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Kapitel 3 – Die Suche

August 2008

Peter Biber wusste, was zu tun war. Seit nunmehr 20 Jahren im Geschäft, hatte er mehrere Ghostwriter beauftragt, Bücher im Namen anderer zu verfassen, und dabei stets die richtige Wahl beim Aussuchen der Schreiber getroffen. Doch jemanden zu finden, der es schaffte, den Stil von Paula Hogitsch zu imitieren, stellte eine seiner bis dato größten Herausforderungen dar, im Zuge derer er sich sogar seinen früheren Partner Rainer Benson herbeiwünschte. Der Stil der Krimiautorin war seiner Meinung nach schwerer zu kopieren als der anderer in seinem Verlag publizierender Schriftsteller.

Das Programm für die Wintersaison des kommenden Jahres stand fest. Sie hatten mit dem 14. und letzten Werk von Paula Hogitsch geworben, bevor überhaupt ein Konzept existierte. Peter Biber verstand etwas von geschicktem Marketing. Er besaß das Talent, bei seinen Lesern und dem Hogitsch-Fankreis im deutschsprachigen Raum Spannung aufzubauen, bis es das Werk in den Buchhandlungen zu kaufen gab. Auch eine Lesereise war wieder geplant. Den Startschuss würden sie einmal mehr im Thalia auf der Mariahilfer Straße im 6. Wiener Gemeindebezirk abfeuern, wie bei jedem anderen der 13 Werke zuvor. Eine mittlerweile lieb gewonnene Tradition, die er ein letztes Mal so beibehielt.

Mit dem Hinweis „Es eilt!“ befahl Biber seiner Sekretärin Lucia Winter, Termine mit allen Ghostwritern zu vereinbaren, die seiner Meinung nach für „Zwischen den Zeilen“ infrage kamen. Die Schreiber wurden zu einem kurzen Gespräch geladen, in welchem die Verlagskommission deren spontane Einfälle zur Vorgabe testete. Nach einem Kurzbriefing waren die Schriftsteller angehalten, sich in den eigenen vier Wänden ein Konzept zu überlegen, wofür sie sieben Tage Zeit bekamen. Alle Exposés wurden dann zuerst von drei Lektoren gelesen und in einer Sitzung mit einem Kernteam besprochen. Die Entscheidung für einen Ghostwriter fiel direkt im Anschluss.

Lucia hatte es geschafft, das Briefing in den letzten Tagen völlig ohne seine Hilfe zu verfassen und sämtliche Schriftsteller vorzuladen, mit welchen er im Begriff war, sich auszutauschen. Nach mittlerweile eineinhalb Jahren an seiner Seite entwickelte sie sich langsam zu der Art von Assistentin, die Peter behagte. Er würde sich bei ihr demnächst mit einer Einladung zu einem Mittagessen für ihren unermüdlichen Einsatz bedanken.

„Ich grüße Sie. Mein Name ist …“ Noch bevor er ihn nennen konnte, war Peter Biber mit seinen Gedanken woanders. Den aktuellen Bewerber kannte der Verlagsleiter. Jedes seiner Werke aus dem Genre Regionalkrimi, erschienen in einem Konkurrenzverlag, war ein Erfolg gewesen.

Er hatte insgesamt vier Autoren begutachtet, die ihre Konzepte abgegeben hatten. Garantiert gute Qualität lieferte zwar jeder von ihnen, doch keiner schien die Werke von Paula Hogitsch ausreichend zu kennen, um ihren Stil perfekt zu kopieren – eine Grundvoraussetzung, um in ihrem Namen zu publizieren.

„Und, ist was dabei gewesen?“ Christopher Rose war einer der Lektoren, die sich um die Betreuung der Verlagsautoren, insbesondere von Paula Hogitsch, kümmerten.

