Читать книгу Eltern werden 40+ - Sascha Kauffmann - Страница 17
EXPERTIN PROF. DR. INGRID GERHARD, GYNÄKOLOGIN
ОглавлениеEin (relativer) Progesteronmangel ist das häufigste hormonelle Problem von Frauen um die 40. Es scheint, dass immer mehr Frauen bereits auch ab Anfang bis Mitte 30 davon betroffen sind. Was sind die Gründe dafür aus Ihrer Sicht?
Die wichtigsten Ursachen aus meiner Sicht sind zum einen die hormonellen Verhütungsmethoden, die Antibabypille mit Gestagenen (= synthetisches Progesteron, das im Stoffwechsel nicht die Funktion von Progesteron erfüllen kann), die Minipille und auch die Hormonspirale.
Darüber hinaus fehlen vielen Frauen oft wichtige Mikronährstoffe (B6 und weitere B-Vitamine, Jod, Vitamin D, Magnesium, Zink, Omega-3-FS), um Progesteron überhaupt aufbauen zu können.
Hinzu kommen Übergewicht, Funktionsstörungen der Eierstöcke und vor allem Dauerstress. Leider sind Umweltbelastungen auch zunehmend schuld am Progesteronmangel: zum einen als toxische Belastungen, die den Stoffwechsel und die Aktivität der Mitochondrien stören, zum anderen als hormonaktive Substanzen, sogenannte endokrine Disruptoren, die den Steroid-Stoffwechsel beeinflussen und häufig östrogenähnlich wirken. Als modernes Gift wirkt Elektrosmog, der die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke verändert und wichtige Regelkreise im Gehirn und den Hormondrüsen stört.
Wie wirkt sich speziell Dauerstress auf den Progesteronspiegel aus?
Bei Dauerstress aktiviert der Körper die Ausschüttung von Cortisol in der Nebennierenrinde. Da Cortisol aus Progesteron hergestellt wird, sinkt der Progesteronspiegel infolge des erhöhten Verbrauchs. In der Folge bleiben Eisprünge aus und es kommt häufig zu einer Östrogendominanz. Daher ist Dauerstress auch eine ungünstige Voraussetzung, um schwanger zu werden.
Bei Dauerstress steigt auch der Prolaktinspiegel und sorgt ebenfalls für ein sinkendes Progesteron. Übrigens: Auch Männer können Progesteronmangel entwickeln, der dann zu einem Testosteronmangel führen kann.
Ganz entscheidend ist aber auch, dass Dauerstress und der damit verbundene Progesteronmangel sich auf die Funktion von GABA (Anm. d. Verlags: Gamma Amino-Buttersäure, ein Neurotransmitter) negativ auswirkt. Daher klagen Frauen (aber auch Männer) in diesen Fällen über Reizbarkeit, depressive Verstimmungen und Schlafstörungen. Progesteronmangel ist in der heutigen Zeit mit den vielfachen Stressbelastungen leider sehr häufig und kann zu starken Einschränkungen der Lebensqualität führen. Leider wird diesem Phänomen in der normalen gynäkologischen Sprechstunde kaum Beachtung geschenkt.
Wie lässt sich ein Progesteronmangel feststellen?
Für Frauen mit regelrechtem Zyklus von 28 Tagen ist es sinnvoll, am 22. Zyklustag eine Blutabnahme oder eine Speichelprobe durchzuführen. Es bietet sich an, bei der Gelegenheit auch die anderen Geschlechtshormone – Östrogen und Testosteron – sowie die Nebennierenrindenhormone Cortisol und DHEA zu bestimmen. Frauen nach den Wechseljahren und Männer können die Laboruntersuchung zu jedem Zeitpunkt durchführen.
Mit welchen natürlichen Mitteln lässt sich der Progesteronhaushalt stabilisieren?
Zunächst muss die Ursache für den Hormonmangel gefunden werden. Ist es Dauerstress – bei stark erhöhten Cortisolwerten – sollte in jedem Fall versucht werden, seinen Lebensstil zu ändern.
Alles was für Entspannung sorgt, ist sinnvoll: Waldspaziergänge, Sport, Yoga, Meditation und nicht zu vergessen: ausreichend Schlaf. Denn eine gute Melatoninproduktion in der Nacht kann maßgeblich zu einer Cortisolreduktion beitragen, was dann den Progesteronspiegel wieder regulieren kann.
Häufig ist auch ein Vitamin-B6-Mangel die Ursache. Ohne Vitamin B6 funktioniert nicht nur die Glückshormonsynthese nicht, sondern die Umwandlung von Cholesterin in Progesteron kommt ebenfalls zum Erliegen.
Die Antibabypille ist im Übrigen der wichtigste Vitamin-B6-Räuber bei Frauen. Frauen, die jahrelang die Pille einnehmen und dann absetzen, um schwanger zu werden, haben u.a. durch leere Vitamin-B6-Speicher häufig hormonelle Probleme, wie z. B. das Post-Pill-Syndrom mit starken Störungen des Zyklus.
Ich setze auch gerne Pflanzenheilmittel ein, die gleichzeitig auf die Stress- und Hormonachse wirken, wie z.B. Alchemilla (Frauenmantel), Agnus castus (Mönchspfeffer), Engelswurz und Traubensilberkerze sowie Nachtkerzenöl.
Frau Professor Dr. Gerhard, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Es gibt selbstverständlich Frauen, die auch noch mit Mitte 40 monatliche Eisprünge haben. Dies trifft aber sicherlich nicht auf die meisten Frauen zu.
Hormonelle Dysfunktionen sind das häufigste Problem bei Menschen über 40, aber weitaus nicht das einzige. Bei Frauen verringert sich die Eizellreserve um bis zu mehrere Hundert Eizellen monatlich. Zudem nimmt auch die Eizellqualität kontinuierlich ab. Schäden an den Eizellen können die empfindliche Erbsubstanz (DNA) schädigen.