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Ver-rückt sein - Der Beginn

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Gott wird alle ihre Tränen trocknen, und der Tod wird keine Macht mehr haben. Leid, Angst und Schmerzen wird es nie wieder geben; denn was einmal war, ist für immer vorbei.

Offenbarung 21,4

Ich saß mit meiner Familie an einem schönen Sonntagmorgen bei einer gemeinsamen Meditation, als ich plötzlich einen feurigen Geruch wahrnahm. Erst ganz fein, dann immer kräftiger. Ich war schon ein wenig beunruhigt, wartete aber noch ab, da die Meditation dem Ende zuging. So war es kurz vor Schluss der Meditation, als der Geruch so stark wurde, dass ich die Augen öffnete, um nachzusehen, ob es vielleicht irgendwo im Wohnzimmer Feuer gefangen hatte. Es war eine Mischung aus dem süßen Duft des Sandelholzes und einem sommerlichen, abendlichen Lagerfeuer. Nachdem alle die Augen geöffnet hatten, fragte ich meine Frau und Kinder, ob sie den Geruch auch so wahrnehmen würden wie ich.

Sie bestätigten mir, ihn ebenso zu riechen, und so schnüffelten wir wie die Spürhunde durch unser Wohnzimmer, um die Quelle des feurigen Duftes ausfindig zu machen. Nachdem wir alle eine Weile suchten, wurde mir bewusst, dass der so wundersame Geruch aus meinem rechten Handrücken ausströmte. Es war nichts zu sehen, nur zu riechen. Es strömte so intensiv aus meinem rechten Handrücken, dass das ganze Wohnzimmer danach roch. Selbst als ich am nächsten Tag meine Tochter von einer Freundin mit dem Auto abholte, fragte sie mich: „Papa hast du geraucht? Es riecht so nach Qualm hier.“ Ich erinnerte sie an meinen Handrücken und sie nickte verständnisvoll. Erst nach drei Tagen war der Geruch wieder vollends verschwunden. Es waren dieser Art Erlebnisse und tiefgreifende Erfahrungen an Herz und Seele, die mir Antworten auf meine vielen Fragen gaben.

Viele Jahre war ich auf der Suche nach Antworten und jetzt endlich drangen sie in mein Leben. Es waren keine Erklärungen, sondern diese tiefgreifenden, teils mystischen Erfahrungen, die mein Leben nachhaltig veränderten.

So begann sich etwas Wundersames in mir zu öffnen. Es war, als wollte die kleine Rosenknospe, die sich all die Jahre in meinem Herzen verborgen hielt, nun aufblühen, um ihre ganze Schönheit zu offenbaren. So nahm sich das Leben meiner an und legte mir die Antworten, die ich tief in meinem Herzen gestellt hatte, auf eine sanfte und verständliche Weise mitten in mein Herz. Ganz langsam führte mich das Leben immer tiefer in mein zärtlichstes Innerstes. Es half mir dabei, die Rose inmitten meiner Brust, tief in meinem Herzen, zum Erblühen zu bringen. Ganz langsam, Blütenblatt für Blütenblatt, dehnte sich die kleine Knospe aus. Mir war nicht wirklich bewusst, was während dieser Zeit in mir geschah, ich konnte nur dem Leben und den liebevollen Begegnungen und Aufforderungen, die es mir bot, Folge leisten.

So sehr hatte ich mich danach gesehnt, die Wahrheit in meinem Herzen zu finden und endlich Klarheit darüber zu erhalten, wer oder was ich wirklich bin. Spürte ich doch das Sehnen schon seit so vielen Jahren deutlich in mir. Ich war schon so lange auf der Suche und wollte endlich die Wahrheit finden. Ich wollte Klarheit haben, und ich sehnte mich so sehr nach Antworten.

Ich weiß nicht, ob es meine tiefgreifenden Gebete waren oder ob Gott einfach mein Herz und meine Seele für reif empfunden hatte, mir zu gestatten, die Sprache des Lebens zu verstehen.

