Читать книгу The Blue Diamond - Sandra Molnar - Страница 5

1 Nach einer Idee sollten Taten folgen.

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Sōsuke war gerade in die erste Klasse der Mittelschule1 gekommen, als seine Mutter beschloss auf Weltreise zu gehen. Ihren Mann und die beiden Kinder ließ sie dabei allein zurück. Sein Vater hatte ihm erklärt, dass manche Menschen ihren Freiraum bräuchten und sie deswegen gegangen war. Sōsuke, zu diesem Zeitpunkt erst dreizehn Jahre alt, verstand das Ganze nicht wirklich. Aber anzusehen, welche Mühe der Vater nun hatte – schließlich musste er zwei Kinder ernähren –, stimmten ihn nachdenklich. Zwar nahm sein Vater die Situation mit Fassung, aber wirklich glücklich sah er nicht aus. Und Freunde zum Reden, das wusste Sōsuke, hatte er auch nicht. Doch irgendwas wollte er tun; ihm helfen; zur Seite stehen.

Nur wie?

Mit vierzehn begann Sōsuke damit, ein paar Yen dazuzuverdienen. Wenigstens finanziell wollte er seinem Vater helfen. Auch passte er nun öfter auf seine knapp fünf Jahre jüngere Schwester Miyako auf.

»Was wollen wir heute essen?«, fragte Sōsuke und krempelte sich die Ärmel hoch.

Das Mädchen überlegte kurz und grinste breit. »Nudeln!« Miyako war ein liebes, fröhliches Mädchen mit viel Temperament. Sie kam sehr nach ihrer Mutter.

Der Teenager nickte und sah sich in der kleinen Küche um. »Einmal Nudeln. Kommt sofort.«

Das Kochen mit seiner Schwester hatte sich der Junge angewöhnt, nachdem ihr Vater oft spät nach Hause kam. Zwar war er nicht der beste Koch, dafür steckte umso mehr Liebe darin. Und solange es genießbar war, das sagte er immer, würde er weitermachen.

Ein Jahr verging und bald würde er auf die Oberschule kommen. Die Situation zu Hause hatte sich nicht groß verändert. Noch immer wartete Sōsukes Vater auf die Rückkehr seiner Frau. Manches Mal hatte Sōsuke, der nun etwas reifer geworden war, versucht, mit ihm zu reden, doch blockte der Familienvater immer wieder ab. Enttäuscht darüber war der Jugendliche meist gegangen. Er fragte sich, ob es vielleicht an ihm lag. Daran, dass er noch ein Kind war; noch nicht genug Lebenserfahrung hatte ...

»Wenn er doch wenigstens jemanden zum Reden hätte«, murmelte Sōsuke resignierend.

Bereits jetzt hatte er schon oft ein Bild vor Augen. Das Bild eines Ladens, aus welchem glückliche Menschen kamen. Menschen, die sich darin alles von der Seele reden konnten. Zu diesem Zeitpunkt war es nur eine Fantasterei gewesen. Doch bald schon sollte es zu seinem festen Ziel werden.

Der erste Tag an der Oberschule prägte Sōsukes weiteres Leben. Während der Willkommensrede des Schülersprechers kam es unter zwei Schülern zu einem Streit, der durch kurzes Anrempeln entstand. Da Sōsuke direkt neben den beiden stand, versuchte er den Streit zu schlichten – mit mäßigem Erfolg. Schlussendlich gerieten noch zwei weitere Schüler hinein. Nachdem die Rauferei beendet war, wurden die beiden Verursacher direkt ins Büro des Rektors gebracht. Sōsuke und seine beiden Mitschüler brachte man, da sie ein paar Schläge abbekommen hatten, ins Krankenzimmer. Pflaster und Verbände bedeckten bald die betroffenen Stellen.

»Autsch!«, brummte Sōsuke. »So fest hätte er nicht zuschlagen müssen.«

Der dunkelblonde Junge neben ihm, dessen Haare eindeutig gefärbt waren, sah ihn musternd an. »Selbst Schuld! Was mischst du dich auch ein?« Er selbst war unfreiwillig in die Schusslinie geraten und ärgerte sich nun über seine durcheinander geratene Schuluniform.

»Na hör mal!«, schimpfte Sōsuke und strafte den etwa Gleichaltrigen mit einem verständnislosem Blick. »Man kann die doch nicht einfach weitermachen lassen.«

»Beruhigt euch doch ihr zwei«, meldete sich der Dritte zu Wort. »Auch wenn wir hineingerieten, war es im Endeffekt doch gut. Nicht?« Freundlich lächelte er, der seine schulterlangen, roten Haare zum Pferdeschwanz gebunden trug.

»Mag sein, aber schau mich mal an! Alles durcheinander!«

»Wenn das deine einzige Sorge ist ...«, schmunzelte Sōsuke und stand von der Liege auf. »Ich bin übrigens Kitahara Sōsuke. Freut mich euch kennenzulernen.« Lächelnd sah er die beiden an und reichte ihnen die Hand.

»Hah«, seufzte der Dunkelblonde und erhob sich ebenfalls. »Fujii Keisuke.« Eher widerwillig schüttelte er die angebotene Hand.

»Michida Tamanosuke. Freut mich auch«, stellte sich nun der Rothaarige vor.

Ein erstaunter Blick lag nun auf Keisuke und Tamanosuke. »Das ist ja lustig ...«

»Was denn?«, fragte Keisuke murrend und erwiderte den Blick.

»Fällt es euch nicht auf? Ähm ... Wie schreibt man eure Namen?«

»Wie meinen? Mit den Zeichen für ›Respekt‹ (Kei) und« – sein Gesicht nahm einen missmutigen Ausdruck an – »für ›vermitteln‹ (suke).« Scheinbar gefiel ihm diese Schreibweise seines Namens nicht sonderlich.

»Was für ein Zufall ... Und bei dir, Michida-kun?« Beinahe hoffnungsvoll sah Sōsuke nun Tamanosuke an.

»Mit den Zeichen für ›Ball‹ (Tama) und für ›helfen‹ (suke)2. Wieso fragst du?« Neugierig sah Tamanosuke ihn an.

»Ah, entschuldigt. Ich hab nur schon wieder ... Vergesst es!« Ein schiefes Grinsen umspielte seine Lippen. Wieder einmal hatte er nur an seinen zukünftigen Laden und an zusammenhängendes gedacht. In diesem Fall, dass die Bedeutung ihrer Namen sehr ähnlich war – schließlich schrieb sich Sōsukes Name mit den Zeichen für ›Konzept‹ und ›helfen‹

Keisuke bedachte Sōsuke mit einem argwöhnischem Blick. »Wenn du schon damit anfängst, kannst du es auch ausspucken.«

Kurz schwieg Sōsuke und gerade als er zum Sprechen ansetzen wollte, erklang die Schulglocke. Ein wenig drehte sich der Jugendliche zur Seite und sah auf die Wanduhr. »Ich glaube, wir sollten los. War nett euch kennengelernt zu haben.« Er lächelte freundlich, verneigte sich ein wenig und verließ dann schnellen Schrittes das Zimmer.

Tamanosuke und Keisuke blieben noch einen Moment stehen. Sie sahen einander verwirrt an. Wovon auch immer Sōsuke gesprochen hatte, es schien einen Bezug zu ihren Namen zu haben.

»Wir sollten auch gehen ...«, bemerkte Tamanosuke und öffnete die Tür. Zustimmend nickend folgte Keisuke ihm.

Überrascht sah Keisuke drein, als er das Gesicht Sōsukes im selben Klassenzimmer erblickte. Die Schule war so groß und hatte so viele Klassen und doch waren sie zusammen eingeteilt? Ein komischer Zufall. Da er den anderen erst einmal meiden wollte, suchte er sich einen Platz in der ersten Reihe und hoffte, dass er nicht noch so ein merkwürdiges Gespräch mit ihm führen musste. Seine Hoffnung wurde jäh zerschlagen, als Sōsuke ihn in der kleinen Pause ansprach. Er grinste breit. »So ein Zufall, dass wir in derselben Klasse sind, was?«

Beinahe genervt sah Keisuke seinen Mitschüler an. »Ja ...«, murmelte er, wandte den Blick ab und zückte sein Handy.

Sōsuke beobachtete ihn dabei, wie er an einer Mail3 schrieb. »Sag mal«, begann er dann. Doch bevor er seinen Satz vollenden konnte, erklang erneut die Schulglocke; verkündete so, dass der Unterricht weitergehen sollte. Ein wenig ärgerte sich Sōsuke und beschloss daher, es später noch einmal zu versuchen. »Вis dann«, meinte er noch und begab sich wieder auf seinen Platz.

Drei Schulstunden vergingen. Schließlich war nur noch eine halbe Stunde bis Schulschluss.

»Damit hätten wir den ersten Tag fast überstanden«, gab der Klassenlehrer zu verstehen und legte den Tafelschwamm aus der Hand. »In den letzten Minuten möchte ich von euch noch erfahren, welche Berufswünsche ihr schon habt. Gehen wir dabei alphabetisch vor.« Sein Blick fiel auf die Schülerin Mie Aoto.

