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Der 10. Februar 2012

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Es war ungefähr 16 Uhr als ich an der Langstrasse, im Zürcher Kreis 4, ankam. Ich begab mich in die Elite Bar an der Langstrasse 139, wo ich einst als Geschäftsführer tätig und jetzt wieder in einer ähnlichen Funktion beschäftigt war. Die Elite Bar, ist ein seit über 25 Jahren bestehendes Nachtlokal, im Herzen der Langstrasse gelegen, im Zürcher Milieu. Die Lokalität war in zwei Teile unterteilt. Auf der rechten Seite befand sich ein Imbiss und auf der linken Seite, im Hauptteil, die Bar mit einer kleinen Tanzfläche. Das Ambiente war nicht mehr auf dem neusten Stand, es überzeugte dafür durch sein liebevoll zusammengestelltes Inventar. Betrat man das Lokal, fühlte man sich in eine andere Welt versetzt und man konnte sich von den südamerikanischen Barmaids bedienen lassen. Der Besitzer Kadir war ein Freund, wir kannten uns schon länger. Er war in den Fünfzigern und zählt im Kreis 4 als Urgestein des Milieus. Er war ein etwas korpulenter Mann mit längeren schwarzen Haaren und einem imposanten Auftreten. In den letzten Jahren entwickelte er sich allerdings immer mehr zum Familienmensch und zog sich nach und nach etwas in den Hintergrund. Er überliess den exekutiven Teil des Geschäfts seinem Schwager und zeitweise mir. Als ich in der Elite Bar ankam, war Kadir noch nicht da. Wir telefonierten und er meinte dabei:

«Bin gleich bei dir Sascha.»

In meiner Hand trug ich eine CD und einige Musterflyer für eine geplante Karnevalsparty, ganz im Stil von Rio de Janeiro. Offiziell war ich heute nicht am Arbeiten, aber die Vorbereitungen lagen mir am Herzen und die Flyer mussten in Druck gehen.

«Sieht super aus, wird bestimmt ein Erfolg», äusserte sich Kadir, als er meine Flyer sah.

«Bleibst du heute hier? Kannst ruhig oben schlafen, den Schlüssel hast du ja.»

«Mal schauen, bleibe sicher noch eine Weile, ob ich ganz bleibe, weiss ich noch nicht», antwortete ich.

Ich begab mich zum DJ Pult und brachte mit Latino-Musik Stimmung ins Lokal. Im gewohnten Milieuambiente nahm der Abend seinen Lauf. Bajram, ein guter Bekannter, betrat nach einer Weile die Elite Bar. Bajram war ein Jahr jünger als ich. Er war eine imposante Erscheinung und kannte sich im Milieu aus. Sein Vater war jahrelang als Türsteher tätig. Wir kannten uns alle schon des Längeren. Bajram arbeitete in einem benachbarten Nachtbetrieb als Türsteher.

«Hast du heute frei? Machen wir später mal wieder eine Runde?», fragte Bajram.

«Warum nicht, komm später vorbei, ok?»

«Ok, mach ich», und so beschloss ich, den Abend im Kreis 4 zu verbringen.

Isa, der Schwager von Kadir, betrat nach etwa zwei Stunden ebenfalls die Elite Bar und begrüsste mich.

«He, Campi, schon gegessen? Komm lass uns in die Pizzeria Milano essen gehen, ich lade dich ein.»

Die Idee klang verlockend. Ich nickte. Wir begaben uns einige Meter von unserem Lokal entfernt in die Pizzeria. Isa bestellte uns Rindsfilet mit Pilz-Risotto und Rotwein. Wir genossen das Essen. Nach einer Stunde wurde es Zeit ins Lokal zurückzukehren. Isa hatte Schicht und ich meinen Männerabend mit Bajram. Er kam wie verabredet und wir machten uns auf ins Negresco, eine kleine Bar mit dominikanischer Musik und einem kurdischen Besitzer. Ich bestellte einen Jack Daniels und Bajram einen Wodka Red Bull. Nach einer zweiten Runde zogen wir weiter. Wir kamen in die Lugano Bar, wo Katharina arbeitete. Katharina war mit mir seit einigen Wochen in einer lockeren Beziehung. Da wir einige Uneinigkeiten hatten, war sie nicht sehr gesprächig mit mir, also versuchte sie mich neckisch nicht zu beachten. Also verliess ich das Lokal nach einem Getränk wieder mit Bajram zusammen.

