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Kapitel 1

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Acht Jahre später

„Toni, kannst du schon sagen, ob du mit diesem chinesischen Dialekt etwas anfangen kannst?“

Antonia steckte den Teebeutel in den Becher, in den sie gerade kochendes Wasser gegossen hatte, drehte sich halb und hob den Kopf. Steven Carter stand im Türrahmen der kleinen Kaffeeküche des Büros.

Sie nickte. „Ich habe dir die Übersetzung eben schon als PDF geschickt.“

„Tatsächlich! So schnell!“ Er riss die Augen auf. „Du bist ein Genie!“

Sie winkte lachend ab. „Fremdsprachen sind nun mal meine Leidenschaft. Achte auf die letzte Seite der Gerätebeschreibung. Wenn du die Dinger so importierst, wirst du Probleme mit den deutschen Sicherheitsbestimmungen bekommen.“

„Alles klar. Ich lese es mir morgen durch. Du bist ein Schatz. Hätte ich nicht schon eine Frau, würde ich dich heiraten!“

„Ich dich aber nicht. Emma passt viel besser zu dir.“

Er grinste. „Dem kann ich nicht widersprechen. Dafür bist du meine wichtigste Mitarbeiterin geworden. Ich bin wirklich froh, damals den richtigen Riecher gehabt zu haben.“

Er verschwand und Antonia lächelte. Ja. Sie war auch froh, dass er ihr damals das Jobangebot gemacht hatte.

Sie konnte sich noch gut an das Gespräch mit ihrem Boss erinnern. Acht Jahre war es inzwischen her.

Nachdem das Arschloch Jonathan sie hängen gelassen hatte, hatte sie beschlossen, ihren Traum, internationales Management zu studieren, aufzugeben. Sie wollte stattdessen ihre Leidenschaft für Fremdsprachen nutzen, indem sie sich zur Übersetzerin ausbilden ließ, denn das konnte sie neben dem Job in der Abendschule machen. Um sich nicht zu überfordern, plante sie, ein Zimmer ihrer Wohnung an eine Studentin zu vermieten und dafür weniger Wochenstunden zu arbeiten. Als sie Steven Carter von ihren Plänen erzählte und ihn um eine Änderung des Arbeitsvertrages bat, machte er ihr das traumhafte Angebot, auf Kosten seiner Firma die Ausbildung zu absolvieren und anschließend als Übersetzerin für ihn zu arbeiten.

Während die Carter GmbH in den folgenden Jahren konstant wuchs und sich weltweit vernetzte, bekam Antonia ein eigenes Büro, regelmäßige Gehaltserhöhungen und lernte zusätzlich zu ihren Englischkenntnissen neben Französisch, Polnisch und Russisch auch noch Japanisch und Mandarin. Außerdem beriet sie ihren Chef in internationalen Angelegenheiten, und er nahm sie bei Reisen nach Asien mit, wenn es dort zu Verhandlungen mit Geschäftspartnern kam.

Vor zwei Jahren war die Firma aus dem alten, eher schäbigen Hafengebiet in Innenstadtnähe in ein Gebäude mit einer riesigen Lagerhalle gezogen. Nun arbeiteten sie in einem piekfeinen Bürogebäude, das den Erfolg des Unternehmens sichtbar repräsentierte und damit die Zusammenarbeit mit anderen großen Firmen förderte.

Antonia liebte ihren Job. Er hatte sich so entwickelt, wie sie sich einen Arbeitsplatz nach dem Studium immer gewünscht hatte. Und nicht nur das, Steven Carter war auch noch ein toller Chef und seine Frau Emma, die die Marketingabteilung des Unternehmens leitete, eine ihrer liebsten Kolleginnen.

Sie zog den Teebeutel aus dem Becher, gab einen Löffel Zucker hinein, rührte um und schlenderte mit dem Getränk in der Hand zurück in Richtung ihres Büros.