Der Reihe nach erzählten die jungen Oberschüler, was sie einmal machen wollten. Wie die Meisten innerhalb der Klasse hatte auch Keisuke noch keine genauen Pläne. ›Eine Freundin zu haben‹ war sein nächstes Ziel. Als Elfter war dann Sōsuke an der Reihe. Er stand auf und blickte entschlossen nach vorn. »Mein Ziel ist es, einen Laden zu eröffnen, in welchem sich jeder alle Sorgen von der Seele reden kann. Die Sorgen des Alltags sollen vergessen werden. Glücklich und zufrieden soll man das Blue Diamond verlassen. Und ich werde alles dafür tun, was nötig ist, um diesen Traum zu verwirklichen!«

Die Blicke der ganzen Klasse ruhten auf ihm; ein Raunen ging durch die Reihen.

»Ein interessantes Konzept«, bemerkte der Lehrer lächelnd. »Viel Erfolg dabei.«

»Danke!«

Nachdem er sich wieder gesetzt hatte, ging es weiter. Bald darauf ertönte die Klingel, die den ersten Schultag damit beendete.

Gemütlich machte sich Sōsuke fertig und begab sich dann nach draußen. Kurz bevor er das Schultor erreichte, hörte er Rufe, die immer näher kamen. Daraufhin drehte sich Sōsuke um und erblickte seinen Klassenkameraden. »Fujii-kun?«

Keisuke kam vor ihm zum Stehen. »Kitahara. Was war das eben?« Skeptisch sah er ihn an, stemmte die rechte Hand gegen die Hüfte.

»Das eben?«, wiederholte Sōsuke fragend. »Du meinst in der Klasse?«

»Genau. Was denkst du dir dabei?« Skepsis schlug sichtbar in Neugierde um.

»Was ich mir dabei denke?«

»Was denkt er sich wobei?«, fragte nun eine weitere Stimme, woraufhin sich die beiden Jungen umdrehten.

»Michida-kun?«, kam es erstaunt von Sōsuke.

Lächelnd kam Tamanosuke näher. »Ja. So trifft man sich also wieder. Wovon redet ihr gerade?«

»Er hier«, und dabei zeigte Keisuke auf seinen Mitschüler, »hat 'nen echt eigenartigen Traum.«

»Einen Traum?«

Wieder richteten sich die Blicke auf den jungen Mann. Sōsuke atmete tief ein und lächelte sicher. »Ganz richtig. In ein paar Jahren wird es so weit sein! Dann wird das Blue Diamond in aller Munde sein und die Menschen freier!«

Große Augen musterten ihn. »Und was ist das Blue Diamond?«, fragte Tamanosuke neugierig. Da er in einer anderen Klasse war, hatte er die kleine Rede Sōsukes nicht mitbekommen.

»Hm, wie erkläre ich das am besten?« Kurz dachte Sōsuke nach. »Stellt euch mal folgendes vor: ihr seid erwachsen, habt Familie und einen anstrengenden Job. Dazu Geldnot und niemanden, dem ihre eure Sorgen anvertrauen könnt. Weder Familie noch Freunde, weil ihr sie nicht belasten wollt.«

Gespannt darauf was nun folgen würde, lauschten Keisuke und Tamanosuke seinen Worten.

»Wenn es so sein sollte, wird euer Ziel das Blue Diamond sein! Entspannt euch, fühlt euch wohl und sprecht aus, was euch bedrückt. Euer Gegenüber ist jemand wie du und ich. Kein Psychologe oder dergleichen. Und nur ihr beide werdet davon erfahren – was auch immer ihr ihm sagt.« Man konnte ein Leuchten in seinen Augen erkennen, als er so enthusiastisch davon sprach.

Seine Schulkameraden staunten. Das also war sein Traum; sein Ziel. »Wow«, kommentierte Keisuke die Erzählung, eher in ruhigem Tonfall. Tamanosuke nickte zustimmend. »Ein großes Vorhaben. Und wie willst du das umsetzen? Wie soll es, deiner Meinung nach, aussehen?«.

»Ich denke da schon lange darüber nach«, antwortete Sōsuke. »Mindestens zwei Räume für die Gespräche, dazu eine gemütliche Lounge mit Bar. Gerne würde ich auch in Richtung Wellness gehen. Also Massagen und Entspannungsbäder. Und seit kurzem denke ich auch über ein Restaurant nach.«

»Du hast dir also schon richtig Gedanken gemacht«, brachte sich Tamanosuke ein. Er wusste bereits, was er später machen wollte, doch so außergewöhnlich war das wirklich nicht.

»Mutest du dir da nicht zu viel zu?«, fragte Keisuke und wechselte sein Standbein.

»Sicher, leicht wird das nicht. Aber ich möchte es dennoch wenigstens versuchen.«

»Hm ...«

»Ich finde jedenfalls, dass die Idee gut ist. Und ich glaube, wenn du dich anstrengst, wird es schon werden.« Tamanosuke lächelte Sōsuke freundlich an.

»Danke, Michida-kun!«

»Ach, was soll's«, seufzte Keisuke. »Ich bin dabei.«

»Wie?« So ganz wusste Sōsuke nicht, was sein Gegenüber damit meinte. Irritiert sah er ihn an.

»Du hast es doch gehört? Ich habe ja noch keine Pläne für die Zukunft und dein Konzept – das muss ich zugeben – hat was.«

»Ich ... verstehe nicht ganz ...«

»Muss ich es dir buchstabieren? Ich werde dir bei deinem Laden da helfen. Wenn du Unterstützung brauchst.«

»Fujii-kun ...« Sichtlich überrascht, aber doch erfreut, sah Sōsuke Keisuke nun an. »Das hätte ich nie von dir erwartet. Danke! Die Hilfe nehme ich gerne an.«

»Na, wenn das so ist«, unterbrach Tamanosuke die beiden. »Wenn du damit einverstanden bist, helfe ich auch mit.«

Ein breites Lächeln stahl sich auf Sōsukes Lippen. »Danke! Ich freue mich wirklich sehr darüber!«

Ohne es zu ahnen, hatte Sōsuke bereits an seinem ersten neuen Schultag wichtige Freundschaften geschlossen.

»Und wie machst du mit, Michida?«, kam es neugierig von Keisuke.

»Wie gesagt, finde ich die Idee gut und sicher kann ich später zur Hand gehen, sobald ich meine Ausbildung beendet habe.«

Dass Keisuke nun noch verwirrter war, sah man ihm deutlich an. Auch Sōsuke war nicht ganz klar, was der Gleichaltrige meinte. »Was für eine Ausbildung willst du denn machen?«

»Eine Kochlehre. Das liegt bei uns praktisch in der Familie.«

»Koch also«, murmelte Keisuke.

»Das hört sich toll an«, gab Sōsuke zu verstehen und warf einen Blick auf sein Handydisplay. »Oh, so spät schon? Tut mir leid, aber ich muss los! Wir können uns ja morgen weiter unterhalten. Bis dann!« Schneller als sie gucken konnten, war Sōsuke schon außer Sichtweite.

»Komischer Kauz.«

»Ja. Aber ein Ziel zu verfolgen ist doch nicht schlecht? Darf ich dich noch etwas fragen, Fujii-san?«

Überrascht sah Keisuke Tamanosuke an. »Wir sind doch gleich alt, also lass das ›san‹ weg. Dann darfst du fragen.«

»Oh, okay. Fujii-kun?« Zwar schien Keisuke auch das ›kun‹ etwas zu stören, doch nickte er zustimmend. »Ich wüsste gerne deinen Beweggrund. Wie kommt es, dass du dich Kitahara-san anschließt, obwohl du ihn anfangs ... nicht mochtest? Du kennst ihn doch auch erst seit heute, oder?« Dass Tamanosuke damit ins Schwarze getroffen hatte, war ihm nicht bewusst.

»Tja, nun ...«, begann Keisuke. »Ich weiß auch nicht. Stimmt schon. Am Anfang war er mir wirklich nicht geheuer. Aber ... Der Typ hat was ... Wie soll ich sagen? Etwas Fesselndes an sich. Ich dachte ja auch: Was ist das für einer? Aber als er dann von diesem Laden erzählte und dabei so eifrig schien ...«

»Dasselbe dachte ich mir auch«, gab Tamanosuke ehrlich zu.

»Echt verrückt.«

»Ja. Mal sehen was daraus wird.«

Wenig später machten sich die Oberschüler auf den Heimweg. Noch ahnten sie nicht, welche Bedeutung das Blue Diamond in ihrem Leben haben würde.

Während der nächsten Wochen erläuterte Sōsuke seinen beiden neuen Freunden, was er sich bereits für das Blue Diamond überlegt hatte. Von der Einrichtung bis hin zum angebotenen Service. Keisuke und Tamanosuke waren erstaunt darüber, wie viel er bereits in Betracht gezogen hatte.

Da sich die drei meist zur Pause in der Mensa trafen und so manche Diskussion auch etwas lauter ausfiel, waren sie bald Schulgespräch. Nicht lange dauerte es, bis das Trio einen Spitznamen erhielt: ›Triple Ke's‹.

Einige Male hatte Keisuke den Vorschlag vorgebracht, sich nach der Schule zu treffen. Auch Tamanosuke wäre damit einverstanden gewesen. Doch hatte Sōsuke immer wieder abgelehnt. »Geht nicht, die Arbeit ruft! Und am Wochenende muss ich auf meine Schwester aufpassen.«

»Dann kommen wir halt zu dir«, schlug Keisuke vor.

»Sie bekommt aber Besuch«, meinte Sōsuke und konzentrierte sich wieder auf seine Notizzettel, die er vor sich ausgebreitet hatte.

