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ОглавлениеConnor
Ich hasse es, wenn ich eine Aussage vor Gericht machen muss. Zugegeben, in unserem Job kommt das hin und wieder mal vor, auch wenn es wirklich nicht oft ist, dass ich das machen muss. Doch wenn ich es muss, habe ich meistens keine gute Laune. Und genauso ist es auch heute wieder der Fall. Ich hasse es, wenn ein Anwalt meine Aussage anzweifelt und so tut, als hätte ich alles falsch mitbekommen. Und für gewöhnlich ist genau das der Fall.
Vier Stunden habe ich in dem Gerichtsgebäude verbracht und dabei die meiste Zeit vor dem Saal gesessen und darauf gewartet, dass ich endlich an der Reihe bin. Mir ist es schleierhaft, wie Anwälte das aushalten. Ständig verschiebt sich alles und man sitzt dort eine Ewigkeit. Meistens ist es auch so, dass man selber noch Termine hat, die man dann entweder verschieden oder absagen muss. Vor allem bei mir ist das unvorteilhaft, da ein beruflicher Termin dann von einem meiner Brüder wahrgenommen werden muss.
„Du siehst so aus, als könntest du ein Bier gebrauchen“, verkündet Ty, als er mich entdeckt. Dabei hat sich ein Grinsen auf sein Gesicht geschlichen, welches ich nur zu genau kenne.
Er weiß, dass diese Termine nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählen und macht sich nun einen Spaß daraus.
„Nur ein Bier?“
Meine Antwort sorgt dafür, dass meine Brüder anfangen zu lachen. Ich brauche ihnen jedoch nur einen bösen Blick zuzuwerfen, um sie zum Schweigen zu bringen. Allerdings ist die nur oberflächlich. Das Zucken um ihre Augen verrät, dass sie sich nur schwer zurückhalten können.
„Das nächste Mal könnt ihr das machen“, fauche ich.
„Ich hätte es dir sofort abgenommen“, erwidert Ty. „Auf jeden Fall wäre es besser gewesen, als mit Martin ein paar alte Fälle durchzugehen. Allerdings wäre ich dem Gericht keine große Hilfe gewesen. Schließlich war ich nicht einmal dabei und kenne die Geschichte nur aus deinen Erzählungen.“
Genervt seufze ich und nehme einen großen Schluck von dem Bier, was die Kellnerin vor mich stellt. Mit einem Lächeln auf den Lippen verschwindet sie wieder.
„Wie geht es Valerie?“, erkundige ich mich bei Damon, um mich auf etwas anderes zu konzentrieren.
„Ihr geht es super. Seit zwei Wochen geht sie wieder arbeiten. Nach dem Brand ist die Schule zwar noch nicht wieder fertig, aber ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird. Heute Morgen bin ich kurz dran vorbeigefahren.“
Valerie steckte in riesigen Schwierigkeiten, als Damon sie vor einigen Wochen bewusstlos aus ihrem Wagen befreit hatte. Zweimal hatte man insgesamt versucht sie umzubringen und dafür sogar die Schule in Brand gesetzt und das Leben der Schüler in Gefahr gebracht. Allerdings war es ihnen nicht gelungen, was sie nur meinem Bruder zu verdanken hat. Hätte er sie nicht rechtzeitig aus dem Feuer geholt, wäre sie zum Zeitpunkt der Explosion noch immer dort gefangen gewesen.
Seit diesem Tag sind sie zusammen. Allerdings bin ich mir sicher, dass es schon viel eher mit ihnen angefangen hat. Wenn ich meinen Bruder allerdings danach frage, bekomme ich keine Antwort von ihm. Das nehme ich jedoch als Zeichen, dass ich recht habe.
„Es gibt sogar schon einen neuen Direktor an der Schule. Als ich seinen Namen erfahren habe, habe ich ihn aber überprüft um sicherzugehen, dass dieser für diese Stelle auch geeignet ist. Ein zweites Mal kann ich wirklich darauf verzichten.“
Einen Moment betrachte ich meinen Bruder aufmerksam. Es gab mal eine Zeit, da hätte ich nicht gedacht, dass er tatsächlich eine feste Beziehung eingeht. Aber Valerie hat es geschafft, ihn sofort zu ändern, als er sie aus dem Wrack ihres Autos gezogen hatte. Von diesem Augenblick an hat sich bei ihm alles nur noch um sie gedreht. Aber das Gleiche gilt auch für Ty.
