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III. Folgen des Verstoßes gegen § 136a StPO
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1. Aussagen, die unter Verletzung des Verbotes des § 136a StPO zu Stande gekommen sind, dürfen nicht verwertet werden. Das ist ein allgemeiner Grundsatz, den § 136a III 2 StPO bereits voraussetzt. Die Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin, dass sie die Verwertung auch bei Zustimmung des Beschuldigten verbietet.
Trotz des eindeutigen Wortlauts wird jedoch in Teilen der Literatur eine teleologische Reduktion von § 136a III 2 StPO in Fällen erwogen, in denen eine Verwertung ausschließlich zu Gunsten des Angeklagten in Betracht kommt und dieser freiwillig und ernsthaft im Rahmen eines Beweisantrags auf den Schutz des § 136a StPO verzichtet, da ihm eine effektive Verteidigung sonst verwehrt bliebe[49]. Der BGH hat sich dieser (problematischen) Konstruktion bisher noch nicht angeschlossen[50].
2. Eine Aussage ist nur dann unverwertbar, wenn sie auf der Anwendung der verbotenen Vernehmungsmethode beruht. Der Kausalitätsnachweis wird dem Beschuldigten jedoch insofern abgenommen, als es ausreicht, dass die Ursächlichkeit der angewandten Vernehmungsmethode für die Aussage nicht auszuschließen ist[51] (zum hypothetischen Ersatzeingriff s.u. Rn 745).
Davon zu unterscheiden ist die mögliche Kausalität zwischen der durch eine verbotene Vernehmungsmethode gewonnenen Aussage und dem späteren Urteil, die für den Erfolg einer Revision notwendig ist (§ 337 I StPO). Diese Kausalität kann insbes. durch fehlerfreie Wiederholung der Vernehmung beseitigt werden.
Voraussetzung der Verwertbarkeit einer zweiten Vernehmung ist, dass die verbotene Vernehmungsmethode nicht mehr fortwirkt, die Willensfreiheit des Beschuldigten also nicht mehr beeinträchtigt ist[52]. Insofern dürfte aber das Nichtfortwirken des Verstoßes gegen § 136a I StPO idR nur in Betracht kommen, wenn der Beschuldigte im Wege einer sog. qualifizierten Belehrung bei der späteren Vernehmung darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, dass seine bisherige Aussage nicht verwertet werden darf[53] (s.a. Rn 182, 745).
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3. Hinsichtlich der Anwendung der verbotenen Vernehmungsmethode selbst muss nach hM der volle Nachweis durch den Beschuldigten im Wege des Freibeweises erbracht werden (dazu u. Rn 285). Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt nicht[54]. Da dieser Nachweis für den Beschuldigten in vielen Fällen kaum zu führen sein wird, dürfen hieran jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es muss ausreichen, dass der Beschuldigte Umstände nachweist, die Zweifel aufkommen lassen, ob die Vernehmungsmethoden rechtmäßig waren[55] (zB Misshandlungsspuren am Körper).
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4. Sehr strittig ist, ob das Verwertungsverbot auch Fernwirkungen aufweist, dh ob auch all das unverwertbar ist, was erst auf Grund der unverwertbaren Aussage ermittelt werden konnte, so zB wenn das erpresste Geständnis zur Auffindung belastender Unterlagen geführt hat. Die amerikanische Lehre der „fruit of the poisonous tree“ (Früchte des verbotenen bzw vergifteten Baumes) bejaht solche Fernwirkungen. Die hA in der Bundesrepublik lehnt sie ab und will das Verwertungsverbot nur auf das unmittelbar durch die verbotene Vernehmungsmethode erlangte Beweismittel erstrecken (Einzelheiten u. Rn 744).
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Lösung Fall 18 (Rn 200): Hier ist von einer Unverwertbarkeit des Geständnisses gem. § 136a StPO wegen der Ermüdung des zu Verhörenden auszugehen (BGHSt 13, 60, 61); Einzelheiten s. Rn 205.
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Lösung Fall 19 (Rn 201): Die Vorspiegelung, bei M handele es sich um einen „normalen“ Mithäftling, der zudem ein besonderes Vertrauen verdiene (s. Fluchtplan), ist eine Täuschungshandlung des M gegenüber A. Hätte die Polizei den A auf diese Weise selbst vernommen, läge eine Täuschungshandlung iSv §§ 136a, 163a IV 2 StPO vor. Da § 136a StPO nicht dadurch umgangen werden kann, dass Privatpersonen in die Ermittlung eingeschaltet werden, muss sich die Polizei das Verhalten des M zurechnen lassen. Die Aussage des A darf deshalb nicht verwertet und dementsprechend auch nicht über die Vernehmung des Zeugen M in das Verfahren eingeführt werden (iE ebenso BGHSt 34, 362 ff, der hier allerdings „Zwang“ iSv § 136a StPO bejaht). Wenn das Geständnis gegenüber M das einzige Beweismittel bliebe (zB wenn A im Prozess schweigt und weitere Indizien nicht existieren), müsste A freigesprochen werden. Einzelheiten s. Rn 210.