»So?«, fragte Keisuke skeptisch und warf einen Blick auf die Blätter. »Und was ist das alles?«

Sōsuke sah auf. »Meine Ersparnisse und die Unkosten der letzten Monate. Abrechnungen, Einkünfte ...«

»Wofür?«, unterbrach Tamanosuke und sah auf seine Armbanduhr. Ein paar Minuten blieben ihnen von der Pause noch.

»Für jetzt? Und natürlich überschlage ich, was mir so bleibt.«

»Du sprichst in Rätseln, Sōsuke!«

Um ihre Freundschaft zu vertiefen, waren sich die ›Triple Ke's‹ bald einig gewesen, sich nur noch mit Vornamen anzureden. Mehr noch führte Sōsuke die Spitznamen ›Kei‹ und ›Tama‹ ein.

»Ich hab euch doch von meiner Lebenssituation erzählt? Mein Vater hat so viel zu tun, dass ich mich um die Finanzen kümmere. Und wenn's mal knapp wird, gebe ich etwas von meinem Ersparten dazu. Und eben das versuche ich gerade irgendwie auszurechnen ...« Wieder vertiefte er sich in die Menge an Zahlen. Man sah ihm an, dass ihm der Kopf rauchte.

Schweigen.

Doch das Klingeln der Schulglocke beendete es rasch. Gerade legte Sōsuke das Papier zusammen, da zeigte Keisuke mit dem Finger auf eines davon. »Da hast du dich verrechnet.«

Sōsuke sah von Keisuke, der bereits ging, zurück auf das Blatt. »Echt?«, fragte er sich, machte sich dann aber mit Tamanosuke auf den Weg – wenn auch nicht in dasselbe Klassenzimmer.

Bisher war es Sōsuke nicht aufgefallen, aber sein Freund war im Mathematikunterricht sogar der Klassenbeste. Er staunte nicht schlecht, als er das bemerkte. Lange kannte er Keisuke noch nicht, wusste aber bereits, dass dieser viel Wert auf sein Aussehen und Image legte. Bei den Mädchen war er auch kein unbeschriebenes Blatt mehr.

»Sag mir mal ...«, begann Sōsuke und nahm neben Keisuke Platz – sie hatten gerade eine kurze Pause zwischen zweier Unterrichtsstunden. »... warum du noch keine Pläne hast, wenn du in Mathe doch so gut bist?«

Keisuke sah langsam auf. »Habe ich das damals nicht gesagt? Bevor ich mich auf einen Beruf festlege, will ich eine Freundin. Außerdem kommt nicht viel infrage, nur weil ich mit Zahlen umgehen kann.« Sein genervter Blick war unübersehbar.

Sōsuke sah seinen Freund lange an. »Du hast meine Rechnung ganz einfach korrigiert. Dir hat nur ein flüchtiger Blick gereicht, um ihn zu sehen. Und du hilfst mir beim Blue Diamond ...«

Das plötzliche Schweigen ließ Keisuke aufhorchen. »Ja. Und?«

Ein breites Grinsen stahl sich auf Sōsukes Lippen. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, vielleicht in die Buchhaltung zu gehen?«

»Buchhaltung?« Skepsis lag in der Stimme des Oberschülers.

»Ja. Wenn dir das Rechnen so leicht fällt, wäre das doch eine Idee. Oder?«

Bevor Keisuke allerdings darauf antworten konnte, betrat der Klassenlehrer wieder das Zimmer. Nachher ..., dachte sich Keisuke, muss ich noch einmal mit ihm reden.

Kurz nach Schulschluss wollte Keisuke seinen Kollegen auf das vorige Gespräch ansprechen, doch war dieser wieder in Eile. Sōsuke hatte nur gesagt, dass sie ein anderes Mal reden könnten und verschwand.

»Und wieder legt er so ein komisches Verhalten an den Tag«, murmelte Keisuke verstimmt vor sich hin und verließ das Klassenzimmer. Kaum dass er das Schulgebäude verlassen hatte, traf er auf Tamanosuke – der ebenfalls Schulschluss hatte.

»Du guckst so komisch. Ist was passiert? Stress mit den Mädchen?« Er grinste dabei, da auch ihm die ›Frauengeschichten‹ nicht entgangen waren.

»Nein. Die Mädels lieben mich! Ich versteh' nur diesen Kerl nicht ...«

Einen kurzen Moment dachte Tamanosuke darüber nach, wen Keisuke meinen könnte. »Du sprichst von Sōsuke, oder?«

»Von wem denn sonst?«, antwortete er genervt. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich so viel zu tun hat, wie er immer sagt. Heute auch wieder. Ich glaube, der verarscht uns!«

»Das kann ich mir nicht vorstellen. Er ...«

»Ach ja? Und wer beweist uns das?«, unterbrach Keisuke den Satz Tamanosukes mit lauter Stimme. Man sah ihm an, dass es ihm gegen den Strich ging.

So ganz konnte er den Ärger seines Freundes nicht nachvollziehen, verstand aber dessen Standpunkt. »Beruhig' dich erst mal. Ich bin sicher, wenn wir ihn fragen, wird Sōsuke uns alles erklären.«

Leise brummte Keisuke vor sich hin, als sein Handy just in dem Augenblick vibrierte. Nach einem kurzem Blick auf das Display wandte er sich wieder Tamanosuke zu. »Aya-chan hat heute keine Zeit. Wie wäre es also, wenn wir ihn besuchen gehen?«

Seit sich die Drei kannten, hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, Sōsuke einen Besuch abzustatten. Zumindest gab er keine Möglichkeit dazu. Es wirkte beinahe so, als ob er etwas verheimlichen wollte.

»Er wird sicher wieder arbeiten«, warf Tamanosuke ein. »Was ist, wenn er nicht da ist?«

»Dann haben wir es wenigstens versucht. Also was ist? Kommst du mit oder nicht?« Mit fragendem, herausforderndem Blick sah er Tamanosuke an.

Der Angesprochene überlegte einige Augenblicke. Eigentlich hatte er heute lernen wollen. Andererseits war er schon neugierig. »Und du meinst, dass es eine gute Idee ist?«

»Selbst wenn nicht. Haben wir etwas zu verlieren?«

Auf die Frage hin schüttelte Tamanosuke den Kopf.

»Gut. Dann ist das also geklärt. Gehen wir!«

Ein leiser Seufzer entwich Tamanosuke, ehe er Keisuke folgte.

Nach einem etwa zehn minütigen Spaziergang kamen Tamanosuke und Keisuke beim Haus der Familie Kitahara an. Das Gebäude hatte zwei Stockwerke und einen einladenden, kleinen Garten. Zielstrebig ging Keisuke auf die Eingangstür zu und betätigte alsbald die Klingel. Tamanosuke stand hinter ihm und sah sich um. Nicht lange mussten die beiden Oberschüler warten, bis ihnen die Tür geöffnet wurde.

»Guten Tag«, grüßte ein Mann mittleren Alters und lächelte die Besucher freundlich an.

»Hallo. Wir sind Michida Tamanosuke und Fujii Keisuke, Freunde von Sōsuke«, stellte Keisuke seinen Begleiter und sich vor.

»Oh. Hallo ihr beiden. Ihr wollt sicher zu Sōsuke? Er ist gerade noch unterwegs. Aber bitte, kommt doch rein.« Der Mann lächelte weiterhin und trat etwas beiseite.

»Gern. Vielen Dank«, sagte Keisuke und betrat das Haus. Tamanosuke folgte schweigend.

»Möchtet ihr etwas trinken? Wasser, Saft, Limonade?« Der Mann führte die Oberschüler in ein geräumiges Wohnzimmer, ausgestattet mit einer großen, L-förmigen Ledercouch, einem ovalen Glastisch sowie einer Wohnwand, an welche ein breites Bücherregal angrenzte.

»Ein Wasser genügt. Danke«, meldete sich nun Tamanosuke zu Wort. »Schön haben Sie es hier.«

»Haha. Danke. Ich hole euch schnell etwas. Setzt euch, macht es euch gemütlich.« Der Mann drehte sich um und verschwand für einige Augenblicke in der Küche. Zurück kam er mit zwei Gläsern Wasser. »Dann will ich mich mal vorstellen. Ich heiße Kitahara Eiji und bin der Vater von Sōsuke und Miyako. Ich freue mich, euch endlich kennenzulernen. Sōsuke hat mir schon viel von euch erzählt. Benimmt sich mein Junge denn auch?«

Auf die schnelle Sprechweise waren weder Keisuke noch Tamanosuke gefasst gewesen, weswegen sie ihn erstaunt ansahen. Als Erster fand Keisuke seine Stimme wieder: »Er versucht es. Aber er ist auch echt hektisch.«

»Kei!«, mahnte Tamanosuke seinen Freund und strafte diesen mit einem tadelndem Blick, ehe er sich wieder Eiji zudrehte. »Sōsuke ist sehr bemüht seinen Traum zu verwirklichen.«

»Bemüht nennst du das? Ich würde eher sagen besessen«, unterbrach Keisuke seinen Freund mit sarkastischem Blick. »Meiner Meinung nach übertreibt er es.«

»Ich habe gehört, ihr beiden unterstützt ihn kräftig. Ich kenne Sōsuke gut und weiß nur zu genau, dass er es gerne mal übertreibt«, gab Eiji zu verstehen und nippte an seinem Kaffee, der bereits dagestanden hatte. »Aber wie ich sehe, brauche ich mir keine Sorgen zu machen, wenn er so gute Freunde wie euch hat.« Er lächelte.

Übertreibung ist noch untertrieben, dachte sich Keisuke und nahm einen Schluck seines Wassers.