Wie mein späterer Gutachter Dr. Elmar Habermeyer festhielt, neige ich dazu, Kränkungsgefühle mit Alkohol zu kompensieren, wodurch mein Zustand noch labiler werden kann. Oder auch, ich zitiere: Für Herr C. bleibt festzuhalten, dass er unabhängig von der diagnostischen Einordnung im Rahmen von Belastungssituationen zu einem problematischen Alkoholkonsum (im Sinne einer dysfunktionalen Copingstrategie) neigt, welche aufgrund der enthemmenden Wirkung deliktrelevant ist.

Das Muster nahm somit seinen traurigen Lauf.

Wir begaben uns ins Midway zu Ralf. Ralf ist um die vierzig Jahre jung und zählt ebenfalls zur älteren Garde an der Langstrasse. Ralf besuchte uns oft in der Elite Bar und wir revanchierten uns regelmässig bei ihm. Wie es der Brauch bei uns vorgab, offerierte ich eine Flasche im Midway. Bajram und ich waren mit Ralf und seiner Frau alleine. Das Lokal schien am heutigen Abend schlecht besucht, da kamen wir wohl gerade gelegen. Ich verteilte Whisky in alle Gläser. Wie gewohnt bei den anderen viel, bei mir wenig. Ich mogelte mit dem Coca-Cola und gab mir selbst immer zuerst Cola und dann den Whisky ins Glas, damit nicht auffiel, wie wenig ich trank. Trotz allem zeigte der Whisky auch bei mir seine Wirkung und ich wurde gesprächiger als normal.

Wir begannen alte Geschichten zu repetieren und füllten das Lokal mit Gelächter. Mit der Zeit kamen noch weitere Gäste dazu. Einer der Gäste packte eine Folie aus seiner Tasche, wobei er seinen Begleiterinnen weisses Pulver offerierte. Der Mann wollte auch unserem Tisch etwas offerieren, aber ich lehnte ab. Ich halte selbst nichts von Drogen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich in jungen Jahren auch Marihuana und Kokain ausprobiert habe. Doch Gott sei Dank hat mir weder das eine noch das andere gefallen. Ich studierte den unbekannten Neuankömmling. Er machte eigentlich einen seriösen Eindruck. Und schien auf Party aus zu sein. Wir kamen ins Gespräch, wodurch er sich mit seinen Begleiterinnen an unseren Tisch gesellte. Er präparierte nochmals zwei Linien und offerierte mir erneut. Ich nahm seine zusammengerollte Fünfziger Note und zog ebenfalls eine Linie. Es schmeckte mir nicht und ich bereute es sofort. Im späteren Verlauf der Untersuchung hat sich herausgestellt, dass es gar kein Kokain, sondern Lidocain war, ein Stoff, der den Herzrhythmus hemmen kann. Im Milieu wird dies verwendet um Kokain zu strecken, damit man mehr Portionen verkaufen kann. Es birgt allerdings viele Gefahren und führte in Berlin in den Jahren 1995 bis 1998 zu sechsundvierzig Todesfällen. Etwas, was mir bis zur Strafuntersuchung selbst nicht bewusst war.

Dr. Elmar Habermeyer sieht meinen Konsum, welcher eigentlich nicht meinem Wesen entspricht, da auch in meiner Haarprobe kein Kokainkonsum festgestellt wurde, wie folgt als einen Teil meiner damals fraglichen Bewältigungsstrategie. Ich zitiere: Letztlich liegt kein deutlicher Nachweis eines, über mehrere Monate andauernden, nachteiligen Effekts durch den Konsum von Kokain vor, weswegen mit Verweis auf die Kriterien des ICD-10 (WHO 2004) auf die Diagnose eines schädlichen Gebrauchs verzichtet wird. Trotzdem ergeben sich anhand früheren Angaben des Expl. Hinweise dafür, dass er neben Alkohol auch Kokain als dysfunktionale Bewältigungsstrategie in Betracht zog.

Die Flasche neigte sich dem Ende zu und nachdem ich noch eine Runde Havanna Rum offerierte, war es Zeit zu gehen. Ralf verabschiedete die Leute und versprach mir, später in der Elite Bar vorbeizuschauen, wo er sich revanchieren werde. Ich nickte und torkelte mit Bajram zurück in Richtung Elite Bar. «Was für ein Männerabend», bemerkte Bajram.