Bereits mit 16 Jahren geschah es das erste Mal ganz bewusst. Ich träumte während eines Nachmittagsschlafes einen Traum, der mir die Zukunft deutete. Ich erinnere mich noch sehr deutlich daran, wie aufgeregt ich zu meiner Mutter lief und ihr davon erzählte. Ich erzählte ihr weniger von dem Inhalt. Es war mehr die Art des Traumes, die mich so bewegt hatte. Ich spürte, dass es mit diesem Traum etwas Besonderes auf sich haben musste, konnte es aber an diesem Tage nicht zuordnen. Mir kam es so vor, als hätte ich einen sehr intensiven und bewegenden Kinofilm angeschaut, alles war so lebhaft im Detail. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das der Beginn einer wundervollen Reise werden sollte, einer Reise zurück in mein Herz und in meine Seele. Eine Reise, die schon vor sehr langer Zeit begonnen hatte.

Der Traum erfüllte sich einige Jahre später vollkommen und in allen seinen Facetten.

So kam es auch dazu, dass ich im jugendlichen Alter begann, Erfahrungen mit Drogen zu machen. Glücklicherweise waren es keine starken halluzinogenen oder psychedelischen Drogen. Es handelte sich eher um die seichtere Variante, wie Marihuana und Haschisch. Irgendjemand hatte es angeschleppt und neugierig wie ich war, war ich plötzlich mit von der Partie. So vergingen drei Jahre, in denen ich mich komplett vergaß und ich nicht wusste, wo ich eigentlich hingehörte. Schon gar nicht war darüber nachzudenken, was ich mit meinem Leben eigentlich anstellen sollte oder wollte. Als sich dann, nach einem Drogenabend, alles veränderte und das Leben selbst mir eine Antwort darauf gab. So geschah es, dass ich an diesem Abend eine sehr außergewöhnliche Erfahrung machte.

Zu späterer Stunde begann ein junger Mann, den ich nicht kannte, von seiner verstorbenen Mutter zu erzählen. Er erzählte detailliert darüber, wie er einen Spaziergang an einem See machte und plötzlich ein weißes Licht sah, das über seinem Kopf erschien. Ich kann mich heute nicht mehr genau daran erinnern, was er alles über das Licht, die Erscheinung und seine Wahrnehmungen erzählte, aber nachhaltig veränderte diese Geschichte etwas in mir. Vielleicht war es die Erinnerung meiner Seele an die Schönheit des Lichtes. Ich hatte damals nicht sehr viel mit dem Tod zu tun. Es war noch niemand in meiner Familie gestorben und dennoch faszinierte mich das Thema Tod sehr. Mit 14 Jahren hatte ich ein Buch von Elisabeth Kübler-Ross über ihre Arbeit mit Sterbenden gelesen, und es berührte mich schon damals tief. Somit war mir das Leben nach dem Tod nicht ganz fremd. Aber während der junge Mann seine Erfahrung mit dem Licht immer detaillierter erzählte, muss diese Geschichte etwas in mir ausgelöst haben, denn als ich am nächsten Morgen, nach diesem Drogenabend, aufwachte, war ich in einem Bewusstseinszustand, der mir komplett neu war. Es war wirklich so, als wäre ich zum ersten Mal in meinem Leben aufgewacht. Es war alles so friedlich, so voller Kraft und Weisheit in mir. Ich war in einem Zustand voller Stille und ich weiß nicht, wie ich es hier beschreiben soll, aber mir war klar, dass keine Droge der Welt und auch keine unermessliche Menge an Drogen oder sonst etwas Künstlichem ausreichen würde, um dieses Gefühl, welches ich in diesem Augenblick so tief erlebte, zu erhalten. Es war ein wundervolles Gefühl des tiefen Friedens und heute weiß ich, dass sich mein Herz geöffnet hatte und dass irgendetwas in mir meine Seele rief.