Steven verließ seines schon wieder, zog im Gehen seine Anzugjacke an und öffnete die Tür zu Emmas Zimmer. „Wir müssen los, Sweetheart. Die Maschine landet in fünfundvierzig Minuten.“

„Bin schon fertig“, hörte Antonia Emmas helle Stimme und dann erschien sie auch bereits im Flur. Emma sah, wie immer, megaattraktiv aus. Sie trug einen dunkelroten wadenlangen leichten Rock, schwarze Stiefeletten und eine gemusterte Bluse mit gestickten Rändern im klassischen Schnitt. Einen schlichten Blazer hatte sie sich über den Arm gehängt. Sie mixte gern einen weiblichen Folklorestil mit geschäftlicher Eleganz und hielt nichts von den typischen Frauen-Büro-Outfits, wie unbequemen High Heels, langen Fingernägeln oder hautengen Röcken. Die Haare hatte sie zu einem lockeren Knoten am Hinterkopf zusammengefasst. Sie und Steven in seinem Businessanzug bildeten optisch ein absolutes Traumpaar.

Arm in Arm liefen sie Richtung Treppe.

„Viel Spaß!“, rief Antonia ihnen nach.

„Danke!“

Die Familie erwartete einen Verwandten aus den USA. Das hatte Emma bereits vor ein paar Tagen erzählt. Ein Cousin des Chefs kam zu Besuch. Den holten sie jetzt vom Flughafen ab und fuhren mit ihm raus auf den Resthof an der Elbe, auf dem Stevens Brüder mit ihren Frauen lebten.

Antonia setzte sich an ihren Schreibtisch, um den nächsten Auftrag zu bearbeiten. Während sie ein paar Notizen ordnete, die neben der Tastatur verstreut lagen, sah sie vor ihrem inneren Auge Emma und Steven noch einmal durch den Flur laufen. Sie seufzte. Vielleicht war sie ein klitzekleines bisschen eifersüchtig, denn die beiden bildeten nicht nur optisch ein perfektes Paar, sie waren auch für alle Welt sichtbar glücklich miteinander. Da Antonia so eng mit Steven und Emma zusammenarbeitete, erlebte sie die beiden häufig zusammen. Allein die Art, wie sie sich ansahen, und diese kleinen Momente, wenn er ihr einen Stuhl zurechtrückte, ihr mit einer beiläufigen Geste eine Haarsträhne aus der Stirn strich, seine Hand auf ihren Rücken legte oder wenn sie seinen Arm berührte und lächelnd zu ihm aufsah, während sie ihm etwas erzählte. In jeder dieser kleinen Gesten waren deutlich der gegenseitige Respekt und die Liebe zwischen ihnen zu sehen. Steven war ein dominanter, selbstbewusster Typ mit einem starken Willen, doch er schaffte es, Emma auch bei heftigen Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten stets mit Achtung und auf Augenhöhe zu begegnen. Er gab ihr mit seiner Männlichkeit Rückhalt, ohne sie wie eine schwache Frau zu behandeln. So sollte eine Partnerschaft sein.

Antonia seufzte noch einmal und musste über sich selbst lachen. Warum gab es nur so wenige Männer wie ihren Chef, die wussten, was sie wollten, die ihr Leben im Griff hatten und für eine Frau ein zuverlässiger Partner waren?

Sie lernte immer nur Typen kennen, die zwar auf den ersten Blick charmant und attraktiv wirkten, aber auf den zweiten zu den Kategorien der Loser, verwöhnten Mama-Söhnchen oder trägen Langweiler gehörten. Bei diesen Männern hatte sie immer das Gefühl, sie suchten eine Beziehung, um jemanden zu haben, der sie versorgte und ihnen abends den Rücken kraulte.

Sie schnaubte verächtlich. Seit ihren Erfahrungen mit Jonathan reagierte sie extrem empfindlich und allergisch auf Typen, die in einer Beziehung mehr nahmen, als sie geben wollten. Bevor sie sich noch mal auf so einen einließ, würde sie eher alleinstehend alt werden.

*

Mit über die Schulter gehängter Reisetasche schlenderte Mason gemächlich durch die Ankunftshalle des Hamburger Airports. Neben den Rolltreppen blieb er stehen und sah sich um. Er hatte mit Steven verabredet, dass sie sich am Info-Schalter für Touristen treffen wollten. Als er den entdeckte, winkte auch schon jemand von dort, und er erkannte seinen Cousin neben einer schlanken Frau mit braunen Haaren. Das musste Emma sein. Er hatte mehrere Bilder gesehen, auf denen sie abgebildet gewesen war, und ab und zu hatten sie in den letzten Jahren ja auch mit der ganzen Familie geskypt.

