Читать книгу Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle - Sabine Ibing - Страница 5

FRANKFURT

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(Sophie Barradon zitiert frei nach Coco Chanel: Ein Mädchen sollte zwei Dinge drauf haben: elegant und märchenhaft zu wirken. )

Whatsapp von Sophie an Karl: »Jede Nachricht von dir lässt mein Herz schneller schlagen.«

Antwort von Karl: »Mit dir zu telefonieren ist noch viel heißer. Ich wünsche dir eine gute Fahrt; rufe dich mal unterwegs an.«

Antwort von Sophie: »Das Größte wird sein, endlich in deinen Armen zu liegen und dich zu küssen.«

Es war ein Freitag. Die Aufregung überzog Sophies Arme mit einer Gänsehaut, als sie aus ihrem Auto stieg. Sie schaute auf ihr Handy, eine Nachricht von Karl war eingegangen. Er fragte, wo sie sich befand. »In der Tiefgarage«, tippte sie.

Sie stand mutterseelenallein im Treppenhaus und dachte an die letzten Jahre zurück. Auf ihre Familie konnte sie nicht zurückgreifen. Niemand von denen würde sie je verstehen. Die Ehe mit Hugo hatte sich zum Desaster entwickelt. Sogenannte Freunde entpuppten sich letztendlich immer wieder als Menschen, die nur in guten Zeiten etwas von einem wissen wollten. Es gab nur noch sie. Alle anderen hatten sie im Stich gelassen. Sophie war 49 Jahre alt, lebte von ihrem Mann in Trennung und wollte hier in Frankfurt neu beginnen. Einöde überzog ihren Alltag, von Anfang an. Sie hasste ihr Leben, so wie es sich bisher gestaltet hatte. Und dann war sie Karl begegnet! Einmal im Leben hat jeder Glück, so ihre Devise. Und jetzt war sie dran.

Ihr Blick fiel auf die Uhr: Vierzehn Uhr, heute war der Dreizehnte. Sophies Herz klopfte und sie ging im Kopf nochmals durch, wie sie Karl begrüßen wollte. Sie zögerte, auf die Türklingel zu drücken. Die lange Autofahrt war anstrengend gewesen, sie schwitzte. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, Karl rief laut: »Herzlich willkommen!«

Er drückte sie heftig an sich. Der Rosenstrauß, den er hielt, wurde zwischen ihren Körpern zerquetscht. Er zog sie in das Appartement hinein und schloss die Tür. Mit der rechten Hand fuhr er durch ihr Haar, zog sie sanft heran, grub sein Gesicht in ihre Locken und sog den Duft ein.

»Karl, der Umzugswagen ...« Er schnitt ihre Worte mit einem kräftigen Kuss ab. Sophie entwand sich seiner Umarmung.

»Der Umzugswagen muss gleich da sein.« Sie hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange.

»Was interessieren mich deine paar Möbel, ich bin froh, dass du endlich hier bist!« entgegnete Karl und umschloss sie erneut fest.

Sie trat einen Schritt zurück, lächelte ihn an und sagte mit leiser aber bestimmter Stimme: »Später mein Herz, wir können die Jungs nicht warten lassen.« Mit diesen Worten verschwand Sophie im Treppenhaus. Karl blickte ihr nach. Die großen Locken ihrer fuchsroten Haare wippten auf ihrem Rücken. Das enge Minikleid umschmeichelte ihren Leib. Ihre Körperhaltung und ihre grazilen, fließenden Bewegungen erinnerten an eine Ballerina. Sie schien fast über dem Boden zu schweben. Sie wirkte auf ihn wie ein scheues Rehkitz so allein vor dem Fahrstuhl. Er sog ihren Geruch von schwerem Parfum ein, folgte ihr, ergriff ihre Taille, zog Sophie an sich und sagte: »Dann wollen wir mal!«

Als die beiden aus dem Haus traten, suchte im selben Augenblick der Lkw des Umzugsunternehmens nach einem Parkplatz. Karl hielt den Truck an und dirigierte ihn in die Tiefgarage. Die Männer sprangen heraus und öffneten die hintere Tür.

