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Kapitel 1 Zoey

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Seht ihr diese Frau dort, die auf dem Hausflur zwischen zwei Wohnungen mit dem gut aussehenden Mann streitet? Das bin ich, Zoey Blanton. Der gut aussehende Mann? Leider mein Nachbar. Wundert euch nicht, wenn er euch bekannt vorkommt, es wird euch bald wie Schuppen von den Augen fallen. An den Grund dieses Streits kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Mein Nachbar und ich stritten uns nicht um wichtige Dinge wie verletzte Privatsphäre oder Ruhestörung. Nein, tatsächlich stritten wir uns meistens eher des Streits wegen. Wann immer wir uns begegneten, war ein Schlagabtausch beinahe schon vorprogrammiert und alles begann mit einem scheinbar ganz normalen Arbeitstag.

Das Spotlight pulsierte unter lauter Musik, bunten Lichtern und Stimmengewirr. Auch wenn sie mit Stress verbunden waren, liebte ich Abende wie diesen. Seit gut drei Jahren stand ich in diesem Club, der zu den am besten besuchten in Boston gehörte, hinter der Bar im VIP-Bereich. Ich liebte meinen Beruf heiß und innig, auch wenn ihn viele nur als Übergangsjob ansahen. Doch nicht hier im Spotlight. Ein Etablissement dieser Größe konnte sich ständig wechselndes Personal einfach nicht leisten. Da der Club jede Nacht unzählige Besucher anlockte und wir auch schon des Öfteren von prominenten Gästen beglückt worden waren, die den VIP-Bereich im oberen Stockwerk gebucht hatten, war die Bezahlung ziemlich gut und das Glas für das Trinkgeld füllte sich schnell.

Dennoch brachte der Job einige Nachteile mit sich, besonders durch die exotischen Arbeitszeiten. Wenn andere ins Bett gingen, trat ich zum Teil erst meine Schicht hinter dem Tresen an, was mir leider schon das ein oder andere vielversprechende Date versaut hatte. Glaubt mir, wenn ich sage, dass erste Dates am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit keine gute Idee waren. Die meisten Männer fanden eine Barkeeperin als Freundin genau so lange anziehend (kostenloser Eintritt, gratis Getränke), bis sie feststellen mussten, dass mein Job nicht daraus bestand, mit tiefem Ausschnitt über die Bar hinweg gebeugt mit ihnen zu flirten und ihnen meine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

Der untere Bereich des Clubs war schon zum Bersten voll mit Menschen, die Spaß hatten und das Leben genossen. Von meinem Platz an der VIP-Bar, die sich auf einer großzügigen Galerie befand, brauchte ich meinen Blick nur ein wenig nach links wenden und ich konnte über das Geländer nach unten in den öffentlichen Bereich des Spotlight schauen. In der Lounge herrschte gerade noch eine Flaute. Es war früh am Abend und die meisten Gäste würden erst in ein paar Stunden kommen, da sie mit einer Reservierung im VIP-Bereich nicht befürchten mussten, nicht mehr hereingelassen zu werden. Ich lehnte mich mit der Hüfte gegen die Theke und ließ meinen Blick lächelnd über die tanzende Menge schweifen.

„Ich liebe diesen Schuppen“, hörte ich Damian neben mir seufzen und nickte zustimmend. Damian hatte zusammen mit mir im VIP-Bereich angefangen und mittlerweile waren wir nicht nur ein eingespieltes Team, sondern auch beste Freunde. Besonders wenn die VIP-Lounge komplett ausgebucht war, war es hilfreich, wenn man wusste, dass man sich bedingungslos auf den anderen verlassen konnte. Gerade jetzt, wo wir seit Ritas Kündigung vor einem Monat nur noch zu zweit hinter der VIP-Bar standen.

Auf den ersten Blick passten wir überhaupt nicht zusammen. Damian wechselte seine Haarfarbe etwa so oft wie seine Unterhosen – momentan war es ein sattes Blau – und war generell so sprunghaft wie ein Känguru auf Drogen. In seinem Nasenflügel und seiner Unterlippe reflektierten kleine silberne Ringe das bunte Licht im Club und an seinem Nacken wand sich ein Schlangentattoo seinen Weg nach oben, während der einzige Körperschmuck, den ich besaß, eine Halskette war. Damian hatte schon oft versucht, mich zu überreden, meine dunkelbraunen Haare zu färben, doch bisher hatte ich mich immer geweigert. Das Ganze hatte schon an unserem ersten gemeinsamen Arbeitstag angefangen, als Damian fast in Ohnmacht gefallen wäre, als er meine Haare sah, die seit fast einem Jahr keinen Friseur mehr gesehen hatten. Was soll ich sagen, dieses Ereignis war für mich traumatisch genug gewesen, dass ich seitdem streng auf meine Friseurtermine achtete. Meine Haare waren üppig und glänzten, womit ich Damian immer wieder besänftigte, wenn er das leidige Thema aufbrachte.

Damian stupste mich mit dem Ellenbogen an und riss mich damit aus meinen Gedanken. „Sieh mal, wer uns da einen Besuch abstattet.“

Ich schaute zur Treppe und erkannte die Dritte im Bunde, meine beste Freundin Thea, die ich schon seit der siebten Klasse kannte. Sie hatte ihren Verlobten Jonah im Schlepptau. Er war der Sohn des Bürgermeisters und damit prominent genug, um an der Security vorbei auf die Galerie gelassen zu werden. Thea nutzte diese Tatsache aus, wann immer sie konnte. Für sie war es auch nicht einfach, dass ihre zwei besten Freunde so ungewöhnliche Arbeitszeiten hatten.

