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„Die Jugendlichen in der Welt von heute“

Marco Kühnlein

„Die Jugendlichen in der Welt von heute“1: So lautet in deutscher Übersetzung die Überschrift des ersten Hauptabschnitts des Vorbereitungsdokuments zur Synode „Die Jugendlichen, der Glaube, die Berufungsentscheidung“. Bereits in dieser Überschrift kristallisieren sich die drei Schlagworte des Themen- und Fragenhorizontes heraus, die den Rahmen der Erstellung einer Bestandsaufnahme in diesem Studienband vorgeben: Jugendliche, Welt, Heute.

Das Vorbereitungsdokument merkt eher beiläufig an, „[…] dass die Jugend nicht in erster Linie eine bestimmte Kategorie von Menschen identifiziert, sondern vielmehr eine Phase des Lebens ist, welche durch jede Generation in einer einzigartigen und unwiederholbaren Weise geprägt wird.“2 Mit dieser Aussage ist aber ein wesentlicher Punkt markiert: Die Verhältnisbestimmung „der Jugend“ zum Glauben ist unmöglich, weil es „die Jugend nicht mehr gibt“3. Ein adäquater Sprachgebrauch ist es daher, von „den Jugendlichen“ zu sprechen, um der real existierenden Komplexität und Diversität dieser Altersgruppe gerecht zu werden.

Gewiss wurde „die Jugend“ im 20. Jahrhundert als eine feste Größe nicht nur innerhalb des Milieukatholizismus betrachtet. Doch dies hat sich durch allerlei Verschiebungen, zusammengefasst unter dem Stichwort „Globalisierung“, geändert. Jugendliche erleben sich nicht mehr als passive Empfänger, sondern als aktive Gestalter ihres eigenen Umfeldes. Sie werden unmittelbarer als früher zu „Subjekten des Wandels und fähig, neue Möglichkeiten zu schaffen“4. Diese individuelle Gestaltungsfreiheit Jugendlicher erstreckt sich zweifelsohne auch auf den Bereich des Religiösen und erfordert angemessene Beachtung.

Daraus darf man schließen: Es gibt eine Welt, aber in ihr viele einzelne und sich immer neu justierende Lebenswelten. Durch das veränderte, digitale Kommunikationsgeschehen sowie durch erhöhte Mobilität sind diese Lebenswelten enger miteinander vernetzt, kommen in Berührung und prallen gelegentlich auch aufeinander, wie sich am Beispiel von Flucht und Migration ablesen lässt. Die Folge ist eine Pluralisierung des öffentlichen Lebens bei gleichzeitiger Individualisierung der eigenen Lebenswelt. Das schafft insbesondere bei Jugendlichen ein Bewusstsein dafür, als Individuum Teil einer Masse zu sein, und befördert damit eine dynamische Dialektik von Individualisierung und Homogenisierung, die sich auf das Verhältnis zwischen Lebenswelt und Welt auswirkt.

Um darauf flexibel reagieren zu können, sind die Bezugspunkte der heutigen Lebenswelten nicht Strukturen eines geschlossenen Systems, das Masse und Individuum in ein festes Verhältnis setzt, sondern glaubwürdige Personen. Dies manifestiert sich nicht zuletzt in einer großen Skepsis Jugendlicher gegenüber der Institution Kirche bei gleichzeitiger Aufgeschlossenheit gegenüber religiösen Fragen. Insofern legt sich nahe, die zwei Fragenbereiche nach der Religiosität oder dem Glauben Jugendlicher einerseits und ihrer (Nicht-)Beziehung zur Kirche andererseits zu trennen, um differenzierte Antworten zu finden.

Das Heute ist treffend charakterisiert mit dem Phänomen der Beschleunigung. Der Abstand zu den Lebenswelten von Menschen anderer Generationen wächst schneller, was sich nicht zuletzt in der Gleichgültigkeit gegenüber überkommener (religiöser) Sprache zeigt. Dabei stehen der Wille und die Freiheit zur aktiven Zukunftsgestaltung Jugendlicher nicht selten in Spannung oder gar im Widerspruch zu einer Zukunftsangst. Sie bewirkt eine „Situation der Verletzlichkeit und Unsicherheit“5 sowie eine Orientierungslosigkeit und Vereinsamung.

Durch den von Unsicherheit geprägten, sich ungewiss verändernden Horizont der eigenen Lebenswelt im Jetzt wird folglich das Durchringen zu letztgültigen Entscheidungen, die auf die Zukunft hin festlegen, erschwert. Daher gehen Jugendliche bei der „Ausbildung einer Identität immer mehr einen ‚reflexiven Weg‘“6, der je neu veränderbare Optionen als bindende Festlegungen bereithält.7

Diese im Vorbereitungsdokument aufgeführten Themen werden in den nachfolgenden Beiträgen auf je eigene Weise aufgegriffen: Aus historischer Perspektive stellt Florian Bock Veränderungen und Umbrüche beim Verhältnis „der Jugend“ zum deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts bis ins Heute dar. Eva Willebrand fokussiert mithilfe aktueller empirischer Befunde die Religiosität und den Glauben Jugendlicher in Deutschland mit ersten Schlussfolgerungen. Extrem im Umbruch befindliche Lebens- und Glaubenswelten zeigt Joachim Braun auf, indem er die Situation von nach Deutschland geflüchteten, jugendlichen Christen beschreibt und diese selbst zu Wort kommen lässt. Die derzeitig komplexe Lage wird von Jan Loffeld (pastoral-)theologisch im Gespräch mit sozialwissenschaftlichen Theorien ausgedeutet mit dem Impuls, Jugendseelsorge als „Berufungspastoral“ zu verstehen.

Wenngleich durch die Beiträge kein Anspruch auf ein allumfassendes Bild erhoben werden kann, gelingt doch eine vielgestaltige Bestandsaufnahme, die den Blick auf das Subjekt und zugleich Objekt des Fragens richtet, nämlich Jugendliche und ihre Berufung in der Welt von heute.

1 Vorbereitungsdokument zur XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode „Die Jugendlichen, der Glaube, die Berufungsentscheidung“ vom 13.1.2017: http://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2017/01/13/0021/00050.html [Zugriff am 26. Februar 2018].

2 Ebd.

3 Vgl. den Titel des Beitrags von Jan Loffeld in diesem Band, S. 79.

4 Vorbereitungsdokument zur XV. Ordentlichen Generalversammlung (wie Anm. 1).

5 Ebd.

6 Ebd.

7 Das Zutreffen dieser These für Deutschland zeigt das Antwortschreiben der Deutschen Bischofskonferenz anlässlich der XV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode „Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung “ (= Pressemitteilungen der DBK 184a) vom 3.11.2017.



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