»Seid so gut und ...«, begann Eiji, bis das Öffnen einer Tür seine Aufmerksamkeit erregte.

»Bin wieder da, Papa«, hörte man eine Mädchenstimme rufen und nur kurz darauf die Tür wieder schließen.

»Wartet bitte kurz«, gab der Vater zu verstehen, stand auf und verließ das Zimmer. Aus dem Flur heraus hörten die Gäste einen freudigen Geburtstagsgruß, ehe Eiji mit dem Mädchen zusammen wieder ins Wohnzimmer kam. »Michida-kun, Fujii-kun. Das ist Miyako, unser Geburtstagskind.«

»Herzlichen Glückwunsch, Miyako-chan«, gratulierte Tamanosuke sogleich, stand auf und reichte der Kleinen die Hand.

»Danke«, bedankte sie sich freudestrahlend.

»Glückwunsch, Kleine.« Keisuke hatte sich zu dem Mädchen hingekniet und hielt ihr nun ein Bonbon in roter Verpackung hin.

Zuerst wollte Miyako protestieren – der schroffen Anrede wegen – doch war der Ärger schnell verflogen, nachdem sie Keisuke lächeln sah. »Danke! Seid ihr Freund von Nii-chan?«

»Ja, ganz genau«, antwortete Keisuke, wuschelte Miyako durch die Haare und setzte sich wieder auf die Couch.

»Tut uns leid, Kitahara-san. Wir wollten nicht stören«, gab Tamanosuke wieder und wandte sich Eiji zu.

»Nicht doch. Mich hat es gefreut, euch endlich einmal kennenzulernen und Miyako freut sich sicher auch über diesen Besuch, nicht?« Auf seine letzten Worte hin sah er zu seiner Tochter, die die Frage nickend bestätigte. »Sōsuke müsste auch gleich wieder da sein. Am besten setzen wir uns schon mal in die Küche.«

Nur wenig später – gerade hatten sich alle in der Küche niedergelassen – ging erneut die Haustür auf.

»Nii-chan!«, rief Miyako freudig, sprang auf und lief ihrem Bruder entgegen.

»Nicht so stürmisch, Miyako.« Zwei große Schachteln trug Sōsuke auf den Armen, weswegen er Mühe hatte seine Schwester abzufangen. »Du willst doch nicht hinfallen?«

»Entschuldigung ...«, murmelte sie kleinlaut, den Kopf etwas senkend. Im nächsten Augenblick sah sie wieder auf, den Blick auf die Schachteln gerichtet. »Ist da mein Geschenk drin?«

»Wer weiß? Lass uns schnell nachsehen.«

»Jaaaa!«

Gemeinsam gingen die Geschwister wieder in die Küche. Noch bevor Sōsuke sein Gepäck abgestellt hatte, sah er überrascht auf die unerwarteten Besucher. »Huch? Tama, Kei. Was macht ihr denn hier?«

»Wir haben uns gefragt, ob du wirklich immer so beschäftigt bist, wie du sagst. Und da haben wir kurzerhand beschlossen, dir einen Besuch abzustatten«, erklärte Keisuke.

Wir?, dachte sich Tamanosuke, erwiderte aber nichts darauf. »Warum hast du denn nicht einfach gesagt, dass deine Schwester heute Geburtstag hat?«

»Ich hatte so viel im Kopf, da hab' ich das wohl vergessen zu erwähnen ...«

»Nii-chan!«, kam es plötzlich – und mit bösem Blick – von Miyako. Ihr dauerte das Gespräch, bei dem sie außen vor war, wohl zu lange.

»Okay, okay. Du hast den Kuchen dabei, Sōsuke?«, meldete sich nun auch Eiji – der alles beobachtet hatte – zu Wort.

»Klar.« Sōsuke griff nach einer der Schachteln und öffnete vorsichtig den Pappdeckel. Zum Vorschein kam eine mit rosarotem Zuckerguss verzierte Erdbeertorte. Auf ihr platziert waren kleine Erdbeeren, Sahnetupfen, Marzipanfiguren und zehn Kerzen. Letztere zündete er sogleich an. »Okay, Miyako. Puste die Kerzen aus und wünsch' dir was.« Er lächelte dabei und blickte in die Runde. So viele Leute waren bei einem Geburtstag – von den geplanten Feiern abgesehen – lange nicht mehr anwesend gewesen. Ungewohnt, aber doch ein schönes Gefühl.

Tief holte das Mädchen Luft, ehe sie alle zehn Kerzen auf einmal ausblies.

»Herzlichen Glückwunsch!«, jubelten alle Anwesenden und bald darauf wurde der Kuchen angeschnitten.

Am Abend verabschiedeten sich Keisuke und Tamanosuke von Miyako und Eiji; Sōsuke brachte sie noch zur Tür.

»Wenn das nächste Mal so was ansteht, sagst du uns das gleich. Kapiert?«, meckerte Keisuke grinsend.

»Geht klar. Danke, dass ihr da wart. Miyako hat sich gefreut.«

»Ein liebes Mädchen«, kommentierte Tamanosuke lächelnd und wandte sich zum Gehen ab. »Wir sehen uns dann morgen. Euch noch einen schönen Abend.«

»Ja, mach's gut«, verabschiedete Sōsuke ihn noch, ehe Tamanosuke losging.

Einen Augenblick lang sah Keisuke ihm nach, richtete seinen Blick dann wieder auf Sōsuke. Ernst sah er ihn an. »Hör mal, Sōsuke.«

Auf diesen Blick war der Angesprochene nicht vorbereitet gewesen, weswegen er sein Keisuke nur irritiert ansah.

»Ich kann mir schon denken, was dir im Kopf umgeht. Du willst alles tun, um das Blue Diamond in die Tat umsetzen zu können. Aber eines ist dir dabei wohl entgangen.« Keisuke schwieg einige Sekunden, ehe er weitersprach: »Du bist nicht allein. Tama und ich haben dir unsere Hilfe angeboten und stehen voll hinter dir. Und ich bin sicher, dass das noch lange so sein wird. Du bist'n feiner Kerl, wir mögen dich. Du musst also nicht alles alleine machen.«

Genauso wie über den Blick Keisukes war Sōsuke nun mit dieser Rede überrascht worden. Er schluckte, ehe er eine Antwort darauf erwidern konnte: »Du hast ja recht. Es ist nur so, dass ich nicht zu viel auf euch abwälzen wollte. Ich bin sehr dankbar für eure Hilfe. Wirklich. Nur ...«

»Kein aber und auch kein nur! Du hast es wohl noch nicht ganz verstanden? Wir machen da doch nicht aus einer Laune heraus mit! Kleine Kinder sind wir auch nicht mehr. Du kannst ruhig davon ausgehen, dass wir das genauso ernst meinen wie du! Es mag ja sein, dass ich mir bezüglich meiner Zukunft noch nicht viele Gedanken gemacht habe, aber eines ist sicher: Ich werde noch einige Jahre – wenn nicht sogar Jahrzehnte – an deiner Seite sein. Verstanden? Sōsuke?«

»J-ja ...«, murmelte Sōsuke und musste einige Freudentränen unterdrücken. Dass Keisuke, der sich bislang ausschließlich mit Mädchen oder Mode beschäftigt hatte, sich so für ihn ins Zeug legen würde ... Das hätte er nie von ihm gedacht. »Danke dir.«

»Da gibt’s nichts zu danken. Aber gut. Ich muss jetzt auch langsam los. Bis morgen dann.«

»Ja, bis morgen!«

Zufrieden lächelnd verließ Keisuke das Grundstück. Wenig später ging Sōsuke wieder ins Haus zurück, wo er sich noch einige Zeit lang mit Miyako beschäftigte.

Ein neues Gefühl der Verbundenheit verspürte Sōsuke zu Tamanosuke und Keisuke in den folgenden Jahren. Nach dem Gespräch mit Keisuke gab Sōsuke seinen Freunden mehr Einblicke in seine Gedanken und bald konnten sich auch Tamanosuke und Keisuke das Blue Diamond nicht mehr wegdenken.

Mittlerweile besuchten die ›Triple Ke's‹ die dritte Klasse4 der Oberstufe und eigentlich sollte das Jahr genauso verlaufen wie die beiden vorigen. Ein Zwischenfall aber beeinflusste Sōsukes künftigen Alltag.

An einem Abend in einer Karaokebar trafen sich die ›Triple Ke's‹ mit ein paar Mädchen desselben Jahrgangs. Der Abend verlief gut; alle hatten ihren Spaß und unterhielten sich angeregt. Bis eines der Mädchen auf ein seltsames Gerücht zu sprechen kam, das in der Schule gerade die Runde machte. Merkwürdige Laute sollen demnach zwischen den Stunden auf der Herrentoilette zu hören sein. Als Sōsuke dies hörte, erinnerte er sich, solche Geräusche auch gehört zu haben. Bestimmt nur ein Zufall, dachte er sich und tat es damit ab.

Ein paar Tage später ereignete es sich erneut. Sōsuke war kurz vor Unterrichtsbeginn noch zur Toilette gegangen und wollte bereits wieder gehen, als hinter ihm, in einer der Kabinen, ein gedämpfter Schrei erklang – vielmehr erinnerte es an ein Stöhnen. Sofort hielt Sōsuke inne und schluckte. Er rang mit sich: Was sollte er nun tun? Gehen oder nachfragen? Seine Besorgnis siegte schließlich und so ging er langsam auf die Kabine zu. Er klopfte, doch auf dieses bekam er keine Antwort. Und auch auf die Frage hin, ob alles okay sei, blieb es still. Da er aber wusste, dass da jemand war und es diesem jemand vielleicht nicht gut ging, legte er seine Hand auf den Türgriff. Da er davon ausging, dass die Tür verschlossen sein würde, drückte er den Henkel schwungvoll hinunter. Zu seinem Erstaunen gab es keinen Widerstand; einen Spalt weit war die weiß gestrichene Holztür nun geöffnet.