Damian griff nach dem Whisky, Jonahs Lieblingsdrink, während ich den Cocktailshaker mit Eiswürfeln befüllte und Thea erwartungsvoll ansah.

„Mach mir irgendwas mit Erdbeeren und Limetten“, sagte sie anstatt einer Begrüßung, während sie auf den Barhocker vor mir kletterte und sich eine blonde Locke aus der Stirn wischte. Auf den Barhocker klettern meine ich hier wortwörtlich. Thea hätte mühelos auf einer Deutschen Dogge reiten können. Wenn sie einen blauen Overall trug, sah sie aus wie ein Minion. Mit anderen Worten: Sie war winzig.

Ich griff nach den Limetten und machte mich ans Werk. Thea hatte einen seltsamen Geschmack, was Drinks anging. Die meisten bekannten Cocktails sagten ihr nicht zu und so hatte es sich irgendwann ergeben, dass sie mir sagte, worauf sie Lust hatte und ich mischte ihr dann ein Getränk ganz nach ihrem Gusto.

„Wie geht es euch? Planungsstress wegen der Hochzeit?“, fragte Damian, als er das Whiskyglas vor Jonah abstellte. Thea schüttelte den Kopf, Jonah nickte. Damian und ich lachten. Thea hatte schon immer von einer Märchenhochzeit geträumt und diese seit der achten Klasse geplant. Jonah hatte vergeblich versucht, sich gegen ein komplett pinkes Farbmotto zu wehren. Gegen Theas Dickschädel hatte er einfach keine Chance. Außerdem glaubte ich, dass ihm die Farben, die Blumen und der Kuchen komplett egal waren. Er wollte einfach, dass der Wahnsinn ein Ende nahm.

„Ärger im Paradies? Sind es etwa immer noch die Schriftarten für die Platzkärtchen?“, hakte ich nach und merkte zu spät, dass ich dadurch nur noch mehr Öl ins Feuer goss.

„Fang bitte nicht damit an. Für mich sehen sämtliche Schriftzüge gleich aus, aber Thea besteht darauf, dass ich mich entscheiden soll“, seufzte Jonah.

„Ich will, dass alles perfekt ist und du könntest dich auch mehr an der Planung beteiligen.“ Thea kramte in ihrer Handtasche und brachte ein völlig zerknittertes Blatt zum Vorschein, das sie mir in die Hand drückte. Ich faltete es auseinander und sah meinen Namen unzählige Male darauf gedruckt.

„Trägst du das die ganze Zeit mit dir herum?“, fragte ich.

Sie zucke mit den Schultern. „Vielleicht habe ich unterwegs irgendwo eine Eingebung. Welche Schriftart würdest du nehmen?“

Ich wechselte einen verstohlenen Blick mit Damian und sah in seinen Augen meine Gedanken widergespiegelt. Die sehen alle gleich aus. Zum Gemeinwohl starrte ich eine halbe Minute angestrengt auf das Blatt und tippte dann auf die Mitte.

„Die hier.“ Ich gab der verrückten, kleinen Person das verrückte Blatt zurück. Thea nickte begeistert und strahlte mich an.

„Arellion, die hätte ich auch genommen.“

Ich nickte gespielt überzeugt und lächelte Jonah an, der ein stummes Danke mit den Lippen formte. Aus Erfahrung wusste ich, wie detailverliebt Thea war. Schwächere Geister konnte das in den Wahnsinn treiben. Zufrieden verstaute sie das Blatt wieder in der Handtasche und das Thema Hochzeit war für heute erledigt. Zumindest dachten wir das, bis Thea unser Schweigen als Zeichen deutete, uns alles über ihre Konditorin Jolene zu erzählen. Ich hatte sie selbst schon getroffen. Sie war etwa in unserem Alter, wahnsinnig talentiert, was süßes Backwerk anging, und verdammt hübsch. Das Problem war nur, dass Thea diese Geschichte jedem von uns schon mindestens dreimal erzählt hatte. Damian rollte mit den Augen und ich schaltete geistig auf Durchzug.

Lasst uns jetzt das Bild kurz anhalten. Merkt ihr das auch? Dieses Knistern in der Luft, als würde gleich etwas Spannendes passieren? Und wie das Stimmengewirr im Club plötzlich viel intensiver zu werden scheint? Ihr wollt den Grund dafür erfahren? Werfen wir einen Blick auf die Männergruppe, die da gerade die Treppe zur VIP-Lounge heraufkommt.

Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich begriff, um wen es sich handelte. Um genau zu sein, bis Thea einen markerschütternden Schrei ausstieß und beinahe rückwärts vom Barhocker kippte. Da wurde mir klar, dass es sich nur um die Spieler der Boston Tigers handeln konnte. Seit ich Thea kannte, war sie der größte Fan dieser Basketballmannschaft, und solche Laute gab sie nur in höchster Euphorie von sich: wenn es um ihre Tigers ging oder wenn Jonah sie gerade zum Orgasmus brachte. Ich musste es ja wissen, schließlich hatten wir eine ganze Zeit lang eine Wohnung geteilt. Und da sowohl Thea als auch Jonah noch vollständig bekleidet waren und Jonahs Hände sich am Whiskyglas befanden, schlussfolgerte ich gekonnt, dass die großen Männer mit den großen Oberarmen wohl zu den Tigers gehörten.