„Wie ich sehe, hast du alles unter Kontrolle“, stelle ich fest.
„Das hoffe ich doch. Ich kann ja schließlich nicht ewig neben ihr sitzen und auf sie aufpassen.“ Ich sehe meinem Bruder an, dass ihm die Vorstellung überhaupt nicht gefällt.
Er liebt Valerie, daran habe ich überhaupt keine Zweifel. Und aus diesem Grund will er sich nicht ständig Sorgen um sie machen. Er will, dass sie in Sicherheit ist und ihr Leben weiterführen kann, wie sie es gewohnt ist.
„Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ihr das gefällt. Phoebe zumindest würde mich irgendwann fragen, ob ich sie noch alle habe“, lacht Ty.
Damon wirft ihm einen genervten Blick zu, sodass ich beschließe dazwischen zu gehen, bevor die beiden sich noch richtig streiten, was ich allerdings eher für unwahrscheinlich halte. Wir haben uns schon als kleine Kinder gerne aufgezogen und daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert.
Da wir nicht nur Brüder sind, sondern auch zusammenarbeiten, muss man es mit Humor nehmen, damit wir uns nicht bei jeder Gelegenheit streiten.
„Ich hole mir noch ein Bier“, verkünde ich, nachdem ich das restliche Glas in einem Zug geleert habe. Dabei öffne ich meine Krawatte und werfe sie auf den Tisch, nachdem ich sie mir vom Hals gezogen habe.
„Wirst du dich jemals daran gewöhnen, vor Gericht eine zu tragen?“
„Nein und ich mache es auch nur, um zu zeigen, dass ich vom Fach bin“, antworte ich Damon, stehe auf und verschwinde in der Menge.
Da der Laden voll ist, komme ich nur langsam voran. Deswegen dauert es auch eine Ewigkeit, bis ich endlich die Bar erreicht habe und nochmal so lange, bis ich an der Reihe bin.
„Danke“, sage ich zu der Kellnerin, nachdem sie mir die Bierflasche hingestellt hat.
Ein verlegenes, beinahe schon schüchternes, Lächeln erscheint, doch ich gehe nicht näher darauf ein. Ich bin diese Reaktion gewöhnt auf meine Person gewöhnt. Daher gehe ich meistens nichts mehr darauf ein. Stattdessen drehe ich mich um und will mich wieder auf den Rückweg machen.
Doch ich habe noch keine drei Schritte hinter mir gebracht, als ich mit einer anderen Person zusammenkrache. Ich drehe mich in die Richtung und erkenne, dass eine Frau vor mir steht. Verwirrt sieht sie zu mir auf, während ich sie bereits genau betrachte.
Ihre hellen Haare fallen ihr in leichter Wellen über die Schulter und ihr kurzes Kleid ist so eng, dass nichts der Fantasie überlassen wird, aber auch nicht so kurz, dass man sie als Schlampe bezeichnen könnte.
Sie hat Stil, das sehe ich auf den ersten Blick. Doch das ist nicht das einzige. Ich erkenne außerdem, dass sie ein wenig schüchtern ist.
„Sorry“, murmelt sie verlegen, nachdem sie mich einige Sekunden schweigend betrachtet hat.
Dabei sieht sie sich zu allen Seiten um, als würde sie nach jemandem Ausschau halten. Doch sollte sie mit einem Mann hier sein, muss ich leider sagen, dass er jetzt Pech hat. Nun steht sie vor mir und ich habe nicht vor, sie einfach so gehen zu lassen.
„Kein Problem. Hier ist es so voll, dass es mich schon wundert, dass man sich nicht ständig gegenseitig auf die Füße tritt.“
Es dauert einen Moment, doch schließlich konzentriert sie sich wieder auf mich. Verlegen streicht sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und scheint darüber nachzudenken, was sie am besten zurückgeben soll. Geduldig warte ich darauf, doch sie gibt keinen Ton von sich. Daher beschließe ich, dass ich einen Schritt weitergehen werde.
„Connor“, nenne ich ihr meinen Namen.
„Alicia.“
„Schöner Name“, stelle ich fest.
Ihre Augen funkeln vergnügt. Doch sie geht nicht näher darauf ein, was ich eigentlich gehofft habe.