In dieser Sekunde hörte er, wie jemand die Luft einsog und anhielt. Ein wenig mehr öffnete Sōsuke die Tür und noch immer blieb der Widerstand aus. Bald stand sie offen und Sōsukes Blick fiel auf einen blonden Jungen mit runder Brille, heruntergelassenen Hosen und etwas Weißem an den Fingern. Er konnte nicht so recht glauben, dass er sah, was er doch irgendwie vermutet hatte ... Aber dem war jetzt so. »Du ...«, begann er zögerlich, stockte gleich wieder.

Der Junge, von der Situation völlig überfordert, zog sich hektisch seine Hosen hoch – sein Gesicht glich einer Tomate. Als er die kleine Räumlichkeit verlassen und sich an Sōsuke vorbei drängen wollte, wich dieser mit irritiertem Blick etwas zurück. Mit schnellen Schritten begab sich der Junge noch zu den Waschbecken, wo er sich mit ein paar Tüchern die Hände abwischte und bald darauf die Toilette verließ.

»Was war denn das?«, fragte Sōsuke in den leeren Raum hinein. Die Frage, was das wohl gerade war, ging ihm danach noch lange im Kopf herum.

Gleich nach Unterrichtsende kam Sōsuke auf Tamanosuke zu. Die beiden waren seit dem zweiten Jahr in derselben Klasse, wohingegen Keisuke in eine Parallelklasse wechseln musste.

»Sag mal. Kennst du zufällig einen blonden Jungen mit Brille? Etwas jünger als wir.« Ernst sah er seinen Freund dabei an.

»Wieso fragst du? Ist was mit ihm?«

»Du kennst ihn also?« Gespannt war Sōsuke darauf, was Tamanosuke ihm nun erzählen würde.

»Na ja, was heißt kennen? Soweit ich gehört habe, ist er ein Jahr jünger. Schreibt gute Noten. Ist in seinem Jahrgang auch recht beliebt, soll aber niemanden zu nah an sich heranlassen. Angeblich hatte er mal eine ältere Freundin. So oder so ähnlich. Kei hat davon erzählt.« Lange musterte Tamanosuke den nachdenklichen Blick seines Freundes. »Warum?« Dass er erneut nachfragte, lag daran, dass Sōsuke bi war und der blonde wohl in dessen ›Beuteschema‹ passen könnte. Es war jetzt nicht so, das Tamanosuke ihn davon abbringen wollte. Nur fragte er sich, ob es nicht zu früh für eine Beziehung war. Mit dem Blue Diamond und der anstehenden Prüfungsphase im Hinterkopf ...

»Ich bin ihm vorhin ... begegnet. Und ich glaube, dass etwas nicht in Ordnung ist ...«

»Hast du mit ihm gesprochen?«

»Das nicht ...« Etwas missmutig sah Sōsuke drein.

»Woher willst du das dann wissen? Was, wenn du dich irrst?« Tamanosuke hatte manchmal Schwierigkeiten damit, Sōsukes – beinahe gezwungen wirkende – Hilfsbereitschaft nachzuvollziehen.

»Ich habe es ihm angesehen«, bemerkte Sōsuke ernst.

»Ich weiß ja nicht ...«, brachte Tamanosuke skeptisch hervor, stand auf und schulterte seine Tasche. »Bevor du etwas Unüberlegtes machst, solltest du erst einmal mit ihm reden.«

»Das hatte ich eh vor. Danke für die Auskunft.« Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. »Wollen wir dann los?«

An den darauffolgenden Tagen konnte sich Sōsuke kaum auf den Lehrstoff konzentrieren. Nicht nur, weil ihm laufend neue Ideen für das Blue Diamond einfielen, auch jene Begegnung mit dem Jungen ließ ihn nicht mehr los. Kurzerhand beschloss er, ihn direkt darauf anzusprechen. So machte er sich bereits zur großen Pause auf die Suche und erfragte sich sein Klassenzimmer. Doch die Zeit spielte gegen ihn, sodass er nur einen flüchtigen Blick in den Raum werfen konnte. Da Sōsuke nun wusste, wo er den Blonden fand, war er für den nächsten Tag vorbereitet.

Gleich nach dem Läuten ging Sōsuke ins zweite Stockwerk, zur Klasse des gesuchten Jungen. Seine Klassenkameraden gaben ihm die Auskunft, dass ›Aki-chan‹ immer gleich verschwinde und dass er wirklich kein geselliger Typ sei.

»Wo könnte er ...?«, murmelte Sōsuke vor sich her, als er den Flur entlang ging. Dabei kam er bei den Toiletten vorbei und blieb stehen. Für einige Augenblicke betrachtete er die Tür, ehe er den Raum schließlich betrat. Allem Anschein nach schien niemand da zu sein, doch vernahm er leise Atemgeräusche. Mit langsamen Schritten ging er in die Mitte des Raumes. Während sich hinter ihm nun die Waschbecken befanden, reihten sich vor ihm drei Kabinen auf. Bei allen dreien waren die Türen geschlossen.

Die Wahrscheinlichkeit ›Aki-chan‹ hier und jetzt anzutreffen war verschwindend gering. Und doch wollte Sōsuke es darauf ankommen lassen. Ihm war bewusst, dass er hier in die Privatsphäre eines Mitschülers eindrang. Er wusste, dass er sich nicht herausreden konnte, wenn nicht die gesuchte Person hinter der Tür war. Sein Vorhaben war eigentlich zum Scheitern verurteilt, aber aufgeben würde er nie. So beschloss Sōsuke, sich erst einmal zu vergewissern. Einfach so hereinzuplatzen war schließlich auch nicht die feine Art. Also schlich er auf leisen Sohlen in die Nachbarkabine zur linken, stieg dann auf den Toilettendeckel und lugte vorsichtig über die Kabinenwand. Sogleich stachen ihm blonde Haare ins Auge. Ihm war gleich klar, dass er den Richtigen gefunden hatte – schließlich gab es nicht viele Blondschöpfe in Japan, geschweige denn an dieser Schule. Langsam stieg Sōsuke dann wieder herunter und verließ gleich darauf die Kabine; ging dann zu den Waschbecken, wo er sich abstützte und in den Spiegel sah.

Was mache ich hier eigentlich?, fragte sich Sōsuke und schüttelte den Kopf. Aber sein Blick lässt mich einfach nicht los ...

Aus seinen Gedanken wurde er gerissen, als ein leises ›Nh‹ die Stille durchbrach. Augenblicklich verkrampfte Sōsuke, denn nun würde er – zumindest hoffte er es – den Grund für dieses Tun erfahren.

Mit einem Knarren öffnete sich die hölzerne Tür mit weißen Anstrich. Während Sōsuke sich nun umdrehte, kam der blonde Junge heraus. Nur kurz hatte Letzterer den Blick gehoben, war dann geradewegs zum Waschbecken gegangen und wusch sich dort – wie ganz selbstverständlich – die Hände.

Einen Schritt tat Sōsuke, stand nun vor der Eingangstür und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Blonde trocknete sich gerade die Finger ab und wollte gehen, als er den anderen dort stehen sah und inne hielt.

»Ikehara Akira?«, fragte Sōsuke leise und hob eine Augenbraue.

Der Angesprochene schluckte, ehe er mit einem Nicken antwortete.

Tief atmete Sōsuke durch, lockerte seine Haltung und sah den Kleineren eindringlich an. »Machst du das, was ich denke, dass du tust?«

Tief sog nun Akira die Luft ein, war kaum fähig sich zu bewegen. Im Stillen fragte er sich, wieso es so weit kommen musste und es tatsächlich jemand herausgefunden hatte.

Dass auf die direkte Fragte hin keine Antwort kam, war Sōsuke klar gewesen. Er seufzte laut, ehe er seine Haltung weiter lockerte und sich verlegen am Nacken kratzte. »Entschuldige. Ich wollte dich wirklich nicht überfallen oder so. Mir ist nur dein gequälter Gesichtsausdruck nicht mehr aus dem Kopf gegangen und ...«, erklärte er hastig und sah dabei zur Seite. »Aber ... Also ... Ach, vergiss es einfach. Ich weiß ja selber nicht, warum mich das so beschäftigt.« Damit wollte es Sōsuke eigentlich auch gut sein lassen. Er drehte sich um und wollte auch gerade gehen, als ...:

»Ich ...«

Sogleich wandte sich Sōsuke wieder dem Kleineren zu.

»Ich kann nichts dagegen tun ...«, murmelte Akira mit erstickter Stimme, den Blick gen Boden gerichtet. Als er dies von sich gab, sah er ein wenig gequält drein, krallte die rechte Hand in den linken Arm und biss sich auf die Unterlippe.

Sōsuke entging dieser Anblick keineswegs. »Wie meinst du das?«, fragte er leise nach und trat etwas näher an ihn heran.

Akira wich seinerseits etwas zurück. Es wirkte fast so, als wolle er jeglichen Körperkontakt vermeiden.

