Читать книгу Love between us - Sarah Glicker - Страница 4
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ОглавлениеZwei Wochen ist es nun schon her, dass ich Jax verlassen habe. Obwohl man ja nicht einmal richtig sagen kann, dass ich ihn verlassen habe. Schließlich habe ich es ihm nie gesagt. Ich bin einfach abgehauen, auch wenn es vernünftiger gewesen wäre, mit ihm zu sprechen. Ihn zu fragen, was mein Bruder damit meinte. Das weiß ich, doch genau das habe ich nicht getan. Ich bin nicht einmal ans Telefon gegangen, als er mich in den Stunden und Tagen danach versucht hat zu erreichen.
Und dennoch kann man sagen, dass ich ihn verlassen habe. Sonst wäre ich am nächsten Tag hier gewesen, als er die Stadt verlassen hat.
In diesen zwei Wochen habe ich versucht mir einzureden, dass es das richtige ist. Ich habe versucht mir einzureden, dass ich nur eine weitere Frau in seiner langen Liste war und es leider nicht früher bemerkt habe. Und genauso habe ich mir versucht einzureden, dass die Hochzeit mit ihm nur ein dummer Fehler war.
Doch die Wahrheit ist, dass sich in diesem Moment, in dem ich gesagt habe, dass ich ihn liebe, dass ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen will, sich nichts dumm angefühlt hat und auch nicht falsch. Ich war so glücklich, wie noch nie in meinem Leben zuvor. Und das bin ich auch jetzt noch, wenn ich daran denke, auch wenn ich noch nicht sagen kann, wie es weiter gehen wird. Beziehungsweise, ob es überhaupt weiter gehen wird.
Und das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass es mir seit seiner Abreise immer schlechter ging. Und genauso habe ich mir versucht einzureden, dass es mit der Zeit besser werden wird. Dennoch habe ich seit ein paar Tagen kaum noch etwas gegessen, da die Sehnsucht nach ihm immer schlimmer wird, anstatt besser. Ständig frage ich mich, was er gerade macht, oder mit wem er zusammen ist.
Und genau das ist es, was man mir langsam in jeder Hinsicht auch ansieht. Aber bei jedem Tag der vergeht, denke ich noch mehr an ihn und es scheint nichts zu geben, was ich dagegen unternehmen kann. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass ich bald den Verstand verliere und verrückt werde.
Rund um die Uhr frage ich mich, ob ich nicht falsch reagiert habe. Schließlich habe ich ihn nicht einmal auf diese Unterhaltung angesprochen, die ich mit angehört habe. Doch als ich versucht habe sie zu verarbeiten, schien es mir an einfachsten, nicht mehr mit ihm zu sprechen. Und all das zu vergessen, was zwischen uns vorgefallen ist. So weiterzumachen, als wäre nie etwas geschehen.
Und irgendwann auch die Scheidung einzureichen.
Auch wenn es dazu gehört, so habe ich mir bis jetzt noch keine Gedanken darüber gemacht. Und ehrlich gesagt kann ich das jetzt auch noch nicht.
Seufzend lasse ich mich in die dicken Kissen auf meinem Bett sinken und starre an meine Zimmerdecke. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, wobei ich sagen muss, dass ich das von Anfang an nicht wirklich wusste. Es kommt mir so vor, als würde es nichts geben, was mein Verhalten rechtfertigt, auch wenn es mir noch vor wenigen Tagen als der beste Schritt vorkam, den ich nur machen kann. Seitdem ist diese Gewissheit verschwunden, bis nichts mehr davon übrig geblieben ist.
Ich befinde mich in meiner eigenen Welt, sodass ich das Klingeln meines Handys nur leise wahrnehme. Langsam greife ich danach und werfe einen Blick auf das Display.
Der Name von Lana springt mir beinahe entgegen und hält mir wieder einmal vor Augen, dass es schon ein wenig her ist, dass ich mit ihr gesprochen habe. Aber nicht nur mit ihr hatte ich nicht sehr viel Kontakt.
In den letzten Wochen bin ich meinen Freundinnen aus dem Weg gegangen. Wenigstens so gut es ging. Ich weiß, dass ich das nicht ewig machen kann. Früher oder später werden sie hier auf der Matte stehen. Dann werden sie erfahren, wie schlecht es mir wirklich geht und mich fragen, wieso ich mich nicht bei ihnen gemeldet habe. Und diese Frage kann ich nicht beantworten.
