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Zuflucht

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31. Mai (Fortsetzung)

»Die Bräune steht dir!«

Ich hatte ihn unter Deck rumbasteln hören und wartete darauf, dass Robert hochkam.

»Na ja, du kennst mein Motto, es kommt nicht drauf an, wie du dich fühlst, sondern wie du aussiehst.«

»Ich schätze, Hautkrebs ist nicht sonderlich von Belang heutzutage.«

»Melanome stehen noch auf der Liste, nur nicht mehr so weit oben wie früher. Hast du Kaffee gemacht?«

»In der Kombüse, ist aber Instant. Ich habe mir die Karten angesehen, die wir gestern von den Booten geholt haben, und dachte, wir versuchen es mit Monhegan Island, schauen, was dort los ist. Schon mal da gewesen?«

»Würde es helfen, wenn ich schon da gewesen wäre?«

»Nein.«

»Ich bin noch nie dort gewesen.«

Ich hörte das Rascheln von Papier und öffnete die Augen. Robert saß neben mir und breitete eine Seekarte auf dem Deck aus.

»Es sind etwa vierzig Meilen von hier aus. Der Bundeswetterdienst ist ausgefallen, aber das Barometer und das Wetter sehen günstig aus. Mit ein bisschen Glück könnten wir es heute schaffen.«

»Nun, meine Tanzkarte scheint leer zu sein heute, also warum nicht. Was glaubst du, wie viele?«

Ich manövrierte mich in eine sitzende Position, wobei mein Rücken mir mitteilte, dass ich a) sechsundvierzig Jahre alt war, b) das Deck hart war, trotz der Isomatte und c) es unter Deck ein verdammtes leeres Bett gab!

»Nun, wie unser guter Freund Bill Shakespeare sagen würde, hier ist der Haken! Jeder Dahergelaufene wird dort Zuflucht gesucht haben, aber im Fall der Fälle sollte es dort eine Menge Boote zu durchsuchen geben und einen Platz zum Ankern, falls sich das Wetter dreht.«

Er schaute in die Ferne und zum ersten Mal konnte ich sehen, wie sich das Ausmaß unserer Situation in seinem Gesicht abzeichnete. Keine Furcht oder Traurigkeit, nur ein tiefes Verständnis von allem.

»Was ist mit Mantinicus? Ich hörte, es wäre nett dort. Könnten vielleicht weniger Menschen dort sein, und weniger von ihnen

»Da könntest du recht haben, aber diese Typen bleiben gern unter sich. Ich denke nicht, dass wir mit offenen Armen empfangen werden würden. Zu schade, man kann dort gut Lobster fangen. Nun, was auch immer wir nehmen, es wird ein Glücksspiel sein. Wir rollen die Würfel und warten ab, was Fortuna uns bringt.«

»Ja, wo uns das Miststück in letzter Zeit doch so hilfreich war.«

Robert stand auf und schlug mir auf den Rücken. »Mehr Gelassenheit, mein Junge! Mehr Gelassenheit«, rief er und ging lachend unter Deck.

Ich brauchte eine Minute … ach ja, Seinfeld.

Danke, dass du mich ans Fernsehen erinnerst, Arschloch.

Ich folgte ihm nach unten.

»Also, warum zum Teufel hast du so gute Laune? Ich dachte, neben dem Scotch und all der anderen Scheiße wäre heute Griesgrämigkeit an der Reihe.«

»Weißt du, John, du hast recht. Ich sollte angepisst sein, das Leben stinkt. Eigentlich sollten wir tot sein, sind es aber offensichtlich nicht. Alles, was wir kannten und liebten, ist fort. Schmerz ist angesagt! Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass wir zwei erwachsen werden. Es ist keine Sünde, dass wir nicht mit dem Rest umgekommen sind. Wir müssen uns selbst vergeben, du ganz besonders, John. Was du da auf dem Festland getan hast, war einer der größten Akte reiner Liebe, den ich je gesehen habe. Vergiss das nicht und denk daran, dass wir überleben müssen.« Er drehte sich um und reichte mir eine große Tasse Kaffee. »Und du wirst mir vergeben. Dieses Zeug, wie mein Enkel sagen würde, schmeckt richtig scheiße.«

Ich sah Schmerz in seinen Augen und nahm einen Schluck. Ja, es schmeckte tatsächlich scheiße, aber mit einer Schachtel Pfadfinderkeksen dazu war das Frühstück nur halb so schlimm.

Robert riss sich schnell zusammen.

»Okay, wir setzen Segel und schauen uns die Insel an. Normalerweise gibt es dort weniger als hundert Menschen, aber mit Touristen und Flüchtlingen, erwarte ich eine ganze Menge mehr. Wenn sie sich organisiert haben, wer weiß das schon? Was denkst du?«

»Nun, wir werden ein paar Vorräte brauchen, bevor wir losziehen. Wir haben kaum noch Batterien.«

»Und Dewars. Lass uns als Nächstes in Tenants Harbor anlegen.«

Er ertappte mich beim Nachdenken und sah mich streng an. »Du weißt, dass wir weder Diebe noch Piraten sind.« Er lachte kurz auf und ich warf ihm einen Blick zu, der sagte: kein Scheiß.

»Wir sind Überlebende«, sagte ich. »Unsere moralische Verpflichtung liegt bei den Lebenden, den richtigen Menschen. Die Anderen sind nur … sehr gefährliche Tiere.«

Ich beschäftigte mich mit den Segelvorbereitungen, aber im Hinterkopf dachte ich weiter an Roberts Konzept der Vergebung. Verflucht, ich war katholisch erzogen worden, Schuld, das Geschenk, an dem man sein Leben lang Freude hat. Konnte ich mir wirklich vergeben? Um zu leben, das wusste ich, müsste ich das. Ich musste mir immer wieder sagen, dass es nicht meine Schuld war, sondern Schicksal, was auch immer das bedeutete. Ich wusste auch, dass ich mich beruhigen musste, Vernunft walten lassen sollte und, egal, wie müde oder kaputt ich war, ich musste alles sorgfältig durchdenken. Ich musste das Ego loslassen und mir zu Herzen nehmen, dass ich nicht so gewitzt, schnell oder vorsichtig war. Ich glaubte, was Robert andeutete, war in der Gegenwart zu bleiben und einen Tag nach dem anderen zu leben, Stunde für Stunde. Ich versuchte nicht so viel Energie an meine Zukunft zu verschwenden oder über das nachzudenken, was immer offensichtlicher wurde. Ich konzentrierte mich auf das eine Wort, das die Staatsflagge von Rhode Island zierte: Hoffnung.

Sobald wir unterwegs waren, fing ich an runterzukommen und stürzte mich in Routine. Robert opferte etwas Zeit, um die Grundlagen des Segelns mit mir durchzugehen, mal wieder. Ich übte auch Knoten zu knüpfen und hielt die Augen offen wegen anderer Boote.

Tenants Harbor war eine typische Küstenstadt Neuenglands und ein großartiger Ort, um den Sommerurlaub dort zu verbringen. Zu segeln, Golf zu spielen, ein paar Galerien zu besuchen und eine Menge Meeresfrüchte zu essen. Nun wimmelte es dort vor Untoten. Unter vollen Segeln ging unsere Ankunft nicht unbemerkt vonstatten. Sie strömten rasch zum Ufer und bevölkerten die Docks, kletterten übereinander und schubsten die Vordersten ins Wasser, nur um einen Blick auf uns zu erhaschen. Sie streckten die Arme und Fingerspitzen so weit wie möglich nach vorne, die Augen fast flehend. Da waren Hunderte von ihnen und es wurden immer mehr. Die Menge erzeugte ein kollektives Brüllen, als wir näherkamen. Ich hatte noch nie so viele auf einmal gesehen und schauderte bei dem Gedanken daran, wie es wohl gerade in Portsmouth oder Boston aussah. Der Wind drehte und der Gestank war unglaublich.