Auch Damian war die Kinnlade heruntergeklappt, während er beobachtete, wie einer nach dem anderen die Stufen zur VIP-Lounge erklomm. Ich hatte Theas und Damians Obsession mit den Tigers nie wirklich verstanden. Damians Faszination war zwar eher ästhetischer Natur, das hielt Thea allerdings nicht davon ab, ihn zu jedem Heimspiel zu schleppen, für das sie Karten ergattern konnte. Ich war dem Sport nicht abgeneigt, immerhin gab er mir die Hoffnung, dass es auch überdurchschnittlich große Träger eines Y-Chromosoms unserer Spezies gab, denn die meisten Männer überragte ich auch ohne Absätze. Allerdings konnte ich nicht von mir behaupten, dass ich ein Fan war. Den Großteil meines Wissens hatte ich nur Theas endlosen Vorträgen zu verdanken und irgendwo in die hinterste Ecke meines Gehirns verstaut.

Ich ließ meinen Blick über die Spieler schweifen, während sie sich auf die Sofas und Hocker verteilten und war extrem stolz, dass ich viele von ihnen auch ohne ihre Trikots erkannte. Dann blieb ich unwillkürlich an einem Gesicht hängen. Ein Gesicht, das wohl jede heterosexuelle Frau in ganz Amerika erkennen würde, auch wenn sie keine Basketball-verrückte beste Freundin hatte. Zack Conner, Guard-Forward und Kapitän der Mannschaft. Groß, muskulös, unglaublich sexy und begehrt von unzähligen Frauen und Männern des ganzen Landes. Ich hatte ihn schon auf vielen Plakaten und in Werbespots gesehen, doch die waren nichts im Vergleich zu seiner beeindruckenden Präsenz, die den Raum dominierte. Er trug ein weißes Hemd, unter dem sich deutlich seine Muskeln abzeichneten, graue Jeans und schwarze Lederstiefel. Wie ein Mann ein so simples Outfit so sexy wirken lassen konnte, entzog sich meinem Verstand. Er saß auf einem der großen roten Sofas, den linken Arm auf der Rückenlehne ausgestreckt und die Beine entspannt überkreuzt mit einem Fuß auf seinem Knie. Er lachte über etwas, das David Lance, der Spieler neben ihm, erzählte, und sein ganzes Gesicht hellte sich auf. Seine schwarzen Haare waren ein einziges unbändiges Chaos, als hätte eine Frau sich in ihnen festgekrallt, während er sie mit diesen sinnlichen Lippen bis zur Besinnungslosigkeit geküsst hatte. Der dunkle Bartschatten gab seinem Aussehen etwas Verbotenes, Rebellisches. Er war einfach unverschämt sexy. Doch nichts von alledem hätte mich auf den Moment vorbereiten können, in dem sein Blick auf meinen traf. Selbst über die Distanz hinweg und einer Beleuchtung, die nicht gerade dafür geeignet war, jemandem schöne Augen zu machen, fühlte es sich an, als gäbe es nur uns beide im Raum. Ich hielt die Luft an, als sein tiefgrüner Blick langsam über mich glitt und sich sein Mund zu einem trägen Lächeln verzog. Durch meine jahrelange Erfahrung als weibliches Wesen hinter einem Bartresen kannte ich diesen Blick. Ihm gefiel, was er sah. Mir wurde heiß, während sich das Kribbeln zwischen meinen Beinen langsam über meinen ganzen Körper ausbreitete. Ich war es gewohnt, gemustert zu werden. Das brachte der Job mit sich. Was ich allerdings nicht gewohnt war, war die Reaktion meines Körpers. Nur zu gern hätte ich herausgefunden, ob er genauso gut küssen konnte, wie ich es mir vorstellte und wie sich seine großen Hände auf meiner nackten Haut anfühlen würden. Meine Fantasie spielte verrückt, zauberte ein erotisches Bild nach dem anderen in meine Gedanken. Nach nur einem einzigen Blick von ihm. Was war hier los? Noch nie hatte ich mich von einem Mann sofort so angezogen gefühlt. Ich musste mich zusammenreißen, auch wenn mein schneller Herzschlag und das Flattern in meinem Bauch es mir schwer machten. Ich war auf der Arbeit, ich konnte mir nicht anmerken lassen, wie unprofessionell meine Gedanken waren.

Statt dem Bedürfnis nachzukommen, über die Bar zu springen und diesen unglaublichen Körperbau aus der Nähe zu betrachten, imitierte ich sein Lächeln und ließ meinen Blick langsam an ihm nach unten und wieder zurück zu seinem Gesicht wandern. Ich stellte mich für den morgigen Tag auf starken Muskelkater in den Augen ein, denn zweimal den Blick an Zack Conners Brust vorbeizuführen, war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Als ich nach einiger Anstrengung jedoch wieder oben angekommen war, zog ich herausfordernd eine Augenbraue in die Höhe. Dieses Spiel kann ich auch. Ich gab mich unbeeindruckt von ihm. Mein Leben hinter der Bar wäre die reinste Hölle, wenn ich Schwäche zeigte und einem Gast schöne Augen machte. Aber ich fragte mich, ob mein Blick bei Zack Conner eine ähnliche Reaktion auslöste. Hatte er dieselben Fantasien über mich? Mein Unterleib zog sich bei dem Gedanken sehnsuchtsvoll zusammen. Einen Moment lang hielt Zack meinen Blick – ein Teil Belustigung, ein Teil Respekt, ein großer Teil Lust – dann wandte er sich wieder seinen Freunden zu.

„Die Frage, wer ihn für sich beanspruchen darf, hat sich damit wohl erledigt“, sagte Damian trocken und ich lachte auf. Ich bezweifelte, dass ein einziger Blicktausch mit Zack Conner mich dafür qualifizierte, ihn zu beanspruchen. Dennoch musste ich mir eingestehen, dass ich bisher noch nie so auf einen Gast im Club reagiert hatte, auch wenn hier nächtlich hübsche Männer ein und aus gingen. Von diesem Mann jedoch ging eine Energie aus, die meinen Körper zum Summen brachte und ich wusste nicht, was ich von diesem erregenden Kribbeln halten sollte. Es war aufregend und ich fühlte mich lebendig wie lange nicht mehr. Es wäre ein Leichtes, mich dem völlig hinzugeben und das wollte ich unbedingt verhindern. Zu wichtig war mir meine Unabhängigkeit. Aber auch wenn ich es nur ungern zugab: Es fühlte sich verdammt gut an, die Aufmerksamkeit eines Mannes wie Zack Conner zu erregen.

