Читать книгу Wenn Blau im Schwarz ertrinkt - Sandra Andrea Huber - Страница 7

VIER

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„Ich wusste, dass dich diese Information brennend interessieren würde.“

Das selbstgefällige Grinsen und der vorlaute Ton seines Angestellten gefielen Merkas überhaupt nicht. Dass er mit Neuigkeiten Nikolaj betreffend hier aufschlug, bedeutete keineswegs, dass er sich darauf groß etwas einzubilden brauchte. Es war sein Auftrag gewesen. Zu tun, was man ihm befohlen hatte, war keine besondere Leistung, sondern lediglich das, was von ihm erwartet wurde.

Er warf den Mann hinaus, suhlte sich in seinem Zorn, der anstieg und anstieg, je länger er sich die Informationen durch den Kopf gehen ließ.

Aber, wenn er ehrlich war, hatte er es geahnt. Hatte geahnt, dass so etwas passieren würde. Bereits an jenem Tag vor einem Jahr, als Nikolaj seinen Job bei ihm gekündigt und ihm vor die Füße geworfen hatte, dass er in Ruhe gelassen werden wollte, hatte er an ihre Kindheit zurückdenken müssen. Schon damals hatte Nikolaj sich nie so gehen lassen wie seinesgleichen, hatte sich nie in Gänze verbunden und zugehörig gefühlt, nicht zu seiner Spezies, noch zu seiner Heimat. Zwar hatte er das nie ausgesprochen, doch das spielte keine Rolle. Manchmal war es nicht nötig, dass man Worte aussprach oder hörte. So manche Tatsache war stumm noch offensichtlich genug, um sie erfassen zu können.

Als Nikolaj als dreizehnjähriger ständig von der Bildfläche verschwunden war, ohne ihm oder irgendjemandem die Frage nach seinem Aufenthaltsort zu beantworten, spätestens da hätte er die Sache ernstnehmen sollen. Noch heute konnte er sich gut daran erinnern, wie Nikolaj sich zusehends verändert hatte. Er war noch reservierter geworden, als er es ohnehin schon gewesen war und auch seine Aura hatte sich verändert - nicht zum Besseren.

Jetzt, im Nachhinein, war klar, warum er verschwunden war, was er getrieben hatte. Der Bastard hatte sich auf Erdengrund herumgetrieben. Nicht für die üblichen Vergnügungsausflüge, sondern um Zeit mit einem Menschenmädchen zu verbringen. Um ihr zu gefallen; so zu tun, als wäre er nicht der, der er war.

Wäre er aufmerksamer und beharrlicher gewesen, hätte er Nikolaj diesen Unsinn schon damals austreiben können. Hätte ihm zeigen können, dass es andere Wege gab, sich das zu nehmen, was man wollte. Hätte ihm zeigen können, wie viel Spaß es machte, sich seinen Sehnsüchten hinzugeben.

Womöglich wäre dann alles anders gekommen und er hätte nicht auf Nikolaj verzichten müssen. Der Halbsensat wäre mit ihm gemeinsam aufgestiegen, an seiner Seite gewesen, seine rechte Hand geworden. Stattdessen hatte er sich in seinem Menschen gemachten Netz gewunden, unterwürfig wie ein Hund, während er selbst zu einem einflussreichen und mächtigen Mann geworden war, den keiner zu unterschätzen oder herauszufordern wagte.

Dass ausgerechnet Nikolaj sich ihm entzogen und ihm obendrein ein Menschenmädchen vorgezogen hatte, ließ einen fahlen Geschmack in seinem Mund aufkommen. Niemand umging ungestraft seine Autorität oder lehnte sich gegen ihn auf. Niemand, der bei Verstand war, wagte einen solchen Drahtseilakt, da ihm ein Fall ins Bodenlose gewiss war.

Nikolaj aber hatte genau das getan; hatte ihm den Rücken zugekehrt. Und dennoch. Als der Halbsensat in einer Mischung glühenden Zorns und verwundeten Geistes bei ihm aufgeschlagen war, hatte Merkas hatte ihn bei sich wohnen lassen, ihm einen Job gegeben.

Schon als sie Kinder gewesen waren, hatte er gespürt, dass Nikolaj ihm von Nutzen sein konnte. Trotz seines menschlichen Anteils lag ein unbestreitbares Potenzial in ihm verborgen. Darauf hatte er nicht verzichten wollen. Deswegen – einzig und allein deswegen – hatte er über den Fehltritt hinweggesehen und ihm eine zweite Chance gegeben.