In der Menge fiel mir eine Person besonders auf. Sie war groß, blond und wäre lebendig schön genug für das Cover eines Bademodenmagazins gewesen. Sie trug die Überreste von etwas, das wie ein Hochzeitskleid aussah, schmutzig und zerrissen. Mit einer nackten Brust und auf High Heels herumstolpernd gab sie ein zugleich erotisches als auch deprimierendes Bild ab. Es durchfuhr mein Gehirn und mir wurde klar, dass ich wohl nie wieder Sex haben würde. Ich versuchte an das letzte Mal zu denken, vor ein paar Jahren. Ich konnte mich beim besten Willen nicht an ihr Gesicht erinnern.

Robert und ich hatten uns auf einen sorgfältig geplanten Ablauf geeinigt, wie wir ein Boot betreten wollten. Zuerst stellte er die Sirene an, um unsere Anwesenheit zu verkünden. Dann funkten wir das Schiff an, um zu sehen, ob jemand Lebendiges an Bord war. Bewaffnet und bereit loszulegen, umkreisten wir anschließend das Gefährt und checkten es aus allen Blickwinkeln. Sobald es aussah, als wäre die Luft rein, fuhren wir ran, ich sprang rüber, die Flinte in der Hand, und Robert entfernte sich. Der Plan war, dass ich, falls ich auf etwas stieß, womit ich nicht klarkam, ins Wasser springen und zu ihm schwimmen würde. Sobald alles sicher aussah, gab ich ihm Bescheid ranzufahren und anzulegen. Wir machten anfangs eine Menge Lärm, um jegliche Kreaturen im Inneren aufzuscheuchen, warteten dann und lauschten. Abgeschlossene Türen waren immer am schlimmsten und ich feuerte ein paar Mal, um sie zu öffnen. Man wusste einfach nicht, was vielleicht herausstürmte oder einfach wartend dasaß. Sobald das Boot geräumt war, gingen wir einkaufen.

Die Raubzüge waren ein voller Erfolg. Wir fanden eine Menge Benzin, Batterien, Essen, Wasser und Dewars Scotch. Wir deckten uns auch mit nicht so Lebensnotwendigem ein, wie Leuchtgeschossen, Kleidung, Büchern, Hygieneartikeln und überhaupt allem, was wir für brauchbar hielten. Da wir nur zu zweit waren, war Platz überhaupt kein Thema. Wir trafen nur auf zwei Zombies, beide waren schnell erledigt. Sie stolperten auf einer großen Jacht herum, auf der wir ein spätes Frühstück genossen, duschten und eine weitere Schrotflinte und Munition einsackten. Es gab noch mehr Boote zu durchsuchen, aber wir hatten reichlich gebunkert und waren bereit, weiterzuziehen. Robert hielt es für eine gute Idee, sobald wir eine einigermaßen dauerhafte Bleibe gefunden hätten, eine Datenbank anzulegen mit all den Booten und Orten, die wir inspiziert hatten, was wir entfernt hatten und was zurückgeblieben war. Eine tolle Idee, aber ohne Strom und der Seltenheit von Batterien müssten wir das per Hand tun. Soviel zu dem Excel-Auffrischungskurs, den ich im letzten Semester belegt hatte.

Als wir uns aus dem Hafen manövrierten, erschien ein weiteres Segelboot in der Ferne auf dem Weg nach Norden. Robert feuerte ein Leuchtgeschoss ab, aber es drehte ab. Da der Kurs nach Norden nicht unseren Plänen entsprach, fuhren wir nicht hinterher, sondern zogen gen Süden nach Monhegan Island.

Wenn ich nicht gerade Robert zuhörte oder mit einer Schnur spielte (wegen der Knoten), überwachte ich das Radio und suchte verschiedene Frequenzen ab. Es war überraschenderweise viel los. Da gab es französisch sprechende Gruppen aus Nova Scotia, eine Handvoll aus dem ländlichen Maine und einige New-Hampshire-Gemeinden, die noch dabei waren. Das Notfallalarmsystem funktionierte auch, obwohl sie immer noch den gleichen Kram wie letzte Woche verkündeten: Drinnen bleiben und die Anweisungen der Behörden befolgen.

Wir hatten auch Verbindung zu anderen Booten. Im Großen und Ganzen hieß es, wenn man sich im ländlichen Raum befand und wachsam blieb, bestand eine Chance, war man irgendwo in der Nähe eines Bevölkerungszentrums, war man am Arsch. Niemand hatte wirklich aktuelle Informationen und jeder erzählte die gleiche Geschichte, dass alles viel schneller passierte als erwartet. Einige hofften sogar auf Rettung, in dem Glauben, dass es noch eine Regierung gab, dass es jemanden kümmerte und jemand sie retten würde. Manche der Gruppen, mit denen wir sprachen, hatten Kurzwellenkontakt mit Europa und der Karibik, aber die waren in der gleichen Situation wie die USA – am Arsch. Wir schnappten auch Gerüchte auf, über Marineaktivitäten südlich von uns und über etwas, das auf Martha's Vineyard und in Nantucket vor sich ging. Jede Gruppe hatte ihre eigene Vorstellung davon, sich zu retten. Wie wir zogen manche in den Süden, manche nach Norden; nutze die Kälte und friere die Scheißer ein, andere hielten still und rührten sich nicht vom Fleck. Zwei der Gemeinden im Süden von Maine gingen nirgendwo hin, sie standen unter Belagerung.

Wir nahmen mit einem Fischerboot, der Queequeg, Kontakt auf, etwa zehn Meilen entfernt, und ihr Kapitän, Josh, informierte uns, dass Monhegan gänzlich verloren war.

»Sieht aus, als hätte ein Großteil des Dorfes gebrannt. Ein paar kleinere Brände gibt es noch und eine Menge Rauch landeinwärts. Von der Anzahl der Boote her würde ich sagen, dass eine ganze Menge Menschen die gleiche Idee hatten wie wir. Der Hafen war brechend voll und es gab Wracks rings um die Insel. Over.«

»Was ist mit Aktivität am Ufer? Over.«

»Eine große Menge von denen am Ufer. Sehen heißt Glauben. Wir haben über zweihundert im Dorfgebiet gezählt. Kamen nirgendwo in die Nähe von Land, ohne Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, mit dem Motor sind wir alles andere als unauffällig. Wir sind nicht sehr gut bewaffnet und haben deshalb nicht gewagt anzulegen. Ist es überall so schlimm? Over.«

»Auf dem Festland ist es noch schlimmer, Josh, das totale Chaos. Was ist mit den vertäuten Booten? Irgendetwas, das uns interessieren könnte?«

»Sorry, Robert, aber außer der Queequeg und einigen anderen scheint der Hafen abgeerntet zu sein. Könnte aber trotzdem den Besuch wert sein, ihr habt vielleicht andere Bedürfnisse als wir. Hab' ein paar Segelboote in der Ferne gesehen, aber die wollten mit uns nichts zu tun haben. Wir haben ein kleines Problem, was den Treibstoff angeht; 'ne Menge zu essen, aber Scheiße, Mann, wir sind ein Fischerboot!«

Ich war erleichtert, dass das Over-Spielchen vorbei war.