Auch wenn ich eigentlich überhaupt keine Lust habe, mich zu unterhalten, und es ist egal, wer dran ist, nehme ich das Gespräch entgegen.
„Hi“, begrüße ich sie.
So gut es geht versuche ich mir meine schlechte Laune nicht anmerken zu lassen, die seit seiner Abfahrt Besitz von mir ergriffen hat. Doch Lana ist nicht umsonst meine beste Freundin. Sie kennt mich zu gut, sodass ich ihr auch nicht ausweichen kann. Und das ist mir bewusst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie etwas merkt.
„Zieh dich an und dann werden wir etwas unternehmen, ich kann mir das nicht mehr länger mit ansehen. Langsam ist es wirklich genug. Die anderen wissen schon Bescheid, wir treffen sie am Pier. Und du brauchst überhaupt nicht mit Ausreden anzukommen. Das ist eine beschlossene Sache, wo du keine Chance hast, dich dieser zu entziehen.“
„Lana“, sage ich, obwohl ich die Entschlossenheit in ihrer Stimme höre und daher weiß, dass ich eigentlich überhaupt keine Chance habe. Dennoch versuche ich es. „Ich habe wirklich keine Nerven dafür. Macht ihr euch einen schönen Nachmittag und wir treffen uns in den nächsten Tagen“, schlage ich vor.
„Ihr hattet zwar eine Hochzeit in Las Vegas ohne uns, so ist er doch dein Ehemann und es ist normal, dass man den vermisst. Vor allem nachdem, was du mit angehört hast, ist es okay, wenn man den Kopf hängen lässt und von nichts und niemanden mehr etwas wissen will. Das kann ich verstehen, wirklich. Irgendwann wirst du mit ihm sprechen müssen, damit ihr das endlich klären könnt. Und du kannst mir glauben, dass ihr das bald machen müsst. Ich finde zwei Wochen Funkstille für ein frisch verheiratetes Paar nämlich sehr viel. Aber davor solltest du dir selber Gedanken über alles gemacht haben. Und das kannst du nur, wenn du den Kopf freihast. Wir wollen dir helfen. Ich bin mir sicher, dass er dich liebt und nicht glücklich darüber wäre, dich so zu sehen.“
Bei ihren Worten kommen mir die Tränen. In den letzten Wochen habe ich genug geweint, sobald er mir auch nur eine Nachricht geschrieben hat, sodass meine Augen mittlerweile geschwollen sind und schmerzen. Am Anfang habe ich sie noch gelesen. Ich hatte die Hoffnung, dass er mir schreibt, dass es ein Fehler war und er die Scheidung einreicht, und es mir so ein wenig leichter macht. Stattdessen stand in jeder Nachricht, wie sehr er mich liebt und dass er mir die Zeit geben will, die ich brauche. Das er mich aber nicht aufgeben wird. Aus diesem Grund habe ich sie irgendwann nur noch gelöscht.
„Okay“, willige ich ein, nachdem darüber nachgedacht habe.
Zum einen möchte ich mich wirklich mit meinen Freundinnen treffen. Ich habe keine Lust noch einen Tag länger in meinem Schlafzimmer zu verbringen. Zum anderen weiß ich aber auch, dass ich keine Chance gegen Lana habe. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie es durch. Auch wenn sie dafür herkommen muss, um mich zu holen. Und ich würde ihr zutrauen, dass sie genau das machen wird.
„Gut, dann bis gleich.“ Mehr sagt sie nicht, sondern legt einfach auf.
Ein paar Sekunden schaue ich mein Handy einfach an. Es zeigt mir Nachrichten an, die von Jax und meinem Bruder sind. Doch ich beschließe, dass ich sie erst lesen werde, wenn ich wieder zu Hause bin.
Um zu verhindern, dass Lana, Liana und Savannah doch noch hier auftauchen, stehe ich schnell auf, mache mich fertig und fahre zum vereinbarten Treffpunkt. Auch, wenn mir nicht danach ist.