„Oh, nur zu, versuch dein Glück“, ermutigte ich ihn und knuffte ihn gegen die Schulter. „Ich würde zu gern sehen, wie du den berühmtesten Frauenheld des Landes anbaggerst.“

„Einen Versuch ist es wert. Wer weiß, wie viele Profisportler heimlich schwul sind und nichts sagen, aus Angst vor dem Mediensturm“, erwiderte er schulterzuckend, griff nach einigen Schnapsgläsern, stellte sie auf ein Tablett und füllte sie mit unserem besten Wodka.

„Die gehen aufs Haus“, flötete er, zwinkerte mir zu und schon war er mit seinem Tablett unterwegs zu der Sitznische, die sich die Tigers eben auserkoren hatten.

„Spinner“, murmelte ich kopfschüttelnd. Einen Moment später unterdrückte ich mit aller Mühe einen Schmerzensschrei, weil sich Theas Fingernägel nicht gerade sanft in die Haut meines Unterarms bohrten.

„Bitte kneif mich. Das darf kein Traum sein“, quiekte sie.

„Wenn du nicht gleich deine Nägel aus meinem Arm ziehst, werde ich noch viel mehr tun als dich zu kneifen“, drohte ich und atmete auf, als Thea ihren Griff lockerte. Grummelnd rieb ich mir die schmerzende Haut.

„Und das Alles nur wegen ein paar Basketballspielern“, murmelte ich. Zum Glück hatte ich so leise gesprochen, dass Thea mich über die dröhnende Musik nicht hören konnte, sonst hätte ich mir eine Standpauke allererster Güte anhören können. Dennoch musste ich zugeben, dass ich zumindest Damians Faszination mit den Spielern jetzt verstehen konnte. All diese Männer zusammen zu sehen, so unglaublich selbstsicher und entspannt, hatte irgendetwas Anziehendes an sich. Nicht zu vergessen ihren unglaublich attraktiven Kapitän, der einen zweiten Blick wert war. Oder einen Dritten. Vierten. Verdammt, hör auf, ihn anzustarren!

Damian scharwenzelte mit seinem Tablett zwischen den Tigers umher und ich konnte ihm ansehen, wie er es genoss die Aufmerksamkeit der Spieler zu erregen, indem er sie kurz am Oberarm berührte. Bei Zack ließ er sich besonders viel Zeit und ich sah sogar trotz der Entfernung und der bunten, blitzenden Lichter wie aufgeregt Damian war. Ich wartete schon fast darauf, dass er auf die Knie fiel und Zacks Lederstiefel küsste. Ich wandte mich an meine beste Freundin.

„Thea, erzähl mir etwas über Mister Conner.“ Es musste schließlich noch irgendeinen Grund haben, weshalb er so im Zentrum der Mannschaft stand, außer, dass er ein echter Leckerbissen war. Die Nervosität aus Theas Blick verschwand. Was die Spieler der Tigers anging, war sie ein wandelndes Lexikon.

„Zack Conner, 28 Jahre alt, 1,98 Meter groß. Aufgewachsen in Detroit, wurde direkt vom College gedraftet, war erst Profispieler in Detroit, vor vier Jahren kam er zu den Tigers und seit letzter Saison ist er Kapitän der Mannschaft. Er ist schnell und athletisch und hat die beste Freiwurfquote der ganzen Liga. Er war dreimal auf dem zweiten und zweimal auf dem ersten Platz des Most Valuable Player Awards und letztes Jahr auf Platz sieben der Sexiest-Men-Alive-Liste.“

„Nur Platz sieben? Und deswegen macht Damian so einen Aufstand?“, scherzte ich, musste meinem besten Freund allerdings Zugeständnisse in Sachen Männergeschmack machen. In meinem Ranking war Zack Conner spielend unter den ersten drei.

„Oh bitte, die Leute vom People Magazine haben doch keine Ahnung“, winkte Damian ab, der in diesem Moment wieder zurück an die Bar kam. Er hatte alle seine Shots verteilt und einen selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht.

„Na, wie ist es gelaufen? Hast du Telefonnummern ergattert und Herzen gebrochen?“, neckte ich ihn.

„Noch nicht, aber der Abend ist ja noch jung.“ Er zwinkerte und drückte mir das Tablett mit den leeren Gläsern in die Hand. „Tu mir einen Gefallen und räum das auf, Daddy braucht eine Abkühlung.“ Er fächerte sich Luft zu und verschwand im Personalraum. Seufzend machte ich mich an die Arbeit, während ich Thea dabei zuhörte, wie sie Jonah von der grandiosen Spielweise und Einstellung der Tigers vorschwärmte, seit Zack Conner der Kapitän der Mannschaft geworden war. Nach ihrem bewundernden Tonfall konnte man fast meinen, der Kerl hätte den Weltfrieden gebracht und gleichzeitig die Hungersnot in Afrika besiegt.