Es war einfach wundervoll, es war himmlisch, wochenlang in diesem Zustand zu sein. In diesem Zustand weilend, veränderte sich dann so einiges in meinem Leben. Ich nahm plötzlich an vielen Straßenkreuzungen Jesuskreuze wahr, überall sah ich nun die Präsenz an Wegzweigungen. Nie zuvor waren mir diese Kreuze aufgefallen. Ich spürte deutlich eine Veränderung in mir aufkommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir aber nicht bewusst, was das alles zu bedeuten hatte, und ich konnte dieses alles auch nicht einschätzen. Mir blieb nichts anderes übrig, als dem, was geschah, zu folgen. Ich erhielt ein inneres Wissen, eine Art von Verstehen und es war so, als ob mir jemand eine verdreckte Brille von den Augen genommen hätte.

Eine der Wirkungen dabei war es, fühlen zu können, wie sehr die Menschen litten. Ich erkannte, dass es den Menschen an unermesslicher Freude und Liebe fehlte.

Es war so intensiv zu spüren. Alles war so offensichtlich, warum konnten die Menschen es nur nicht selber sehen? Es lag an meiner Wahrnehmung, diese war plötzlich so fein und schien sich immer mehr zu sensibilisieren. Irgendwie konnte ich hinter ihr Unglücklichsein schauen. Ich kam mir vor wie in einem Film.

Die Menschen waren die Schauspieler und sie spielten ihre Rollen mit dem Höchstmaß an Ernsthaftigkeit. Es war so unfassbar, mit wie viel Freudlosigkeit die Menschen lebten, oder besser gesagt, mit welch einer ebenso großen Ernsthaftigkeit sie vor sich hinvegetierten. Sie waren so unbewusst, alles war so wichtig und ernst. Jede kleinste Kleinigkeit wurde zum Anlass genommen, um Schmerz und Leid zu diskutieren.

Was mich aber am meisten erschrak, war das Gefühl der fehlenden Freude. Mir fiel auf, dass die Menschen überhaupt nicht mehr lachten. Es war (fast) ein wenig unheimlich, Menschen mit ihren mürrischen, unzufriedenen und vom Leid geplagten Gesichtern zu sehen. Menschen, deren Gesichter tief in Gedanken versunken auf dem Asphalt klebten. Verspürte ich doch so viel Liebe und Freude in mir. Warum konnten das nicht alle fühlen? Zu dieser Zeit geschahen viele Veränderungen in meinem Leben und die meisten wohl zum Leidwesen meines direkten Umfeldes, denn die Menschen kamen mit mir nicht mehr klar. Sie hatten plötzlich einen Menschen vor sich, der durch Drogen verrückt geworden war. Zumindest sahen es die Ärzte und auch mein näheres Umfeld so. Ja ich war verrückt. In mir wurde etwas ver-rückt und zu meinem Glück an die richtige Stelle.

Nun ja, wie soll ich es beschreiben, plötzlich wusste ich, dass alles lebt. Ich fühlte, dass alles von einer nicht beschreibbaren, lebendigen, liebenden Kraft durchdrungen ist, und ich spürte diese Kraft des Lebens so deutlich in mir und um mich herum.

Auch verstand ich, dass ich diese Kraft unter anderem dazu nutzen konnte, Freude zu bringen. Es war alles so erfüllend, aufwühlend und aufregend zugleich.

Auf der anderen Seite war das neue Leben so nicht zu leben. Es war auch zu viel für mich. Keiner konnte meine neuen Gedankengänge nachvollziehen. Diese Bewusstseinsöffnung, der Blick in meine Seele, in mein Herz, das war so nicht zu machen. Nicht auf diese Weise. Außerdem verstand ich zu diesem Zeitpunkt nichts von dem, was mit mir geschah. Ich konnte mich nur auf die neu gewonnenen Gefühle und Erfahrungen stützen. Aber alle waren scheinbar gegen mich, und keiner, auch niemand in meiner Familie oder Freunde wollten dieses Leben mit mir teilen. Selbst wenn sie es gewollt hätten, sie hätten es nicht gekonnt. Nach dieser enormen Öffnung fiel ich dann für lange Zeit in extreme Depressionen. Ich möchte nur ganz kurz beschreiben, was das bedeutet. In den Tiefphasen, diese hielten immer so ca. drei Monate an, setzte eine totale emotionale und gedankliche Isolation ein.

