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Lebensweise und Verhalten
ОглавлениеRatten sind typische Beutetiere etlicher Fressfeinde. Sie finden sich auf dem Speiseplan vieler einheimischer Raubtiere wieder. Angefangen vom Wiesel und anderen Marderartigen über die Hauskatze und den Fuchs bis hin zu Greifvögeln ist kaum ein Raubtier einer Ratte als „Snack“ abgeneigt. Diese Stellung in der Nahrungskette ist im Verhalten der Ratte tief verwurzelt. Selbst nach der Domestikation und vielen Generationen, die Farbratten bereits in Menschenobhut gelebt haben, meiden Farbratten heute noch große, offene Flächen, denn hier würden sie sich in der freien Wildbahn als nur allzu leichte Beute präsentieren.
Die Wanderratte zeichnet sich besonders durch ihre Anpassungsfähigkeit aus, was sie zu einer der erfolgreichsten Spezies macht. Dem Menschen in diesem Aspekt nicht unähnlich, ist die Ratte nicht körperlich an eine einzelne Nahrungsquelle und ein festes Habitat angepasst, sondern hat sich im Verlauf der Evolution darauf eingestellt, zu lernen, mit veränderten Bedingungen zurecht zu kommen. Die Intelligenz der Ratte ist somit ein elementarer Teil ihrer Überlebensstrategie, und es gibt Hinweise darauf, dass innerhalb von Wanderrattenvölkern so etwas wie eine Tradierung von Wissen stattfindet. Entsprechend zeigen besonders die Jungtiere ein ausgeprägtes Bedürfnis zu spielen.
Der Mensch kann keine Artgenossen ersetzen.
Foto: K. Reinicke
Gemeinsam ist es doch am schönsten.
Foto: K. Reinicke
Hierbei wird das Gehirn trainiert und das komplexe Sozialverhalten erlernt. Auch das Gedächtnis der Ratte ist gut ausgebildet. Das Tier merkt sich Futterquellen und Gefahren. Darüber hinaus besitzt dieser Nager ein Bewegungsgedächtnis, das es ihm ermöglicht, in der Vergangenheit gegangene Wege abzurufen und sich so auch in völliger Dunkelheit zu orientieren.
In freier Wildbahn lebt die Wanderratte in Gruppen von bis zu 50 Individuen. Die Gruppenzugehörigkeit wird durch den gemeinsamen Geruch vermittelt, Ratten mit fremdem Geruch werden erbarmungslos gejagt. Dieses Schicksal würde auch Tiere ereilen, die für einige Zeit vom Rudel getrennt waren und den Nestgeruch nicht mehr an sich tragen. Ein solches Szenario ist allerdings in der Natur, also ohne menschliches Eingreifen, als unwahrscheinlich zu bezeichnen, weil sowohl die Hausratte als auch die Wanderratte von Grund auf soziale Tiere sind, deren Lebensmittelpunkt das Rudel darstellt. Vergleichbar der Aussage „ein Schimpanse ist kein Schimpanse“ ist die Ratte ein Tier, das im Regelfall danach trachten wird, den Kontakt zu Artgenossen nicht zu verlieren.
Auch wenn mal gequiekt wird, Zwangsputzen ist ein natürliches Rudelritual.
Foto: K. Reinicke
Bezüglich der hierarchischen Struktur eines Rattenrudels gibt es konträre Meinungen.
Bei Konrad LORENZ findet man das Bild einer durch und durch egalitären Gesellschaft, in der die Individuen innerhalb der Gruppe höchstens kleinere Zwistigkeiten um Futter durch Wegschubsen oder Rangeleien austragen. Dem gegenüber stehen Berichte von Rattenrudeln, die über eine klare Rangordnung verfügen, dabei steht ca. ein Viertel der Tiere an der Spitze der Gruppe. Am unteren Ende der Rangfolge findet man wiederum ein Viertel der Gruppe, während die Hälfte des Rudels ein „Mittelfeld“ bildet.
Es gilt bei diesen Beobachtungen anzumerken, dass die Erfahrungen von LORENZ sich hauptsächlich auf, wie er sie nennt, „Rattenvölker“ in der Größenordnung um die 50 Tiere beziehen, während bei kleineren und mittleren Gruppengrößen die hierarchischen Strukturen deutlicher zu Tage treten.
Bei in Menschenhand gehaltenen Farbratten präsentiert sich ein im Detail etwas anderes Bild. Werden Heimtierratten in einer einem Haushalt angemessenen Rudelgröße gehalten und sind dabei die Rahmenbedingungen, also Größe des Käfigs, Ernährung, Vorsicht bei der Vergesellschaftung neuer Tiere etc., als artgerecht zu bezeichnen, sind nur schwächere Aggressionen zu beobachten.
Hier herrscht unter den Tieren Klärungsbedarf.
Foto: M. Schmidt
Kleinere Reibereien werden auch in diesem Fall auftreten, allerdings ungleich weniger heftig, als dies unter wildlebenden Wanderratten der Fall wäre.
Es gibt zudem Berichte über in Menschenhand gehaltene Farbratten, die so etwas wie Krankenpflege betreiben; ein Verhalten, das bei Wildratten vollkommen undenkbar wäre.
Als mögliche Erklärung für diese Diskrepanz lassen sich zwei Faktoren anführen: Zum einen die Domestikationsgeschichte der Farbratte, zum anderen der geringere Druck, der bei optimaler Haltung auf den Tieren lastet, da die Umweltbedingungen bei weitem weniger hart sind als in freier Wildbahn.
Trotz der relativen Friedlichkeit der Heimratte sollte sich der Halter jedoch darauf gefasst machen, dass es auch bei Farbratten zuweilen zu Ausbrüchen von Gewalt kommen kann, die tödlich enden. Diese sind zwar selten, treten aber fast immer ohne Vorwarnung auf.