Читать книгу Der Kreis des Vertrauens - Sanja Panea - Страница 10

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Suche nach Schutz

und Vertrauen

nicht Fehlinterpretieren

In vielen verschiedenen bekannten Horsemanship Ansätzen wird vorausgesetzt, dass der Mensch eine durch Dominanz verschaffte Führungsposition gegenüber dem Pferd einnimmt. Auf diese Weise wird dem Pferd klargemacht, dass es den rangniedrigeren Platz hinter dem Menschen hat. Es gibt verschiedenen Arten und Techniken, die man anwenden kann, um dies zu erreichen. Manche Techniken sind sehr dominant, wie beispielsweise die Arbeit im Roundpen. Was viele Menschen nicht verstanden haben ist, das die Arbeit im Roundpen gut durchdacht werden muss, bevor man den Roundpen mit dem Pferd betritt. Darüber hinaus ist es von größter Wichtigkeit, dass man sich zuerst mit der Pferdepsychologie, allgemein, und dann spezifisch mit den vier verschiedenen Charaktertypen der Pferde beschäftigt. Man kann nicht alle Techniken bei allen vier verschiedenen Charaktertypen anwenden. Dazu muss man vorher eine Analyse erstellen, um sicherzugehen, dass es sich bei auch um den richtigen Charaktertyp handelt. Einer braucht beispielsweise mehr Druck und bei dem anderen darf man überhaupt keinen Druck aufbauen. Zu diesem Thema habe ich ausführlich bereits in meinem Buch „Pferdepsychologie – was du wissen musst, um mich zu verstehen“ geschrieben. In verschiedenen Horsemanship – Ansätzen wird meiner Meinung nach zu viel mit Dominanz anstatt mit Vertrauen und Bindung gearbeitet.

Oft ist das sogar kontraproduktiv für die Pferde – Mensch Beziehung. Ich lebe selbst mit meinen 13 Pferden auf meiner Ranch, und komme immer wieder im Alltag in verschiedene Situationen. Durch Beobachtungen und den täglichen Interaktionen mit den Pferden, bin ich sehr feinfühlig geworden in Bezug auf das Energiefeld des Pferdes, auf seine Körpersprache und auf das „sich ausdrücken wollen“ von den Tieren. Ich nehme daher immer wieder wahr, dass in unsicheren Situationen, das Pferd bewusst meine körperliche Nähe sucht und bei mir Schutz einfordert. In so einer Situation den Schutz zu verweigern und das Pferd von mir wegzuschicken wäre fatal. In vielen Horsemanship Ansätzen und anderen Trainingsweisen wird das aber so gemacht. Das Pferd wird auf Distanz geschickt. Es ist für mich so, als ob man das Pferd mit seinem Schutz-Bedürfnis alleine lässt. Dazu möchte ich gerne ein Beispiel geben. Mein Friese Sisco wurde bei mir im Stall geboren und lebt mit seiner Mutter hier im Herdenverband. Da ich sehr viel Zeit mit meinen Pferden verbringe, ist die Bindung auch sehr stark ausgeprägt. Er ist jetzt beispielsweise ein Pferd, welches links- extrovertiert ist, d.h. kann sehr dominant und pushy sein. Ja, auch manchmal respektlos. Eines Tages waren alle Pferde auf der Weide. Zu diesem Zeitpunkt war Sisco ungefähr 2 Jahre alt. An dem Tag war der Stromzaun kaputt. Ich sollte da was reparieren, bin aber nicht gleich dazu gekommen. Er war ziemlich weit weg von den anderen Pferden und schlüpfte irgendwie unter den Litzen durch auf die andere Seite der Koppel. Im Ersten Moment war ihm das gar nicht bewusst. Außerhalb der Koppel war nichts eingezäunt. Da war die Hauptverkehrsstraße ungefähr 200 Meter entfernt. Die anderen Pferde hatten das gar nicht mitbekommen und grasten friedlich weiter. Zu diesem Zeitpunkt war ich im Haus auf dem Balkon, wo ich was reparieren sollte. Ich schaute rüber zur Koppel und sah das Desaster. Ich rannte in einem Eiltempo die Treppen runter und raus zur Tür. Ich hatte nicht einmal Zeit einen Strick oder ein Halfter zu holen. Es ging um Sekunden. Er hätte jederzeit zur Straße rennen können in Panik, weil er ja auch von seiner Mutter weg war. Ich beeilte sich so schnell ich konnte. Dann passierte etwas Magisches. Ich rannte den kleinen Hügel hoch und er sah mich ca. 100 Meter entfernt laufen. Ich habe nichts zu ihm gesagt und bin einfach 100 Meter von ihm stehen geblieben. Das bedeutet ich bin nicht komplett zu dem Pferd hingelaufen. Der Trick liegt hier in der Freiwilligkeit des Pferdes. Ich vertraute ihm und er vertraute mir. Als er mich sah, setzte er zum Galopp an, und rannte wiehernd fast in mich rein. Er klebe sich so fest an mich, dass ich fast selber nicht richtig laufen konnte.