Es wurde still zwischen ihnen, weswegen Sōsuke einen Vorschlag machte: »Weißt du was? Wenn du mir davon erzählen möchtest, dann höre ich dir gerne zu. Aber nicht hier. Lass uns rauf auf's Dach, da ist jetzt keiner.« Er lächelte breit, aber freundlich. Geduldig wartete Sōsuke auf eine Antwort. Er war gespannt, wie diese wohl ausfallen würde.

Unsicher darüber, was er nun machen sollte, sah sich Akira in dem gefliesten Raum um. Es war jetzt nicht so, dass es ein Geheimnis war, doch ob er sich jemand völlig Fremden anvertrauen sollte? Ein Blick in das Gesicht seines Gegenübers ließ ihn seine Bedenken fast vergessen. Vielleicht war es ja sogar von Vorteil sich jemandem anzuvertrauen, den man nicht kannte? Einmal noch sah Akira auf, in Sōsukes Gesicht, senkte seinen Kopf aber gleich wieder. Seine Antwort formulierte er in Form eines Kopfnickens.

»Wirklich?«, brach es überrascht aus Sōsuke heraus. Dass Akira tatsächlich einwilligte kam unerwartet. »Dann lass uns doch keine Zeit verlieren.«

Mit großem Abstand folgte Akira seinem Senpai, bis sie schließlich auf dem Dach des Gebäudes ankamen. Die große Fläche wurde von der Sonne beschienen und war rundum eingezäunt. Hier war Akira noch nie gewesen. Nicht zuletzt, weil er von einer merkwürdigen Clique gehört hatte, die sich immer hier aufhielt.

»Ah. Der Wind tut gut!«, gab Sōsuke laut von sich, streckte sich dabei ausgiebig. Dann drehte er sich um seine eigene Achse und richtete den Blick auf seinen Mitschüler. »Du musst mir aber wirklich nicht davon erzählen, wenn du nicht möchtest. Ich werde dich zu nichts zwingen, hörst du?«, fuhr Sōsuke fort und sah mit einem Male unsicher aus.

»N-Nein, ist ... schon okay«, antwortete Akira nach kurzem Schweigen. »Es ist so ...«

Sōsuke war so auf den Jungen fixiert, dass er unbewusst die Luft anhielt.

»Wenn mich jemand berührt ... kann ich nicht anders, als ...«

»Aber wieso?«

»Das scheint was psychisches zu sein, oder so ...«, erklärte Akira weiter. »Bei jeder Berührung erinnere ich mich an früher und dann ...«

Sōsuke blinzelte bei diesen Worten einige Male. Nicht nur aufgrund des Inhalts. Auch war er erstaunt über die ungeahnte Offenheit des Blonden. »... Früher?«, fragte er vorsichtig nach.

Akira nickte. »Ich hatte eine Freundin, ein paar Jahre älter. Sie ...«, er stockte; schien zu überlegen was er sagen sollte. »Sie war hübsch, klug, allseits beliebt. Aber sie war auch sehr auf ... Sex aus. Da ich ihr wohl zu Jung war, wollte sie es noch nicht mit mir tun. Stattdessen hat sie... mir ...«

Sōsuke schluckte. Seine Wangen hatten einen gesunden Rotton angenommen, weswegen er seinen Kopf etwas wegdrehte. »Verstehe«, murmelte er verlegen. »Damit hat das also angefangen?«

Auch dies bestätigte Akira lediglich mit einem Nicken.

Einige Augenblicke lang musterte Sōsuke den Brillenträger. »Darf ich dir eine Frage stellen?« Er klang ernst dabei.

Akira, der sich jetzt – nachdem er das erste Mal von seinem Problem erzählt hatte – wesentlich leichter fühlte, ahnte nicht, was auf ihn zukam, als er ihm mit einem »Ja« antwortete.

Daraufhin sah Sōsuke ihn entschlossen an. »Also. Erstens: Möchtest du... davon befreit sein? Und zweitens: Hast du deinen Eltern oder jemand anderem davon erzählt? Oder hilft dir da schon jemand? Ich vermute, und entschuldige wenn ich damit falsch liege, dass dem noch nicht der Fall ist ...« Dass Sōsuke gerade etwas übers Ziel hinausgeschossen war, bemerkte er, als er eine Sprechpause einlegte und ihm der erschlagene Blick Akiras auffiel. »Ah. Ich hab's wohl schon wieder getan, oder? Verdammt. Entschuldige bitte. Mit mir geht’s manchmal durch, wenn jemand ein Problem mit sich herumträgt ...«, erklärte er und lächelte verschmitzt.

Akira schüttelte den Kopf. »Es weiß bisher keiner außer dir davon, Senpai ...«, gab er ehrlich zu. »Mich davon zu befreien ... Das kann ich nicht, wirklich nicht«, fügte er resignierend hinzu und senkte den Kopf.

Das hörte Sōsuke gar nicht gern und stimmte ihn gleich etwas wütender. »Na hör mal! Hast du es denn schon mal versucht?«

»N-Nein, aber ...«

»Dann gibt es da kein aber. Wenn du das wirklich willst, kannst du es auch schaffen!«

Von diesem kleinen Ausbruch überrascht, wich Akira etwas zurück.

Sōsuke seufzte, strich sich kurz durch die Haare. »Hör mal bitte zu, Ikehara-kun. Ich will jetzt nicht sagen, dass du das tun musst. Zwang würde eher das Gegenteil bewirken. Eigentlich müsste es mir ja auch egal sein, weil wir uns ja nicht kennen. Ist es aber nicht. Weißt du ... Mein Vater ist da genauso stur. Nur ist er nicht gewillt, sich von mir helfen zu lassen. Ich möchte dir helfen, weil ...«, kurz stockte Sōsuke, ehe er mit neuer Energie in der Stimme weitersprach: »Jetzt da wir uns unterhalten haben und ich von deinem Problem weiß, kann ich doch nicht mehr stillsitzen! Und wenn ich dir schon nicht helfen kann, wie soll das dann im Blue Diamond funktionieren?«

Akira horchte auf und sah den Älteren fragend an. »Blue ... Diamond?«

»Mein Ziel, weißt du?« Er lächelte zuversichtlich. Natürlich wusste der Jüngere nichts damit anzufangen, was Sōsuke an seinem fragendem Blick ablesen konnte. »Das Blue Diamond ist ein Laden, in den die Leute mit ihren Sorgen reingehen, sich dann alles von der Seele reden können und kein Dritter je davon erfährt. Man wird sich hinterher freier, leichter fühlen als je zuvor! Noch ist es lediglich mein Traum, doch ich werde alles daran setzen ihn zu verwirklichen«, erzählte er in gewohntem Enthusiasmus, machte dann aber eine kurze Pause um durchzuatmen. »Ich will den Menschen ein Stück weit ihr Glück wieder zurückbringen und ihnen helfen. Ich möchte, dass sie sich wohl fühlen und den Alltag – wenn auch nur für kurze Zeit – vergessen können!« Glanz spiegelte sich in seinen Augen wider.

In den Ohren Akiras klang das Ganze ein wenig anmaßend und doch hörte es sich toll an. Die Vorstellung von solch einem Ort, an dem man über alles reden konnte ... Das hatte was, so unwirklich es auch klingen mochte. »Aber ...«

»Nein. Es gibt kein aber! Ganz gleich was es mich kosten oder mir abverlangen wird, ich werde das Blue Diamond eröffnen!« Selbstsicher blickte Sōsuke, mit einem gewissen Funkeln in den Augen, nach vorne – und damit auch in Richtung Zukunft.

»Also. Ikehara-kun ...«, begann er, stockte jedoch. »Da fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht vorgestellt habe! Entschuldige, wie unhöflich von mir. Ich heißte Kitahara Sōsuke und gehe in die dritte Klasse«, korrigierte er sich und reichte Akira die Hand.

Doch diese Geste wurde nicht erwidert. Stattdessen verbeugte er sich leicht. »Ikehara Akira. Zweite Klasse.«

Sōsuke nahm seine Hand wieder zurück – ganz vergessen hatte er das Problem Akiras. »Da wir das nun hätten, lass mich dir noch eine Frage stellen.«

Akira schluckte. Was wohl jetzt noch kam?

»Ich wiederhole mich jetzt, aber: Willst du dich wirklich von dem Problem lösen?«

Große hellgrüne Augen, die man wegen der verspiegelten Brille kaum sehen konnte, musterten Sōsuke. Momente des Schweigens, ehe er betreten den Kopf senkte. »Das sagst du so einfach! Ich bin dafür nicht stark genug. Sieh mich doch an!« Damit spielte er wohl auf seine Körpergröße – war er doch einen Kopf kleiner als Sōsuke –, seine schlanke Statur und die, für Japaner, so untypische Haarfarbe an.

Von diesem Wutausbruch überrumpelt fehlten Sōsuke die Worte. Er hielt es für unwichtig wie man aussah. Es zählten schließlich nur die inneren Werte und die Einstellung.

»Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was für eine Qual das ist! Ich kann niemanden mehr an mich heranlassen! Ganz zu schweigen davon, dass ich keinem davon erzählen kann, weil das so peinlich ist. Die Lachen mich doch aus!« Akiras Stimme überschlug sich fast, klang beinahe hysterisch.

»Und genau deswegen will ich dir doch helfen!« unterbrach Sōsuke den Redeschwall des Kleineren.

