Читать книгу "... damit eure Freude vollkommen wird!" - Sebastian Kießig - Страница 11

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Keine Bange: Es geht ans Eingemachte!

Ute Eberl

Eine Erwachsenensynode mit dem Thema Jugend steht uns bevor – kein Weltjugendtag. Sollte jemandem Bange werden – hier die Franziskus-Beruhigung:

„Die Kardinäle und ich, wir sind nicht die Gerontokratie der Kirche. Wir sind Großväter! Großväter. Und wenn wir das nicht innerlich spüren, dann sollten wir um die Gnade bitten, das zu spüren. Großväter – unsere Enkel schauen auf uns.“1

Wie Großväter und Enkel. Das Narrativ, das Franziskus wählt, lebt von der Beziehung. Großväter können sich zurücklehnen, weil sie wissen, dass die Zukunft den Jungen gehört und sie ihnen vertrauen dürfen. Ja, sie können nicht nur, sie müssen den Enkeln erzählen, was sie umtreibt, ihre Schätze anbieten, von ihren Träumen erzählen. Nur, die Enkelinnen und Enkel – die sind durchaus nicht aus einem Holz geschnitzt. Sicher, es werden welche dabei sein, die an den Lippen der Alten hängen, und sie werden in ihren Herzen bewegen, was sie hören und entscheiden, was davon für ihr Leben heute taugt. Andere lagern sich bei den Großvätern und setzen ihr aufmerksames Gesicht auf, weil sie den Großvater lieben und wissen, wie wohl es ihm tut, wenn ihm zugehört wird. Und wieder andere haben einfach keine Zeit, die Welt verlangt ja gerade vieles von ihnen. Aber trotzdem, auf den Großvater können sie sich verlassen, der ist nicht beleidigt, weil er sie ja kennt, um sie weiß - weil er sie liebt. Ah ja, und manche, die würden lieber der Großmutter zuhören. Die Frage muss der Großvater dann aushalten.

Ich will das Bild nicht überstrapazieren.

Die Frage der Jugendsynode lautet schlicht: Welche Weichen müssen heute die Alten – ich sage das respektvoll – stellen, damit die Jungen auch in Zukunft Luft zum Leben und Glauben haben?

Nostalgische Rückblicke an die eigene Sturm- und Drangzeit werden da nicht weiterhelfen, vielmehr geht es ans Eingemachte. Glauben die Alten – oder sollte ich besser sagen wir –, dass Gott heute und in Zukunft genauso präsent ist wie in vergangenen Zeiten? Glauben wir, dass er den heutigen Jungen näher ist als sie sich selbst sein können, er sie sucht und von ihnen gefunden werden will?

Eine gefährliche Frage. Das reflexive Moment dabei: was müssen die Alten jetzt tun, damit sie der jungen Generation nicht im Wege stehen. Ihre Aufgabe ist doch, den Jungen Wege zu eröffnen. Wo müssen sie Platz machen? Das könnte auch weh tun.

Also sollte unsere Bischofskonferenz nicht alle bisherigen Regeln über Bord werfen und ganz im Sinne von „Gemeinsam Kirche sein“2 ihren Synodenteilnehmerschlüssel mit jungen Erwachsenen teilen, dann könnt das auch seinen Grund darin haben, dass die Generation der Synodenväter zunächst unter sich klären muss, was zu ändern ist. Als da wäre: dient unsere Haltung den Jungen gegenüber einem Mehr an Leben? Dient unser Sprechen von Gott einem Mehr an Glaubenslust? Dienen unsere Strukturen einem Mehr an Miteinander?

Da darf es Reibereien geben.

Klug, wer hört, was Jugendliche zu sagen haben, noch klüger, wer sie direkt fragt. Denn schon das Gefragtwerden erweckt Kräfte, schmeckt nach Partizipation. Denn Junge stehen nicht nur mitten im Wandel, sie sind selbst „Subjekt des Wandels und fähig Neues zu schaffen“ – so der Papst in seinem Einladungsschreiben.