Sie gingen aufeinander zu und Steven öffnete die Arme.

„Welcome to Germany, old boy.“

Er zog Mason an seine Brust und sie klopften sich gegenseitig auf die Schultern. „Rede Deutsch, Stevie. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch die Zeit nutzen, um meine alten Sprachkenntnisse aufzufrischen.“

„Alles klar, wird gemacht.“

Sie lösten sich voneinander und Mason streckte Emma die Hand entgegen. „Du bist zweifellos Emma. Schön, dass ich endlich die Frau persönlich kennenlerne, die unseren Steven zu einem seriösen Mann gemacht hat.“

Sie kicherte. „Ich glaube, er hat eher mich zu einer unseriösen Frau gemacht.“

Mason lachte, nahm sie in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Du gefällst mir, Sweetheart.“

Steven deutete auf seine Reisetasche. „Ist das dein ganzes Gepäck?“

Mason nickte. „Ich mache Urlaub, da braucht man doch nur zwei Jeans, ein paar T-Shirts, Unterwäsche und Socken.“

„Wie war dein Flug?“, fragte Emma, während sie sich Richtung Ausgang in Bewegung setzten.

Steven winkte ab. „Das brauchst du ihn nicht zu fragen. Mason fliegt grundsätzlich First Class, trinkt literweise Champagner und lässt sich vom Personal ein Drei-Gänge-Menü servieren, bevor man ihm liebevoll sein Bettchen richtet, damit er den Rest des Fluges verschlafen kann.“

Mason seufzte. „Und das Schlaflied hat der Typ neben mir gesungen, als er wie ein Holzfäller geschnarcht hat.“

„Oh je, du Armer.“ Emma legte ihre Hand auf seinen Arm. „Dafür wartet auf dem Hof ein gemütliches Gästezimmer mit einem riesengroßen Bett auf dich. Cat hat sogar eine neue Matratze gekauft, damit du dich auch ganz sicher in der Familie wohlfühlst, obwohl du höchsten Luxus gewohnt bist.“

Mason lachte. „Das hört sich gut an.“

Sie verließen das Flughafengebäude. Ein frischer Wind blies um die Ecke und Mason schauderte. „Ganz schön kalt in Hamburg.“

Emma winkte ab. „Wir hatten gestern Abend ein Gewitter, dann ist es am nächsten Tag manchmal frisch. Für morgen haben sie wieder sommerlichere Temperaturen angesagt.“

Sie liefen zum Parkhaus hinüber und zehn Minuten später fädelte Steven den Wagen in den laufenden Verkehr des Autobahnzubringers ein.

Mason sah aus dem Fenster und ließ die ersten Eindrücke des fremden Landes auf sich wirken. Seit Ian und Annabell regelmäßig zwischen Los Angeles und Hamburg pendelten, hatten seine Cousins ihn immer wieder eingeladen, sie zu besuchen.

Doch dann war Mary krank geworden, und weil sie keine Familie hatte, hatte er sie in den Club geholt und sich um sie gekümmert, anstatt Urlaubsreisen zu unternehmen. Im letzten Jahr hatte der Krebs den Kampf gewonnen. Mary war gestorben, und für ihn wurde es Zeit, mal was anderes als den Club oder sein Büro zu sehen.

Seufzend rieb er sich über das Gesicht. Er hatte Mary nicht geliebt. Sie waren nie ein Paar gewesen. Sie hatte viele Jahre in seinem Club gearbeitet und dabei waren sie Freunde geworden, die, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab, angenehme Sessions miteinander zelebrierten. Dennoch war es hart für ihn gewesen, zuzusehen, wie die Krankheit sie allmählich zerstört hatte.

Steven knuffte gegen seinen Arm und holte ihn damit aus den Erinnerungen in die Gegenwart zurück. „Ich hoffe, du hast für deine Zeit hier noch keine Pläne gemacht.“

„Nein, warum sollte ich?“

„Cat hat eine lange Liste von Unternehmungen aufgeschrieben, die wir alle zusammen mit dir abarbeiten sollen.“ Emmas helle Stimme klang von der Rückbank nach vorn und er stöhnte.