„So wie ich das sehe, ist er immer noch nur irgendein überbezahlter Basketballspieler“, wandte ich ein, nachdem sie nach mehreren Minuten immer noch nicht mit ihren Lobpreisungen aufgehört hatte. Nur aus Theas Monolog hatte ich heraushören können, dass der Kapitän der Tigers ehrgeizig sein und über einen ausgeprägten Teamgeist verfügen musste. Eigenschaften, die ich extrem anziehend fand. Es wäre sicherer für mich, wenn ich nicht mehr über ihn erfahren würde. Meine Kopfhaut prickelte und eine Gänsehaut breitete sich über meine Arme aus. Instinktiv schaute ich zur Lounge hinüber und traf erneut auf Zack Conners Blick, als hätte er gewusst, dass wir über ihn sprachen. In seinem Lächeln lag nichts Beschämtes oder Entschuldigendes. Er schaute mich ganz offen an und es hätte gruselig wirken sollen. Müssen. Tat es aber nicht. Er sah mich an wie ich das Eiscremeregal im Supermarkt, wenn ich meine Tage hatte: mit ungezügeltem Verlangen. Ich fand es unheimlich ablenkend.

„Oh bitte, erzähl ihm das. Ich habe die Befürchtung, er entwickelt sonst bald einen Gottkomplex“, mischte sich eine Stimme zu meiner Linken ein und Thea stieß ein atemloses Quieken aus. Ich würde mit ihr ein ernstes Wörtchen über Selbstkontrolle und Fremdschämen reden müssen, wenn dieser lächerliche Aufzug hier vorbei war.

An der Bar stand einer der Spieler, den ich durch Schnipsel aus Theas Erzählungen als Branden Jones erkannte. Er war mir mit seinen freundlichen Gesichtszügen und den warmen, braunen Augen sofort sympathisch. Ich legte den Kopf schief und erwiderte sein Lächeln.

„Solltet ihr als Teamkameraden nicht zusammenhalten?“

Er zuckte mit den Schultern. „Was soll ich sagen? Wir sind Männer. Da weiß man nie genau, wo die Beleidigungen aufhören und die Freundschaft anfängt.“

„Warum ist das wohl so?“

„Gute Frage. Für philosophische Gespräche ist aber der Alkoholpegel unserer Truppe noch nicht hoch genug.“ Bedeutsam hob er die Augenbrauen.

„Da kann ich sicherlich Abhilfe schaffen.“ Ich schnappte mir Notizblock und Stift und sah ihn erwartungsvoll an. Damit begann ein geschäftiger Abend, an dem ich meinen Cocktail Shaker nicht eine Minute aus der Hand legen konnte. Die Tigers und ihre weiblichen Begleitungen, die etwa eine halbe Stunde später hinzustießen, stellten sich als trinkfeste Gruppe heraus. Kaum hatten wir ein Tablett mit Cocktails vollgestellt und zu den Sofas gebracht, wurde schon nach der nächsten Runde verlangt. Damian ließ es sich nicht nehmen, die Getränke jedes Mal persönlich bei den Spielern abzustellen. Da sich das Glas für das Trinkgeld heute schneller füllte als in den letzten Wochen, wollte ich mich nicht darüber beschweren. Von meinem Beobachtungspunkt hinter dem Tresen konnte ich das Schauspiel aus sicherer Entfernung verfolgen ohne selbst in den Trubel zu müssen. Vor allem ohne selbst in die Nähe des Kapitäns zu müssen. Trotzdem ertappte ich mich immer wieder dabei, wie mein Blick unweigerlich von Zack Conner angezogen wurde. Es war fast, als wären alle meine Sinne in höchster Bereitschaft und schlugen Alarm, sobald er sich auch nur minimal bewegte.

Als die Stimmung immer ausgelassener wurde und Thea sich mit Damians und meiner Hilfe etwas Mut angetrunken hatte, wagte sie sich mit Stift und Papier bewaffnet zwischen die Spieler und fragte eingeschüchtert nach Autogrammen und Selfies. Jonah und ich tauschten einen belustigten Blick, als sie die Aufmerksamkeit von Branden Jones, einem der größten der anwesenden Spieler, ergatterte und er einen Moment lang so aussah, als wollte er sich hinknien, um mit ihr zu sprechen. Sie unterhielten sich lange, bevor Thea wieder zu uns zurückkehrte.

„Beste Nacht meines Lebens“, strahlte sie.

„Ich hoffe, das sagst du nach eurer Hochzeitsnacht auch“, warf Damian ein, doch es entging mir nicht, dass er genauso von der Anwesenheit der Spieler eingenommen war wie Thea. Die übermäßig gute Laune und das Funkeln in seinen Augen waren einfach zu verräterisch.

„Apropos Hochzeit, hast du Zack schon einen Antrag gemacht?“, gab Thea zurück. Resigniert zuckte Damian mit den Schultern.

„Ich glaube, ich stehe nicht auf seiner Tanzkarte.“ Er nickte zu dem Bereich der Lounge, in dem die Sofas standen. Neben Zack saß mittlerweile eine wunderschöne Frau, die sich dicht an ihn drängte und mit perfekt manikürten Fingernägeln seinen Oberschenkel streichelte. Ich schnaubte abfällig, um das seltsam enttäuschte Gefühl in meiner Brust zu überspielen. Den ganzen Abend lang zog er mich mit seinen Blicken fast aus, um sich dann von einer halb nackten Rothaarigen vernaschen zu lassen? Es war beinahe schon lächerlich, dass ich das nicht hatte kommen sehen. Typisch Sportler. Ich hätte es besser wissen sollen. Für mich war es ohnehin besser, wenn ich erst gar nicht in Versuchung kam, meiner Fantasie mit Zack Conner in der Hauptrolle freien Lauf zu lassen. Ich hatte meine Erfahrungen mit der Fixierung auf einen Mann gemacht und war nicht scharf auf eine Wiederholung.

