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IX.

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Kurios, wenn man dem Ursprung oder dem Anlaß mancher Dinge nachgeht. Wie in aller Welt bin ich Syndikus des „Schutzverbandes deutscher Schriftsteller“ geworden und damit auf ein Gebiet juristischer Tätigkeit gestoßen, das mich zum Spezialisten für Urheber- und Verlagsrecht gemacht hat, was mir Jahrzehnte hindurch eine besondere Befriedigung gewährt hat? – Bis zu dem Tage, an dem auf Herrn Goebbels Befehl mich mein ehemaliger Freund Hans Heinz Ewers hinausgesetzt hat. Ja, wenn ich es recht bedenke, hätte nicht seinerzeit ein fast genial zu nennender Hochstapler mit Kuxen eines überhaupt nicht existierenden, rein fiktiven Bergwerkes eine große Menge gutgläubiger Kapitalisten elend hineingelegt, und hätte nicht zur Zeit, da ich in Berlin studierte, so ziemlich die ganze Hörerschaft des Hildesheimerschen Seminars sich in die schöne Ulla verliebt, vor allem Moses Calvary, – hätte ich nie Gelegenheit gehabt, an der Konsolidierung des deutschen Schrifttums mitzuarbeiten, wäre vielleicht überhaupt nie, so wie geschehen, in die Literatur hineingeraten, – und die Welt hätte ohne mein „Tohuwabohu“ und meine anderen Bücher bis auf diese Erinnerungen auskommen müssen. – Das kam nämlich so: Ich assistierte Alfred Klee bei der Verteidigung jenes großen Schiebers in dem damals, als man noch nicht an ähnliche Sensationsprozesse dachte, wie sie später nach dem Kriege so zahlreich auftauchten, Aufsehen erregenden Prozeß. Von diesem und seiner Vorgeschichte zu erzählen, ist hier nicht der Platz. Nur eine Episode möchte ich in Sicherheit bringen, da sie ein hübsches Schlaglicht auf weibliche Psychologie wirft: Einer der dunklen Ehrenmänner aus jenem Kreise hatte sich aus dem Staube gemacht, wurde aber in Paris verhaftet und später ausgeliefert. Als ich von der Verhaftung dieses Mannes seiner Frau schonend Mitteilung machte, rief sie glückstrahlend aus: „Prachtvoll, jetzt kann er mir in Paris nicht fremdgehen!“ – Also ich wirkte in jenem Prozeß mit, und man trat vom „Berliner Tageblatt“ an mich heran und bat mich, doch über den Fall ein Feuilleton zu schreiben. So selten und so ungern ich eigentlich für Zeitungen schreibe, kam ich damals doch diesem Ersuchen nach, und in einem Feuilleton „Du glaubst zu schieben, und Du wirst geschoben“, suchte ich an dem Modell des Herrn Romulo Echtermeyer eine Analyse des großen Schiebers zu geben.