Wir mussten kurz lachen. In der Elite Bar angekommen, stellten wir fest, dass das Lokal für einen Werktag sehr gut besucht war und auch die Stimmung eher an ein Wochenende, als an einen Arbeitstag erinnerte. Wir wurden herzlich begrüsst und setzen uns zu den Gästen.

Später begab ich mich zum DJ Pult, wechselte die Musik und drehte das Volumen leicht nach oben. Bajram verabschiedete sich vorzeitig.

«Bleibst du noch lange Sascha?», meinte er noch flüchtig, worauf ich:

«Nein, bin auch bald weg, gehe oben schlafen.»

Ich verbrachte noch rund eine Stunde in der Elite Bar, unterhielt mich mit den Gästen und tanzte mit der einen oder anderen Besucherin. Die Stimmung neigte sich dem Ende zu und die Gäste begannen sich zu verabschieden. Isa machte bereits die Abrechnung und ich begab mich langsam auf den Weg.

«Keine Begleiterin heute Nacht?», scherzte einer der Kunden, einer der mich kannte.

«Was nicht ist, kann noch werden», lächelte ich und verliess das Lokal.

Der letzte Satz des Kunden blieb mir im Kopf und brachte mich auf die Idee, mir einen Kulturaustausch zu gönnen. Kulturaustausch ist ein Ausdruck im Milieu, der so viel bedeutet wie, sich auf eine Prostituierte einzulassen. Ich lief neben die Elite Bar, wo bekanntlich immer käufliche Liebe auf der Strasse angeboten wird.

Mit diesem Verhalten folgte ich einem weiteren Muster, dem ich bereits Jahre lang gefolgt bin. Nach Trennungen habe ich mich immer, anstatt hinter Liebesschnulzen und Ovomaltine, in One-Night-Stands oder käufliche Liebe gestürzt, um den Liebeskummer zu vertreiben. Ganz unter dem Motto: Single sein hat doch seine Vorteile.

Es kam mir eine hübsche schwarzhaarige Frau entgegen und ich sprach sie an.

«Hast Du Zeit?»

«Nein, mi Amor, bin besetzt.»

Es vergingen lediglich Sekunden, als bereits die Nächste kam. Sie schien Brasilianerin zu sein. Sie trug einen langen Mantel und bereits ihre markanten Augenbrauen liessen ihr Gewerbe erahnen.

«Hallo, hast Du Zeit?», sprach ich Sie an, worauf sie verneinte.

Ich drehte mich bereits von ihr weg, da blieb sie stehen, drehte sich um und korrigierte wie folgt:

«Ich habe nur eine Viertelstunde Zeit und keine Wohnung, das ist das Problem.»

Ich erkannte beim Griff in die Tasche, dass ich gar nicht mehr viel Bargeld dabei hatte, da ich bereits die Flaschen im Lokal zuvor mit Karte bezahlt hatte, nachdem ich einige Hunderternoten habe liegen lassen. Meine Hand kramte in meine Jackentasche.

«Ich habe noch Fünfzig in Bar und eine Wohnung gleich hier, oberhalb der Elite Bar.»

«Ok, für eine viertel Stunde», meinte die Brasilianerin, lächelte und lief mir zum Hinterhof der Elite Bar hinterher.

Ich öffnete die Hauseingangstüre. Wir gingen in den zweiten Stock zur Wohnung.

«Ich muss später noch mein Kind von der Babysitterin in Luzern abholen, habe deshalb nicht viel Zeit», sagte die Prostituierte. Das verwirrte mich etwas, denn selten hört man von Professionellen irgendetwas über ihr Privates, aber es schien eine Ausnahme zu sein und ich hakte nicht weiter nach. Ich öffnete die Wohnungstür. Wir zogen im kleinen Flur unsere Schuhe aus und begaben uns in das direkt danebenliegende Wohnzimmer. Ich stellte mich vor den Salontisch und leerte meine Taschen der Lederjacke. Mein Handy, meinen Schlüssel, meinen Security Stock und meine Zigaretten legte ich auf den Tisch, wobei ich bemerkte, dass die Brasilianerin sich für den Security Stock zu interessieren schien.