„Bin nicht überzeugt“, murmelte Peter, während er einmal mehr die Lebensläufe der Ghostwriter begutachtete und die Verschwiegenheitsvereinbarungen auf einen Stapel legte, die jeder einzelne zu unterzeichnen hatte. „Wer kein einziges von Paulas Werken kennt, wird es in den nächsten Monaten nicht schaffen, diese Wissenslücke schnellstmöglich zu schließen. Dafür fehlt uns die Zeit.“

Peter legte die Latte Christophers Meinung nach – wie immer – hoch, doch jetzt die falsche Entscheidung zu treffen, könnte fatale Folgen für den Verlag haben. Im schlimmsten aller Fälle müssten sie die Ankündigung des Werks für den Herbst nächsten Jahres wieder zurückziehen, doch das wäre das erste Mal in der gesamten Verlagsgeschichte und eine höchst blamable Angelegenheit. Ihm war bewusst, dass so manch prominenter Schriftsteller, der in ihrem Verlag publizierte, eigene Haus- und Hofghostwriter anheuerte. Das Publikum kaufte es ihnen immer wieder ab, dass die Werke allesamt aus der Feder ihres Lieblingsautors stammten. Zumindest waren noch nie gegenteilige Meinungen oder Beschwerden durchgedrungen. Autor und Ghostwriter mussten zusammenpassen, und dieses Matching gleich einer Begegnung auf einer Dating-Plattform zu kreieren, stellte nicht die leichteste aller Aufgaben dar.

Während Peter immer und immer wieder dieselben Exposés durchsah, als erhoffte er sich eine erst spät auftauchende Erleuchtung, holte ihn das Klingeln des Telefons aus seinen Überlegungen.

„Jetzt nicht!“, fauchte er das Gerät an, als könnte er es mit seiner gereizten Aussage zum Verstummen bringen. Nach dem vierten Läuten nahm er dennoch ab. Seine Assistentin war am Apparat.

„Lucia, Sie wissen doch, dass ich mich hier mit Christopher verschanzt habe.“

„Tut mir leid, ja. Aber Herr Dorian Finz ist am Apparat. Einer der Herren Ghostwriter. Darf ich ihn durchstellen?“

Peter verdrehte die Augen, verdeckte mit der Handfläche den unteren Teil des Telefonhörers und sagte zu seinem Kollegen: „Was genau an ‚Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an‘ verstehen die Leute eigentlich nicht?“

Christopher schmunzelte. Der Verlagsleiter hatte den so überstrapazierten Satz, den kein Mensch je hören wollte, des Öfteren ausgesprochen, wenn er mit Leuten in Verbindung war, die etwas von ihm benötigten.

„Ja“, grunzte währenddessen Peter unfreundlich in den Hörer und legte einmal mehr die Exposés auf einen Stoß zusammen, um sie gleich im Anschluss wieder vor sich auszubreiten.

„Finz mein Name, grüß Sie Gott! Ich habe Ihnen vor ein paar Tagen mein Exposé für den Ghostwriting-Auftrag geschickt und …“

Peter fiel ihm ins Wort. „Ja, vielen Dank. Wir haben es erhalten und schauen uns gerade alles an.“

Er hielt das Schriftstück des Ghostwriters in die Höhe, um Christopher zu signalisieren, wer am Apparat war. Dabei verzog er sein Gesicht und schüttelte seinen Kopf leicht. Eindeutig schien er von dessen schriftstellerischem Erguss wenig begeistert zu sein.

„Wir melden uns, ja?“ Der Verlagsleiter beendete das Gespräch, legte auf und atmete durch. Wieder glitt sein Blick über die Zeilen der Bewerber.

„Ich hab da eine Idee. Wie wäre es denn, wenn ich die Aufgabe übernehme?“, schlug Christopher seinem Chef vorsichtig vor.

„Was meinst du?“, entgegnete der.

„Na ja, ich kenne Paula und ihren Stil seit vielen Jahren und auch alles andere, was sie ausmacht. Ich könnte das hinkriegen.“

Peter schaute ihn mit einem Fragezeichen in den Augen an, als wäre er selbst nie auf diese Idee gekommen.