»Wieso solltest du das wollen? Wir kennen uns doch gar nicht. Und gehörst du nicht auch zu dieser komischen Clique? Warum sollte ich dir also einfach so vertrauen?«

Wahre Worte. Sōsuke überlegte kurz, wie er ihm darauf antworten sollte. »Natürlich musst du mir nicht vertrauen. Das verlange ich nicht von dir. Aber nachdem du mir schon davon erzählt hast, dachte ich, dass du mir ein Stück weit traust. Ich möchte dir eigentlich nur helfen. Allein ist doch jeder aufgeschmissen ...« Bedrückt sah Sōsuke drein. »Keinesfalls werde ich dich dazu nötigen, dass du meine Hilfe annimmst. Auch, wenn es mich freuen würde. Überleg' es dir in aller Ruhe. Ja?«

Darauf gab Akira keine Antwort, sah lediglich zur Seite.

»Ähm ... Okay. Die Stunde ist ja auch gleich um ... Wir sollten langsam wieder zurück.« Mit diesen Worten drehte sich Sōsuke um. Doch bevor er die Tür zum Treppengeschoss erreichte, vernahm er ein leises ›Ich‹, woraufhin er anhielt und sich wieder zu Akira umdrehte. »Ja?«

»Wieso ... tust du das? Warum bemühst du dich um mich?«

»Nun«, fing Sōsuke an. »Okay. Weil du mir von deinem Problem erzählt hast, verrate ich dir etwas.« Er atmete tief durch, ehe er seinen Blick für einen Moment schweifen ließ. »Um ehrlich zu sein ... bist du genau mein Typ.«

Auf dieses Geständnis hin – wenn man es so nennen konnte – schreckte Akira etwas zurück. »W-was?«

»Irgendwie... mag ich dich. Also, du weißt schon... Aber keine Sorge! Ich werd' dir nichts tun.« Ehrlich lächelte Sōsuke ihn an.

Nach dem ersten Schock fand Akira seine Stimme wieder. »Und deswegen ... willst du mir helfen?«

Sōsuke legte verlegen den Arm an seinen Hinterkopf. »Nicht nur. Versteh' das bitte nicht falsch! Es stimmt schon, dass ich am Anfang vielleicht etwas in der Richtung gedacht hatte ... Aber jetzt sieht das Ganze anders aus. Ehrlich.«

Akira wusste nicht, was er von ihm halten sollte. Dass er ihm die Wahrheit gesagt hatte, davon ging er zumindest aus, rechnete er ihm aber hoch an. Was war dieser Mitschüler nur für ein komischer Kauz?

»Langsam sollten wir zurück«, erinnerte Sōsuke und drehte sich wieder der Tür zu.

»Kitahara-san?«

»Mh? Nenn' mich ruhig Sōsuke.« Er lächelte.

»Sō-Sōsuke-san. Ich verstehe nicht, wieso du das tun willst. Ich bin auch nicht sicher, ob es wirklich möglich ist. Aber ich will es versuchen und wäre dir dankbar, wenn du mir beistehen würdest.« Vielleicht war es etwas Voreilig. Vielleicht war es nicht der richtige Weg. Aber Sōsuke schien es ernst zu meinen und sympathisch war er auch. Er wollte ihm glauben. Und es wenigstens zu versuchen ... konnte nicht schaden.

Sichtlich erfreut war Sōsuke über diese plötzliche Meinungsänderung. »Wir werden das schon in den Griff bekommen! Gleich vorweg: Du solltest deinen Eltern von deiner Krankheit erzählen. Es wäre wohl auch schon ganz gut, wenn du zu einem Arzt oder Psychiater gehen würdest ...«

Akira hörte diese Worte und verstand auch, dass das wohl nötig war. Doch hatte er schon jetzt Angst davor sich alledem zu stellen. »I-ist gut ...«, antwortete er darauf und senkte wieder den Kopf.

»Gut. Und ich werde mich auch ein bisschen schlau machen«, sagte Sōsuke noch, als just in diesem Moment die Schulglocke ertönte. »Jetzt müssen wir wirklich zurück. Wenn du möchtest, kannst du uns morgen in der Pause gerne beiwohnen. Wir werden wieder hier oben sein.« Sōsuke lächelte dabei und öffnete die Tür, durch die sie dann gingen und in ihre Klassen zurückkehrten.

Über Sōsukes Angebot dachte Akira noch lange nach. Er war sich nicht sicher, was oder wen er zu erwarten hatte. Sicher war nur, dass er Sōsuke nicht allein antreffen würde, sollte er das Angebot annehmen. Seine Freunde würden auch auf ihn ›warten‹. Zwar wirkte Sōsuke nicht so, was aber, wenn er ihnen von seinem Geheimnis erzählte? Was, wenn das alles eine Finte darstellte, um ihn ...? Diese schon beinahe paranoiden Gedanken schüttelte Akira wortwörtlich ab. Sōsuke war nicht so einer. Diesen Eindruck hatte er nie vermittelt.

Ob er wirklich zu der Runde dazustoßen sollte, wusste Akira bis zur Mittagspause dennoch nicht. Sehr spontan fiel die Entscheidung, es einfach mal zu versuchen.

»Aber wenn es schon ›Blue Diamond‹ heißen soll, muss irgendetwas Blau sein! Wäre doch sehr widersprüchlich«, brachte Keisuke seine Meinung lautstark zur Geltung.

»Solange es nicht zu dunkel ist«, fügte Tamanosuke hinzu.

»Als Akzent oder doch als Grundfarbe?«, grübelte Sōsuke laut vor sich her. Vor sich hatte er einige Farbmuster – die, die man im Baumarkt erhielt – liegen. So ganz einig schienen sich die ›Triple Ke's‹ in puncto Farbe wohl nicht zu sein. »Und wie wäre es, wenn wir ...«

»Entschuldigung?«, unterbrach eine leise Stimme Sōsuke, woraufhin dieser sich umdrehte.

Er wollte schon ein ›Wer stört?‹ verlauten lassen, da erkannte er den Besucher. Ein fröhliches Lächeln stahl sich sogleich auf seine Lippen. »Ikehara-kun! Du bist ja doch gekommen! Damit habe ich gar nicht mehr gerechnet.« Sōsuke stand auf und stellte sich dann neben seinen jüngeren Mitschüler. »Das ist Ikehara Akira. Ich habe euch ja von ihm erzählt.« Seinen Blick richtete er nun auf den Blonden und deutete zu seinen Freunden. »Und das sind meine Freunde. Der Rothaarige ist Tamanosuke Michida.«

»Erfreut dich kennenzulernen«, grüßte Tamanosuke den Neuankömmling.

»Und der Dunkelblonde ist Keisuke Fujii.«

»Tag«, kam es nur knapp vom Angesprochenen, der den Blick noch immer auf den Farbmustern ruhen hatte und nebenbei aß. »Wie wäre es denn dann mit Blau-Silber?«

»Hm?« Von Akira wandte sich Sōsuke ab und kniete sich wieder zu Keisuke hin. »In Kombination, meinst du?«

»Du hast doch davon gesprochen, Rauten zu verwenden. Nicht?«, bemerkte Tamanosuke, der sich ebenfalls wieder den Mustern widmete.

»Rauten in Blau und Silber. Klingt gar nicht schlecht.«

»Um was ... geht es gerade?«, fragte Akira vorsichtig und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Doch da er nicht verstand, worum es ging, nutzte das wohl nur wenig.

»Hm? Oh, entschuldige. Setz dich doch erst mal her.«

Etwas Abstand behielt der Brillenträger ein, als er sich zu den Dreien dazusetzte.

»Wir überlegen gerade, welche Farben wir in der Lobby anbringen sollen. Sie müssen einladend wirken. Sollen aber auch nicht zu grell oder kalt sein«, antwortete Sōsuke und sah Akira lächelnd an. »Dann müssen wir für den Boden eine warme Farbe verwenden«, ergänzte Sōsuke und sah wieder zu seinem dunkelblonden Freund.

»Stimmt. Holzdielen würden sich da wohl noch am besten anbieten, oder?«, stimmte Keisuke daraufhin ein.

Da Akira dies sichtlich nicht verstand, erklärte Tamanosuke weiter: »Um genau zu sein, geht es um die Einrichtung des Blue Diamond.«

»Verstehe«, gab Akira daraufhin wieder. So ergab das alles irgendwie einen Sinn. Er erinnerte sich an das Vorhaben Sōsukes; an dessen Traum, den Menschen ›Glück zurückzubringen‹. Anfangs hatte Akira gedacht, dass er das nur gesagt hatte, um von seinem ›Problem‹ zu erfahren. Hätte es im Nachhinein fast als schlechten Verführungsversuch abgetan. Jetzt sah er, dass seine Freunde sich an dem Projekt beteiligten – von daher musste da was dran sein. Doch eine Frage beschäftigte ihn nach-wie-vor: Was wohl hatte Sōsuke ihnen alles erzählt?

»Darüber können wir uns ja später noch unterhalten«, warf Sōsuke ein. »Ich freue mich, dass du gekommen bist, Ikehara-kun!«

»Er hat dich doch nicht zu sehr bedrängt?« Keisuke sah nun auf und Akira somit das erste Mal richtig an. »Er kann ziemlich penetrant sein, weißt du?« Verstohlen lächelte er.

»Ey!«, schimpfte Sōsuke empört und sah Keisuke strafend an.

Der Blonde schüttelte nur den Kopf. »Nein, nein. Hat er nicht.« Na ja. Nicht direkt zumindest, aber das würde Akira ihnen nicht sagen.

»Du gehst also in die zweite Klasse, Ikehara-kun?«, fragte Tamanosuke mit sanfter Stimme.