Deshalb bittet Papst Franziskus die 16-29-jährigen um konkrete Mithilfe. Diesmal online – der Zielgruppe angemessen. Die Verheißung ist groß: Kirche fragt nach der Lebensrealität von Jugendlichen, nach ihren Bedürfnissen, wie sie die Welt um sich herum wahrnehmen, wie sie Entscheidungen treffen und wer ihnen dabei mehr oder weniger hilfreich ist, wem sie eher ihr Vertrauen schenken, wo und wie sie sich engagieren, was sie zum Leben brauchen, ob Gott für sie ein Vertrauter oder Unbekannter ist, was sie mit Berufung verbinden…

Während der Familiensynode vor zwei Jahren prägte Erzbischof Tagle den Satz: „Die Familien sind nicht dazu da, der Kirche zu gefallen. Sondern die Kirche ist für die Familien da.“3 Diesen Paradigmenwechsel wünsche ich der Jugendsynode: die Kirche ist dazu da, Menschen untereinander und mit Gott in Kontakt zu bringen, nicht sie passend für die Kirche zu machen.

Mit der Umfrage öffnet der Papst den Raum für eine lernende Pastoral. Eine neugierige Pastoral, die keine vorgefertigten Antworten in der Schublade hat, sondern sich interessiert. Die zu verstehen versucht, zuhört und sich davon überraschen lässt, was den Jungen überaus wertvoll ist und dem, was sie gering achten. Die sich auch befremden lässt und irritiert am Kopf kratzt. Und immer daran glaubt, dass Gott in der ganz konkreten Wirklichkeit, den Welten der Jungen da ist. Die Synode wird nicht umhin können, mit den Antworten der Jugendlichen zu stolpern. Sind doch möglicherweise die Jungen in unserer hochkomplexen Welt besser orientiert als die Alten, haben sie die verheißene Multioptionalität schon längst entlarvt, fällt es ihnen vielfach leichter, perspektivisch zu denken, weil sie sozial und netzwerkerprobt unterwegs sind.

Vielleicht staunen die Alten auch schlicht über die Vielfalt, die die Jungen beschreiben: wie man ausdrücken kann, dass man Gott sucht, mit ihm lebt oder ihn vermisst.

Und trotzdem bleibt die Herausforderung: wie kann die Synode der jungen Generation dienen? Wie ihr glaubhaft zusprechen, dass es ihr nicht um „das war schon immer so“ oder „das hatten wir noch nie“ geht. Der große Vorteil der Alten: sie wissen, dass im Wandel die Tradition liegt, dass Entwicklung Beständigkeit ermöglicht. Das ist ein großes Pfund.

Synodenerfahrung a la Franziskus gibt es mittlerweile zum Thema Familie. Als „auditrix“ konnte ich damals von den hinteren Bänken aus die außerordentliche Bischofssynode verfolgen.

Da ist etwas ganz großartiges passiert. In seiner Eröffnungsrede forderte der Papst von den Synodenvätern, frei und offen zu sprechen – und vor allem, einander zuzuhören. Wie großartig dieser Startschuss war, war mir beim ersten Hören nicht bewusst. Ja, was denn sonst? So dachte ich – Menschen aus aller Welt kommen hier doch nicht zum small talk zusammen, oder um sich außerhalb des Plenums an den Papst zu wenden, um ihre Irritation über den Ablauf der Debatte zu beklagen! Der Wiener Kardinal Schönborn hat es später dann trefflich erklärt: Frühere Synoden seien eher so eine Art Süßholzraspelei gewesen…

Das funktioniert jetzt nicht mehr. Der Papst setzt auf Prozesse und sagte – damals zumindest – er wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn in der Synodenaula nicht so heftig gestritten und gerungen worden wäre. Dass solcher Art angestoßene Prozesse nicht am letzten Synodentag erledigt sind, sondern „vor Ort“ weitergehen, wo wiederum miteinander gerungen wird – das dürfen wir in so mancher Diözese erleben.