»Ich schätze, es geht wieder zurück ans Reißbrett. Also, wo wollt ihr hin, Josh?«

»Nun, wir lagen gerade vor George's Banks, als es richtig losging, deshalb haben wir eine Weile abgewartet und die Nachrichten per Satellit und Radio verfolgt. Wir dachten alle, es würde vielleicht vorüberziehen wie die jährliche Grippewelle oder dass die USA rauskriegen würden, wie damit umzugehen ist. Monhegan war ein Weckruf und … na ja, die Crew hat abgestimmt. Es war einstimmig. Wir gehen nach Hause.«

»Wo ist euer Zuhause?«

»New Bedford«, sagte Joshua leise mit diesem klassischen Massachusetts-Akzent.

Wir sahen uns gegenseitig ungläubig an, sind die verrückt? New Bedford ist eine berühmte alte Walfängerstadt, versteckt zwischen Providence und Boston. New Bedford war reinster Selbstmord.

»Bist du sicher? Gegen New Bedford wird die Insel gemütlich aussehen. Es gibt dort nichts mehr für dich und deine Crew, Josh. Willst du wirklich sehen, was mit deinen Lieben passiert ist?«

»Nun ja, wir haben es immer wieder durchgekaut. Wir müssen zurück … es ist unsere Heimat.«

Man konnte an seiner Stimme hören, dass wir nichts mehr sagen konnten. Sie hatten ihren Entschluss bereits gefasst und, wie ich hoffte, etwas Frieden in dieser Entscheidung gefunden. Genau wie der Frau im Supermarkt konnte ich ihnen nicht helfen.

»Was ist mit euch, Robert?«

»Wir fahren Richtung Süden, vielleicht finden wir eine kleine karibische Insel und können dort die Sache aussitzen.«

Josh lachte. »Klingt sehr viel bequemer als der Norden! Viel Glück.«

»Gute Reise, Queequeg

»Euch auch, Providence. Over and out.«

»Verdammt.« Robert starrte auf das Funkgerät. Er schaltete es ab und wir standen für eine Minute schweigend da.

Er legte seinen Kopf zur Seite und sah mich an. »Queequeg?«

»Moby Dick«, antwortete ich.

»Nie gelesen.«

»Mach dir nichts draus, geht den meisten so, es sei denn, sie wurden dazu gezwungen.«

»Wurdest du gezwungen?«

»Nein.«

»Das hätte ich mir denken können.«

Warum würde man in den sicheren Tod gehen wollen? Ich weiß, dass wir alle mit dem, was passiert ist, auf unsere eigene Weise umgehen müssen, aber sie hatten die völlige Verwüstung und das Grauen nicht gesehen. Ich betete, dass sie ihre Meinung ändern würden, sobald sie näherkamen und der Scheiß ihnen richtig ins Bewusstsein drang.

»Also, was steht als Nächstes auf dem Plan? Wir haben immer noch eine Menge …«

»Warte eine Sekunde, John, ich habe etwas auf dem Radar! Es ist groß, kein Frachtschiff.«

»Wie weit?«

»Etwa fünfundzwanzig Meilen östlich, sie könnten auf die Insel zusteuern. Sieht aus, als hatten wir alle die gleiche Schnapsidee.«

»Na ja, geteiltes Leid ist halbes Leid.«

»Sehen wir uns das mal an!«

Unsere Laune hatte sich gehoben seit Tenants Harbor, und die Aussicht darauf, tatsächlich Menschen anzutreffen, machte alles nur noch besser. Der Wind nahm zu und der Tag kühlte ab. Wir quatschten die nächsten Stunden, erzählten uns Geschichten und spannen Seemannsgarn. Ich versorgte Robert mit kaltem Bier und mich mit Coke.

Eine Möwe am Himmel, der Duft der See und der Klang des Bootes, wie es durch das Wasser rauschte, waren nichts Geringeres als magisch. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass dies nichts weiter als ein normaler toller Tag war, zwei Freunde, ein wunderbares Boot und ein weiter Ozean vor uns. Man konnte sich fast schon entspannen.

Als wir näherkamen, konnten wir sehen, dass das Boot eine nette Motorjacht war, und mit nett meinte ich verdammt groß. Robert sagte, es wäre eine Spezialanfertigung und man könnte darin mit Leichtigkeit zwanzig Leute stilvoll unterbringen, Personal nicht mitgezählt. Es war eins von der Art, die der Bösewicht in James-Bond-Filmen für gewöhnlich besaß. Je weiter wir uns näherten, desto mehr stieg die Anspannung. Man hatte auf unsere Funkrufe nicht geantwortet und nie versucht, den Kurs oder die Geschwindigkeit zu ändern. Wir bemerkten, dass sich etwas an Bord bewegte, und es sah definitiv nach etwas Lebendigem aus. Wir erwarteten kein Empfangskomitee, aber ein Hallo könnte doch viel dazu beitragen, unsere Nervosität zu verringern. Man konnte uns eindeutig sehen und wir hielten einen gesunden Abstand von ihrem Heck. Irgendwann konnte ich mindestens zwei Leute auf dem Deck erkennen, die uns durch große Ferngläser beobachteten. Es schien, als trugen sie eine Art Uniform. Nach zehn Minuten passierte immer noch nichts! Ich meine, wenn sie beunruhigt waren, könnten sie doch den Helikopter nehmen und uns unter die Lupe nehmen.

»Was zum Teufel ist hier los? Ich glaube nicht, dass sie infiziert sind und sie können deutlich sehen, dass wir es auch nicht sind. Man sollte doch meinen, sie würden wenigstens reden wollen, sehen, was los ist, Informationen austauschen.«

»John, du schaust nicht viel fern, oder? Meiner Einschätzung nach will sich keiner, der sich so ein Schiff leisten kann, mit Typen wie uns abgeben. Warum das Risiko eingehen? Wir haben nichts, was sie bräuchten.« Er warf einen ausgiebigen Blick auf das Ungeheuer.

»Komm, nichts wie weg von hier.«

Wir steuerten nach Westen, zurück zur Küste.

»Vielleicht bin ich naiv, aber das ist doch bescheuert!« Ich schaute zu Robert auf. »Die Welt macht den Abgang und wir haben immer noch mit so 'nem Scheiß zu tun!«

Robert warf mir diesen väterlichen Blick zu. »Warum das Risiko eingehen? Und ja, du bist naiv.«

Wir ankerten bei Sonnenuntergang in einer unscheinbaren Bucht und gingen schlafen.

1. Juni

Ich wachte mit massiven Austrocknungskopfschmerzen auf und fühlte mich beschissen. Die Tage in der prallen Sonne forderten ihren Tribut. Nach mehreren Häfen und einer Menge Booten stießen wir auf etwas sehr Interessantes. Es war ein Leuchtturm, der auf einer kleinen Insel stand, vielleicht fünfzig Meter vom Ufer entfernt. Die Insel war größer als Molly's Rock und es wuchsen sogar ein paar kleine Bäume und richtiger Rasen darauf. Die gesamte Insel war umringt von fünf bis sieben Meter hohen Klippen, aber auf der Leeseite fielen die Klippen auf weniger als zwei Meter ab und dort gab es ein kleines Dock. Das einzige wirkliche Problem lag fast direkt gegenüber von diesem Dock, und zwar das winzige Dorf God's Haven. Es war ein Ort, den man im Sommer besuchte, um das richtige alte Neuengland zu erleben und eine Menge Fotos von dem Leuchtturm zu machen. Eine kleine Bucht für Segelboote neben einem traditionellen Maine-Dörfchen alter Schule, erbaut auf einem Hügel, der sich zu einer langen, hölzernen Werft herunterwand, die wiederum von Restaurants und Souvenirläden gesäumt war. Es war außerdem Ausgangspunkt für Whalewatching-Touren. Und ja, da waren Zombies. Sie sahen uns und strömten zum Dock herunter. Innerhalb von fünf Minuten hatten wir vierzig von ihnen gesichtet und es kamen noch mehr aus den Tiefen des Dorfes.