»Sag mal Sophie«, Karl blickte überrascht auf den großen Wagen, »was hast du alles mitgebracht?«

»Nur das, was wir noch brauchen. Ich kann doch nicht meine schönen Möbel zurücklassen!« Hilfe suchend schaute sie Karl an. »Das sieht nur nach viel aus, weil es gut verpackt ist.«

»Also«, fragte einer der Umzugsleute, »wohin mit dem ganzen Zeug?«

»In die vierte Etage«, wandte sich Karl an den Mann. »Dort drüben ist der Fahrstuhl, ich habe einen Schlüssel, damit sie ihn blockieren können.«

Beschwingt stieg Sophie mit Karl in den Lift, während er kopfschüttelnd auf den Lkw blickte. Oben angekommen rollten die Burschen Filzfolien auf dem Parkett aus. Karl und Sophie hatten ein neues Schlafzimmer gekauft – bezahlt von ihm, ausgesucht von ihr. Den Rest der Einrichtung wollte Sophie mitbringen, das war die Absprache. Die Einbaumöbel von Küche und Bad gehörten zum Appartement. Bis auf den Schlafraum standen die anderen Zimmer noch leer. Sophie besaß in allen Dingen einen erlesenen Geschmack, zweifellos wären ihre Einrichtungsgegenstände akzeptabel, ging es Karl durch den Kopf. Er wusste nicht, worauf er sich eingelassen hatte. Aber das war egal, Hauptsache, Sophie zog bei ihm ein. Möbel waren Möbel.

»Bitte, Karl, geh aus dem Weg. Wie wäre es, wenn du dich auf die Terrasse begibst, einen Stuhl bekommst du gleich«, dirigierte Sophie.

Die beiden Tischler stellten zwei Fiberglasplatten auf flache Sockel, befestigten die Rückwände daran und setzten sie L-förmig zusammen. Schon wurden die dunkelgrauen Sitzmatten aus weicher Kunstfaser und Rückenstützen aufgelegt. Einer der Männer prüfte die Beleuchtung der Sitzmöbel, die sich am Fußbereich im Sockel befand. Sophie brachte die hellen Kissen nach draußen. Während die Burschen den Tisch montierten, kam Sophie mit Champagner aus der Küche.

»Ein bisschen japanisch angehaucht, nicht wahr? Ich liebe diese Sitzecke!« sagte Sophie, als sie sich aufs Sofa plumpsen ließ.

Karl setzte sich neben sie. »Nicht schlecht, die Couch. Der Tisch erinnert eher an einen Springbrunnen. Das war bestimmt sündhaft teuer.«

»Habt ihr Kerle immer nur Geld im Kopf? Genieß es!« Sophie verdrehte die Augen.

»Das ist ganz schön tief. Bekommt man hier keine Rückenschmerzen? Und wie isst man, ohne sich zu bekleckern?«, grinste Karl, der sich zum Tisch beugte und die terrassenförmigen Platten betrachtete.

»Schatz, das ist eine Sitzecke! Nahrung und Zaster, typisch Mann, nur das im Hirn.« Sophie zog einen Schmollmund. »Ich gehe wieder rein, irgendwer muss denen ja erklären, wohin die Möbel gestellt werden sollen!«

Karl lehnte sich auf das Geländer der Terrasse und blickte über den Westhafen. Die kleinen Boote schaukelten bei leichter Brise an der Anlegestelle. Er hatte Sophie vor vier Monaten auf Mallorca kennengelernt und sich auf der Stelle in die zierliche Rothaarige verliebt. Eines Tages stand sie wie aus dem Nichts in seinem Büro und fragte nach Appartements. Er fühlte sich sofort angezogen von ihrer fröhlich-naiven Art und ihrer femininen Ausstrahlung: erotisch, ein wenig lasziv, gleichzeitig unnahbar. Sie besaß die Aura einer Grand Dame, ihr Duft betörte ihn, hinterließ einen Rausch des Verlangens.