„Hm, das ist ein Argument. Vielleicht würdest du es schaffen.“

Christophers Meinung nach hätte er sich das Wort „vielleicht“ an dieser Stelle sparen können. Er war sich sicher, das Projekt zu stemmen, auch wenn es ihm alles abverlangen würde. Abgesehen davon hatte er einmal ein Buch über die Abgründe Wiens verfasst. Dabei handelte es sich zwar um ein Sachbuch, aber er beherrschte es zu schreiben. Diese Fähigkeit brauchte er nicht infrage zu stellen.

„Weißt du was? Ich denke darüber nach. Wenn wir wirklich niemand anderen auftreiben können, ist es wohl besser, du übernimmst den Job. Allerdings müssten wir dich dann für die gesamte Zeit vom restlichen Verlagsbetrieb freistellen. Ob mir das so gefällt …“

Zumindest zog Peter diese Option in Betracht und zeigte sich willig, sich den Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen. Als er sich erheben und wieder an seinen Schreibtisch zurückkehren wollte, preschte der Verlagsleiter mit einer weiteren Idee vor.

„Was ist eigentlich mit Tobias Gielding? Habt ihr den noch nicht kontaktiert?“

Peter Biber hatte den Autor ursprünglich auf seine Liste an möglichen Schreibern gesetzt, ihn bisher aber nicht ernsthaft für diesen Job in Betracht gezogen.

„Der hat doch auch noch nie den Vogel abgeschossen“, argumentierte Christopher, ihn selbst dieses Mal außen vor gelassen zu haben. Jetzt, als er vielleicht selber zu einer unverhofften Chance kam, seine Fähigkeiten als Ghostwriter auszupacken und der Welt zu präsentieren, kam Peter plötzlich jemand anderer in den Sinn. Ging es ihm nur mehr ums Prinzip oder darum, Christophers Funktion als Lektor nicht leichtfertig aufzugeben? Unmöglich konnte er beide Jobs erledigen.

„Na, da ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Paula ihre Entscheidung noch einmal durch den Kopf gehen lässt, wohl höher, als dass wir mit ihm eine gute Wahl treffen.“ Christopher redete in sich hinein und erwartete keine weitere Aussage seines Chefs dazu, doch der Verlagsleiter fühlte sich bemüßigt, dessen Wortmeldung einmal mehr zu kommentieren.

„Darum geht’s doch nicht. Lad ihn ein. Soviel ich weiß, mag er Paulas Werke. Er soll uns was liefern. Ganz im Sinne von ‚Schau ma mal, dann sehn ma schon‘.“ Peter lächelte. „Und wenn der auch nicht infrage kommt, kenne ich da einen gewissen Christopher Rose, der ein besonders talentierter, ambitionierter Jungautor sein soll.“ Wieder schmunzelte er, klopfte seinem Lektor von hinten auf beide Schultern und ließ ihn alleine in seinem Büro zurück.

Erteilte Peter Biber einen Auftrag, war keine Zeit zu verlieren. Zügig suchte Christopher die Telefonnummer des Herrn Gielding aus der Kartei und wählte dessen Nummer. Zuletzt hatte er ihn vor ca. zwei Jahren gesehen, als sie jemanden für die Erstellung eines Reiseführers durch Wien für junge Menschen brauchten. Der Autor war zwar in die engere Wahl gekommen, konnte aber letzten Endes nicht mit einer für die Zielgruppe adäquaten Sprache begeistern. So verschwand er wieder in den Untiefen ihrer Kartei und wurde später ein weiteres Mal konsultiert. Und nun gab man ihm schon zum dritten Mal eine Chance. Eine Eigenschaft, die der Lektor an Peter schätzte.

Nach dem vierten Klingeln hob Tobias ab. „Hallo? Hallo?“

„Christopher Rose hier, vom Verlag Biber & Benson.“

Er nahm ein Rascheln im Hintergrund wahr, bis die Leitung klarer wurde.

„Tut mir leid“, drang es aus dem Telefon, „ich war wohl gerade in einem Funkloch. Jetzt höre ich Sie besser. Herr Rose, habe ich das richtig verstanden?“

„Ja, genau. Christopher Rose. Wir haben uns vor einiger Zeit im Zuge einer Autorensuche für Biber & Benson kennengelernt. Erinnern Sie sich?“ Christopher war bewusst, wie absurd sich diese Frage anhörte. Wusste er davon nichts mehr, wäre er entweder schwer beschäftigt oder angehend dement.