Wir waren bei Ebbe angekommen und beschlossen nachzusehen, ob uns der Kanal wirklich Schutz bot und wir ihn durchsegeln konnten. Zeit für uns, unser letztes Totalversagen nicht zu wiederholen. Tatsächlich war das Wasser ziemlich tief, hatte sogar bei Ebbe eine schnelle Strömung und würde ein anständiges Hindernis abgeben. Als wir die Werft passierten, gerieten die Untoten in Ekstase. Sie gaben ein kollektives Brüllen von sich und streckten sich, fast schon flehend, weil wir näherkommen sollten. Als die Menge dem Boot folgte, fielen zwei von ihnen ins Wasser und verschwanden einfach, wir sahen sie nicht mehr auftauchen.

Robert hatte ein breites Grinsen im Gesicht. »Das könnte ein Volltreffer sein!«

Wir waren müde, refften die Segel und entschieden uns, noch einmal per Motor drum herum zu fahren, schön langsam. Wir gaben Funkrufe und ein paar Stöße mit der Sirene ab, bekamen aber keine Antwort vom Leuchtturm. Das Gebäude selbst schien aus dem 19. Jahrhundert zu sein, war aber sehr gut in Schuss. Der Turm war etwa fünfundzwanzig Meter hoch und ein langer Pflasterweg führte zu einem wunderschönen zweistöckigen Haus. Alle Gebäude waren weiß gestrichen und hatten rote Dächer, mit Ausnahme des Turms, dessen Spitze schwarz und dessen Lichtanlage von einem Laufgang aus Metall umzirkelt war. Alles sah frisch gestrichen aus und das Dock und die Treppe waren gut instand gehalten. Ich hatte auf dem Weg hierher eine automatische Lampe gesehen und nahm an, dieser Ort wurde aus historischen Gründen geschützt oder war in Privatbesitz. So oder so, wir würden ihn uns näher ansehen.

Es war ein Glücksspiel, denn es konnten ein Dutzend Zombies im Haus oder im Turm auf uns warten, obwohl das unwahrscheinlich schien. Trotzdem, es war viel zu wenig Zeit vergangen, um nicht dieses Déjà-vu-Gefühl zu bekommen. Wir legten rasch an und stiegen die Treppe hoch und immer noch gab es keine Zeichen von Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite des Hauses stand eine kleine, moderne Windmühle, was ich bei unserer Umrundung gar nicht bemerkt hatte. Der Turm hatte nur eine Tür und die war verschlossen.

Wir standen in der Mitte zwischen Turm und Haus. Ich ging runter auf ein Knie, Robert zog sein Fernglas raus.

»Okay, viele der Vorhänge oben sind zugezogen.« Robert setzte seine Beobachtung für mindestens eine weitere Minute fort, während ich zu entspannen versuchte und meine Atmung zu kontrollieren. Bitte lass diese Nummer funktionieren.

»Sieht gut aus, Vordertür ist geschlossen. Okay, schön locker.«

Das Haus bestand aus blendend weißen Holzschindeln. Zwei Stockwerke, eine kleine Veranda und ein gut gepflegter Garten. Sehr geschmackvoll, sehr nett, und bestimmt sehr teuer. Dieser Ort machte keinen denkmalgeschützten Eindruck. Ein Teil des Gartens war durch einen weißen Lattenzaun abgeteilt und dort stand ein Flaggenmast, an dem das Sternenbanner flatterte. Jackpot!

Es gab ein großes Fenster rechts neben der Eingangstür. Die Spiegelung des Sonnenlichts machte es schwierig, hineinzusehen. Ein wenig euphorisch und zuversichtlich, dass wir die Sache unter Dach und Fach hätten, ging ich auf die Veranda und lauschte. Nach etwa einer Minute der Stille und ohne richtig darüber nachzudenken, schirmte ich meine Augen mit den Händen ab und drückte mein Gesicht an das Fenster.

Okay, Treppe, keine Bewegung … ein paar Türen, keine Bewegung, und … »Scheiße!«, brüllte ich, fiel nach hinten und ließ dabei die Flinte und meine Brille fallen. Zwei Fingerbreit von der Scheibe entfernt sah ich das Gesicht einer großen, übergewichtigen Frau. Sie hatte dieses typische graue, wachsartige Aussehen, langes strähniges und fettiges Haar, hervortretende, leere, blutunterlaufene Augen, und blutiger Sabber lief aus ihrer Nase und dem Mundwinkel. Ich wurde kurz panisch. Unsere Gesichter können nicht weiter als eine Handbreit auseinander gewesen sein.

»Oh fuck, es ist eine da drinnen!« Ich zitterte und atmete zu schnell.

Robert sah aus einer vernünftigeren Entfernung hinein.

»Ich sehe gar nichts.«

»Oh, sie ist da drin.«

»Könnte sie nicht vielleicht am Leben sein? Sie hat dich schließlich nicht angegriffen.«

»Nein, das glaube ich nicht.« Ich hatte mich wieder erholt und richtete die Mossberg auf das Fenster.

Er schaute mich lange an. »Kommst du klar?«

»Prima, weißt du, ohne ein paar Millimeter Glas zwischen uns hätte ich gerade eine Untote geknutscht … und keine der besser Aussehenden nebenbei bemerkt.« Ich atmete immer noch schwer und war mehr als beschämt über meine Reaktion. Aber hey, irgendwie verständlich, denn das war echt knapp gewesen.

»Okay, du kennst das Programm. Ich übernehme die Tür und du den Zombie.«

Mein Herz hämmerte immer noch.

»Wie wär's, wenn ich die Tür nähme und du den Zombie? Mal etwas Abwechslung reinbringen.«

»Sorry, Junge, aber du bist derjenige mit dem großen Knüppel. Sei vorsichtig«, entgegnete er lachend.

Robert ging zur Tür hinauf. An den Angeln war zu sehen, dass die Fliegengittertür nach außen öffnete, die Haupttür aber nach innen. Ich stand etwa sechs Meter entfernt und hatte die Flinte im Anschlag. Robert zog die Fliegengittertür auf und sicherte sie mit einem vorhandenen Haken. Sie war gut geölt und gab kein Geräusch von sich. Robert blickte zu mir rüber und ich gab ihm mit dem Daumen mein Okay. Sobald er den Knauf gedreht und die Tür aufgedrückt hätte, wollte er schnell zurücktreten, um zu vermeiden, von mir getroffen zu werden. Alles in der Annahme, die Tür wäre nicht verschlossen und der Zombie käme heraus.

»Okay, John, auf drei. Fertig? Eins, zwei, drei.«

Er drehte langsam den Knauf.