„Wie stehst du zu Geschlechtsumwandlungen?“, fragte Thea und Damian lachte auf.

„Nicht einmal für Zack Conner würde ich zur Frau werden.“

„Schade. Ihr würdet ein echt süßes Pärchen abgeben“, seufzte ich, das Thema Zack Conner mental abhakend, und Damian gab mir mit einem Handtuch einen Klaps auf den Hintern.

Kurz vor Geschäftsschluss mixten Damian und ich die letzte Runde für die Boston Tigers. Thea und Jonah waren schon vor über einer Stunde gegangen und auch die Zahl unserer prominenten Besucher hatte sich stark dezimiert. Zack Conner und seine rothaarige Freundin hatte ich die letzten Stunden über komplett ignoriert, auch wenn ich ab und zu seinen Blick auf mir spürte. Ich hatte Besseres zu tun, als ein weiteres hechelndes Fangirl zu werden und sein Ego zu streicheln. Als ich den letzten Drink auf das Tablett stellte, unterdrückte ich ein Gähnen.

„Immer noch zu wenig Schlaf?“, fragte Damian mitleidig.

Ich nickte. „Hoffentlich ist diese Umzugsgeschichte bald erledigt.“ Seit etwa zwei Wochen wurde mein Schlaf morgens pünktlich um acht Uhr von penetranten Klopf-, Bohr- oder Rutschgeräuschen unterbrochen. Da ich fast jede Nacht erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kam, schlief ich ansonsten immer bis in den Vormittag, doch die Wohnung neben meiner, die die letzten Jahre leer gestanden hatte, war offenbar verkauft worden und seitdem wurde morgens mit dem Einrichten begonnen.

„Vielleicht kannst du deine neuen Nachbarn fragen, ob sie das Ganze um zwei Stunden nach hinten verschieben könnten?“, schlug Damian vor.

„Ich habe bisher noch niemanden getroffen. Die einzigen Leute, die ich dort drüben sehe, sind Handwerker oder Leute von der Umzugsfirma.“

„Ich übernehme heute das Aufräumen, dann kannst du früher nach Hause und vielleicht eine Stunde länger schlafen.“ Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, musste allerdings schon wieder gähnen, also nahm ich dankend an. Auch deswegen liebte ich die Zusammenarbeit mit Damian so sehr. Wir halfen uns gegenseitig aus, wenn es nötig war.

„Lass uns den hübschen Jungs jetzt noch die letzten Drinks bringen und dann kannst du verschwinden.“

Wir nahmen uns je ein Tablett und machten uns auf den Weg in den Lounge Bereich. Ich hatte geglaubt, spätestens seit der Rothaarigen mit Zack Conner abgeschlossen zu haben. Doch je näher ich ihm kam, desto mehr spürte ich diese Energie zwischen uns. Ich fühlte seinen Blick auf mir und mein Puls beschleunigte sich. Während ich durch die Reihen zwischen den Sofas und Hockern ging und Drinks nach links und rechts reichte, musste ich höllisch aufpassen, nicht über ein Paar lange Beine zu stolpern. So schön ich die großen Männer fand, es war nicht gerade einfach, ein Tablett mit gefüllten Gläsern unfallfrei durch diesen Hindernisparcours zu bugsieren, gerade wenn ich durch einen dieser Männer abgelenkt war.

Ich atmete auf, als ich nur noch ein einziges Glas auf meinem Tablett stehen hatte. Ihr wisst genau, was jetzt passiert, oder? Natürlich, es kam, wie es kommen musste. Das perfekte Klischee. In meiner Erleichterung war ich auf den letzten zwei Metern unachtsam geworden und stolperte über ein Paar gigantische Füße. Welche Schuhgröße war das? 62? Ich sah mich schon auf dem Boden liegen, das zerbrochene Glas und der verschüttete Cocktail neben mir, die Tigers kopfschüttelnd im Kreis über mir. Doch anscheinend waren die Reflexe der Sportler um mich herum auf mich übergegangen und ich konnte gerade so noch das Gleichgewicht halten. Das Cocktailglas auf meinem Tablett war jedoch nicht so gesegnet wie ich und rutschte nach vorne, wo der Inhalt schließlich überschwappte. Das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn da nicht das letzte Sofa gewesen wäre. Ich war schlecht in sämtlichen Sportarten, die das Treffen eines Ziels beinhalteten, aber selbstverständlich traf der überschwappende Cocktail jetzt das einzige Ziel weit und breit: Zack Conners seidenweißes Hemd.

Ich war überrascht, dass die Musik aus den Lautsprecherboxen nicht plötzlich stoppte, während die Welt um mich herum zu einem plötzlichen Halt kam. Wie in Zeitlupe beobachtete ich, wie das Getränk aus dem Glas spritzte, durch die Luft flog und schließlich auf blütenweiße Baumwolle traf. Entsetzt sah ich dabei zu, wie sich ein unschöner rot-orangener Fleck auf dem Stoff ausbreitete. Oh fuck. Mein Blick zuckte zwischen Zack Conners stählernen Bauchmuskeln, die ich jetzt durch das durchweichte Hemd ungestört begutachten konnte, und seinem überraschten Gesichtsausdruck hin und her. Muskeln, unglaubliche Lippen, Muskeln, unglaubliche Augen. Unglaublich wütende Augen? Gerade setzte ich zu einer Entschuldigung an, da sprang er auf und funkelte mich grimmig an.