Dieses an sich nach keiner Richtung besonders bemerkenswerte Essay erregte nun die Aufmerksamkeit einiger Männer der Feder, die in der Hinterstube des „Café Austria“ über dem Plan brüteten, den deutschen Schriftstellern eine Organisation zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu schaffen, und insbesondere war es Dr. Martin Beradt, der Bruder der oben erwähnten schönen Ulla, der inzwischen nicht nur als Anwalt am Kammergericht, sondern auch als Romancier und Verfasser geistreicher Essays sich einen Namen verschafft hatte. Dieser, der damals hauptsächlich durch seine Schwester in unseren Kreis, der von Calvary und mir geführt wurde, geraten war, erinnerte sich meiner, als er meinen Namen über jenem Aufsatze sah und schlug mich für den Posten des Leiters der juristischen Abteilung der neuzugründenden Organisation vor. Man hielt nämlich Ausschau nach einer Persönlichkeit, die einmal einen guten Namen als Anwalt hatte, gleichzeitig aber auch die Situation und die Nöte der Schriftsteller kannte, die aber doch die Garantie voller Unabhängigkeit bieten mußte; denn bei dem neuzuschaffenden Verbande handelte es sich hauptsächlich darum, im Interesse der Autoren gegen die Mächtigen der Erde, in diesem Falle die Verleger und Zeitungsherausgeber, einen Kampf zu führen. Es war vorauszusehen, daß, wer sich in diesem Kampfe herausstellte, bei jenen Gewalthabern in Ungnade fallen und vielleicht gar boykottiert werden würde. – Vielleicht ist es von kulturhistorischem Interesse zu bemerken, daß in jenem Hinterzimmer des „Café Austria“ um jene Zeit ständig neue Schöpfungen ins Leben gerufen wurden, – bald handelte es sich um eine neue Religion, die dort gegründet wurde, bald um die Gründung eines neuen Theaters etc. Fast alle waren nur Luftblasen, aber diese Gründung des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller bewies sehr bald ihre Exis­tenzberechtigung. Die Basis des Ganzen war, eine Rechtsschutzstelle zu schaffen, nicht nur bei Brotgebern bessere Bedingungen durchzusetzen – die Arbeit des freien Schriftstellers ist ja im allgemeinen „Heimarbeit“ und als solche schlecht bezahlt –, sondern auch, was vielleicht noch schwieriger war, das leichtlebige Volk der Feder selbst zu der Erkenntnis zu erziehen, daß die von ihm gelieferte Ware genau solchen Marktwert besitzt und denselben wirtschaftlichen Bedingungen unterliegt wie Maschinenteile und Korsetts. – Also ich kam mit den Herren des Gründungskonzerns zusammen, und wir einigten uns bald. Unter den Gründern befanden sich u. a. der Verfasser des damals überaus beliebten Romans „Jettchen Gebert“, Georg Hermann, und obwohl ich ihn nie gesehen hatte, erkannte ich treffsicher ihn sofort, da er wirklich nach seiner Erscheinung aus dem Milieu jenes Romans sich materialisiert zu haben schien, ein typisches Mitglied der Familie Gebert. Nur schade, daß ich daneben getroffen und den arischen deutschen Politiker Theodor Heuss für ihn genommen hatte, der seinem Wesen nach mehr den Kreisen der Männer von 48 angehörte, während Hermann eher den Typus des jüdischen alteingesessenen Kaufmannes darstellte. Dann war da noch Hans Landsberg, scherzhaft genannt „der Altmeister der kleinen Notiz“, ferner der treffliche Monty Jacobs, einer der unabhängigsten Theaterkritiker, Feuilleton-Redakteur der „Vossischen Zeitung“, und von demselben Blatt Max Osborn, der dort das Kunstressort verwaltete, Paul Westheim, der eigenbrötlerische Kunstkritiker, W. Fred, der seinerzeit erfolgreichste Essayist deutscher Sprache, der grimme Robert Breuer, Ulrich Rauscher, der während der Republik deutscher Gesandter in Warschau wurde, und Hermann Kienzl, der literarische Erbe Peter Roseggers. Ich fühlte mich in diesem Kreise sehr bald wohl, entwarf Vereinsstatuten, Normalverträge, die sich bald allgemein einführten, und stürzte mich mit Eifer auf die mannigfachen interessanten Aufgaben, die mir mein neues Amt bot. Die Arbeit brachte mir freilich wenig materiellen Gewinn, aber desto mehr moralische Befriedigung, zumal es mir wirklich gelungen ist, dem Schriftsteller sozusagen den Platz an der Sonne zu verschaffen. Daneben war es für mich eine Freude, mit einer Reihe interessanter Persönlichkeiten in Berührung zu kommen, und im Laufe der Jahre passierte so ziemlich alles, was mit deutschem Schrifttum zu tun hatte, mein Büro. Es war eine sehr anregende Tätigkeit, und letzten Endes konnte ich auf diese Weise bei vielen Gelegenheiten Dinge, die mir wirklich am Herzen lagen, so auch die zionistischen Gedankengänge, an einflußreicher Stelle zwanglos zur Geltung bringen.