«Was ist das?», fragte sie und ich liess den Stock ausfahren.

Ich erklärte ihr, es handle sich hierbei um nichts Spezielles, lediglich um ein Schlaggerät zum Schutz bei der Arbeit. Sie nahm ihn in die eine Hand und schlug sich fein auf die andere Hand, mit der Bemerkung: «Ruf mich an.»

Wir mussten beide kurz lachen und begaben uns in das Schlafzimmer. Die Prostituierte warf ihre Jacke und den geöffneten Schlagstock auf den Sofasessel unmittelbar neben dem Bett. Dann begann sie sich rasant auszuziehen. Sie schien die fünfzehn Minuten ganz präzis gemeint zu haben und wollte keine Minute zu viel verbrauchen. Ich zog mich ebenfalls aus, wobei sie mich unterstützte. Der Kulturaustausch begann seinen Lauf zu nehmen, wobei das Ganze durch meinen Alkoholpegel etwas länger dauerte und wir die vereinbarten fünfzehn Minuten um ein Weniges überzogen.

«Du schuldest mir nun hundert Franken und nicht fünfzig», fauchte mich die brasilianische Professionelle an.

«Ich habe dir gesagt, dass ich nur noch fünfzig Franken in bar hier habe.»

Was folgte war ein portugiesisches Fluchwort und die deutschen Worte: «Ein Schweizer mit Wohnung an der Langstrasse ohne Geld, willst du mich verarschen!»

Ich versuchte nochmals meine Situation zu erklären und bot an, ihr am nächsten Tag das Geld in der Elite Bar auszuhändigen, aber dies schien sie nicht, oder eher – wollte sie nicht verstehen. Ich konnte meinen Satz kaum beenden, da erwischte mich eine Ohrfeige im Gesicht, worauf ich direkt, reflexartig retour konterte. Die Brasilianerin neigte sich durch meinen Klatscher auf die Seite zum Sofasessel mit Blick auf ihre Jacke und dummerweise auch auf den danebenliegenden Security Stock. Sie griff sich den Security Stock und schlug in Richtung meines Kopfes. Mit Glück konnte ich dank einem Schritt zurück, ihren Schlag auf meinen Kopf verhindern, und es gelang mir, ihr den Stock zu entreissen. Kaum war er in meinem Besitz, kam mir wieder ihre Hand entgegen, wodurch ich die Beherrschung verlor und meiner brasilianischen Widersacherin mit dem Stock zwei bis drei Schläge gegen den Kopf versetzte. Ich erkannte, sie am Kopf verletzt zu haben, da sie blutete. Ich erschrak, wobei mir der Stock aus der Hand fiel.

Den Auslöser für meine Überreaktion vermutete Dr. Elmar Habermeyer darin, dass durch den Angriff der Prostituierten für mich eine wertschädigende Interaktion entstand und es dadurch die alkoholbedingte Enthemmung zum aggressiven Durchbruch kam, welche Interaktion jedoch damit im Zusammenspiel lag, liess er offen.

Ich eilte nebenan ins Badezimmer, um ein Frottiertuch für die Wunde zu holen, während sich die Prostituierte auf Portugiesisch vor sich hin fluchend anzog. Als ich ins Schlafzimmer zurückkam, lag sie auf dem Bett und zog sich hin und her wippend, schimpfend ihre Leggins an. Das Blut der Wunde geriet aufs Bett. Ich versuchte ihr das Frottiertuch auszuhändigen jedoch vergebens. Sie zog sich weiter an. Ich nahm meine Kleider ins Wohnzimmer und zog mich dort ebenfalls an. Als ich fertig war, begann ich nervös zu warten. Ich hoffte, das Drama nehme endlich ein Ende. Nach etwa zwei Minuten kam sie aus dem Schlafzimmer mit ihrer Hand an der Kopfwunde.

«Schau was du angerichtet hast, du Arschloch», warf sie mir vor, streckte mir ihre blutverschmierte Hand entgegen und kam auf mich zu.

Ich trat einige Schritte zurück bis ich an der Wohnwand ankam. Sie streckte mir die Hand vors Gesicht und noch bevor ich etwas sagen konnte, bekam ich ihre blutige Hand fadengerade ins Gesicht. Ich klatschte ihr nochmals mit der Handkante an den Kopf und schubste sie gegen das Sofa. Von da an begann sie sich zu beruhigen und stellte auch das portugiesische Gefluche ein.