»Ihr könnt mich ruhig Akira nennen«, schlug er – dem sein Name etwas zu lang war – vor.

»Gut. Akira, dann ...«, begann Keisuke mit unerwartet strengem Blick, der Akira eingängig musterte. »Was soll diese Brille?«

»Kei!« Wie immer war es Tamanosuke, der ihn in die Schranken zu weisen versuchte.

An Akira gewandt meinte Sōsuke: »Denk dir nichts dabei. Die sind immer so.« Amüsiert lachte er auf und verschlang schnell noch den Rest seines Brötchens.

»Immer so?«

»Mh, ja. Seit ich die beiden kenne«, meinte Sōsuke weiter. Da sich Keisuke und Tamanosuke noch immer unterhielten, erzählte Sōsuke Akira davon, wie sie sich kennengelernt hatten.

Nachdem dieser die Geschichte gehört hatte, sah er sich die ›Triple Ke's‹ noch einmal an und fragte sich dann, wie drei so unterschiedliche Persönlichkeiten zu so einer Gruppe werden konnten. Aber wahrscheinlich lag es eben an den Unterschieden, dass sie einander so gut verstanden – man ergänzte sich.

»Sag mal, Akira-kun«, murmelte Sōsuke leise an den Jüngeren gewandt. »Hast du schon mit deinen Eltern gesprochen?«

Der Angesprochene nickte. »Sie sagten, dass sie mir helfen würden.«

»Das ist doch gut! Der erste Schritt wäre getan. Als Nächstes ...«

»Ähm ... Kitahara-san?«

»Sōsuke.«

»Sōsuke-san. Danke.« Verlegen lächelnd sah Akira sein ihn an.

Perplex sah Sōsuke zurück. »Wofür?«

»Für deine Unterstützung und ...«

»Unterstützung?«, mischte sich Keisuke in das Gespräch der beiden ein und musterte sie genau. »Was hast du schon wieder angestellt, Sōsuke?«

»Gar nichts. Kann dir doch egal sein.«

Mit großen Augen beobachtete Akira die Szene, die sich vor ihm abspielte. Scheinbar hatte Sōsuke wirklich nichts von seinem Problem weitergegeben.

»Jetzt sag's doch einfach!«

»Nein!«

»Hört doch endlich auf zu streiten«, unterbrach Tamanosuke die Raufbolde und sah sie entnervt an. »Wir sind heute schließlich nicht allein.«

»Das weiß ich doch, Tama. Aber wenn er nicht aufhört ...«

»Warum soll immer ich der Böse sein? Ha? Du willst schließlich alles für dich behalten! Das war schon immer so.« Als wäre er deswegen beleidigt, verzog Keisuke das Gesicht und sah zur Seite.

»Kei ...«, murmelte Tamanosuke und sah ihn betroffen an.

Da hatte Keisuke leider recht. Aber dieses Mal war es schließlich etwas anderes. Sōsuke hatte Akira versprochen, niemandem davon zu erzählen. Da waren auch seine Freunde keine Ausnahme.

»Ist schon okay«, gab Akira zu verstehen. »Er hat es mir versprochen.«

»Oh man«, seufzte Keisuke und zog nun wirklich eine beleidigte Miene. »Okay. Schon gut. Ich hör ja schon auf.«

»Sag, Akira-kun, wirst du morgen wieder kommen? Du bist jederzeit willkommen.« Einladend lächelte Tamanosuke Akira an. »Dann mache ich dir gerne auch ein Obento5.«

»Obento?«, fragte der Angesprochene erstaunt. Da fiel ihm auf, dass die drei dieselben Lunchboxen vor sich liegen hatten. Waren die etwa ...?

»Die mache ich selber. Liegt sozusagen in der Familie.«

»Wenn wir schon beim Thema sind, willst du was abhaben, Akira-kun?« Breit grinste Sōsuke. »Die schmecken richtig gut! Probier mal!«

Dem Brillenträger wurde die Lunchbox regelrecht aufgedrängt, weswegen er nicht umhin kam, etwas daraus zu probieren. Er entschied sich für das Tamagoyaki6. »Das ist wirklich lecker, Michida-san!«

»Das freut mich, aber nenn uns doch alle beim Vornamen. Das stärkt die Gemeinschaft.«

»O-okay.«

»Und?« Gespannt sah Sōsuke Akira an. »Bist du morgen wieder dabei?«

Der Angesprochene dachte nach. Da es sich bei den ›Triple Ke's‹ um eine witzige Gruppe handelte, die noch dazu viel netter erschien als angenommen, war Akira wirklich am überlegen, ob er sich ihnen nicht doch anschließen sollte. So sympathisch sie auch waren, befürchtete er doch, dass Sōsuke etwas ausplaudern könnte – sei es versehentlich – und er dann in der direkten ›Schusslinie‹ war. Vielleicht war es fürs Erste einfach besser, nicht zu viel Nähe zu ihnen aufzubauen.

»Du kannst es dir ja noch überlegen«, warf Tamanosuke ein.

»Genau. Wir zwingen dich ja nicht.«

Während Sōsuke und Tamanosuke sich einig waren, verzog Keisuke ein wenig das Gesicht. Was ihm genau missfiel, behielt er aber für sich.

Das Glockenläuten beendete diese Gesprächsrunde. Die Schüler begaben sich zügig in den Gebäudetrakt. Da Akira in ein anderes Stockwerk musste, trennten sich bald ihre Wege. Tamanosuke und Keisuke waren bereits vorausgegangen, als Sōsuke den Blonden noch einmal ansprach.

»Akira-kun? Oder darf ich Akira sagen? Jedenfalls hat es mich wirklich gefreut, dass du heute gekommen bist.«

»Sōsuke-san ...«

»Mich würde es auch freuen, wenn du Teil unserer Gruppe wirst. Tamanosuke und Keisuke mögen dich ja auch.«

Leicht senkte Akira den Blick. »Ich ... weiß nicht.«

»Komm schon! Du musst mehr aus dir heraus gehen. Und ich bin mir sicher, dass sie dich genauso unterstützen würden. Das sind echt feine Kerle.«

Schweigen.

»Traust du mir nicht? Oder ihnen? Kann ich verstehen, aber ...«

»Sōsuke-san. Ich mag dich. Und deine Freunde scheinen auch sehr nett zu sein, aber ... Es geht alles so schnell. Ich weiß noch gar nicht, was auf mich zukommen wird.«

Auf diese Worte hin machte Sōsuke ein betretenes Gesicht. »Du hast recht. Entschuldige. Ich will dich ja nicht zwingen. Mein Angebot steht aber noch. Du kannst dich jederzeit an mich wenden.«

»Danke«, gab Akira leise zu verstehen und drehte sich um. »Bis dann.« Damit ging er.

»Ja!«, rief Sōsuke seinem neuen Freund noch hinterher und machte sich ebenfalls auf den Rückweg ins Klassenzimmer.

An den darauffolgenden Tagen war Akira nicht zu den ›Triple Ke's‹ gekommen, was Sōsuke ins Grübeln brachte. Spontan war er deswegen zu ihm gegangen, um mit diesem die Telefonnummern und E-Mail-Adressen auszutauschen. Seine Begründung lautete schlicht: »Damit du mich jederzeit erreichen kannst.«

Schließlich war es nicht Akira, der als Erstes anrief. Und obwohl Sōsuke beinahe aufdringlich war, waren diese Anrufe doch von positiver Natur. Der Ältere bewies damit, dass seine Worte ernst gemeint waren. Aufgrund dessen hatte sich Akira doch noch dazu entschlossen, sich der kleinen Gruppe anzuschließen. Und nachdem er auch mit Tamanosuke und Keisuke vertraut war, hatte er auch diesen von seiner Krankheit erzählt. Erstaunt war er – obwohl Sōsuke es bereits erwähnt hatte – über dessen sofortige Hilfsbereitschaft.

Das Jahr neigte sich schnell dem Ende zu, dennoch ging neben den Prüfungsvorbereitungen auch die Planung für das Blue Diamond weiter. Akira hatte sich dazu nach einiger Zeit ebenfalls dazu entschlossen mitzuhelfen; damit er Sōsuke im Gegenzug ebenfalls eine Stütze sein konnte. Mit beginn des neuen Jahres trennten sich jedoch ihre Wege – zumindest auf schulischer Ebene. Während Akira nun in die dritte Klasse der Oberschule kam, begannen Sōsuke und Keisuke ihr Studium. Tamanosuke fing seine Lehre an. Privat blieben die ›Triple Ke's‹ noch zusammen, da sie sich zu einer Wohngemeinschaft entschlossen hatten und fortan in einer Vier-Zimmer-Wohnung lebten – die sie dank der Unterstützung ihrer Eltern bezahlen konnten.

Es war Sōsuke an manchen Tagen nicht leicht gefallen, noch Zeit für sein Blue Diamond zu finden. Sowohl das Studium als auch seine Nebenjobs kosteten viel Zeit und Energie. Er war froh darüber, Tamanosuke, Keisuke und Akira bei sich zu wissen.

Schließlich ging auch diese Phase seines Lebens vorüber und der nächste Schritt in Richtung Ziel war beinahe greifbar.

1 entspricht unserer 7-ten Klasse

2 andere Schriftzeichen. Das ›no‹ ist ein Bindeglied.

3 in Japan schreibt man E-Mail anstelle von SMS

4 entspricht unserer 12-ten Klasse

5 Lunchboxen

6 in Form gebrachtes, gebratenes Rührei

The Blue Diamond

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