Während der Besichtigungen erzählte sie ihm, dass sie getrennt von ihrem Mann lebe. Sie wohnten zwar zusammen im gemeinsamen Haus in Berlin, aber der Gatte, der unter der Woche als Unternehmer unterwegs war, kam nur noch selten heim. Sie sagte, er sei meist bei seiner Freundin, man habe sich im Guten geeinigt. Auch Karl war seine Ehe mit Alexandra unerträglich geworden – wobei: Unerträglich war falsch. Sie verstanden sich gut. Nichts mehr zu sagen, das käme dem Zustand näher. Man lebte zusammen in einem Haushalt, weil es immer so war. Zwei parallele Leben, die sich hin und wieder zu gesellschaftlichen Anlässen kreuzten. Schon lange sehnte er sich danach, aus dem versnobten Bad Homburg nach Frankfurt zu ziehen. Von Sophie wusste er wenig, sie gab nicht viel von sich preis. Sie war selbstbewusst und dabei bescheiden, zuverlässig, ehrlich, höflich und sie schien kompromissbereit und selbstverantwortlich. Eins war ihm jedoch augenblicklich klar gewesen: Sie war die Frau, die er begehrte, mit der er glücklich werden konnte. Er hatte das Appartement am Westhafen günstig erworben und Alex klargelegt, er würde nach Frankfurt gehen. Sie war geringfügig erstaunt über seinen Entschluss und erklärte sich einverstanden. Er hatte ein bisschen mehr Widerstand erwartet, mehr Emotionen. Sie machte keine Anstalten, ihn zu halten. Genau das war es, das ihn an Alex störte. Diese Vernunft, diese emotionale Überlegenheit, immer rational zu entscheiden. In der Firma änderte sich kaum etwas, denn geschäftlich respektierten sie sich und legten weiterhin ein freundschaftliches Verhältnis an den Tag. Erst in den letzten Tagen hatte er angedeutet, sich neu verliebt zu haben. Alex hatte gelächelt und gemeint, das sei schon länger klar. Das war alles, was ihr dazu einfiel. Er hatte Sophie überredet, zu ihm zu ziehen. Na ja, eher war es so, dass sie ihm die Worte in den Mund gelegt hatte. Es sind die Veränderungen, die ein Leben bereichern und es manchmal sogar verwandeln; so ähnlich drückte sie sich aus. Auf Mallorca hatte er ihr ein paar Appartements gezeigt, sie interessierte sich für eine Lage mit Meerblick. Als Immobilienmakler besaßen er und Alex eine Dependance in Palma und eine in Marbella. Karl ließ es sich nicht nehmen, im Sommer zwei bis drei Monate vor Ort zu wirken. Ihn beschlich in der letzten Zeit das Gefühl, sein Erdenleben ändern zu müssen. Er suchte nach Liebe und Geborgenheit. Sein Dasein war ihm langweilig geworden. Es fehlte der Pepp, er brauchte mehr Abwechslung, es trieb ihn in die Welt hinaus. Alex saß gern zu Hause, ging nur ungern nach der Arbeit aus. Am Wochenende putzten sie, kauften ein und Alex setzte sich mit einem Haufen Papieren an den Schreibtisch oder las ein Buch, mochte dabei nicht gestört werden. Das war nicht seine Welt. Er wollte die Welt erobern, nicht mittendrin sitzen und alles an sich vorbeiziehen lassen. Das Leben hatte so viel zu bieten, man musste nur zugreifen!

»Karl, kannst du mal schauen?«, fragte Sophie mit diesem hilflosen Gesichtsausdruck, den er so liebte.

»Was ist denn, mein Engel?«, fragte er, als er das Wohnzimmer betrat.

»Sollen wir die Kommode lieber hier hinstellen oder dort drüben?«

»Was ist das für ein Monstrum?«, Karl schaute irritiert ins Wohnzimmer.

»Das ist eine Empirekommode, schön nicht?«, strahlte sie.

Mit gemischten Gefühlen bestaunte er einen etwa ein Meter breiten und zwei Meter hohen Biedermeier Aufsetzschrank mit Tatzenfüßen. Sein Blick glitt zu einem anderen Koloss. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine barocke Aufsatzkommode in Nussbaum mit fein ausgearbeiteten Kugelklauenfüßen.

»Interessant! Hoffentlich läuft sie nicht weg«, murmelte Karl und zeigte auf die Tatzenfüße.