Dass der Bastard es nun tatsächlich wagte, das gleiche Spiel ein zweites Mal zu spielen und ihn abermals zum Narren zu halten, ging zu weit. Dieses Mal würde er die Sache nicht so einfach vergessen. Diesmal würde er dem Jüngeren eine Lektion erteilen, die ihm unmissverständlich deutlich machte, dass man ihm nicht so einfach den Rücken zukehren konnte, wenn einem der Sinn danach stand.

Er würde Nikolaj eine Lektion erteilen, die ihn bluten ließ. Langsam und genüsslich, sodass er zusehen und jeden Tropfen genießen konnte, wie einen guten Wein.

* * *

Céstine trat mit großen und selbstbewussten Schritten in den Raum, ließ sich schräg gegenüber dem schwarzhaarigen Mann in den Ledersessel fallen und betrachtete eine Weile den Tanz des im Kamin lodernden Feuers. In einer Welt, die keine universelle Wärmequelle besaß und in Düsternis lebte, brannte so gut wie immer ein Feuer.

Merkas nahm keinerlei Notiz von ihr, sodass sie nach einigen Minuten ungeduldig und verärgert das Wort ergriff. „Er ist also tatsächlich zurück zu ihr? Zu seinem Herz?“ Sie legte eine überaus angewiderte Betonung auf das letzte Wort.

„Sieht ganz so aus“, gab ihr Gegenüber tonlos zurück.

Sie presste die Lippen aufeinander, ballte die Fäuste und stierte wieder ins prassende Feuer. Bereits im Vorfeld hatte sie sich den Wahrheitsgehalt der Gerüchte bestätigen lassen. Das Gleiche nun aus Merkas Mund zu hören, wenn auch äußerst beschnitten, vermittelte ihr abermals das Gefühl ein viel zu enges Korsett zu tragen. Das wollte etwas heißen, da sie die aufreizende zweite Haut oft und gerne trug, vor allem bei vergnüglichen Bettspielen. Eigentlich sollte sie somit an deren Sitz gewöhnt sein, doch dieses Gebinde war anders. Es schien nicht auf, sondern unter der Haut zu sitzen und ihr das Innere abzuschnüren.

„Ich hoffe, du bist nicht hergekommen, um mir die Ohren voll zu jammern“, sagte Merkas schließlich, nachdem er sie einer längeren Musterung unterzogen hatte. „Du weißt, dass ich das überhaupt nicht leiden kann.“

„Es lässt dich also völlig kalt?“, fauchte sie und durchbohrte ihn mit ihren graublauen Augen. „Es ist dir egal? Du willst einfach zusehen, wie er sich zu einem zahmen und folgsamen Schoßhündchen macht – erneut? Ich hatte den Eindruck, dass es dir schon damals gegen den Strich ging, dass er sich dir entzogen hat.“

Sie hatte einen äußerst empfindlichen und explosiven Nerv getroffen, doch es war ihr egal. Wenn sie sich mies fühlte, konnte er das ruhig auch tun.

„Pass auf, was du sagst“, knurrte Merkas sie mit gebleckten Zähnen an. „Vergiss nicht, mit wem du redest. Wenn du nicht damit klarkommst, dass Nikolaj dich ersetzt hat, weil du ihm zu langweilig geworden bist, dann ist das dein Problem. Lass mich damit in Ruhe und kümmere dich selbst um deine Wehwehchen.“

Céstine ballte die Fäuste. Die Geste ließ Merkas nur noch spöttischer werden. „Schon mal darüber nachgedacht, dass deine Reize aufgebraucht sind und du deswegen niemanden mehr einlullen kannst? Vielleicht solltest du an einer Schulung für verbrauchte Sexgespielinnen teilnehmen. Möglicherweise ist noch was zu retten, möglicherweise auch nicht.“ Er bleckte die Zähne, wie eine Hyäne, genoss es ganz offensichtlich sie in Rage zu bringen, denn er setzte noch einen drauf. „Oder du wechselt einfach das Publikum. Auch wenn du verbraucht bist, gibt es bestimmt genügend zweitklassige Erdenmänner im höheren Alter, die sich geifernd die Finger nach dir lecken. Ein abgenagter Knochen ist schließlich besser als gar keiner.“

Merkas konnte ihr in Sachen Nikolaj womöglich noch nützlich sein, mahnte Céstine sich. Sie musste sich beherrschen und ihre Wut klug einsetzen.