„Ja, natürlich. Das Wien-Buch. Ich entsinne mich. Schade, dass es damals nicht geklappt hat. Aber ich habe es danach in der Buchhandlung entdeckt und etwas darin geschmökert.“

Dass Tobias damals leer ausgegangen war, hatte ihn mehr als geärgert. Da er für einige heimische Magazine jahrelang Tipps über neue Wiener Attraktionen, Lokalitäten und Ausflugsziele geliefert hatte, war er für die Konzeption eines Reiseführers geradezu prädestiniert gewesen. Den richtigen jugendlichen Schreibton hätte er sich schon noch aneignen können. Nichtsdestotrotz hatte er die Ausschreibung und Absage als fair in Erinnerung. Rose meldete sich stets nach Abmachung und erteilte wertschätzendes Feedback, mit dem er etwas anzufangen wusste. Als er dann das fertige Werk in einem Geschäft erspäht und darin geblättert hatte, nahm er zwar eine unangenehme Gefühlsmischung aus Neid und Enttäuschung wahr, übte sich jedoch einmal mehr darin, Angebotsabsagen ad acta zu legen und zu akzeptieren, dass er nicht der Richtige für das Projekt, sondern jemand anderes besser geeignet war. Und eines Tages würde er der Andere sein.

„Oh, das freut uns“, antwortete der Lektor. „Der Grund, warum ich anrufe, ist folgender: Es gibt da ein neues Projekt, wofür wir Sie gerne einladen möchten, sich zu bewerben …“

Gielding unterbrach ihn. „Wirklich? Schön, dass Sie dabei an mich denken. Worum geht es denn?“

„Dieses Mal handelt es sich um etwas gänzlich anderes. Kein Reiseführer, sondern um ein Werk im Krimigenre. Können Sie damit etwas anfangen?“ Während Christopher mit ihm sprach, ging er am Computer kurz den Lebenslauf des Ghostwriters durch. Zwar verfügte er nicht über die aktuellste Version seiner Vita, sondern über eine, die zwei Jahre zuvor endete, dennoch wurde ihm wieder klar, warum er ihn selber nie vorgeschlagen hätte. Bedeutende Publikationen aus seiner Feder fehlten bis dato.

„Sie meinen, Sie suchen etwa die männliche Antwort auf Paula Hogitsch?“ Tobias lächelte. Nie hätte er vermutet, dass er mit seinem naiv ausposaunten Vorschlag richtiger als erwartet lag.

„Genau das tun wir, Herr Gielding. Haben Sie Interesse, uns dafür ein Angebot zu legen? Sie wissen ja, wie es läuft. Von uns kommen ein paar Angaben, und Sie liefern das Exposé dazu. Als Zeitrahmen kann ich Ihnen eine Woche geben. Wie klingt das?“

„Sensationell. Zeitlich bringe ich es auch gut unter.“ Hoffentlich verriet das nicht, dass er momentan – wie so oft – über kein einziges Projekt verfügte und ihn seine Tagesfreizeit fast überforderte. Über die Jahre hatte er gelernt, seinen Auftraggebern stets ein Gefühl der Überbeschäftigung zu vermitteln, in der Hoffnung, damit einen Wirbel um seine Person zu entfachen, doch manchmal entfielen ihm seine eigens kreierten Regeln.

„Herr Gielding, das freut uns sehr. Sollte uns Ihr Exposé zusagen, setzen wir uns natürlich schnellstmöglich zusammen, keine Frage. Jetzt aber – aufgrund des Zeitdrucks – machen wir alles einfach am Telefon aus. Wie gesagt, schicke ich Ihnen umgehend alle Vorgaben, o. k.?“

„Sehr gerne. Spätestens übermorgen erhalten Sie mein Exposé.“ Tobias war außer sich vor Freude, überhaupt für eine „Audition“ wie jene, wie er das Prozedere immer nannte, infrage zu kommen.