Die Möbelträger entpackten einen Tisch aus Messing und Glas, der sorgsam in Luftpolster und Decken verpackt gewesen war. Er bestand aus einem achteckigen Grundelement und acht kleinen Beistelltischen. Auf dem Boden schillerte ein persischer Seidenteppich.

»Das ist ein Gabriella Crespi Tisch, handsigniert«, erklärte Sophie stolz.

»Aha. Crespi. Muss man die kennen?«

»Na, die italienische Designerin! Sie entwarf Mobiliar und Einrichtungsgegenstände für den Schah von Persien, Gunther Sachs und viele mehr. Die Teilelemente nehme ich als Sideboard, stelle welche neben das Sofa. Bei Bedarf kann man daraus Stück für Stück einen großen Tisch zusammenbauen.« Freudig präsentierte Sophie Karl die Einzelteile.

»Hast du ihn dir entwerfen lassen? Echt witzig, das mit den Beistelltischen«, staunte Karl.

»Crespi ist lange tot. Mein Schwiegervater hat den Tisch auf einer Auktion erworben und ihn mir vererbt, weil ich das Möbelstück liebte.« Sophie entpackte einen Panther aus versilberter Bronze auf ebonisiertem Sockel. »Art déco um 1920, hübsch, nicht.«

Karl schaute die Skulptur genau an. »In der Tat, eine schöne Figur. Weder kitschig noch protzig.« Er schritt hinüber zu der englischen Standuhr. »Was bedeutet die Signatur hier?«, fragte er, während er versuchte, die Buchstaben zu entziffern.

»1830, Wood Stansford steht dort.«

Um das weiße Ziffernblatt herum verlief eine feine Landschaftsmalerei, eine Hafenszenerie vor Bergkulisse. In den Zwickeln waren Gebäude mit Figurenstaffage zu sehen. »Die gefällt mir!«, meinte Karl nach ausgehender Betrachtung.

»Vielleicht nicht mehr, wenn sie die volle Stunde schlägt.« Sophie kicherte leise.

In der Zwischenzeit waren die sechs weiß bezogenen Mahagonisessel ausgepackt.

Sophie drapierte rechts und links der Uhr zwei andere weiße Polstersessel. Karl begutachtete sie interessiert und fragte: »So was habe ich noch nie gesehen, die sind edel und gleichzeitig witzig. Eine Tulpenform war mir bisher unbekannt. Wo sind die Sessel her?«

»Art déco. Das hat mein Schwiegervater geliebt, die hat er sich nach Originalvorlagen nachbauen lassen.«

»Der Mann hatte Geschmack. Die gefallen mir besser, als die Sitzmöbel am Tisch.«

»Das sind Louis-Philippe-Sessel«, meinte Sophie spitz.

»Besitzt du nur so altes Zeug?«

»Was heißt alt? Das sind Wertanlagen, antike Möbel.«

»Aktien kann man einfacher verstauen«, gab Karl zurück.

»Ach? Und du sagst immer, Immobilien sind eine Wertanlage. Wie lassen sich die denn aufbewahren?« Sie strich mit ihrer Hand über seine Wange und er umarmte sie zart. Seine große Gestalt schmolz zu einem wächsernen Zwerg zusammen.

Als das Sofa hereingetragen wurde, erwartete Karl eine Biedermeier-Kombination. Doch dieses moderne weiße Ledersofa überraschte ihn, es charakterisierte eine zeitlose Eleganz. Kostbare Chromeinlagen unter den Armlehnen verliehen ihm eine zeitgemäße Ausstrahlung.

In einer verdeckten Ecke gegenüber der offenen Küche erregte ein Barschrank im Art-déco-Stil sein Aufsehen. Der konische Korpus mit aufwendigen Intarsien zog seinen Blick magisch an. Das aufklappbare, verspiegelte Barfach machte den Schrank zu einem Schmuckstück. »Hier kann ich also meine Vitamine verstauen. Hübsch«, grinste Karl.