«Brauchst du einen Arzt, du brauchst doch Hilfe mit der Kopfwunde?», versuchte ich sie zu beruhigen.

Sie verneinte und begab sich in den kleinen Korridor um sich die Schuhe anzuziehen. Ich begab mich ebenfalls dorthin und zog mir die Schuhe an. Wir liefen gemeinsam die Haustreppe hinunter, wobei sie etwas auf Portugiesisch fluchte und mehrmals den Satz «Scheiss Zürich» auf Deutsch erwähnte. Vor dem Gebäude angekommen lief sie links davon Richtung Taxistand. Ich versuchte durchzuatmen und mich zu beruhigen. Ich musste zuerst realisieren, was gerade geschehen war. Mein erster Gedanke war, retour in die Wohnung zu gehen. Ich entschied mich jedoch dafür ins Auto zu steigen. Es war mein vertrautester Ort in Zürich. Draussen schneite es mittlerweile stark und der Boden war mit Eis bedeckt. Der Wind wehte kalt und die Temperatur war in den Minusbereich gefallen. Im Auto angekommen, kamen mir die Tränen. Ich war nervös und dennoch fing ich langsam an wieder etwas ruhiger zu werden. Ich zündete mir eine Zigarette an und überlegte was ich nun machen sollte. Ich verspürte den Drang mit jemand Vertrauten zu Reden. Mir kam der Gedanke, dass mein Freund Bajram sicher in einem benachbarten Spielsalon sein müsse, wo sein Vater arbeitet. Ich entschloss mich dorthin zu fahren. Die Distanz bis zum Spielsalon betrug um die dreihundert Meter. Ich startete meinen Chrysler M 300 und fuhr los. Ich entschied mich kurz in verbotener Weise auf der Busspur zu fahren und dann in der Querstrasse rechts, rückwärts hinein zu fahren, um dort zu parkieren. Gesetzlich nicht korrekt, doch von so manchem gemacht. Wer die Zürcher Strassenlabyrinths kennt, versteht es wahrscheinlich am besten. Dummerweise rechnete ich nicht damit, dass die Querstrasse versperrt war und somit konnte ich meinen Plan vergessen, worauf ich mich kurzfristig entschloss, nach Hause, also in den Kanton Solothurn zu fahren. Da ich mich schon auf der Busspur befand, wo mir auch kein Auto entgegenkommen konnte, entschied ich mich, die Strasse ganz hoch zu fahren, um dann rechts in die Badenerstrasse einzubiegen. Während dem Fahren begann ich nach meinem Handy zu suchen. Mein Drang zu Reden war gross. Ich wollte telefonieren, sei es mit meiner Familie oder mit meinem Kumpel Bajram. Hauptsache mit jemandem reden. Ich griff auf den Beifahrersitz nach dem Handy. Es schien vom Sitz gefallen zu sein. Ich begann nach dem Handy zu tasten. Ich blickte kurz neben den Beifahrersitz, sah das Handy und begann danach zu greifen.

Dann … schwarz …

Ich wachte auf und erblickte eine defekte Frontscheibe, mein Gesicht schmerzte, ein Piepsgeräusch dröhnte in meinem Ohr und ich hörte viele Stimmen.

«Herr Campi, der Notfallpsychiater ist hier.»

Meine Erinnerung wurde gestoppt und ich erhob mich aus dem Kasernenbett.

«Ja, ich komme.»

Ein kurzer Blick auf die Uhr. Es war bereits kurz vor Mitternacht. Ich begab mich zum Notfallpsychiater, dessen Besuch ich mir auch gerne hätte sparen können, denn das Interesse der Helfer war minim. Nach einer Stunde war ich zurück in der Kasernenzelle und noch wacher als zuvor. Die Fragen; wie geht es den Verletzten, wie geht es der Familie des Verstorbenen, wie geht es meiner Familie, kreisten wie wild in meinem Kopf. Ich musste mich dringend ablenken und versuchte in Gedanken zu schweben. Wie bin ich überhaupt ins Milieu gekommen, wie bin ich in diese Welt eingetaucht? Ich versuchte mich abzulenken, mich zu beruhigen, indem ich über meine Kindheit und über meine Anfänge im Milieu nachdachte …

Vom Fuchs zum Wolf

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