Die Tür schwang lautlos auf und dann … nichts. Wow, zweimal hintereinander, was würde dieses Mal passieren? Drinnen war es dunkel und von unserem Standpunkt aus konnten wir nur eine Diele sehen und Treppenstufen, die in den ersten Stock führten. Also warteten wir. Nach etwa einer Minute wurde die Sonne wirklich heiß und mein Nacken fing an zu jucken.

Ich sah zu Robert hinüber und sprach leise: »Wo zur Hölle ist der Zom…«

Mit einem röchelnden Brüllen stürmten zweihundertfünfzig Pfund nackter, stinksaurer Zombie hervor. Bei etwa eins fünfundsechzig wirkte sie fast kugelförmig. Sie schnellte mit cartoonartigen Schritten auf mich zu. Der Anblick war surreal und ich wartete eine Sekunde länger als gewöhnlich, also war sie sehr nahe, als ich abdrückte. Der Schuss vernichtete ihren Kopf. Ich meine, da war nichts mehr übrig. Wie in den Filmen.

»Heilige Scheiße!«, schrie ich.

Robert war in Schussstellung und suchte eine bessere Position, sollte noch etwas anderes durch die offene Tür kommen. Er blickte zu der Leiche hinüber.

»Wow, heiliger Strohsack! Was fürs Fotoalbum. Hey, wo zum Teufel glaubst du, ist Mister Orca?«, rief er.

»Drinnen bewegt sich nichts. Warten wir noch einen Moment.« Ich ging auf mein Knie hinunter, für eine bessere Position und um meine Fassung zurückzugewinnen. Ich sah bewusst nicht zum menschlichen Wal hinüber, war aber sicher, dass da noch weitere sein mussten. In diesem Moment fiel mir auf, dass ich noch nie einen einzelnen Zombie gesehen hatte.

Nach einer guten Minute ohne Geräusche oder Bewegungen stand ich auf und ging zur offenen Tür.

Robert war ein paar Schritte hinter mir. Der Ort hatte diesen leicht verrotteten Geruch. Nicht übermächtig, aber es war definitiv die Zombienote.

So langsam fing ich an, mich ein klein wenig zu entspannen, und schaute zurück zu der Frau, die ich erschossen hatte.

»Verdammt, vielleicht hat sie alle gefressen. Ich meine, schau dir die Ausmaße an!«

»Gott sein Dank war es keine Horde. Okay, John, bringen wir's hinter uns, aber schön vorsichtig.«

Ich lief los. Direkt vor der Tür führte die Treppe hinauf in den ersten Stock. Auf der linken Seite war ein großer Salon und rechts etwas, was man früher einen Schmutzraum nannte, ein Windfang, in dem man seine nassen Stiefel und Mäntel auszog. Dieser Raum hatte drei Türen, die alle geschlossen waren. In der Mitte des Windfangs lag ein großer Haufen von etwas, das wie Durchfall oder Kotze aussah, etwas Gelbes vermischt mit Blut.

Ich flüsterte Robert zu: »So weit, so gut. Behalte du die Treppe im Auge, ich gehe nach links.«

Langsam betrat ich den Salon, ein langer, rechteckiger Raum, an dessen hinterem Ende ein offener Bogengang in das Esszimmer führte. Mehrere große Fenster ließen reichlich Licht hinein, nichts bewegte sich. Der Salon war sehr schön dekoriert: ein Plüschsofa, Sessel, ein übergroßer orientalischer Teppich und eine Menge nautischer Antiquitäten. Der Ort roch förmlich nach Geld. Auf dem Kaminsims standen mehrere Familienfotos, aber das Gemälde darüber zog sofort meine Aufmerksamkeit auf sich.

»Mann, diese Leute hatten Geld. Robert, das ist ein echter Winslow Homer über dem Kamin!«

»Ohne Scheiß, John, das Yankee-Magazin würde bezahlen, um diese Hütte auf das Cover zu bekommen. Bleib bei der Sache.«

»Okay, lass uns eine Sekunde abwarten und horchen.«

Totenstille. Ich nutzte die Pause, um meine Brille zu säubern. Irgendwo im Haus standen Fenster offen und ich konnte einen sanften Windhauch spüren. Mein Nacken und mein Rücken waren schnell mit Schweiß getränkt. Ja, Furcht und Luftfeuchtigkeit waren beschissen, aber irgendetwas stimmte hier einfach nicht.

»Robert?«

»Was ist los?«

»Ich bin mir nicht sicher. Gib mir Deckung.«

Ich schob mich zum Kamin hinüber und ging vorwärts. Das Esszimmer war überraschend zwanglos, Alltagskrempel war überall verteilt. Es war offensichtlich ein sehr beliebter Raum. Ich nahm mir nicht die Zeit, alles zu untersuchen, aber der antike Esstisch, an dem leicht zehn Leute Platz hätten, war bestimmt aus der Kolonialzeit. Der Türbogen in den Raum war an beiden Seiten unterteilt, also hatte ich keinen freien Blick auf den gesamten Raum. Der Rest des Hauses war zu meiner Rechten, demnach musste der einzige andere Weg aus dem Esszimmer auch rechts sein.

Als ich langsam hineinging, konnte ich einen Teil einer hölzernen Schwingtür mit einem kleinen, runden Fenster sehen, von der ich annahm, dass sie in die Küche führte. So weit sah der Raum verlassen aus. Doch als ich wieder auf die Tür schaute, fiel mir auf, dass sie zu drei Vierteln geöffnet war. Ich stand stocksteif da, und Robert ebenfalls. Die Zeit stand still. Dann, langsam schleichend sah ich etwas, von dem ich annahm, dass es Mr. Orcas glänzende, graue Glatze war. Von meinem Standpunkt aus konnte ich erkennen, dass er nicht am Boden lag. Vielleicht hatte er sich hingesetzt? Alle meine Spider-Man-Sinne schrien, dass etwas nicht stimmte. Dann zuckte der Kopf plötzlich. Oh Scheiße! Ich näherte mich langsam weiter und schaute um die Ecke. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke. Er sah aus wie ein gewaltiger Mastiff; mindestens dreihundert Pfund schwer, nackt, und auf Knien, den Kopf nach oben gereckt, ruhte er auf den Stümpfen seiner Ellbogen. Beide Unterarme waren weg! Es dauerte nur eine Sekunde, bis er mich mit einem bizarren Kriechstil angriff. Mein erster Schuss traf ihn im Rücken und zerstörte seine untere Wirbelsäule. Trotz toter Beine kam er immer noch schnell voran, indem er seine Stummel unglaublich hastig wie Holzbeine nach vorne trieb und dabei brüllte. Ich sprang aus dem Weg und er knallte gegen die Wand. Der zweite Schuss verfehlte ihn nicht.

»Was zur Hölle war das? Warum hat er gewartet? Wir haben sie noch nie warten sehen! Robert, was ist verdammt noch mal passiert? War das ein verdammter Überfall?«

»Das waren drei Schüsse, John, lade nach, ich gebe dir Deckung«, sagte Robert ruhig.