Er setzte sich nach draußen in die wärmende Nachmittagssonne. Sein Appartement verwandelte sich vor seinen Augen in ein Museum. Daran musste er sich wohl gewöhnen. Aus Möbeln hatte er sich bisher nie viel gemacht. Hauptsache, sie strahlten Behaglichkeit aus. Einen gewissen Charme strahlte das Wohnzimmer nun aus. Ob er sich darin wohlfühlen würde, war ihm noch nicht ganz klar.

Indes koordinierte Sophie das Einräumen des Arbeitszimmers und ließ eine massive Garderobe aus nussbaumfarbener Eiche über Eck an der Wand im Flur befestigen. Das lockerte den Raum auf.

Die Möbelträger trugen Kleiderschrankkisten und Bilder herein. Die restlichen Kartons wurden in Wohnzimmer und Flur gestapelt.

»Karl, ich habe die Kleiderkisten ausgeräumt, den Inhalt auf das Bett geschmissen, die Kleider auf den Bügeln in den Schrank gehängt, damit die Männer die Kisten wieder mitnehmen können. Nun brauche ich nach all dem Stress eine Dusche.«

»Zieh dir was Hübsches an, wir gehen Essen. Den Rest kannst du morgen ausräumen«, rief er über den Flur.

Kaum dass Karl die Dusche rauschen hörte, stand einer der Möbelpacker neben ihm, knetete seine Hände: »Ehm, ich müsste mal kassieren.«

»Senden Sie Frau Barradon eine Rechnung«, murmelte Karl, der in seiner Zeitung blätterte.

»Das geht nicht.« Der Mann zupfte an seinen Hemdsärmeln. »Wir rechnen immer sofort ab. Was es genau kostet, wissen wir ja erst, wenn wir fertig sind.« Hinter seinem Rücken trugen die Burschen weitere verpackte Bilder herein.

»So viel Bares habe ich nicht im Haus!«, maulte Karl.

»Visa Card reicht mir und eine Unterschrift bitte. Wir haben ein Kartenlesegerät unten. Ich schicke jemanden runter.« Der Kerl hielt Karl das Dokument hin.

»5500 Euro, eine Stange Geld!«, meinte Karl, während er die Rechnung studierte.

»Wir mussten bereits gestern in Berlin anfangen, um alles einzupacken, die empfindlichen Möbel einzuwickeln, das Geschirr und die Bekleidung zu verstauen. Wir haben seit Donnerstagmorgen gearbeitet und müssen auch noch zurückfahren!«

»Schon in Ordnung. War eine saubere Arbeit.« Karl fummelte sein Portemonnaie aus der Hosentasche, fischte die Kreditkarte heraus, zeichnete die Rechnung ab und erhielt den Durchschlag. Er gab den Leuten einen Hunderter in bar. »Für euch, ihr ward gut.«

Kaum waren die Männer mit Packmaterial und den Rollkisten verschwunden, kam Sophie aus dem Schlafzimmer. Sie strahlte und drehte sich kokett auf dem Parkett. »Nun bin ich bei dir angekommen.« Sie trug ein Etuikleid von Versace in Smaragdgrün, auf dem ihre langen roten Haare effektvoll zur Geltung kamen. Im gleichen Grün schimmerten ihre Augen. Das Kleid war grenzwertig kurz gehalten, aber Sophie konnte es mit ihrer zarten Figur bei ihren ein Meter zweiundsechzig Größe und trotz ihres Alters tragen. Sie schmiegte sich an Karl. »Ich möchte ein wenig an die frische Luft. Was hältst du von einem Ausflug in die Innenstadt?«

»Gute Idee.«

Zu Fuß schlenderten sie bis zum Römer am Main entlang. Karl führte sie zu einem Bistro mit Außensitzplätzen. Sie gönnten sich ein Glas Rotwein.

Er musste Sophie unbedingt die Kleinmarkthalle zeigen, in der die Marktstände allerlei exotische Dinge bereithielten. »Dort findest du wirklich alles. Was du hier nicht bekommst, gibt es nicht. Bei Wurst, Käse und feinem Geflügel hast du die beste Auswahl!«, erklärte er schwärmerisch.

Sofort erstand Sophie frische Wachteln, erlesenen Käse, Schinken und Pasteten sowie ein wenig Salat.