„Kein Stress! Auch Sie haben eine Woche Zeit wie alle anderen. Nehmen Sie sich die.“

Christopher versicherte ein weiteres Mal, dass er sich freute, und verabschiedete sich. Tobias war ihm zwar sympathisch, dennoch hoffte er darauf, dass sein Exposé keine Begeisterungsstürme bei der Verlagsleitung hervorrief. Ihm gefiel die Idee immer mehr, selber den Ghostwriter-Job zu übernehmen.

„Danke vielmals für diese Chance“, sagte Tobias, bevor die Verbindung unterbrochen wurde.

„Paula Hogitsch“, flüsterte er nach dem Auflegen immer und immer wieder in den Raum hinein. Sollte das ein Scherz von Herrn Rose gewesen sein, oder ging es wahrhaftig darum, einen Nachfolger für sie zu finden?

Er freute sich, ernsthaft wieder für einen interessanten Auftrag in Betracht gezogen zu werden. In den letzten Monaten war es immer schwieriger geworden, an ein Stück des Schreibkuchens heranzukommen. Für ihn blieben nur die uninteressanten Kleinaufträge, durch die man kaum seinen Lebensunterhalt finanzieren konnte.

In den nächsten Minuten flatterte die E-Mail von Christopher Rose in seinen Posteingang. Da sich Tobias gleich vor den Computer gesetzt hatte, um keine Sekunde an Arbeitszeit zu verlieren, sah er die Nachricht umgehend und öffnete sie erwartungsvoll, um sofort zu erfahren, was hinter der geheimnisvollen Namenserwähnung einer seiner Lieblingsautorinnen stand.

Sehr geehrter Herr Gielding,

wie soeben besprochen, freuen wir uns, Ihnen folgende Anfrage für einen Ghostwriting-Auftrag zukommen zu lassen.

Wir suchen nach einem Autor, der bis Mai 2009 einen Kriminalroman im Namen von Paula Hogitsch verfasst. Wir haben ihr 14. und letztes Werk bereits im Verlagsprogramm des kommenden Jahres angekündigt und brauchen jemanden, der diese verantwortungsvolle Aufgabe zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt. Paula Hogitsch ist – wie Sie bestimmt wissen – eines unserer wichtigsten Zug­pferde, deren Fans wir nicht enttäuschen möchten. In Ihrer Bio haben wir gesehen, dass Sie bereits einen Kurzkrimi verfasst haben.

Das Dokument mit den Angaben sowie eine Verschwiegenheitserklärung finden Sie anbei. Bitte lassen Sie uns Ihr Exposé bis in exakt einer Woche zukommen, damit wir ehestmöglich eine Entscheidung treffen können.

Natürlich können Sie sich jederzeit mit mir in Verbindung setzen, wenn Sie noch Fragen dazu haben.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen und alles Gute!

Christopher Rose

Tobias’ Herz schlug ihm bis zum Hals. Das Angebot vorhin war ernst gemeint. Außer der nicht unwesentlichen Tatsache, dass es keine Findung eines Nachfolgers von Paula, sondern ein Werk in ihrem Namen sein sollte. Wie um alles in der Welt kam der Verlag auf die Idee, ausgerechnet ihn diesbezüglich zu kontaktieren? Oder ging Peter Biber so bei jedem einzelnen Ghostwriter vor, den er in seinem System gespeichert hatte? Er konnte die Überraschung in Lilos Augen kaum erwarten. Obwohl die Sache äußerst heikel war und die Verschwiegenheitserklärung eindeutig besagte, niemandem davon zu berichten, dass ein Werk in Paulas Namen entstand, konnte er nicht umhin, zumindest seine eigene Ehefrau darüber in Kenntnis zu setzen. Sie wusste, dass er selber ein Fan ihrer Bücher war. Lilo hatte seines Wissens keinen ihrer Romane gelesen, aber das verwunderte nicht weiter, da es sich bei ihr um keine große Freundin der geschriebenen Worte handelte.