Der Kampf gegen die Mißstände im Schrifttum war dann noch verhältnismäßig einfach, wenn es sich darum handelte, die mannigfachen, geradezu betrügerischen Manipulationen zu unterbinden, unter denen die Autoren litten. Selbst angesehene Verlagsanstalten scheuten sich nicht, den Autor dadurch zu schädigen, daß sie, wenn etwa eine Auflage von 3.000 Exemplaren vorgesehen war, die doppelte Anzahl druckten und nur für die 3.000 abrechneten. Sie ließen sich dann von der Druckerei zwei verschiedene Fakturen ausstellen, eine zur Ansicht für den Autor und eine ernsthafte. Ich setzte es durch, daß vertraglich die Einsichtnahme in die Bücher eingeräumt wurde, die dann auch durch Organe des Verbandes vorgenommen werden konnte. – Schlimmer war etwas anderes: Da gab es den Unfug der Zuschußverleger, für die ich den Namen „Literarische Bucketshops“ prägte. Das waren Animierverleger, welche in skrupelloser Weise die Eitelkeit und den Ehrgeiz von Dilettanten ausnutzten. Zu dieser Kategorie gehörte eine Reihe von Firmen, besonders in Berlin und Leipzig, welche ganz unverdienterweise sich ein gewisses Renommée erworben hatten. Die Praxis war die: Wenn irgendein Scribifax ein Manuskript einsandte, bekam er einen höchst schmeichelhaften Brief, aus dem er zu seiner Beglückung erfuhr, daß mit ihm ein neuer Stern am literarischen Himmel aufgegangen sei, daß der Verlag es sich zur Ehre rechnen würde, sein Werk zu publizieren; ihm wurde ein hoher Tantiemensatz versprochen, so daß er sich ausmalen konnte, wie er bei der Fülle der zu erwartenden Auflagen ein Vermögen verdienen würde etc. Nebenbei wurde er gebeten, für die Drucklegung einen Vorschuß einzuzahlen, der natürlich auf die Tantieme verrechnet werden würde. Der künftige berühmte Autor zögerte nicht, diesen Betrag einzusenden, oft sich dafür in Schulden stürzend, und der Verlag ließ dann wirklich ein paar Exemplare drucken. Die Drucklegung kostete einen Bruchteil der vereinnahmten Summe, und außer den Exemplaren, die der Autor bezog und unter seine Freunde verteilte, gab es kein weiteres Exemplar mehr in der Welt. Mehrfach machten wir uns aus unserem Kreise das Vergnügen, absichtlich lächerliche Sudeleien einzusenden, und immer war der Erfolg der gleiche, liefen jene begeisterten Lobenshymnen ein. Es gelang mir nun, durch eine Reihe von Prozessen diesem Unwesen wenigstens zum großen Teil ein Ende zu bereiten. – Z. B. hatte ein Leipziger Verlag dem Autor höchst großzügig eine Provision von 1 Mark pro Exemplar des im Buchhandel 3 Mark kostenden Werkes zugesagt und hatte auch wirklich, um jeder Kontrolle zu entgehen, mehrere Tausend Exemplare herstellen lassen, auf jämmerlichem Papier und in elender Ausstattung. Dann verramschte der Verlag den ganzen Bestand für 5 Pfennig pro Exemplar, und ich zwang ihn, dem Autor nach dem Vertrage 1 Mark zu zahlen. Ich machte andere erstaun­liche Entdeckungen auf dem literarischen Markt. Da