Das war schon sehr viel Nähe. Ich brauchte nichts weiter zu tun, als ihm am Hals zu streicheln mich von ihm wegzudrehen und ihn mitzunehmen in Richtung Ausgang auf der anderen Seite des Geländes. Denn ich konnte ihn ja nicht mehr dort hinbringen, von wo er herausgekommen ist. Da waren ja die Bänder. Ich habe nur meine Handfläche an seinen Hals gelegt, und führte ihn sicher zum nächsten Tor. Es gab keine einzige Sekunde des Zweifels, ob er mir wohl wirklich folgen würde. Dieses Vertrauen habe ich mir erarbeitet. Stundenlang jeden Tag. In solch einer Situation kann man dann sehen, dass sich all das gelohnt hat, soviel qualitative Zeit mit meinem Pferd verbracht zu haben. Ich brachte ihn dann sofort wieder zu seiner Mutter und alles war gut.

Etwas schwieriger wird es bei den Pferden die den Charaktertyp recht – extrovertiert haben. Diese Pferde sind hochsensibel und in einer unsicheren Situation immer auf den Fluchtmodus programmiert. Sie geraten sehr schnell in Panik und Todesangst, und schalten das Denken völlig ab. Adrenalin übernimmt die Kontrolle des Körpers. Solche Pferde habe ich auch. Aber ich habe sie auch schon als Fohlen und konnte somit auch einen riesigen Fortschritt in der Umprogrammierung des Denkens bewirken. Es handelt sich um 3 PRE'S.

Dieselbe Situation spielte sich ein Jahr später auch wieder ab, diesmal aber mit meiner PRE Stute Indira. Und hier war es noch ein Tick gefährlicher. Wieder dasselbe. Der Zaun ohne Strom. Wieder Reparaturarbeiten. Hier war es aber noch so, dass neben der Koppel der Neue Offenstall gebaut wurde und bereits hochgemauert war. Hinter dem Gebäude war aber vom Ausbaggern rund um das Gebäude eine Vertiefung von 3 Meter Tiefe. Die Breite des Streifens war ca. 1 Meter. Sie rannte unter dem Zaun durch, ungefähr 3 Meter vor dem Abgrund.

Zu der Zeit war ich auf dem Reitplatz bei den Pferden und konnte es sofort sehen, dass sie auf der anderen Seite stand. Indira ist ein sehr hochsensibles extrovertiertes Pferd. Eine falsche Bewegung und dann ist es aus. Ich musste mich sofort unter Kontrolle bringen. Ich durfte hier auf keinen Fall meine Panik zeigen, denn ich wusste, wenn sie das merkt oder ich zu schnell auf sie zugehe, fliegt sie in das Loch und bricht sich den Hals. Ich musste es aber auch so machen, dass die anderen Pferde nichts mitkriegen, denn dann laufen alle in die Richtung und dann is the house on fire. Sie war nervös, blieb aber in der Nähe des Zaunes. Hier musste ich meine Stimme benutzen. Ich ging langsam zum Zaun und schlüpfte langsam durch. Ich blieb hier ca. 5 Meter vom Pferd stehen und forderte sie auf, auf mich zuzukommen. Sie war schon zu nah am Loch. Einen Schritt entfernt hineinzustürzen. Langsam drehte sie sich vom Loch weg und kam zu mir. Sehr nervös, aber sie kam und blieb. Hier hatte ich die Möglichkeit die Bänder mit den Griffen zum Tor zu öffnen. Aber alles langsam. Sie blieb neben mir stehen, solange ich die Bänder ablegte. Dann forderte ich sie auf mit mir über die Bänder drüber zu laufen. Sie zögerte kurz, doch dann folgte sie mir. Als ich vorausging, habe ich nicht nach ihr umgedreht. Hätte ich das gemacht, hätte ich Unsicherheit vermittelt. Sie sprang über die Bänder und galoppierte direkt zur Herde, und ich konnte den Zaun wieder schließen. Es ist wie man an diesen Beispielen sieht, manchmal lebensnotwendig die Bindung zu seinem Tier zu haben. Auch hier hatte ich kein Seil und kein Halfter. Dafür war keine Zeit. Ich hatte nur das Horror-Szenario im Kopf, wenn die da jetzt reinfliegt in dieses Loch. Abgesehen davon, dass sie sich alles Mögliche gebrochen hätte, wie sollte ich sie denn da wieder rausholen. Das ging mir die ganze Zeit im Kopf rum. Jedenfalls war mir danach schlecht und ich hatte Beine aus Wackelpudding. In solchen Situationen wird eben Deine Bindung geprüft. Und hier kann man sehen, ob Du alle richtig gemacht hast. Jetzt kommt die 1 Million Dollar Frage: Bist Du in der Lage Dein Pferd in einer panischen Situation nur durch Deine Anwesenheit zu beruhigen? Kommt das Tier in einer unsicheren Situation zu Dir oder rennt es von Dir weg? Das ist so unglaublich wichtig, sich mal mit dieser Frage zu beschäftigen. Einer der entscheidenden Parameter ist Deine Klarheit, Deine sichere Ausstrahlung, Zuverlässigkeit und 30 dann die Regelmäßigkeit. Mit der Regelmäßigkeit meine ich, soviel Zeit wie nur möglich mit Deinem Pferd zu verbringen, ohne was von ihm zu verlangen, aber auch klar sein im Verhalten. Einmal darf er den Putzeimer umschmeißen, am nächsten Tag nicht. Manchmal darf er sich an Dir schubbern, an einem anderen Tag nicht. Einmal darf er an Deiner Jacke knabbern, am nächsten Tag nicht. An einem Tag darf er Dich mit der Schulter schieben, an einem anderen Tag nicht. Das ist keine Klarheit im Verhalten seitens des Menschen. Es müssen glasklare Regeln her. Genauso wie in der Herde. Es gibt nur Schwarz oder Weiß. Es gibt keine bunten Farbspiele in der Kommunikation.