»Der Kühlschrank ist leer, es ist Wochenende«, beantwortete sie Karls tadelnden Blick. Sie wollte zum Fischstand hinübergehen, aber er meinte, morgen sei auch noch ein Tag. Weiter ging es in Richtung Goethestraße. Sophie blieb vor dem Schaufenster von Jil Sander stehen und schaute auf ein Kleid mit tiefem V-Ausschnitt, Bustier und langen Schlitzen auf beiden Seiten.

»Sieh dir das graue Kleid an! Ist es nicht wunderschön?« Sophie blickte sehnsüchtig in die Auslage.

»Gehen wir hinein und du probierst es an!« Karl öffnete die Ladentür.

»Nein, nein, nein, ich brauche kein Kleid.« Sophie drehte sich weg.

»Lass mir den Spaß, das sieht gewiss fantastisch an dir aus.«

Mit gequältem Gesicht betrat Sophie den Laden und verließ ihn kurz darauf mit dem Fummel, passenden Pumps, Parfum und einem Seidenschal. Karl schluckte, als er vernahm, dass die achthundertneunzig Euro für die Schuhe nichts gegen die dreitausendfünfhundert für das Kleid waren.

Sophie zog den Stoff ein Stück aus der Tüte und strich ihn über ihre Wange. »Diese Mischung aus Kaschmir und Seide ist vollkommen!« Sie gab Karl einen Kuss.

»Übrigens, morgen Abend sind wir auf dem Immobilienball, hatte ich das erwähnt?«, äußerte Karl beiläufig.

»Du sagtest etwas davon, aber nicht, wann er stattfindet. Ein Ball sagst du? Ich besitze keine Abendgarderobe. Hugo ist nie mit mir auf einem Ball gegangen.« Mit einem gemischten Ausdruck von Entsetzen und Hilflosigkeit blieb sie abrupt stehen und blickte Karl ins Gesicht.

In diesem Moment standen sie vor dem Versace - Laden. »Komm, wir finden hier ein Kleid«, meinte Karl, während er Sophie in das Geschäft zog. Sie sollte aussehen wie eine Prinzessin. Alle sollten sehen, was er noch an Land ziehen konnte. Sophie war ein Bild von einer Frau. Er war stolz auf seine Eroberung. Diese Dame liebte es, auszugehen. Sie war die perfekte Frau an seiner Seite.

Sophie probierte eine Reihe von Roben an. Die Wahl fiel auf einen Traum in Silberweiß. Die linke, silberfarbene Hälfte war sehr kurz geschnitten, die andere, weiße Seite bodenlang. Beide Stoffteile wurden in der Mitte vorn und hinten von einer Art Schal überdeckt, der aus weißem Chiffon, mit breiten Silberbändern durchzogen und an die weiße Hälfte angenäht war, doch so locker, dass er an den Füßen bei jedem Schritt flatterte. Ein schmaler, silberner Gürtel umfasste die Taille. Sophies porzellanartiger Teint strahlte. Karl vergaß, den Mund zu schließen.

»Das ist es!«, lächelte Sophie sanft, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte.

»Haben Sie passende silberne Schühchen dazu?«, fragte Karl belustigt. Die Verkäuferin baute bereits mehrere Paar vor ihnen auf.

Als die beiden Richtung Hauptwache schlenderten, meinte Sophie: »Kann man zu dem Kleid Goldschmuck tragen?«

Karl blieb stehen. »Nicht wirklich - glaube ich zumindest.«

»In Gold besitze ich wunderschönen Schmuck. Perlen gingen auch oder?«

»Perlen? Viel zu brav für das Outfit! Mir fällt da was ein: Da vorne ist ein Juwelier, der hochwertige Glitzerteile hat, Strass oder wie das moderne Zeug heißt.«

Sie liefen zurück in die Goethestraße, bogen in die Schillerstraße ab. Sophie gefielen die Glitzerteile nicht, die ihr der Verkäufer offerierte. »Das ist alles Kitsch für Kinder. Haben Sie etwas Schlichtes, in Grün vielleicht?« Sie verdrehte die Augen, als sie sah, welche Ketten der Herr nun anschleppte.

»Wir hätten eine Kette aus Swarovskikristallen im Jugendstil«, setzte der Mann an. Eine Kollegin schob ihn sanft beiseite.