war zunächst die Hintertreppenliteratur. Ich war einfach erschlagen, als ich sah, welche ungeheuren Auflagen die Kolportageromane haben, die in Fortsetzungen geliefert werden. Diese Sudeleien fanden ein ungeheures Publikum, und nicht bloß auf den Hintertreppen. Ein Leipziger Verlag, der sich darauf spezia­lisiert hatte, begann ungefähr jedes Vierteljahr mit einer neuen Serie, und die betreffenden Autoren erhielten ein recht anständiges Honorar, das sich zwischen 8.000 und 10.000 Mark bewegte. – Noch erstaunter aber war ich über eine andere Erscheinung: Es gab eine sehr verbreitete Literatur, die man nicht als Hintertreppenliteratur bezeichnen konnte. Hauptsächlich handelte es sich um patriotische Dichtungen. Da gab es z. B. einen entwaffnend naiven alten Herren, der unzählige Romane und Gedichtbände herausgegeben hatte, um dessen Namen sich eine viele Zehntausende große „Gemeinde“ gebildet hatte, und dem sogar bei Lebzeiten ein Denkmal gesetzt wurde, bei dessen Enthüllung deutsche Fürstlichkeiten anwesend waren. Und weder von dessen Namen noch von dessen Büchern hatte das eigentlich ernsthafte literarische Publikum überhaupt eine Ahnung. Sicher bin ich, daß zumindestens das gebildete jüdische Lesepublikum nie etwas von diesen Erzeugnissen wußte. Fontane, der Dichter der Mark und des Märkischen Adels, hat sich in einem reizenden Gedicht darüber ausgelassen, daß die Mitglieder des Märkischen Adels seinen Werken keinerlei Interesse entgegenbrachten, sondern er auf einen andern, viel älteren Adel angewiesen war, („kommen Sie, Cohn!“); und dieselbe Wahrnehmung machte z. B. Boerries von Münchhausen und eigentlich fast jeder einzelne der ernsthaften Schriftsteller. Man sprach viel von der „Verjudung“ des deutschen Schrifttums. In Wirklichkeit war es vor allen Dingen so, daß die Käufer und Leser guter literarischer Produktion im wesentlichen die Juden waren. Es war ja nicht nur auf dem Gebiete der Literatur so, sondern der Hauptförderer eines Richard Wagner war der Kommerzienrat Löser.

Übrigens stand der wirkliche Einfluß der jüdischen Autoren durchaus nicht im Verhältnis zu ihrer numerischen Beteiligung am deutschen Schrifttum. Die Juden waren ja besonders in der Journalistik stark vertreten, und zwar schrieben sie fast alle für die liberale Presse. Hier ist eine erstaunliche Tatsache hervorzuheben: Da waren die Riesenauflagen der von Mosse und Ullstein verlegten Zeitungen und Journale, „Berliner Tageblatt“, „Vossische Zeitung“, „B. Z. am Mittag“, „Tempo“, „Illustrierte Zeitung“ u.s.f. Träger des demokratischen Gedankens. Eine ungeheure Armee von Lesern stand hinter ihnen, – und doch, wenn es zur Parlamentswahl kam, scharte sich um ihre Fahne eine winzige, lächerliche Gruppe. Es war eine schier unerklärliche Diskrepanz. So konnten natürlich auch die für diese Blätter schreibenden Autoren eben nur künstlerische, aber keine praktischen Erfolge erzielen.