Ich brauchte ein paar Sekunden, um drei Kugeln aus meinem Gurt zu nehmen und sie in die Kammer zu schieben. »Warum nur die Unterarme essen?«

»Du isst doch auch Chicken Wings, oder?«

»Ist ein Argument.«

»Ich glaube nicht, dass es vorüber ist. Hast du die Fotos auf dem Kaminsims gesehen, John?«

»Nicht im Detail. Warum?«

»Nun, es ist eine Horde. Sie haben zwei Kinder, beides Jugendliche, und es sind Sommerferien. Du hast recht, das war ziemlich bizarrer, untoter Scheiß. Wir beruhigen uns jetzt und bringen die Sache dann zu Ende.«

»Bizarr? Ich sag dir was, du nimmst nächstes Mal den großen Knüppel und dann bekommst du eine dicke Ladung Bizarres. Und warum zum Teufel waren sie beide nackt?«

Wir betraten die Küche. Groß, modern und alles aus Edelstahl, von allem nur das Beste. Ich glaubte, ich würde auch wie ein dicker Wal aussehen, wenn ich so einen Ort zum Kochen hätte.

Ich war erleichtert, dass der Raum, bis auf die Blutspur von Papa Orca, leer war. Wir würden diesen Raum nutzen wollen, und es wäre beschissen, überall in der Küche Zombiegedärm zu finden. Die allgemeine Sauberkeit deutete auf eine Haushaltshilfe hin. Der Umfang der zwei Zombies ließ vermuten, dass körperliche Anstrengung nicht gerade Teil ihres gewohnten Tagesablaufs war. Wir überprüften die gut ausgestattete Vorratskammer und fanden die obere Preisklasse von allem, was man essen konnte. Wer hatte je von Känguruwurst gehört? Musste man wirklich seinen Senf aus Deutschland besorgen? Vanille aus Mexiko? Na ja, es gehörte nun alles uns und ich würde definitiv das Beste daraus machen.

Die Küche hatte zwei weitere Türen; eine führte zu einem Wohnzimmer und Badezimmer und endete wieder beim Windfang, die andere Tür führte zu einem großen Raum, der nachträglich dem Hauptgebäude hinzugefügt worden war. Dort stand ein großer Tank, der mit Kisten und etwas, das wie ein Pumpsystem aussah, verbunden war.

»Oh Mann, das ist eine verdammte Entsalzungsanlage!«, rief Robert.

»Wenn du das schon für cool hältst, dann sieh dir das an.« Weiter hinten stand eine Reihe von langen, schwarzen Plastikgehäusen mit angeschlossenen Drähten. Ich hatte so etwas in der Art noch nie gesehen, aber ich wusste, was es war.

»Batterien?«

»Jep, diesen Leuten war nichts zu teuer. All dieser Kram tausend Meilen weiter südlich und wir wären daheim.«

»Hey, die ganzen Gehäuse sind beleuchtet. Heilige Scheiße, wir haben Strom!«

»Das erklärt auch, warum der Kühlschrank läuft«, erwiderte Robert ruhig. »Lass uns vorsichtig sein.«

»Okay«, sagte ich. »Weiter unter Strom?« Ich betonte den ersten Teil und wusste einfach, dass ein Anti-Hippie wie Robert die Anspielung verstehen würde.

»Ja, wie mit dem Bus, Weiter unter Strom.«

»Was hat dich geritten, dass du ein Buch mit Worten wie Electric, Kool-Aid und Acid im Titel gelesen hast?«

»Halt die Klappe, John.«

Der erste Stock war als Nächstes dran. Dieser Bereich bestand aus drei großen Schlafzimmern, die alle vom Flur abgingen. Sie teilten sich zwei Badezimmer und waren so aufgeteilt, dass man eine große Runde durch alle Zimmer drehen konnte. Glücklicherweise, zumindest für uns, waren alle Türen offen und wir hatten einen guten Überblick. Wie erwartet war alles groß und sah teuer aus. Ich wusste, dass es extragroße Betten gab, aber dieses Ding hier verdiente seine eigene Postleitzahl. In einem der Kinderzimmer hing eine riesige Lithografie von Wo die wilden Kerle wohnen, mit persönlicher Widmung von Sendak, und ja, es war Nummer Eins einer limitierten Serie. Ich fing wirklich an, diese Leute nicht zu mögen, oder war es nur Neid? Da die Fenster verschlossen waren, war es drückend heiß, aber wenigstens frei von Zombies. Sie hatten tonnenweise Kohle, aber keine Klimaanlage? Wir gingen zurück ins Erdgeschoss.

Die dritte Tür im Windfang ging zu einem überdachten Gehweg, der zum Leuchtturm führte; nach unserer Untersuchung des Außengeländes hatten wir uns das schon gedacht. Da der Gehweg nicht ummauert war, konnten wir bis zu der geschlossenen, schwarzen Turmtür sehen. In diesem Moment hörten wir ein eigenartiges Geräusch.

»Ist das eine Katze?«

»Nein, John, das ist keine Katze.«

Wir gingen in den Garten zurück und sahen einen weiteren Zombie auf dem oberen Rundgang des Turms, der umherrannte und gelegentlich über das Geländer schaute, hektisch mit den Armen rudernd und schrilles Geschwafel brüllend. Dieser Typ war jung. Es musste eines der Kinder sein. Ich drehte mich zu Robert um.

»Da raufzugehen und ihn zu erledigen wird bestimmt nicht lustig. Besteht eine Chance, ihn einfach da oben zu lassen?«

»Da liegst du richtig – und nein. Warte eine Sekunde und lass uns erst einmal schauen.«

Die Kreatur setzte ihre unkontrollierten Bewegungen um den Gehweg fort, kam aber immer wieder zurück, um sich hinüberzulehnen und uns anzubrüllen. Roberts Augen ließen nicht eine Sekunde von dem Ding ab und er nahm Haltung zum Feuern ein, fast wie ein Samurai, der sich bereit machte, sein Schwert zu ziehen. Er hielt seine Glock mit beiden Händen nach unten.

»Warte einfach ab, er wird sich schon zeigen.«

Nach etwa einer halben Minute blieb der Zombie keuchend stehen und schaute uns wieder über das Geländer hinweg an. In einer flüssigen Bewegung hob Robert die Arme, zielte und feuerte. Aus dieser Entfernung sah es wie eine Staubwolke aus, die an seinem Hinterkopf explodierte. Er fiel auf das Deck.

»Ich hab dich schon schießen sehen, aber … Teufel, Robert. Das war ein höllisch guter, olympiareifer Schuss!«

»Danke. Hoffen wir, dass nur noch einer übrig ist, aber wir dürfen das Personal nicht vergessen, Bedienstete …«

»Dienstmädchen, ja, weiß ich. Was denkst du? Zum Turm jetzt?«

Ich wurde langsam aufgeregt.

»Nach der Art und Weise, wie Papa Orca reagiert hat, sollten wir uns lieber den Rücken freihalten und immer schön umsehen.«

Es gab zwei relativ kleine Nebengebäude, auch weiß gestrichen mit roten Dächern. Das Erste stand gut zwanzig Meter vom Haupthaus entfernt und sah nach einem Lager für Gerätschaften aus. Es war nicht schlecht, dass das Gebäude Fenster auf allen Seiten hatte, also wussten wir, dass es sicher war, als wir die Tür öffneten. Wie erwartet, sahen wir einen Rasenmäher, Trimmer, Schläuche, Harken, und alles, was dazugehörte. In einer Ecke war ein Schreibtisch mit ein paar Fotos darauf und ein Kalender, der den Monat Mai anzeigte. Es kann gar nicht Mai sein. Ist es nicht mittlerweile Juni? Welchen Tag haben wir überhaupt? Ich schätzte, es war inzwischen eigentlich auch egal geworden.

Das andere Gebäude war weiter entfernt, vielleicht hundert Meter. Ein kleines Fenster ließ vermuten, dass es auch leer war, aber wir mussten rein und auf Nummer sicher gehen.