„Ich habe dich noch nie hier gesehen und ich bin öfter hier. Ich bin mir sicher, dass du mir aufgefallen wärst“, spreche ich weiter, ohne mich davon beeindrucken zu lassen.
„Ich bin auch das erste Mal hier. Eigentlich komme ich aus New York. Ich besuche meine Freundin.“
„Ah, also bist du mit ihr hier“, stelle ich zufrieden fest, da ich jetzt weiß, dass ich mich gleich nicht mit einem ungebetenen männlichen Gast beschäftigen muss. Es ist nicht so, dass ich mit denen nicht fertig werde, sondern vielmehr, dass ich keine Lust darauf habe, mich mit ihm auseinanderzusetzen.
„Eigentlich schon. Aber ich habe gerade keine Ahnung, wo sie steckt.“
Während sie spricht, sieht sie sich zu allen Seiten hin um. Doch als ich die Enttäuschung auf ihrem Gesicht sehe weiß ich, dass sie ihre Freundin anscheinend noch nicht ausgemacht hat.
„Du kannst auch einfach so lange bei mir bleiben, bis du sie gefunden hast“, schlage ich vor. „Und wenn du mir verrätst, wie sie aussieht, halte ich auch meine Augen nach ihr offen.“
Ich meine diese Worte nur halb ernst. An ihrem überraschten Ausdruck im Gesicht kann ich allerdings erkennen, dass sie nicht weiß, was sie davon halten soll. Auf diese Weise bringt sie mich zum Grinsen.
„Ich werde einfach weiter suchen, bis ich sie gefunden habe“, entgegnet sie, nachdem sie einen Moment darüber nachgedacht hat. „Aber danke für dein Angebot.“
Doch wenn ich ihre Körpersprache richtig deute, und davon gehe ich aus, würde sie gerne bleiben und sich noch ein wenig mit mir unterhalten.
„Ich mache dir einen Vorschlag“, entgegne ich nun. Gleichzeitig wandert mein Blick in die Richtung meiner Brüder, die uns nicht aus den Augen lassen. Allerdings habe ich auch nichts anderes von ihnen erwartet. Sie sind vergeben und warten nur darauf, dass ich auch endlich eine Frau an meiner Seite habe.
Ich bin mir sicher, dass sie ihren Spaß gerade haben, was mich aber nur nervt.
Neugierig dreht sie ihren Kopf in meine Richtung und hebt die Augenbrauen ein Stück an.
„Und der wäre?“
„Wir treffen uns morgen Abend und ich zeige dir ein wenig von der Stadt.“
Aufmerksam betrachtet sie mich. Geduldig warte ich darauf, dass sie zustimmt. Und ich weiß, dass sie das machen wird. Man kann auch behaupten, dass sie überhaupt nicht anders kann.
„Gerne“, stimmt sie schließlich zu und nickt.
In der nächsten Sekunde hält sie mir ihre Hand ihn und signalisiert mir so, dass ich ihr mein Handy geben soll. Schnell ziehe ich es aus meiner Hosentasche und entsperre es.
Flink gibt sie ihre Nummer ein und wirft mir einen letzten Blick zu, bevor sie in der Menge verschwindet. Ich bleibe noch einen Moment stehen und sehe ihr nach, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden ist. Dabei wandert mein Blick zu ihrem Hintern.
Ich habe Anstand, genauso wie meine Brüder auch, doch das ändert nichts daran, dass ich auch nur ein Mann bin.
Mit einem Lächeln gehe ich zu meinen Brüdern zurück und setze mich wieder an den Tisch.
„Wer war das denn? Unsere neue Schwägerin?“, erkundigt sich Ty und versucht dabei ernst zu bleiben.
Allerdings kann ich sehen, dass er sich nur schwer ein Grinsen verkneifen kann, sodass ich ihm am liebsten die Meinung sagen würde. Doch ich kenne meine Brüder und weiß, dass es eh nichts bringen würde. Sie würden es nur als Anlass nehmen, um mir noch weiter auf die Nerven zu gehen. Deswegen verdrehe ich nur die Augen.
„Sie ist mein Date für Morgen“, setze ich sie jedoch noch in Kenntnis.
Beide pfeifen leise durch die Zähne, während sie noch einmal auf den Platz schauen, wo ich vorhin mit ihr stand. Ich hingegen nehme noch einen großen Schluck aus der Bierflasche und freue mich schon jetzt auf die Verabredung mit ihr.