.
Danny nickte: »Ja. Sein altes Haus. In dem haben sie gelebt, bevor er mit ihr nach Jena gezogen ist. Ein großes abgeschottetes Gebäude am Rande der Stadt. Mit einigen Vorsichtsmaßnahmen. Man wird uns sicherlich keinen Einlass gewähren.«
»Und was machen wir jetzt? Wir müssen ihr doch helfen?«, erklärte Kira daraufhin.
Danny zuckte mit den Schultern. Im Moment fiel im tatsächlich nichts ein. Auch Osiris war ratlos. In Jena hätte man auf jeden Fall ein paar Chancen gehabt Cara näher zu kommen, ohne das Marces etwas davon bemerkte. Le strich Kira sanft über den Arm. »Uns fällt schon etwas ein. Erst einmal müssen wir zurück nach Hause. Dann machen wir uns Gedanken.«
Kira begann zu weinen. »Das ist doch ungerecht!«
Osiris musste sie fest in den Arm nehmen, um sie zu beruhigen. Danny konnte das Ganze nicht mit ansehen, seine Ratlosigkeit machte ihn wütend. Wütend auf sich selbst, auf die Unsterblichen, auf das ganze System.
Er betrat das Haus der Werwölfe und suchte nach Elen. Sie war die Einzige, die ihn auch ohne Worte verstand. Als er in die obere Etage trat, kam ihm Varush mit einigen Taschen entgegen. »Wir beladen gerade das Flugzeug. In zwanzig Minuten können wir starten.«
»Wo ist Elen?«, antwortete Danny.
Varush deutete mit seiner Hand auf eines der Zimmer, dann lief er an Danny vorbei nach draußen. Währenddessen trat Danny zu Elen, Nerifteri und Aura in den Raum. Sie waren gerade dabei die letzten Sachen zusammenzusuchen. Elen blickte auf, als sie Danny bemerkte.
Er lächelte sie an, woraufhin sie den Kopf verdrehte, als wollte sie fragen: ›Was ist los?‹
Danny seufzte und zuckte mit den Schultern.
Elen warf ihm daraufhin einen Kuss zu.
Als Nerifteri das Zeichengespräch zwischen den beiden bemerkte, sagte sie zu Aura: »Lass uns die beiden kurz allein lassen und die Koffer runterbringen.«
Aura nickte zustimmend und schon waren beide mit einigen Koffern verschwunden.
»Alles in Ordnung, Mein Schatz?«, fragte Elen Danny daraufhin.
Danny nahm sie ihn den Arm und küsste sie. »Du musst mir etwas versprechen.«
»Was?«, antwortete sie.
»Wenn ich das nächste Mal Kira und Tara an einen sicheren Ort schicke, möchte ich, dass du mitgehst. Versprich mir, dass du dieses Mal nicht deinen Kopf durchsetzt«, erklärte er ihr daraufhin.
Elen blickte ihn verwundert an. »Wieso?«
»Versprich es einfach. Bitte!«, erwiderte er.
Elen ließ sich ein wenig Zeit. Dann antwortete sie: »Versprochen.«
Danny schmunzelte zufrieden und gab ihr einen langen Kuss.
»Aber du musst mir versprechen, dass wir alles versuchen um Cara und Niel zu helfen«, fügte sie ermahnend an.
Danny schmunzelte sie an. Natürlich würde Elen die Belange der anderen wieder über ihre eigenen stellen. Sie war eben Elen. Sie liebte die anderen viel zu sehr, als das sie einfach zusehen würde, wie ihnen Leid widerfuhr.
Im selben Moment betrat Varush erneut das Zimmer und griff sich zwei weitere Koffer. Danny und Elen taten es ihm schließlich gleich und nahmen den Rest an sich.
Die anderen warteten bereits am Flugzeug. Daamien und Andal waren gerade dabei die Koffer einzuladen, während Tara, Kira, Nerifteri und Aura bereits im Flieger Platz nahmen. Osiris und Le blickten über die Klippen hinauf aufs Meer, wo sich die Wassertrolle zur Abreise versammelten.
»Ein Troll müsste man sein. Dann bräuchte man keine Maschinen oder Hilfsmittel«, lachte Osiris.
»Ich glaube nicht, dass sie so schnell zu Hause sind wie wir! Da kannst du auch gleich mit dem Schiff fahren!«, fügte Le grübelnd an.
»Osiris, Le, kommt ihr.«, rief Danny ihnen zu, als er am Flugzeug eintraf.
Die beiden nickten und begaben sich zusammen mit Elen ins Flugzeug. Daamien verstaute derweil das letzte Gepäckstück und schloss die Klappe.
»Und ich soll dir wirklich nicht helfen?«, hakte Andal nach.
»Nein. Du musst dich um meine Familie kümmern. Garushins Schergen werden unser Versteck ausspionieren. Such uns ein Neues, während ich nicht da bin. Ich will meine Familie in Sicherheit wissen«, antwortete Daamien bestimmend.