»Ja ja, Robert, ich weiß … ich nehme den Zombie.«

»Falls es einen gibt.«

Da waren wir wieder: Robert als Türöffner, ich als Köder. Dieses Mal stürmte nichts heraus. Nach einer Minute ging ich näher. Mit nur etwas Licht von dem Fenster war es innen sehr dämmrig. Ich schob mich zur offenen Tür. Ein paar große Gegenstände blockierten die Sicht. Ich machte einen Schritt in den Raum und es wurde schlagartig laut. Ich schrie und war nur eine Nanosekunde davon entfernt, mit der Mossberg loszulegen, als eine kleine Stimme in meinem Kopf sagte: Das ist kein Zombie, du Idiot! Wie gut, dass ich auf die kleine Stimme gehört hatte, denn sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, dass der Raum einen Dieselmotor und einen sehr großen Benzintank enthielt, welcher, wie ich später erfuhr, zu dreiviertel voll war.

Robert schaute hinein und sah dann mich an. »Du hast doch nicht etwa ans Schießen gedacht, oder?«

»Oh Gott, nein. Nicht ohne ein sicheres Ziel, ich meine, komm schon, ich hab das schon mal gemacht.«

Was war mit dem ruhigen, furchtlosen Zombiekiller passiert, der ich letzte Woche noch gewesen war? Oder war das alles schon zwei Wochen her?

Robert betrat das Gebäude.

»Muss 'ne Zeitschaltuhr sein«, rief er zurück. Er fand den Lichtschalter und nach etwas Herumbasteln kam er herüber.

»Mensch, Scheiße, ist das toll! Wir haben den Volltreffer gelandet. Lass uns den Turm räumen und was Richtiges essen. Ich koche!«

»Was? Ich kann dich nicht hören! Lass und rausgehen!«

Er wiederholte sich und klärte mich über die Details auf, einschließlich des Abendessens.

»Was für ein Glückstag«, flüsterte ich leise, als ich zum Turm lief.

Dieses Mal ging die Tür nach außen auf. Robert drückte die Klinke herunter und zog sie auf. Nichts! Gott sei Dank. Wie gewöhnlich warteten wir eine Minute, bereit für alles, was da im Lichtstrahl der offenen Tür auftauchen könnte.

»Hey, wir sind hier draußen! Kommt und holt uns!«, rief ich.

Immer noch nichts. Ich stellte mich in den Durchgang, aber der Raum war zu dunkel, um irgendetwas deutlich sehen zu können. Ich riskierte es und fing an, die rechte Wand nach dem Lichtschalter abzutasten. Die Flinte war in meine Hüfte gestemmt, und falls ich feuern müsste, würde ich es mit einer mörderischen Prellung bezahlen. Er musste hier irgendwo sein. Ich ging weiter hinein und strich mit der Hand an der Wand entlang. Endlich fand ich den Schalter und knipste ihn an. Dies weckte eine Reihe von im Raum verteilten Lampen zum Leben. Es war nicht das übliche weißglühende Licht, sondern ein weiches, warmes Leuchten.

Der Fuß des Turms war in ein geschmackvoll eingerichtetes Büro verwandelt worden, mit einem monströsen Mahagonischreibtisch und einem ebenfalls überdimensionierten Lederstuhl, in den Mr. Orca vielleicht sogar hineingepasst hatte. Wie zum Teufel sie die Möbel hier hereinbekommen hatten, muss zu den größten Rätseln der Menschheitsgeschichte zählen. Auf der linken Seite wand sich eine Wendeltreppe aus Stahl wie ein Korkenzieher nach oben.

»Sollen wir?«, fragte ich, als ich zu sehen versuchte, wo die Treppe endete.

»Nichts dagegen.«

Als wir vordrangen, fand Robert einen weiteren Schalter und legte ihn um. Daraufhin wurde die Treppe beleuchtet bis hin zu einer Luke, die zum Rundlauf führen musste. Wir gingen hinauf. Genau wie die Außenseite war innen alles frisch gestrichen und makellos, kein Staub, Rost oder Spinnweben. Die Luke war unverschlossen und ich benutzte den Kolben meiner Flinte, um sie aufzuklappen. Sie fiel mit einem lauten Knall auf den Metalllaufsteg. Wir warteten. Zwar hatten wir nur einen hier oben gesehen, aber man konnte nie sicher sein, und wie bei allem heutzutage konnte ein winziger Fehler das Leben kosten.

Ich spähte über die Kante und konnte ein paar Turnschuhspitzen sehen, die bewegungslos hinter einer Ecke hervorragten. Die andere Richtung war frei. Sobald wir auf dem Rundlauf waren, gab ich Robert Deckung und wir schlichen voran. Die Luft war rein. In der Mitte des Turms war ein gläserner Raum mit einer kleinen Eingangstür und darin stand ein großer Reflexionsspiegel. Ich war noch nie in einem Leuchtturm gewesen, aber ich vermutete, dass es kein Ort war, an dem man sich aufhalten wollte, wenn das Licht in Betrieb war.

Die Aussicht war umwerfend. Sogar mit meiner vorgefassten Meinung, die Stadt wäre eine Touristenfalle, fand ich sie tatsächlich ziemlich idyllisch. Von hier oben aus konnte man Bauernhöfe sehen, sanfte Hügel, und Waldstücke, die gleich außerhalb des Ortes begannen; keine Vororte, keine Einkaufszentren. Dies wäre ein wirklich prima Platz zum Leben, sogar mit Touristen.

Keine unserer Aktivitäten ging unbemerkt vonstatten. Die Zombies sahen uns und dank des Windes, der vom Festland herüberwehte, konnten wir das fast einstimmige Stöhnen und Brüllen deutlich hören. Es waren inzwischen mehrere Hundert.

Wir warfen das tote Kind, einen jungen Teenager, über das Geländer. Irgendwann würde er sowieso mit seinen Eltern im Atlantik landen. Als wir ihn hochhoben, fiel mir das große Loch in seinem Hinterkopf auf, die Austrittswunde, aus der Gehirnmasse herausquoll, die noch recht frisch aussah. Sie hatte immer noch die bläulich-graue Farbe und Festigkeit, die ich aus den etwa hundert Autopsien kannte, an denen ich teilgenommen hatte. Eigenartig, der Rest des Körpers wies deutliche Anzeichen von Verwesung auf, aber das Gehirn sah noch frisch aus. Es wäre interessant, so eines auf den Seziertisch zu bekommen.

»Lass uns runtergehen und das Büro ansehen.«

Ich war in Gedanken vertieft und starrte auf die Menge an der Werft.

»Natürlich, aber ich glaube, ich komme später wieder. Ich will etwas Zeit investieren, um unsere Freunde da drüben besser kennenzulernen.«

Zusätzlich zum Tisch und Stuhl gab es eine gut ausgestattete Bar und einen Minikühlschrank, einen großen Flachbildfernseher, orientalische Teppiche, die fast halluzinogen aussahen, und eine übermäßig bequeme, schön verzierte Ledercouch. Also, das war mal ein Heimbüro.

Roberts Interesse galt einer Reihe von grauen Metallkästen, die an der Wand gleich unter der Treppe befestigt waren.

»Was ist?«, fragte ich, als mein Körper in dem Sofa versank und eins mit dem Leder wurde. Was für eine Couch!