Als ich dort ankomme kann ich meine Freundinnen bereits von weitem erkennen. Als ich registriere, wie ungeduldig sie sich nach mir umsehen überlege ich kurz, ob ich nicht einfach wieder verschwinden soll. Noch haben sie mich nicht entdeckt. Doch genauso schnell, wie mir dieser Gedanke gekommen ist, schiebe ich ihn auch wieder zur Seite.
Ich weiß nicht, ob Jax und ich nochmal wieder ein Paar werden. Da will ich meine Freundinnen nicht vor den Kopf stoßen.
Ein letztes Mal straffe ich die Schultern und atme tief durch. Dann setze ich mich in Bewegung und gehe auf sie zu.
Kaum haben sie mich bemerkt, kommen alle auf mich zu und schließen mich in ihre Arme. Fest umarmen sie mich und machen auch keine Anstalten, sich wieder von mir zu lösen. Ich muss zugeben, dass es mir guttut und mir auch einen Teil meiner Sorgen nimmt. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Denn sofort schummelt sich Jax wieder in meine Gedanken.
„Ich bin mir sicher, dass es sich von ganz alleine regeln wird. Ihr wart ein süßes Paar, auch wenn Mason nichts davon wissen durfte. Und auch wenn ich ein wenig schimpfen muss, weil ich gerne bei der Hochzeit gewesen wäre.“ Savannah sieht mich halb mahnend und halb mitfühlend an.
„Waren?“, erkundigt sich nun Liana und betrachtet Savannah. „Das sind sie noch immer und werden es auch immer sein. Denn wie du schon so schön gesagt hast, es wird sich von alleine regeln. Die beiden gehören einfach zusammen.“
„Würdet ihr vielleicht aufhören euch so zu unterhalten, als würde ich nicht daneben stehen?“, frage ich und schaue sie nacheinander an.
„Entschuldige.“ Liana verzieht das Gesicht. Ich kann ihr das schlechte Gewissen ansehen, doch das muss sie nicht haben.
„Und könnten wir uns vielleicht über etwas anderes unterhalten?“, frage ich nun, bevor sie noch etwas zu diesem Thema sagen können.
Ich bin hier, um mich endlich mal mit etwas anderem zu beschäftigen. Etwas, was nichts mit meinem Ehemann zu tun hat. Auch wenn ich nicht sagen kann, ob mir das wirklich gelingt. Schließlich steht da noch immer dieses Problem zwischen uns und das gefällt mir überhaupt nicht.
„Klar“, erwidert Lana, wobei ich weiß, dass sie sich nicht sicher ist, ob es wirklich die richtige Antwort ist. „Ich dachte mir, dass wir vielleicht shoppen gehen und etwas essen. Die beste Medizin gegen alles.“
„Du kannst uns berichten, wie es zwischen dir und meinem Bruder läuft“, erwidere ich.
Frech grinse ich sie an. Es kommt mir so vor, als wäre es einfacher, mich mit den beiden zu beschäftigen, als mit meinen eigenen Problemen. Auch wenn ich mir sehr wohl darüber bewusst bin, dass die beiden wieder ganz schnell zu meinem Problem werden können, wenn es zwischen ihnen Streit gibt.
„Eigentlich gibt es da nicht sehr viel zu berichten.“ Lana entfernt sich ein paar Schritte und wartet darauf, dass wir ihr folgen. Erst dann spricht sie weiter.
„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Savannah ist nicht überzeugt. Und irgendwie bin ich auch das nicht.
„Es ist wirklich so. Seitdem er wieder weg ist, haben wir ein paar Mal miteinander telefoniert und geschrieben. Und nachher werde ich mich ja auch schon auf den Weg nach San Francisco machen für die nächsten Tage. Ich kann nicht sagen, wann wir uns treffen werden. Mason hat auch nichts gesagt, wann er das nächste Mal in Los Angeles ist.“
Lana zuckt mit den Schultern. Doch ich frage mich, ob sie wirklich so gleichgültig ist, wie es gerade den Anschein macht. Jedoch beschließe ich, dass ich nichts weiter dazu sagen werde. In gewisser Weise kann man nämlich festhalten, dass es zwischen den beiden genauso schwierig ist, wie zwischen Jax und mir. Falls ich nicht einfach viel zu übertrieben reagiert habe.