Prozesse haben es in sich, sie ermöglichen Diskurs: Positionen werden bezogen, Fragen gestellt, es wird argumentiert und gestritten. Und nicht zu vergessen: auch Kofferabsteller in welche Richtung auch immer sind Teilnehmer des Diskurses, selbst wenn sie nicht als Diskursteilnehmer betrachtet werden wollen, sondern sich als alleinige Hüter der Wahrheit verstehen. Auch das durften wir nach der Familiensynode erleben.

„Auditrix“, Hörerin sein, – das klingt ganz entspannt, ist es aber nicht. Mir ist – mitten in der Weltkirche – sehr deutlich geworden, dass ich mit ganz speziellen Ohren höre. Den Ohren einer Frau aus einer offenen Gesellschaft mit einer freiheitlichen Rechtsordnung, mit den Ohren aus dem Land der Reformation, einem Land mit einer hochprofessionellen Caritas und Diakonie, mit sozialen Absicherungssystemen, aber auch aus dem Land mit einem Kirchensteuersystem, in dem hauptamtliche Laienmitarbeiterinnen und -arbeiter ihren Dienst tun. Einem sehr reichen Land.

Zwischen Menschen aus allen Kontinenten mit ihrer je eigenen Sprache sitzend, dachte ich, beim Stundengebet in der Synodenaula – mit Textheft! – da treffen wir uns auf alle Fälle. Umso überraschter war ich, dass nicht 250 Kehlen aus vollem Hals mitsangen, sondern eher herumgenuschelt wurde. Und wohl nicht, weil nicht alle gerne sängen, sondern weil das vermeintlich zusammenführende Latein doch möglicherweise Schwierigkeiten bereitete.

Die weltkirchliche Komplexität ist längst angekommen – das Neue: sie wird kommuniziert. Nicht mehr hinter vorgehaltenen Bischofshänden gewispert, sondern direkt aus der Aula gepostet, geteilt und rasant im Netz verbreitet. Damals ist in der Aula einer der Synodenväter aus der südlichen Halbkugel aufgestanden und hat seine Mitbrüder aufgefordert, zuallererst das Evangelium zum Thema Reichtum, Armut und Gerechtigkeit zu befragen – vor allen hehren Vorstellungen, wie Familie zu sein hat.

Diese Herausforderung des Evangeliums steht. Immer noch. Versehen mit mehreren Ausrufezeichen. Die Zielgruppe der Jugendsynode ist in manchen Ländern wohl gerade nicht online – sie ist auf der Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen, Gewalt und Korruption. Im Gepäck die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Wer weiß, vielleicht wird das eine Synode, deren Subtext „globale Verantwortung“ lautet, eine politische Synode und zugleich eine zutiefst spirituelle und hoffnungsvolle, weil sie die O-Töne der Jungen nicht überhört, die ihre Hoffnung singen, slamen oder tanzen, die überall tatkräftig das Evangelium verkünden, und wirklich nur notfalls mit Worten4.

Lokale Herausforderungen brauchen lokale Antworten – wenn also hier in unserem Land jetzt schon im Vorfeld der Synode in Verbänden und Diözesen Prickelndes und Unordentliches, Ausrufezeichen und Fragezeichen, Brandgefährliches und überaus Zärtliches – so ist das Evangelium nun mal – miteinander geteilt werden, dann sind die Jungen schon mittendrin – in der Synode.

1 Papst Franziskus, Predigt anlässlich seines 25. Bischofsjubiläums: 27. Juni 2017 RV.

2 Vgl. DBK (Hrsg.), „Gemeinsam Kirche sein“, Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral, 01. August 2015, Bonn 2015.

3 Tagle, Luis Antonio, Wir sollen Wunden heilen, in: DIE ZEIT, Ressort: Glauben und Zweifeln, Gastbeitrag der Ausgabe Nr. 44/2015, 60.

4 Zitat, das dem Hl. Franz von Assisi zugeschrieben wird.



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