»Ich übernehme das.« Freundlich lächelte sie die beiden an. »Zu was für einem Outfit suchen Sie eine Kette?«

Sophie holte das Kleid heraus. Die Verkäuferin verschwand nach hinten, kam mit ein paar Schachteln zurück. »Bitte: in Grün, eine venezianische Kette mit Strass, Smaragdimitationen, vierreihige Krappfassung. Sie ist sehr festlich.«

Karl gefiel das Collier sofort, Sophie war zufrieden. Die Verkäuferin griff nach einer anderen Schachtel. »Was halten Sie davon? Weiß und Silber, matte Kristalle, mit kleinen Mallorcaperlen, zwei Ketten gedreht, dadurch wirkt es modern, nicht bieder.«

»Haben Sie zu dem Grünen passend Armband und Ohrringe?«, fragte Karl. Die Verkäuferin legte sie ihm vor. Sophie knuffte ihn in den Arm, als ihr zu der hellen Kette Armband und Ohrringe gezeigt wurden, und sagte: »Die smaragdene Kombination ist schön, diese passt jedoch besser zum Kleid, sie hat recht.«

»Dann nehmen wir beide Kollektionen, ich bin heute in Spendierlaune, ist ja nur Modetinnef«, entgegnete Karl und ging mit federnden Schritten auf die Verkäuferin zu. »Packen Sie alles ein.«

Die Dame klebte die Aufkleber auf einen Bon. Karl lief zur Kasse. Sophie zwinkerte der Frau zu, während er dem Mann an der Kasse den Bon und seine EC-Karte reichte. Der Kassierer scannte die Klebeetiketten ein und Karl schluckte, als er den Endpreis sah.

Die Verkäuferin hatte das Tablett mit den Schmuckstücken und den Schachteln herübergebracht. Vorsichtig deponierte der Herr die Prachtstücke in die Boxen und ließ sie dabei durch die Hände gleiten »Schöne Arbeit. Ihre Frau hat Geschmack!«

Am Abend probierte Sophie das Kleid an, zog die Schuhe an. Karl legte ihr die Kette um den Hals und begutachtete sie, indem er zwei Schritte zurücktrat. Er war überwältigt.

»Darauf eine Flasche Champagner zum Abendkrimi!«

»Ich würde lieber den Liebesfilm sehen«, kam es zaghaft von Sophie. »Ich werde wohl gar nicht gefragt?«

»Dann Liebesfilm!«, gab Karl fröhlich zurück.

Sophie wurde jäh von einer schrillen Sirene geweckt. Verschlafen rieb sie sich die Augen und orientierte sich im Raum. Langsam wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Woher rührte dieser markerschütternde Ton? Karl sprang hektisch aus dem Bett und raste Richtung Wohnzimmer. Sophie schoss auf, griff nach ihrer Handtasche und dem Handy, rannte hinterher. In ihrem Kopf hämmerte es, sie fühlte Panik aufsteigen, glaubte, die Wohnung stand in Flammen. Beklemmung schnürte ihr den Hals zu, sie meinte, nicht mehr atmen zu können. Halb gelähmt sah sie, wie Karl, nur bekleidet mit Boxershorts, die Tür zur Terrasse aufriss, bis zum anderen Ende der Terrasse hastete und eine Kübelpflanze fotografierte. Der fiese Ton brach ruckartig ab. Er schien aus seinem Smartphone gekommen zu sein.

»Karl! Spinnst du? Was war das für ein Geheul? Und was machst du da am Blumenpott?«

Grinsend schlenderte er zur Küchenzeile und hantierte an der Kaffeemaschine. »Entschuldigung. Ich hätte dich vorwarnen müssen. Das war Alarmy

»Das war was?«, kreischte Sophie.

»Mein Wecker. Früher hat mich Alex geweckt. Weil ich so fest schlafe. Na ja, ich stelle immer den Wecker aus, denke, nur eine Minute noch, und schon habe ich verpennt.« Karls Tonfall war entschuldigend.

»Bei dem Gejaule wachen Tote auf! Das ist grauenhaft. Aber wieso rennst du nach draußen?« Sophie schaute ihn unverwandt angewidert an, runzelte die Stirn.