„Dies ist seit Langem mein erster richtiger Urlaub. Ich wollte es eigentlich ruhig angehen lassen.“

Steven zwinkerte. „Wir passen auf, dass die Frauen dich nicht zu sehr vereinnahmen. Aber richte dich schon mal darauf ein, ein paar Kilo zuzunehmen. Cat backt den besten deutschen Butterkuchen, den du dir vorstellen kannst.“

„Das hört sich gut an. Seit eure Mutter damals gestorben ist, habe ich diesen herrlichen Kuchen nie wieder gegessen.“

*

Leise eine Melodie summend, räumte Antonia ihren Schreibtisch auf und verließ ihr Büro. Stevens Assistentin war auch schon gegangen und auf der ganzen Etage herrschte bereits abendliche Ruhe. Ihr gefiel die Atmosphäre in der Firma.

Antonia lief die Treppe hinunter, ging am Empfangstresen vorbei und wandte sich Richtung Hinterausgang. Durch einen schmalen Durchgang gelangte sie in die große Lagerhalle. Wenn man diese durchquerte, kam man an der dem Haupteingang gegenüberliegenden Hauptstraße heraus.

Sie steckte ihre Karte in das Lesegerät und die schwere Stahltür sprang auf. Auch im Lager arbeitete um diese Zeit niemand mehr, und ihre Schritte hallten auf dem grauen Betonboden, während sie durch die breiten Gänge mit den hohen Regalen rechts und links zum großen Tor auf der anderen Seite lief. Die Abkürzung durch die Lagerhalle nutzte sie immer, wenn sie, wie an diesem Abend, nicht nach Hause fuhr, sondern sich noch verabredet hatte. Sie gelangte so auf kürzestem Weg zu den Landungsbrücken und musste nicht um den gesamten Gebäudekomplex herumlaufen.

Vor der Halle an der Laderampe standen drei Lkws mit Containern, die vermutlich noch nicht entladen worden waren. Zwei der Lagerarbeiter waren noch da, obwohl sie längst Feierabend hatten. Sie lehnten an der Wand, rauchten und redeten mit drei anderen Männern, die dunkle Anzüge trugen. Antonia wunderte sich kurz, wurde jedoch abgelenkt, weil ihr Smartphone in der Tasche brummte. Sie blieb stehen und zog es heraus.

Eine Nachricht von Lilly. Ich habe uns schon zwei Cocktails bestellt.

Antonia schüttelte schmunzelnd den Kopf. Typisch Lilly, immer die Erste und immer ungeduldig.

Sie blieb stehen. Bin auch gleich da, tippte sie, ließ das Handy wieder in die Tasche fallen und setzte ihren Weg fort. Um das Grundstück der Carter GmbH durch den Fußgängereingang, der in das riesige geschlossene Schiebetor integriert war, zu verlassen, brauchte sie erneut ihre Magnetkarte.

Sie verließ das Gelände und schloss hinter sich die Tür. Ein Auto parkte an der Seite der Zufahrt. Da hatte wohl mal wieder jemand das Parkverbotsschild missachtet. Das kam häufig vor, denn viele Autofahrer glaubten, dass sie nach Geschäftsschluss in der privaten Einfahrt parken könnten, ohne Ärger zu bekommen. Manchmal standen die Autos jedoch morgens noch da und behinderten die Lkws, die sich an ihnen vorbeischlängeln mussten, um an die Lagerhalle heranzufahren.

Antonia ging an der Limousine mit den getönten Scheiben vorbei und holte ihr Handy heraus, um das Nummernschild zu fotografieren. Sie würde Steven das Bild mailen, dann konnte er entscheiden, ob er Anzeige erstatten wollte.

Sie erreichte die Hauptstraße. Hier wandte sie sich nach rechts. Die Leuchtreklame des Lokals, in dem sie sich mit ihrer Freundin verabredet hatte, war schon zu sehen. Wie auf Kommando knurrte ihr Magen und sie freute sich auf einen angenehmen Abend.