Gerade als er sich zurechtlegte, wie er ihr davon berichten würde, trat sie in sein Büro ein.

„Du weißt eh noch, dass wir heute Abend bei Susi und Bernd eingeladen sind, oder? Jetzt wird’s wirklich Zeit, dass wir die zwei endlich wiedersehen.“

Einmal hatte er die Verabredung bereits vergessen und das nächste Mal aus Krankheitsgründen abgesagt. Lilo lehnte sich an den Türstock und setzte ihren erwartungsvollen Blick auf. Sah sie ihn so an, war er stets gefordert, etwas zu sagen, das sie nicht aus der Fassung brachte. Das Letzte, was er brauchte, war Stress mit ihr.

„Tut mir leid, aber das geht nicht“, antwortete er selbstbewusst. Verstand Lilo nicht, dass die Anfrage des Verlags vorging, war ihr nicht mehr zu helfen.

„Das soll wohl ein Scherz sein“, entgegnete sie und setzte an, nach seiner diesmaligen Ausrede zu fragen.

„Du wirst nicht glauben, welcher Auftrag gerade zu mir hereingeflattert ist“, kam er seiner Frau zuvor.

„Ein Auftrag? Ausgerechnet jetzt?“ Meinte sie etwa, jetzt, wo sie wieder einmal eine Einladung von diesem Pärchen erhalten hatten, das er ohnehin nicht leiden konnte?

„Könntest du mir vielleicht auch nur ein einziges Mal zuhören?“

Tobias wartete ab, ob er von ihr ein Zeichen erhielt, das signalisierte, dass sie die Wichtigkeit in seiner Stimme bemerkt hatte. Mit einer kleinen Geste, aber immer noch mit ihrem tadelnden Blick im Gesicht, ließ sie ihn erklären, was dieses Mal hinter seiner Absage steckte.

„Ich habe gerade eine Anfrage von Biber & Benson bekommen. Sie suchen einen Ghostwriter für …“ Tobias wartete kurz, um die Spannung zu steigern. „Paula Hogitsch.“

„Paula wer?“ Wie zu erwarten, war seine Frau nicht imstande, den Namen der Sparte „erfolgreiche Schriftstellerin“ zuzuordnen.

„Bestsellerautorin. 12 höchst erfolgreiche Krimis. Ihr 13. erscheint heuer und den 14. soll ich für sie schreiben.“

„Was?“ Lilo nahm an, ihr Mann würde sich einen Scherz mit ihr erlauben. Mittlerweile hatte sie nicht mehr damit gerechnet, dass er es jemals zu einem großen Auftrag schaffte. Nun stand sie kerzengerade im Türstock und hielt ihre beiden Arme wie ein Kaktus zur Seite. Ihr offener Mund und ihre aufgerissenen Augen verlangten nach einer zusätzlichen Erklärung von ihm.

„Na ja, ich hab zumindest eine Anfrage vorliegen. Jetzt muss ich ein Exposé verfassen, es einreichen, und dann schauen wir weiter, ob es ihnen gefällt. Aber allein dass sie dabei an mich denken, ist unglaublich.“

„Weißt du was?“ Lilo ergriff wieder das Wort. Ihre Reaktion hätte er sich zwar anders gewünscht, doch mittlerweile war ihm bewusst, wie sie tickte und was er von ihr zu erwarten hatte. „Ich gehe heute alleine zu den beiden. Du arbeitest und holst dir den Auftrag. Zeit wird’s!“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und schloss die Tür von außen. Wahrscheinlich tat sie die Anfrage als weitere Spinnerei von Tobias ab, doch zumindest ließ sie ihn werken und verschonte ihn mit einem Treffen mit Leuten, dem er ohnehin nichts abgewinnen konnte.

In der folgenden Nacht arbeitete Tobias Gielding durch. Er wollte dem Verlag beweisen, dass er es schaffte, schneller als alle anderen Autoren abzuliefern, und Lilo, dass er die Anfrage zu Recht erhalten hatte. Sein Konzept schickte er am übernächsten Morgen per E-Mail direkt an Peter Biber.

Wort für Mord

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