Übrigens konnte ich feststellen, daß im „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ viele sich überaus arisch und deutsch gebärdende Persönlichkeiten waren, die jüdischen Familien entstammten und freilich ihr Judentum sehr spät entdeckten, und bei vielen ganz als „arisch“ Geltenden dürfte es so ähnlich sein wie bei dem trefflichen Roda Roda, der mir, als der Rassenwahn aufkam, sagte: „Ich glaube, zwischen dem Pithek Antropos und mir dürfte schon ein nichtarischer Einschlag vorgekommen sein“, worauf ich ihm, wohl mit Recht, sagte: „Dieser Einschlag dürfte erheblich näher bei Ihnen liegen.“

Interessant und schwierig war der Kampf gegen den unerlaubten Nachdruck. In unglaublich unverschämter und bedenkenloser Weise pflegten besonders die Provinzblätter Artikel aus der großen Presse zu übernehmen. Ich suchte, eine Nachdruckkontrolle einzuführen und hatte damit recht gute Erfolge. Leider muß ich feststellen, daß bis heute auch ein Teil der jüdischen Presse jene üble Gewohnheit hat, sich mit oder aus fremden Federn zu schmücken. Ist es mir selber doch geschehen, daß kurz nach Erscheinen meines Romans „Tohuwabohu“ das „Jiddische Tagblatt“ in New York das ganze Buch unter fremdem Titel abdruckte, und der Redakteur hatte die ungeheure Frechheit, seinen Namen als Autor darüber zu setzen. Welche kuriosen Dinge aber da geschehen können, will ich an einem Beispiel illustrieren: Da veröffentlichte der „Berliner Lokal­anzeiger“ einen sensationellen Abenteuer-Roman des Schriftstellers Schlesinger in Fortsetzungen. Nachdem der Roman beinahe zur Hälfte abgedruckt war, liefen plötzlich bei der Redaktion eine Anzahl Beschwerdebriefe ein, in denen darauf hingewiesen wurde, daß es sich bei diesem Roman um ein Plagiat handle. Der Roman sei schon in Buchform erschienen, und der Name des Autors des Buchromans sei ein ganz anderer. Man war nicht wenig betroffen in der Redaktion, verschaffte sich den Roman und stand vor einer nicht wegzuleugnenden Tatsache. Des Herrn Schlesinger konnte man im Moment nicht habhaft werden, da er irgendwo auf einer Reise im Fernen Osten war. Man war in nicht geringer Verlegenheit. Schließlich kam man auf einen Ausweg: Man setzte sich hin und schrieb einen Schluß, durch den der Roman in zwei Fortsetzungen zu Ende gebracht wurde. Ich glaube, es war ungefähr so, daß alle Personen sich gegenseitig umbrachten. Als nun nach Monaten Schlesinger von seiner Reise zurückkam, und man ihn zur Rede stellte, fiel er aus allen Himmeln. Er wußte doch, daß das Buch sein ureigenstes Werk war. Niemand wollte ihm das natürlich glauben. Er kam zu mir, und es gelang mir die Sache aufzuklären. In der Druckerei hatte man für die künftige Buchausgabe bereits, die Zeitungstypen benutzend, den Roman in einer Riesenauflage hergestellt, und die ungebundenen Exemplare lagen in einem Keller. Irgendwie hatte der „Schriftsteller“ Curt Matull das herausgeschnüffelt und ein Exemplar entwendet. Das tippte er dann ab und reichte es unter seinem Namen einem Verlag ein, der das Buch unter seinem Namen publizierte. So ist in diesem Falle das Plagiat vor dem Original erschienen. Jenem Herrn konnte übrigens nichts geschehen, da er im Besitz eines sogenannten „Jagdscheines“ war, d. h. der Bescheinigung eines Psychiaters, daß er für seine Handlungen nicht verantwortlich sei. – Diese „Jagdscheingeschichte“ erinnert mich an ein anderes, höchst amüsantes Vorkommnis, das freilich erst viel später, während der Inflationszeit 1922, spielt. Es handelt sich da um einen der erfolgreichsten Romanschriftsteller Deutschlands, einen guten Freund von mir, dessen Namen ich aus begreiflichen Gründen nicht nennen möchte. Eines Tages brachte dieser mein Freund ein Buch heraus, das mit Recht die Aufmerksamkeit des Staatsanwaltes erweckte. Das Buch wurde bald beschlagnahmt und der Autor zur Verantwortung gezogen. Bei