Auch bei Menschen ist dieses Verhalten beispielsweise bei Müttern mit ihren Kleinkindern unklar. Dieses Verhalten ist analog zu Müttern mit einer ambivalent unsicheren Bindung. Mal ist Nähe erlaubt und das andere Mal nicht. So kann auch das Pferd keine sichere Bindung zu seinem Menschen erkennen. Wenn ein Mensch beispielsweise mit Stress oder Wut zu seinem Pferd geht, nimmt das dies über seine feinen Sinne mehr wahr, als dem Mensch überhaupt bewusst ist, kann aber diesen Stress nicht zuordnen und wird folglich unsicher. Auch ganz kleine Gesten zeigen enorm große Wirkung beim Pferd.

Nehmen wir mal an, das Pferd will Dich testen, ob Du weichst, wenn es auf Dich zu rennt. Wenn Du nur einen kleinen Schritt zur Seite oder rückwärts machst, hast Du Dich automatisch schon als rangniederen positioniert. Wenn Du aber stehen bleibst, machst Dich groß, Schulter quer zum Pferd und stehen bleibst, stellst Du Dich dabei automatisch in die ranghohe Position. Hier ist die wichtigste Regel in solchen Fällen:

Wer bewegt wen? Derjenige, der die Füsse des anderen bewegt, gewinnt. Derjenige der sich bewegen lässt verliert.

So einfach ist das eigentlich, wenn man das weiß. Dieses Spiel spielen die Pferd andauernd miteinander. Das probieren sie natürlich auch mit ihren Menschen aus, was geht und was nicht.

Man kann Bindung nicht nur aufbauen, man kann Bindung auch zerstören. Es ist nicht nur dann, wenn der Mensch die Suche des Pferdes nach Schutz missversteht, und dann das Pferd weg schickt auf Distanz, wird die Grundlage für eine sichere Bindung gefährdet. Aber nicht nur hier, Verwendung von schmerzhaften Gebissen ebenso. Hier macht der Reiter einen Fehler, den er fast nicht mehr wieder gut machen kann, denn in diesen Momenten zerstört er das Vertrauen.

Die Folge dessen ist „Widersetzlichkeit“ des Pferdes. Aufgrund dessen muss der Reiter wieder auf Dominanz zurückgreifen, um die gewünschte Reaktion beim Pferd zu erzielen. Sichere Bindung geht nicht ohne tiefes Vertrauen. Nur Menschen, die selbst sichere Bindungen schon erlebt haben, sind in der Lage solche auch aufzubauen. Menschen, die noch nie solche Bindungen erlebt haben, können diese auch nicht aufbauen. Im Gegensatz zum Pferd kann der Mensch solch sichere Bindungen erlernen. Das Pferd aber mit seinen eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten zieht tiefe Verluste des Vertrauens und zwangsläufig tiefgehende Bindungsstörungen nach sich. Es gibt aber auch Situationen, wo gar keine Bindung zu einem Pferd möglich ist. Wenn ich aber Bindung und Vertrauen aufbauen möchte, hängt es völlig an mir, was ich bereit bin dafür zu tun. Ich nehme hier mal das Modell der Newton Kugeln.

Der Kreis des Vertrauens

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