Ein süßliches Lächeln auf den blutroten Lippen stand sie auf, ging auf Merkas zu und ließ sich vor ihm auf die Knie gleiten. Als sie ihre Finger leise schnurrend von seinen Waden hinauf zu den Oberschenkeln gleiten ließ, wobei sie wie zufällig sein Geschlecht streifte, zog er lediglich die Augenbrauen nach oben, sagte aber nichts. Nach und nach konnte sie spüren, wie sich die Muskeln seines Körpers entspannten und sich eine stattliche Beule in seiner Hose bildete. Sie quittierte es, indem sie sich genussvoll mit der Zunge über die Oberlippe fuhr, dabei weiter die Innenseiten seiner Oberschenkel massierte und das steife Glied langsam und sachte umspielte.

Als Merkas Kehle ein erregtes Stöhnen entwich, ließ sie ihre Hände zum Gürtel seiner Hose gleiten, um seine Männlichkeit zu befreien und ihn gefügig zu machen, für das, was sie von ihm wollte.

Im nächsten Moment wurden ihre Handgelenke umfasst und grob nach oben gerissen. Als sie aufsah, taxierte Merkas sie mit schneidender Kälte in den schwarzen Augen.

„Hast du wirklich gedacht, ich lasse mich so plump von dir um den Finger wickeln? Denkst du, ich hätte das nötig? Oder hältst du dich für so unwiderstehlich, dass du glaubst, dir könne niemand widerstehen? Wenn das so ist“, er beugte sich näher zu ihr heran, „du hast dich in beidem geirrt.“

Céstine fauchte wie eine Katze und entzog sich seinem Griff. „Wenn ich dich daran erinnern darf, dann hast du dich bereits von mir umgarnen lassen – und das nicht nur einmal. Dass du deine Libido ausnahmsweise unter Kontrolle hast, macht deine Gier auf mich nicht vergessen oder weniger präsent.“

Merkas Augen funkelten, als er sein Gesicht zu einer arroganten Maske formte. „Sag endlich, was du von mir willst, damit ich dich los bin. Du langweilst mich allmählich.“

Céstine erhob sich, ließ sich wieder in den Sessel fallen und schlug erneut die Beine übereinander. Es lief ganz und gar nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Weder ging er auf ihre verbalen noch auf ihre körperlichen Argumente ein.

Eine Weile lang schwieg sie und sah ihn nur bohrend an, dann versuchte sie es über den sachlichen Weg. „Ich dachte, dass wir das gleiche wollen – oder mehr, das gleiche nicht wollen. Wenn du ehrlich bist, bist du genau wie ich der Meinung, dass es eine Schande ist, wenn Nikolaj seine Natur und seinen Platz verleugnet. Eine Schande für ihn und auch für uns. Warum also sollten wir nicht zusammenarbeiten und ihn gemeinsam von seinem Fehler überzeugen? Zu zweit sind wir–“

„Wenn ich etwas will“, unterbrach Merkas sie träge und zugleich überaus schneidend, „oder nicht will, dann sorge ich dafür, dass sich alles so fügt, wie ich es mir vorstelle. Dazu brauche ich niemand anderen. Ich habe keine Schwierigkeiten mich durchzusetzen oder bleibenden Eindruck zu hinterlassen.“

Sie fixierte ihn provozierend. „Ist das dein letztes Wort? Du hast kein Interesse ihn wieder an deiner Seite zu haben?“

„Ich sehe keinen Grund, warum ich das gerade mit dir besprechen sollte, Céstine.“

„Wie du meinst“, lachte sie spöttisch. „Erstick doch an deinem Größenwahn. Du kannst dir in Zukunft selbst einen runterholen.“

Es klopfte. Einen Moment darauf trat ein kräftiger Mann durch die Tür, der sich sogleich an Merkas wandte.

„Boss, Toratan und seine Männer sind da. Sie warten in der Blackbox auf dich.“ Merkas nickte dem Mann zu, woraufhin dieser wieder aus dem Zimmer verschwand.

„Tja, du hast es ja selbst gehört. Die Geschäfte rufen. Du findest sicher alleine raus.“ Merkas bedachte sie nochmals mit einem höhnischen Grinsen, dann überließ er die Sensatin sich selbst.

Sie würde allein herausfinden müssen, wo Nikolaj sich verkrochen hatte, um vor dem Menschengör zu Kreuze zu kriechen. Wenn es jemanden gab, vor dem er kriechen sollte, dann war sie diejenige, sie ganz allein.

Bei dem Gedanken an einen vor ihr knienden Nikolaj, die Zunge in ihrem Schoß, lief ein erregtes Prickeln durch ihren Körper und ließ hungrige Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen aufkommen.

Ein vergnügliches Lächeln auf den Lippen, begleitet von der Absicht, diesen Gedanken baldigst in die Realität umzusetzen, verließ Céstine das Marofláge.

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt

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