Karl tippte auf seinem Smartphone herum und zeigte Sophie eine Fotoserie: Der Blumenkübel, die elektrische Zahnbürste, die Toilette, die Kaffeemaschine, die Saftpresse, ein Teil von seinem Hometrainer. Verständnislos blickte sie ihn an. »Ja und?«

»Die Dinge habe ich fotografiert«, Karl freute sich wie ein kleines Kind, über das ganze Gesicht lachend. »Mit dem Weckton präsentiert mir das Telefon jeden Morgen eins dieser Fotos. Erst wenn ich es abgelichtet habe, hört es auf zu piepsen. Besonders gemein ist der Hometrainer. Ich muss zunächst auf das Fahrrad steigen, um die Ansicht fotografieren zu können. Dann bin ich völlig wach! Genial nicht!«

Genervt verdrehte Sophie die Augen. »Männer!«

Karl schaute während des Frühstücks in die Zeitung. Sophie stand auf, beugte sich über den Tisch und guckte ihn über den Papierrand an, zupfte daran. »Hallo, ich bin auch noch da!«

Er legte das Tageblatt weg, strich ihr über die rosige Wange. »Entschuldigung, eine Angewohnheit.« Nachdem er sich Quark auf sein Brot geschmiert hatte, leckte er genüsslich das Messer ab.

»Karl!«, Sophie empörte sich und sah ihn mit verschränkten Armen an. »Ich denke, als Erstes bringe ich dir Benehmen bei!«

Gleich in der Früh hatte Karl einen Kundentermin. Er holte Sophie danach ab und sie schlenderten zur Kleinmarkthalle. Schon seit dem Morgen freute er sich auf Sushi, doch Sophie zog ihn an einen anderen Stand: Austern mit Champagner.

»Ich mag keine Austern«, sagte er leise.

»Sei kein Spielverderber! Wann hast du das letzte Mal welche gegessen?«, Sophies Stimme hatte einen gebieterischen Ton angenommen.

»Das ist 20 Jahre her. Ich mag sie nicht!«, entgegnete Karl patzig. Sein Ekel drückte sich durch eine Stirnfalte aus.

Sophie hatte bereits zwei Portionen bestellt. Der Kellner stellte einen Teller auf ihren Stehtisch, die Muscheln lagen auf Crasheis, umgeben von Zitronenstückchen. Dazu gab es einen Brotkorb mit Baguettescheiben und eine Schüssel mit warmem Zitronenwasser, um die Finger zu waschen, und natürlich Champagner. Geschickt fischte Sophie eine der geöffneten Austern, spritzte etwas Zitronensaft darüber, löste mit einer kleinen Gabel das Fleisch vom Austernpunkt, hob sie an ihren Mund, schlürfte den Inhalt heraus und kaute genüsslich auf der Muschel. Dann drückte sie Karl die Nächste in die Hand.

Widerwillig tropfte er Zitronensaft darauf, hob die Auster an, sog das Fleisch in den Mund und schluckte alles in einem Zug herunter. »Boah«, schüttelte er sich, »das ist, wie einem toten Mann die Nase auszulutschen!« Er langte nach dem Weißbrot und steckte es in den Mund, griff eine weitere Scheibe, beträufelte sie mit Olivenöl, das auf dem Tisch stand, und stopfte auch diese gierig zwischen die Zähne.

»Karl! Du bist eklig! Den Appetit verdirbst du mir trotzdem nicht!«, meinte Sophie schnippisch und schnappte sich die nächste Auster.

Im Grunde genommen trafen Austern nicht Sophies Geschmack, doch es waren Austern und dazu gab es Champagner. Sie wusste auch nicht, warum manche Leute Kaviar so sehr liebten. Es war ein komisches Gefühl, wenn man auf diese gummiartigen Fischeier biss, bis sie endlich platzten, die letztendlich nur salzig schmeckten. Aber es war nun mal Kaviar und dazu gab es Champagner. Trüffel hingegen mochte sie wirklich gern. Am liebsten den weißen Alba-Trüffel, dessen Aroma auf der Zunge zerging!

Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle

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