„Herrgott, können Sie nicht aufpassen? Sie sollten sich besser einen anderen Job suchen, denn in Ihrem sind Sie nicht besonders gut“, herrschte er mich an und mir klappte die Kinnlade nach unten. Die Entschuldigung blieb mir im Hals stecken. Ich war gut in meinem Job, auch wenn Zack Conner gerade etwas anderes behauptet hatte und es in den nächsten paar Minuten nicht so auf euch wirken mag. Ich war pünktlich und hatte noch nie eine Bestellung vermasselt. Ich blieb immer höflich, auch wenn einige der VIPs es mir schon verdammt schwer gemacht hatten. Aber in diesem Moment konnte ich mich einfach nicht beherrschen. Ich wusste nicht, ob es an der ständigen Müdigkeit lag, durch die ich gereizt war. Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken, ob es daran lag, dass ich die Elektrizität zwischen Zack und mir durch den ganzen Club gespürt hatte und er sich dann doch mit der Rothaarigen abgab. Tatsache war, dass ich explodierte.

„Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist, hier ist ein Urwald aus langen Beinen und großen Füßen entstanden.“ Wie eine Bekloppte fuchtelte ich wild mit der Hand in Richtung besagten Urwaldes.

„Dann sollten Sie das nächste Mal vielleicht die Augen aufmachen.“

Ich rümpfte die Nase. „Als ob ich mit jemandem wie Ihnen ein nächstes Mal wollte.“ So eine Verschwendung von Schönheit. Zack Conner hatte mir besser gefallen, als er nicht mit mir gesprochen hatte.

„So wie Sie mich vorhin angesehen haben, wollen Sie noch eine ganze Menge mehr.“ Wieder dieses träge Grinsen, nur diesmal machte es mich stinksauer. Es wirkte überheblich, aber trotzdem breitete sich ein unerwünschtes Prickeln auf meiner Kopfhaut aus, wenn er mich so ansah.

„Bilden Sie sich bloß nicht zu viel ein. Sportler sollen ja angeblich ohnehin nicht viel im Kopf haben.“

„Und ich wette mein gesamtes Jahresgehalt, dass Sie mich trotzdem nicht von der Bettkante stoßen würden.“ So ein überheblicher, arroganter Arsch. Ich musste mich unglaublich beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen. Seine Sprüche waren wirklich mies. Wahr, aber mies. Beinahe wollte ich mich schon bei der Rothaarigen bedanken, dass sie es mir erspart hatte, mich den ganzen Abend lang mit ihm abzugeben.

„Sie verfügen über eine beeindruckende Fantasie, Mr. Conner.“

„Ich verfüge noch über eine ganze Menge mehr.“ Er trat einen Schritt näher und sein männlich herber Duft stieg mir in die Nase. Er war mir so nah, dass ich mich nur ein Stück nach oben hätte strecken müssen, um zu prüfen, ob diese Lippen wirklich so weich waren, wie sie aussahen.

Konzentration, Zoey.

Ich tat es ihm gleich und schenkte ihm einen jahrelang erprobten, einladenden Augenaufschlag. Als er schon siegessicher grinste, griff ich nach dem halb vollen Cocktailglas, hob den Arm und goss ihm den letzten Rest des Drinks über den Kopf.

„Der geht aufs Haus“, säuselte ich. Zacks Teamkollegen johlten, wobei die wenigen noch anwesenden weiblichen Begleitungen inklusive seiner Freundin kollektiv nach Luft schnappten.

„Das werden Sie bereuen“, sagte er grollend, während er sich mit der Hand durch die nassen Haare fuhr und dabei aussah wie aus einer Parfümwerbung entsprungen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn auch schon einmal in einer solchen Werbung gesehen hatte. Oder war das nur meine Fantasie?

„Dazu hat es mir viel zu viel Spaß gemacht.“ Mit diesen Worten drückte ich ihm das nun leere Glas in die Hand, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Tatort. Ich konnte die brennenden Blicke der Tigers in meinem Rücken spüren, während ich zurück zur Bar lief. Damian starrte mich mit heruntergeklappter Kinnlade an. Ich hielt es erst für pures Entsetzen, aber ein schelmisches Blitzen lag in seinen Augen. Er schloss den Mund wieder, als ich ihm einen giftigen Blick zuwarf.

„Ich will nichts hören“, schnappte ich, als ich im Vorbeigehen mein leeres Tablett auf dem Tresen abstellte, in den Personalraum stapfte und die Tür hinter mir zuknallte.

Überheblicher Idiot, dachte ich, als ich den Knoten an meiner Schürze löste. Unfälle passierten eben, gerade wenn viele Leute und Alkohol im Spiel waren. Und Zack Conner? Hatte sich aufgeregt, als stünde meinetwegen der Weltuntergang bevor. Was bildete er sich überhaupt ein? Glaubte er, er konnte wegen eines einzigen Missgeschicks meine Fähigkeiten als Barkeeperin beurteilen? Er hatte immerhin den ganzen Abend lang meine Cocktails getrunken und dabei verdammt glücklich ausgesehen. Nur weil ich einmal nicht aufgepasst hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich unfähig war. Bei seinem Gehalt als Profisportler konnte er sich sicher ein neues Hemd leisten. Kein Grund, so auszurasten. Für dich gab es auch keinen Grund, tadelte mich meine innere Stimme und ich hielt inne. Oh Gott, was hatte ich getan? Ich war stolz auf meine Professionalität, immerhin hatte ich es zu Teilen dieser zu verdanken, dass ich hinter der VIP-Bar stand. Warum nur waren bei mir gerade alle Sicherungen durchgebrannt? Es war nicht das erste Mal, dass ein Gast unfreundlich zu mir gewesen war. Himmel, ich arbeitete für Prominente und Leute, die glaubten, welche zu sein. Nicht selten hielten sie viel von sich und wenig von anderen. Ich hatte solche Situationen immer mit einem Lächeln abtun können. Warum hier nicht? Wieso hatte ich meinen tadellosen Ruf hinter dieser Bar riskiert? Meine verdammte Fantasie musste daran schuld gewesen sein, obwohl ich mir selbst verboten hatte, mir solche Gedanken über Zack Conner zu machen. Aber ich hatte einfach nicht verhindern können, mir vorzustellen, wie sich seine Haut, seine zerzausten Haare, seine Küsse anfühlen würden. Dann war die erste Enttäuschung gekommen, dass er offensichtlich mehr Fantasien über die Rothaarige als über mich hatte. Und schließlich das Fiasko gerade eben. Der reale Zack Conner mit seiner aufbrausenden Art unterschied sich deutlich von dem aus meiner Fantasie. Das war die zweite Enttäuschung gewesen. Ich hatte die Situation komplett verbockt, seit dem Augenblick, als Zack Conner den Club betreten hatte. Ich musste das irgendwie wieder geradebiegen. Ich holte meine Jacke und Handtasche aus meinem Spind und atmete noch einmal tief durch, ehe ich meine Zuflucht wieder verließ. Ich wappnete mich innerlich für eine direkte Konfrontation mit Zack Conner. Diesmal würde ich ruhig bleiben. Diesmal würde ich meine Professionalität bewahren. Doch all das gute Zureden brachte nichts, denn Zack Conner war schon gegangen. Mitsamt der Rothaarigen. Stattdessen lehnte Branden am Tresen und zwinkerte mir amüsiert zu.