Es war wirklich ein Glücksfall gewesen, dass Lilly vor drei Jahren die Wohnung gegenüber von ihrer eigenen gemietet hatte. Sie hatten sich auf Anhieb supergut verstanden und verbrachten seitdem mindestens einen Abend in der Woche miteinander.

Gut gelaunt betrat Antonia das Restaurant, entdeckte Lillys weizenblonden Lockenkopf an einem Fensterplatz und setzte sich zu ihr.

„Heute also Mojitos.“ Antonia grinste, als sie sich Lilly gegenübersetzte und die beiden Cocktailgläser auf dem Tisch stehen sah.

Lilly zwinkerte. „Wir müssen doch unserem Rhythmus treu bleiben.“

„Aber vor dem zweiten muss ich erst etwas essen, sonst fange ich an, zu lallen.“

„Einverstanden.“

Sie ließen sich die Speisekarten bringen und bestellten.

Während sie aßen und sich anschließend einen weiteren Cocktail bringen ließen, hatten sie sich wie immer viel zu erzählen. Sie beachteten die anderen Gäste um sie herum nicht, bis plötzlich zwei Typen in Businessanzügen vor ihrem Tisch standen. Der Blonde mit sexy Wuschelfrisur zeigte ein charmantes, jungenhaftes Lächeln. „Hey, ihr Hübschen. Habt ihr noch Platz für zwei nette Jungs an eurem Tisch?“

Bevor Lilly reagieren konnte, scannte Antonia die beiden bereits mit einem schnellen Blick und traf ihre Entscheidung. „Nein. Alles besetzt“, antwortete sie, ohne eine Miene zu verziehen.

„Ups.“ Der Blonde grinste schief. „Stören wollen wir natürlich nicht.“ Er schlug seinem Freund auf die Schulter. „Lass uns lieber gehen, bevor die Dame noch aggressiv wird.“

Sie verzogen sich und Lilly gluckste. „Meine Güte,

du kannst aber auch arrogant rüberkommen. Hast du das vor dem Spiegel eingeübt oder ist das ein angeborenes Talent?“

Antonia verdrehte die Augen. „Sag nicht, ich hätte diesen Spinner an unseren Tisch lassen sollen.“

Lilly wiegte leicht den Kopf hin und her. „Ihn vielleicht nicht, aber sein Freund hatte dieses gewisse Etwas.“ Sie seufzte. „Ich mag ja diese harten Typen, die nicht lange fragen, sondern sich im Bett nehmen, was sie wollen. Und der sah so aus, als wäre er einer von dieser Sorte.“ Sie trank einen Schluck. „Außerdem hatte er eine teure Uhr am Handgelenk, er scheint also kein Loser zu sein.“

Unauffällig sah Antonia zu den beiden hinüber, die sich an den Tresen gestellt hatten und dort gerade Getränke bestellten. Lilly hatte recht. Der Begleiter des blonden Schönlings verkörperte das Gegenteil von Freundlichkeit. Er hatte ein ernstes, kantiges Gesicht, eine drahtige Figur und sehr kurze schwarze Haare. Ausgerechnet in diesem Moment sah er zu ihr hinüber. Ihre Blicke begegneten sich und seiner war nicht gerade freundlich.

Lilly hatte recht. Die Aura dieses Mannes verleitete eine Frau dazu, sich ihm unterzuordnen … wäre sie devot veranlagt. In Antonias geheimen erotischen Fantasien kamen solche Typen vor, aber in der Realität entsprach es nicht ihrer Natur, sich auf einen von ihnen einzulassen. Dafür war sie viel zu emanzipiert.

„Den findest du auch heiß, gib’s zu.“ Lilly kicherte und Antonias Blick zuckte herum. „Was?“

„Du hast ihn angestarrt. Du fährst auf ihn ab.“

„Quatsch.“

„Feigling.“

Antonia schnaubte und trank einen Schluck von ihrem Cocktail. Lilly tätschelte ihren Arm. „Wenn du weiterhin alle Männer verscheuchst, bevor sie überhaupt die geringste Chance haben, dich kennenzulernen, wirst du einsam alt werden, Schätzchen. Denk mal darüber nach.“

Come on, Tiger!

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