der Vernehmung durch den Richter bekam dieser angesichts des höchst originellen Auftretens des Autors erhebliche Bedenken, ob er zurechnungsfähig sei. Er beschloß, ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, und der berühmte Professor X. wurde mit diesem Auftrage betraut. Von diesem Beschluß erhielt nun der Autor durch seine guten Verbindungen Nachricht, ehe noch der Professor etwas erfuhr. Sofort setzte er sich mit ihm in Verbindung und erzählte im, daß er mit der Abfassung eines neuen Romans beschäftigt sei, der in einer Irrenanstalt spiele, und erbat seine fachmännische Beratung, ihm dabei ein fürstliches Honorar von vielen Tausend Dollar in Aussicht stellend. Der Professor war natürlich gern bereit, seine Hilfe zu leisten, lud den Schriftsteller zu sich ein und nahm mit Interesse die Mitteilungen über den Plan des angeblich beabsichtigten Romans entgegen. Im Augenblick der Verabschiedung blieb der Gast stehen, schlug sich vor den Kopf und sagte: „Ach, Herr Professor, Sie können mir noch eine Gefälligkeit erweisen. Ich habe da eine Erbschaft von 80.000 Dollar gemacht. In diesem Testament befindet sich eine seltsame Klausel, daß jeder der Erben ein Attest über seine geistige Gesundheit beibringen muß. Kann ich Sie um die Gefälligkeit bitten?“ Der Professor gab ihm lächelnd und mit Vergnügen die Bescheinigung, daß er geistig durchaus normal sei, und war dann nicht wenig betroffen, als ihm am andern Tag der Auftrag des Gerichtes zuging, jenen Mann auf seinen Geisteszustand hin zu untersuchen. Übrigens endete die Sache damit, daß das Buch im objektiven Verfahren verboten blieb, der Autor wirklich seinen „Jagdschein“ erhielt und außer Verfolgung gesetzt wurde. – Diese Sache hatte noch ein merkwürdiges Nachspiel: Jahre später verfaßte jener Schriftsteller ein dickes Buch, in dem er alle möglichen Abenteuer aus seinem Leben erzählte, insbesondere auch den oben geschilderten Vorgang, und zwar in diesem wie in andern Fällen stets mit voller Namensnennung. Für dieses Buch hätte er gut und gern, falls er als verantwortlich angesehen wurde, eine längere Freiheitsstrafe zu gewärtigen, – das Buch kam aber nicht heraus. Ich fand das umfangreiche Manuskript eines Tages auf meinem Schreibtisch, las es mit vielem Ergötzen durch, – denn es war ebenso witzig wie geistvoll – war aber nicht wenig erstaunt über das letzte Kapitel dieses „Gott Humor“ genannten Buches. Da hieß es etwa: „Nachdem dieses Buch fertig war, konnte ich keinen Verleger oder Drucker finden, da sie behaupteten, mit der Verbreitung dieses Buches sich strafbar zu machen. Sie verlangten, daß ich mir von autoritativer Seite die Harmlosigkeit bestätigen ließe. Ich schrieb darauf an meinen Freund, den Ministerialdirektor und Schriftsteller Karl Bulcke, und bat ihn um ein solches Zeugnis. Darauf schrieb mir Bulcke unter großen Elogen über das Buch, an dessen Humor man sich noch nach Jahrzehnten erfreuen würde, er könne in seiner Stellung ein solches Attest nicht ausstellen. „Aber wozu“, setzte er hinzu, „haben wir unseren gemeinsamen Freund Sammy Gronemann, der nach jeder Richtung zuständig, Jurist und Schriftsteller ist und Sinn für Humor hat? Wenn er Ihnen das Attest gibt, werden Sie alle Schwierigkeiten überwinden.“ Darauf schickte ich das Manuskript an Freund Gronemann, und der antwortete mir umgehend wie folgt: – „Darauf kamen zwei leere Seiten im Manuskript, freigelassen für meinen Brief, den ich hineintippen sollte. Und dann geht der Text bei ihm weiter: „Auf Grund dieses Gronemannschen Briefes konnte ich nun dieses Buch endlich in Druck geben.“ – Wie ich mich damals aus der Affäre gezogen habe, weiß ich nicht mehr, aber irgendwie ist es mir doch gelungen. Das Buch ist nie erschienen, aber das Manuskript hat mir noch viele vergnügte Stunden bereitet.

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