Читать книгу La Espeja - Sabine Walther - Страница 2

Prolog

Оглавление

Es ist die immer gleiche Geschichte. Sie führt uns nicht weiter, führt uns bestenfalls im Kreis herum und zurück zu uns selbst. Und doch ist es die einzigartige Geschichte der Leandra de Luna, die zur Welt kam, wie wir alle es einst taten: nackt, blutverschmiert, besudelt und eben darin so unendlich rein. Eifrig erkämpfte sie sich ihren Weg zum Licht, nicht wissend, was sie da draußen erwarten würde.

Ob sie den Aufschrei, das Erschrecken, aber auch die atemlose Bewunderung spürte? Ob sie ahnte, dass sie von nun an den Weg der Unterweisung würde beschreiten müssen – so lange und so demütigend, bis sie bereit wäre, das Schicksal anzunehmen, das der Mythos ihr zugedacht hatte? Ihre wissenden Augen erzählen uns nichts davon.

Auch ihre Mutter, Maria de Luna, die Valencianerin, wie die Bewohner des alten Bergdorfes sie weiterhin störrisch nannten, wusste nicht, welch törichten Fehler sie beging, als sie das Kind in die Höhe hielt und das noch blicklose Schauen der kleinen Erdenbürgerin in den einzigen unverhüllten Spiegel fiel. Dachte nicht, dass man ihr die Tochter nehmen würde, noch bevor sie „Mama“ zu sagen gelernt hätte.

Erst als sich die Augen der um das Wöchnerinnenbett versammelten Frauen und Männer triumphierend gen Himmel wandten, erinnerte sie, was Alfonso ihr über den Mythos erzählt hatte. Doch zu spät.

„Jesus“, flüsterte die Alte bereits, die sich ihre Schwiegermutter hieß, „Herr im Himmel, es ist beschlossen, das Kind hat in den Spiegel geblickt …“

Ihre triumphierenden Augen wandten sich in die Runde und wie auf Geheiß knieten die Anwesenden nieder, falteten die Hände zum Gebet.

„Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass …“, flehte Maria de Luna, doch das Raunen schwoll an, teilte die Zeit unerbittlich in ein Davor und ein Danach und selbst der geliebte Alfonso brauchte einen Moment, um sich zu fassen.

Zärtlich nahm er ihr sodann das Kind aus dem Arm und übergab es dem Ritual folgend der Großmutter, auf dass sie es aufziehen und unterweisen würde.

Denn Leandra de Luna, die sich gerade erst in einem zähen Kampf einer Welt genähert hatte, von der man annehmen sollte, dass sie sie mit Liebe und Zuneigung empfangen würde, gehörte vom Tag ihrer Geburt nicht sich selbst oder ihren Eltern, sondern einzig ihrer Bestimmung.

Weil sie war, was kein Gott mehr zu ändern vermochte: eine Espeja, eine, in deren Augen man sich selbst erkannte. Eine Anführerin, die viele Prüfungen überstehen und viele Tode sterben musste, bevor man sie wie eine Heilige verehren durfte. Behaftet mit dem Makel, von einer Unwillkommenen geboren zu sein, und daher auf Schritt und Tritt bewacht von den 1000 Augen aus Alvaría, jenem geheimnisumwobenen Gebirgsdorf, in dem das Leben auch im 21. Jahrhundert nicht den Gesetzen der Welt, sondern dem ewigen Raunen seiner Bewohner folgt.

La Espeja

Подняться наверх