Ich war nicht in der Lage, auf Gespräche zu agieren oder zu reagieren. Ich konnte nicht in die Öffentlichkeit gehen. Panikattacken bis zur Bewegungslosigkeit waren an der Tagesordnung. Oft saß ich stundenlang nur da und starrte an die Decke. Ich weiß bis heute nicht, wie ich es geschafft habe, in dieser Zeit noch ein Familienvater zu sein und mich um meine Familie zu kümmern.

In den Hochphasen kam das Wissen wieder zum Vorschein. In diesen Zeiten fühlte ich die Verbindung in meinem Herzen so deutlich. Ich wusste wieder, alles ist möglich. Diese Phasen waren mit der tiefen Suche nach Gott oder nach weiterem Wissen geprägt. Es gab Zeiten, in denen ich glaubte, das Gras wachsen zu hören.

In diesen Phasen beschäftigte ich mich mit den verschiedensten Themen, der Körpersprache, positivem Denken und vielem mehr. Ich verschlang Bücher über Bücher. Beginnend mit den Hochphasen hatte ich somit alle drei Monate ein neues Thema und jedes Mal war ich fest davon überzeugt: „Jetzt habe ich es gefunden.“

Ich wusste zu dieser Zeit nicht, was in mir so stark suchte, aber die neuen Themen gaben mir erst einmal ein Gefühl von: „Ah, das ist es jetzt“, damit lässt sich alles das, was ich suchte, erklären. Dass das ein großer Irrtum sein sollte, erfuhr ich erst 20 Jahre später.

Dann trieb alles auf die Spitze zu. Ich saß sieben Stunden im parkenden Auto irgendwo in der Nähe von Freising. In diesen sieben Stunden wollte mich die negative Stimme in meinem Kopf endgültig vernichten.

Die negativen Gedanken waren so dunkel, dass es nur noch darum ging, mich jetzt selbst zu töten. Es kamen dann Gedanken wie: „Bring dich um, jetzt. Es macht keinen Sinn zu leben.“ Dann konterte eine andere Stimme in mir: „Nein, was wird dann aus deinen Kindern und deiner Frau?“ Dann wieder das Gegenargument: „Es ist besser für die Kinder, wenn du nicht mehr lebst.“ Und so ging es eine ganze Weile weiter.

Diese sieben Stunden veränderten mein Leben und ich kann heute Gott nur dankbar sein, dass Er ein Einsehen mit mir hatte. Eine so gravierende Selbstmordattacke wie diese kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht, und das machte mir wirklich Angst, irgendwann nicht mehr Herr der Lage zu sein. Es machte mir große Angst.

An dem darauffolgenden Tag ging ich zu meinem Hausarzt und beschrieb ihm meine Hochs und Tiefs und das damit verbundene zehrende Leben. Ich war fast ein wenig verwundert, dass es für mein Problem sogar eine Bezeichnung gab. Es gab mir eine Art von Sicherheit. Bis ich mich für Gott und die Liebe entschied und vollkommen heilte. Während dieses Jahres bekam ich dann noch Hodenkrebs, aber dieser konnte mit einem kleinen Eingriff heilen, ohne weitere Blessuren zu hinterlassen. Mein damaliger Urologe wollte mich aufschneiden lassen und alles Mögliche mit mir anstellen, er wollte sicher sein, dass der Krebs nicht gestreut hatte. Ich lehnte das alles ab. Während dieser Zeit gab es immer etwas in mir, das vollkommen im Vertrauen war.

Vergebung befreit

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