„Nette Vorführung. Kann man deine Künste für weitere Feiern buchen?“

Ich legte den Kopf schief und musterte ihn eindringlich im Versuch, herauszufinden, ob er die Situation wirklich lustig fand oder ich mir gleich eine zweite Standpauke anhören durfte, weil ich seinen Freund gerade vor der kompletten Mannschaft bloßgestellt hatte. „Solltest du nicht sauer auf mich sein?“

„Hast du schon vergessen, was ich dir vorhin über Männerfreundschaften erzählt habe?“ Er lächelte. „Außerdem hat er das vielleicht gerade gebraucht. Der Kerl ist momentan wirklich schwer zu ertragen.“

Frag nicht nach, frag nicht nach, frag bloß nicht nach. Ich redete mir ein, dass es mich ohnehin nicht interessierte. Der einzige Trost war, dass ich Zack Conner nicht wiedersehen musste. Nach diesem Vorfall würde er sicher nicht zurück in den Club kommen. Wenn das meine Chefin erfuhr …

„Wie heißt du?“

„Zoey.“

„Hat mich gefreut, Zoey. Falls deine Dienste wieder gebraucht werden, weiß ich ja, wo ich dich finden kann.“

„Das klingt beinahe wie eine Drohung.“ Auf eine weitere Begegnung mit Zack würde ich gern verzichten. Branden antwortete nicht, sondern hob nur die Hand in einer stummen Verabschiedung. Dann wandte er sich zu seinen Freunden, die schon auf ihn warteten und verschwand mit ihnen die Treppe hinunter.

„Ich bin am Arsch“, erklärte ich Damian, sobald wir allein waren. „Wenn Charlotte das erfährt, bin ich gefeuert.“

„Ich werde es ihr sicher nicht erzählen“, versicherte er mir mit einem gekränkten Ausdruck im Gesicht.

„Deinetwegen mache ich mir auch keine Sorgen.“ Ich starrte den Tigers hinterher. Was war, wenn Zack oder jemand anderes aus der Gruppe sich über mich beschwerte? Um seine Teamkameraden machte ich mir seit dem Gespräch mit Branden weniger Sorgen. Aber die Frauen? Sie hatten regelrecht entsetzt gewirkt. Es brauchte nur einen Tweet, eine Story auf Instagram, und die ganze Sache würde mir um die Ohren fliegen. Ich schalt mich selbst, weil ich im Personalraum so lange gebraucht hatte, um mich wieder zu beruhigen. Wäre ich nur etwas schneller gewesen, hätte ich die Gruppe noch einmal abpassen und mich entschuldigen können.

„Etwas Gutes hatte die ganze Sache wenigstens.“ Damians Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich das Nachfolgende eigentlich gar nicht hören wollte. „Immerhin hat dich der Typ nur mit Worten mehr auf Touren gebracht als dein letzter Freund im Bett.“

Ich rollte mit den Augen. Ich wollte gerade weder an den Typen, noch an meinen letzten Freund denken. „Wir sehen uns morgen“, gab ich nur zurück und ließ ihn stehen. Sein Lachen verfolgte mich die Treppe hinunter, während mir eher nach Heulen zumute war. Diese Nacht war eine komplette Katastrophe gewesen. Noch nie in meiner ganzen Karriere war mir so etwas Peinliches passiert. Nicht nur, dass ich mich dafür schämte. Wenn ich Pech hatte, würde die Sache nach hinten losgehen und ich wäre meinen Job los. Ob ich Zack in den sozialen Medien ausfindig machen und ihm eine Nachricht schreiben konnte? Ich verwarf die Idee schnell wieder. Ich konnte mir gut vorstellen, wie viele Nachrichten jemand wie er tagtäglich erhielt. Meine würde völlig in dieser Flut untergehen. Mir würde nichts anderes übrig bleiben, als mit der Situation abzuschließen und das Beste daraus zu machen. Mein einziger Trost war, dass ich ab jetzt nie mehr der Anziehungskraft von Zack Conner und der damit verbundenen Gefahr ausgeliefert war. Aber so sehr ich mich auch bemühte, wirklich darüber freuen konnte ich mich nicht. So schnell wie möglich verließ ich den Club, setzte mich in mein Auto und fuhr nach Hause. Was für eine Nacht.

Run and Gun

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