»Sicherungen und ein paar Schalter. Ich könnte mich irren, aber ich denke, die aktivieren das Turmlicht. Ein paar dieser Kabel sind nagelneu.« Man konnte die kindliche Vorfreude in seiner Stimme hören.

»Willst du mir etwa sagen, dass wir das Licht anmachen können?«

Ich werde niemals wieder aufstehen.

»Ja, ich denke schon.« Er untersuchte weiterhin die Kästen und summte vor sich hin. Es war gut zu wissen, dass er abgelenkt und einigermaßen fröhlich war.

»Wo, glaubst du, ist das andere Kind?« Mein Magen grummelte und die Bequemlichkeit der Couch verlor schnell an Bedeutung.

»Gute Frage. Vielleicht war er bei Freunden und saß am Ufer fest. Ich denke, die Luft ist rein, da wir so ziemlich alles abgesucht haben.« Er summte weiter.

»Na ja, okay … lass uns vorsichtig sein und das Haus noch einmal checken. Außerdem kriege ich Hunger!«

Die Aussicht auf einen vollen Magen war wahrscheinlich das Einzige, das Robert von seinem neuen Spielzeug weglocken konnte.

»Nach dem Essen können wir versuchen das Licht anzuwerfen. Wer weiß, vielleicht können wir Überlebenden den Weg zu uns weisen.« Ich löste mich von der Couch, streckte mich und steuerte auf die Tür zu.

»John weißt du noch, wie ich versprochen habe zu kochen?«

»Ja.«

»Nun, ich habe gelogen.«

»Oh, Gott sei Dank«, flüsterte ich leise, als ich in das blendende Sonnenlicht trat.

Wir gingen methodisch ein zweites Mal durch das Haus, aber es gab immer noch kein Anzeichen von dem anderen Kind. Ich fing an, besser aufzupassen. Die Klamotten im Kleiderschrank verrieten, dass diese Leute nicht den Winter hier verbrachten. Mr. Orca, oder sollte ich Mr. McKenna sagen, war laut der Post, die offen in einem antiken Sekretär herumlag, Partner in einer New Yorker Anwaltskanzlei, die nicht mehr existierte, und eines seiner Kinder war gerade in die Andover Academy aufgenommen worden, die auch nicht mehr existierte.

Nach der Beseitigung der Orca-Familie fing ich an, das Essen zuzubereiten und Robert putzte.

Zum Abendessen gab es gegrillte Ribeye-Steaks, Ofenkartoffeln, Gemüse aus der Tiefkühltruhe und Kekse. Robert spülte es mit einem edlen, oder wie er es nannte, einem hochgradig unverschämt teuren Merlot herunter und ich mit einer Cola. Wir redeten nicht, sondern aßen nur.

»Oh Gott, ich bin so voll, dass du mich rollen kannst!« Ich lehnte mich zurück und riskierte es, mich tatsächlich ein bisschen normal zu fühlen. Nach all dem Essen und der Aufregung des Tages wollte ich einfach nur noch ins Bett fallen.

»Wir sollten eine Woche bleiben. Es wäre gut, die alten Knochen etwas auszuruhen.« Robert schenkte sich den Rest des Weines ein und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

»Ich schätze mal, es besteht keine Chance, den Winter hier auszuharren? Treibstoff zu sammeln und Essen zu horten?«, schlug ich vor.

»Vielleicht, aber wenn der Generator abschmiert, müssten wir uns auf harte Zeiten gefasst machen. Es gibt hier kein Holz, willst du also Kabel sammeln gehen? Meine Vermutung ist, dass dieser Ort nur im Sommer genutzt wurde. Jedenfalls brauchen wir einen Tapetenwechsel. Nichts wie raus aus Maine.«

»Ja, … ich schätze, du hast recht. Aber ich werde das hier genießen, solange wir es haben.« Ich stand auf und fing an, die Teller einzusammeln. Ich konnte die Geschirrspülmaschine benutzen, ein Luxus, von dem ich annahm, dass er bald wieder der Vergangenheit angehörte.

Robert stand auf und ließ einen enormen Rülpser raus.

»Lass uns sehen, ob wir ein paar Boote anlocken können.« Er ging zum Fenster und betrachtete den Garten, nahm seine Waffe aus dem Holster und war auf dem Weg zum Windfang.

»Warte eine Sekunde, wir müssen zusammenbleiben. Du weißt schon, wegen der Feuerkraft.«

Ich befüllte schnell den Geschirrspüler und schaute dann aus den Küchen- und Esszimmerfenstern. Soweit ich es erkennen konnte, war die Luft rein.

»Okay, mal sehen, ob das funktioniert.« Ich schnappte meine Flinte und den Patronengürtel.

Die Sonne war noch nicht untergegangen und wir hatten reichlich Licht, um uns zu vergewissern, dass die Luft auch wirklich rein war. Zurück im Leuchtturm machte Robert sich gleich an einem der Kästen zu schaffen.

»Nun, das sieht alles recht eindeutig aus.« Er legte ein paar Schalter um und das Gebäude zitterte, ein lautes Summen war von oberhalb der Treppe zu hören.

»Okay, es werde Licht!«, sprach er und legte einen großen Hebel um. Das Summen wurde nun von einem knarrenden Geräusch begleitet und Licht flutete die Turmspitze.

»Hey, es funktioniert. Scheiße, ich hatte damit gerechnet, dass alles in die Luft fliegt.«

»Aha, danke Robert. Wie wär's, wenn du mich nächstes Mal über diese kleinen Einzelheiten in Kenntnis setzen würdest?«

Wir gingen nach draußen. Das Licht machte etwa alle zehn Sekunden eine Runde. Nun konnten wir nur noch warten und hoffen.

»Lass uns das Haus abschließen und abwechselnd Wache schieben, Drei-Stunden-Schichten. Ich nehme die erste.«

»Ist mir recht, ich bin erledigt. Hey Robert, äh … nein wirklich, lass mich die Einzelheiten wissen.«

Wir gingen zurück ins Haus, sicherten alle Fenster und Türen und ich ging nach oben, um zu pennen. Ich dachte, das Einschlafen wäre einfach, aber wie üblich war dem nicht so. Ich hatte zuvor alle oberen Fenster geöffnet, um Durchzug zu machen, aber es hatte sich immer noch nicht abgekühlt.

Robert weckte mich gegen zwei und wie benebelt ging ich nach unten. Der Mond war zu dreiviertel voll und bei klarem Himmel und dem funktionierenden Leuchtturm war die Sichtweite draußen ziemlich gut. Jeder, der sich dort bewegte, würde mit Sicherheit Schatten werfen.

Ich saß in einem großen Sessel und untersuchte das Gemälde über dem Kamin. Es war ein klassischer Homer, ein grauer, grüblerischer Himmel, stürmische See, riesige Wellen, die sich an einem dunklen, zerfurchten, steinigen Ufer brachen. Ich wusste, dass Homer eine ganze Menge in Maine gemalt hatte. Ist es das hier, was ich hinterlassen würde? Die Stunden zogen sich dahin. Was zur Hölle sollten wir tun? Wie viele Menschen waren auf diesem Planeten noch am Leben? Isolierte Gruppen, deren Zahl täglich schrumpfte, über den Globus verteilt? Diese Gedanken weiterzuverfolgen, war deprimierend, also stand ich auf und überprüfte alle Fenster. Ich beschloss, mich auf die Couch zu legen, und war mir des voraussichtlichen Ergebnisses voll bewusst. Nach etwa dreißig Sekunden war ich fest eingeschlafen.

BRUTAL PLANET

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