Andal folgte seiner Anweisung widerwillig. Es blieb ihm schließlich keine Wahl.
Danny stand noch immer neben den beiden und blickte über die Hügellandschaft zu den Häusern der anderen Unsterblichen. Auf der Anhöhe der Formwandler stand Lilly und beobachtete sie. Danny konnte sich noch immer keinen Reim auf ihre Worte machen. Hatte er sie falsch eingeschätzt?
»Du musst gehen«, sagte Daamien zu ihm und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Danny wandte sich um und gab ihm einen kräftigen Händedruck zum Abschied. Dann stieg er zu den anderen ins Flugzeug und sie verließen sie Insel.
Lilly blickte dem Flugzeug eine Weile nach. Hätte sie es aufhalten sollen? Hätte sie Tamilia Bescheid geben müssen? ›Nein‹, dachte sie bei sich. Aber dieser Gedanke war falsch. So hatte man sie nicht erzogen. Sie dachte an Dannys Worte: ›Familie‹. Was bedeutete das? Alles, was sie kannte, war Nircha und ... Marces. Ihr sagen, dass ihr sie liebt? Nein, das werde ich nicht. Aber ich habe es versprochen. Ich muss es ihr sagen oder nicht?
Sie seufzte leise. Hätte Marces sich doch für sie entschieden, dann wäre dies alles nicht passiert. Sie ballte die Fäuste zusammen. Diese blöde Cara ... Aber richtig auf sie wütend sein, konnte sie auch nicht. Sie musste sich eingestehen, dass die ganze Situation nicht ihr Fehler, nicht Caras Fehler waren, sondern allein Marces’ Werk. Was dachte sich dieser Kerl bloß dabei?
»Du bist so ein Idiot!«, flüsterte sie.
»Mit wem redest du?«, fragte Nircha, die gerade an sie herantreten.
»Mit mir selbst!«, erwiderte Lilly rasch.
»Du siehst traurig aus. Was ist los?«, hakte Nircha nach.
Lilly wandte sich zu ihr um. »Es ist alles in Ordnung. Wie lange bleibst du noch?«
Nircha verschränkte die Arme vor der Brust. »Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Ich bin deine große Schwester. Ich passe auf dich auf. So wie ich es dir versprochen habe. Du hast dich doch nicht etwa von Dannys Worten beeindrucken lassen? Du glaubst doch nicht wirklich, dass er und die anderen unschuldig sind. Sie sind Mörder. Sie würden auch uns töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Du darfst ihm kein Wort glauben.«
Lilly zuckte mit den Schultern.
»Ich bin mir nicht mehr sicher«, antwortete sie schließlich. »Was ist, wenn es wirklich Notwehr war? Wenn noch mehr dahintersteckt?«
»Du selbst hast sie angeklagt! Willst du jetzt an dir zweifeln, wegen ein paar einfachen Worten dieses Machos?«, fuhr Nircha ihr ins Wort.
Lilly blickte zur Burg hinauf. »Ich habe getan, was man mir befohlen hat. Garushin hat mich in Marces’ Haus geschickt, um Niel, Cara und Emma zu holen. Er hat mir gesagt, was passiert ist und was sie verbrochen haben. Er war es auch, der mich für die Verhandlungen instruiert hat. Alles, was ich getan habe, tat ich, weil er es sagte. Aber jetzt ... Ich bin mir nicht mehr sicher, ob mein Gehorsam richtig war. Was ist, wenn er falsch liegt?«
»Dieser Gehorsam hält uns am Leben. Wie kannst du
daran zweifeln? Wir könnten schon längst tot unter der Erde liegen. Garushin hat uns aufgenommen, uns eine Familie gegeben. Wie kannst du ihn infrage stellen?«, antwortete Nircha zornig. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte. Ihre eigene Schwester begann Garushin und dessen Regeln infrage zu stellen? Was war bloß los mit ihr?
Lilly senkte den Blick. »Sie ist klug und nett.«
Nircha berührte Lilly am Arm. »Was ist los mit dir? Du schwimmst von einem Gedanken zum Nächsten, als wäre ich nicht hier.«
Lilly seufzte wehmütig. »Sie ist keine verwöhnte kleine Göre, wie ich dachte. Sie ist klug. Trotz allem was passiert ist, war sie freundlich zu mir. Sie sagte, es tut ihr leid, dass wir wahrscheinlich nie Freunde sein werden! Und um ehrlich zu sein, tut es mir auch leid. Ich war so wütend auf sie, dass ich die Wahrheit nicht erkannt habe. Sie ist nicht Schuld an dem ganzen Dilemma, sondern Marces.«
Nircha machte einen Schritt zurück. »Hast du Fieber? Marces ist der beste Kerl, den ich kenne. Ich sag doch, diese Drachen haben dich mit ihrem kindlichen Charme manipuliert. Komm jetzt, lass uns wieder reingehen. Du brauchst eine Portion schwesterliche Gehirnwäsche.«