In den nächsten Stunden schaffen es meine Freundinnen, dass es mir etwas besser geht, als ich wieder nach Hause fahre. Allerdings nur etwas. Meine Hauptaufmerksamkeit liegt nämlich immer noch auf Jax. Und ich bin mir sicher, dass es auch noch eine Weile so sein wird, bis ich endlich mit ihm gesprochen habe. Doch das ändert nichts daran, dass ich es einfach nicht kann.
Irgendetwas hindert mich noch immer daran und das gefällt mir überhaupt nicht. Und das einzige, was mich daran hindert, ist wahrscheinlich die Gewissheit, dass ich nicht weiß, was eine Unterhaltung ergeben wird. Ich habe nämlich Angst davor, dass wir uns trennen.
Als ich vom Parkplatz fahre, überlege ich, wie ich so etwas am besten angehen könnte und vor allem, wann ich das am besten mache. Es wird keine leichte Unterhaltung werden, das steht fest. Genauso wie es keine schnelle Unterhaltung werden wird. Nein, es gibt so einiges, über das wir uns unterhalten müssen. Nur dafür gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt, am Telefon möchte ich das auf jeden Fall nicht machen.
Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich es endlich durch die volle Stadt geschafft habe und in unserem ruhigeren Wohngebiet angekommen bin. Doch in der Sekunde, in der ich über eine der zahlreichen kleinen Kreuzungen fahren will, spüre ich, wie ein Ruck durch meinen Wagen geht.
Er sorgt dafür, dass ich in den Sitz gedrückt werde und mein Kopf nach hinten fällt. Benommen versuche ich herauszufinden, was hier gerade geschieht, doch das kann ich nicht wirklich. Das einzige, was ich mit Gewissheit sagen kann ist, dass mein Wagen noch immer weiter nach vorne geschoben wird.
Als ich realisiere, dass das Auto hinter mir, mich direkt auf einen Baum zuschiebt, der sich auf der anderen Straßenseite an der Ecke befindet, trete ich instinktiv auf die Bremse und versuche stehenzubleiben.
Doch dieser Versuch, die Kontrolle über meinen Wagen wieder zu bekommen, scheitert. Ich schaffe es zwar, die Geschwindigkeit ein wenig zu vermindern, doch er bleibt nicht stehen.
Gleichzeitig wünsche ich mir, dass ich den Fahrer irgendwie auf meine missliche Lage aufmerksam machen kann.
Als ich einen Blick in den Rückspiegel werfe, kann ich ihn nicht richtig erkennen. Was ich erkennen kann, reicht jedoch aus, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
Das Gesicht des Fahrers ist vermummt. Nur ein kleiner Schlitz sorgt dafür, dass er selber etwas erkennen kann. Ich weiß zwar nicht, was hier genau los ist. Doch ich weiß, dass ich ein Problem habe, wenn ich meinen Wagen nicht wenigstens ein wenig abbremsen kann. Dann werde ich nämlich mit voller Geschwindigkeit irgendwo drauf fahren.
Verzweifelt versuche ich mein Lenkrad zur Seite zu ziehen, um ihm zu entkommen. Aber ich schaffe es auch so nicht, auf eine freie Fläche zu kommen, wo mir nichts mehr im Weg steht und ich von hier verschwinden kann.
Mit viel zu hoher Geschwindigkeit krache ich gegen ein parkendes Fahrzeug, was sich auf der anderen Straßenseite befindet. Auch wenn ich versucht habe, mich darauf vorzubereiten, werde ich nach vorne geschleudert.
Obwohl ich angeschnallt bin, werde ich mit so einer extremen Wucht nach vorne gerissen, dass ich mit dem Kopf gegen das Lenkrad knalle. Und das ist der Moment, in dem ich nicht mehr viel mitbekomme. Falls ich überhaupt noch etwas wahrnehme.
Benommen hebe ich ihn und versuche mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Ich versuche nach jemanden Ausschau zu halten, doch weit und breit gibt es keine Menschenseele. Am helllichten Tag und mitten auf der Straße bin ich auf mich alleine gestellt.
Ich versuche mich auf einen Punkt zu konzentrieren, den Gurt zu öffnen und auszusteigen, schaffe es jedoch nicht. Es dauert nicht lange, bis ich merke, wie ich das Bewusstsein verliere. Es ist egal, wie sehr ich dagegen ankämpfe.
Das einzige, was ich für einen kurzen Augenblick noch wahrnehme, ist der Qualm, der vom Motor aufsteigt.