Читать книгу Die Schatten von Paradell - Sebastian Möller - Страница 5

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Prolog

Inmitten der bis zur Unkenntlichkeit zerstörten Überreste seines Autos schlug er seine Augen auf. Er wusste nicht, wo er war, beziehungsweise wie er dort hinkam. Es war ihm nicht klar, ob er träumte oder nicht.

Er schaute sich um und sein Blick fand einen Rettungssanitäter, der vor ihm auf den Resten seiner Motorhaube hockte. Der Sanitäter sah ihn erstaunt an. Sein Ausdruck sagte: „Huch, der lebt ja.“

In Wirklichkeit war der Helfer nicht überrascht. Er hatte seinen Patienten medikamentös aus der Bewusstlosigkeit geholt, um die Schwere der Verletzungen zu ermitteln. Sonst wäre er verblutet.

Er schaute sich die Umgebung des Patienten genauer an. Überall waren Blut, Glas und Metall. Sein Bein war in einem komischen Winkel unter dem Armaturenbrett eingeklemmt.

Da bewegte sich der Patient und versuchte aufzustehen. „Nein, bloß nicht bewegen. Bleiben Sie liegen“, ermahnte ihn der Sanitäter. „Sie hatten einen Autounfall. Keine Sorge, wir sind bei Ihnen. Wir helfen Ihnen gleich da raus.“

„Was Autounfall?“, dachte er sich. „Das ist doch Unsinn. Das hätte ich mitbekommen. Oder?“ Seine Erinnerung war verschwommen. Er war verwirrt und wusste nicht, was mit ihm los war. „Das, was der Mann da auf der Motorhaube erzählt, macht alles keinen Sinn“, dachte er weiter.

Angestrengt überlegte er und versuchte, sich zu erinnern. Er wusste, wie er morgens das Haus verlassen hatte. Quälend langsam kam die Erinnerung zurück. Er hatte mit dem winzigen Reisekoffer im Hausflur gestanden. Mit dem, den er für seine Dienstreisen über eine Nacht verwendet.

„Schatzi, ich mach mich dann los.“ Aus dem Wohnzimmer waren seine Ehefrau und hinter ihr sein dreijähriger Sohn gekommen. Er umarmte seine Familie zum Abschied. „Tschüss mein Großer. Papa ist morgen wieder da. Sei brav bis dahin. Hörst du?“

Dann wanderte seine Erinnerung weiter auf die Autobahn. Er war unterwegs. Heute war viel Verkehr, aber alles war entspannt. Er hörte Musik und fuhr die Kilometer dahin. Die Straße war für ihn Routine. Die Sonne stand tief und Feuchtigkeit auf der Fahrbahn erzeugte einen geringfügigen Nebel. Nichts, was er nicht vielerorts erlebt hatte.

Plötzlich leuchtete die ganze Welt vor ihm rot auf. Alle Bremslichter schienen gleichzeitig zu erstrahlen. Sofort war das Adrenalin da und er riss die Augen auf. Er bremste kräftig und brachte sein Auto rechtzeitig zum Stehen. Er sah sich im Bruchteil einer Sekunde um und bemerkte einen Transporter, der es deutlich schwieriger hatte, anzuhalten. Der schaffte es, zum Glück, auf den Seitenstreifen auszuweichen und kam dort sicher zum Stehen. „Puh“, hatte er gedacht. „Alles gut, das war ja knapp. Alles ist gut.“

Dann … Dunkelheit und als Nächstes … Das Aufwachen. Und der Sanitäter. „Was war dazwischen?“

Es traf ihn wie ein Schlag. Die Erinnerung brach mit aller Macht über ihn herein. Er war zurück. Im Flashback vor dem Unfall. Er hatte in den Rückspiegel geschaut. „Was ist das?“, hatte er sich in Gedanken gefragt. Ein LKW raste auf das Stauende zu. Zwei oder drei Autos schob er wie Spielzeug zur Seite und hielt unausweichlich direkt auf seinen Kofferraum zu.

„Oh Mist“, war das Letzte, was ihm aktiv durch den Kopf ging. Dann verlangsamte sich alles um ihn herum. Die Welt hüllte sich in Dunkelheit. Er wusste nicht, ob das der Schatten des LKWs war oder nicht. Doch unerwartet war da Licht. Purpurnes Leuchten. Der ganze Innenraum des Autos überzog sich langsam mit dezenten filigranen purpurnen Linien, die pulsierten.

Es krachte im Heck seines Wagens, alles geschah weiterhin in Zeitlupe. Er sah die Risse, die sich über der Heckscheibe ausbreiteten, bis sie zersprang. In diesem Moment verdeckte ein Körper aus Schatten das purpurne Licht und ergriff ihn. Er sah dünne langfingrige Hände, die seinen Kopf hielten. Sie schoben ihn zur Seite und drehten ihn nach vorn. Durch die Frontscheibe erkannte er einen weiteren LKW schräg rechts vor ihm. Er erinnerte sich nicht, dass dort einer war. Langsam schob sich sein Auto unter der hinteren Ecke des LKW-Hecks hindurch, bewegt durch die ungeheure Kraft des zweiten, der sich kontinuierlich tiefer in den Kofferraum grub. Das Dach schälte sich ab und drückte sich zwischen den beiden Kolossen wie eine Ziehharmonika zusammen.

Die ganze Zeit hielt ihn der lebendige Schatten fest und bewegte seine lebenswichtigen Körperteile hin und her, damit nichts zerquetscht oder durchbohrt werden würde. Die schemenhafte Gestalt griff nach dem Bein, erreichte es aber nicht rechtzeitig. Ein grausiges Knacken war das Resultat. „Das ist gebrochen“, hatte der Mann gedacht, ohne jeglichen Schmerz zu empfinden.

Seine Gedanken kehrten zurück in die Gegenwart. Das Blut strömte ihm über den Kopf und aus Unmengen winzigen Schnittwunden. Er hatte jedoch Glück. Außer seinem Bein schien nichts ernsthafter verletzt worden zu sein.

Er schaute in das Gesicht des Sanitäters. Das Licht war genauso verschwunden wie das Schattenwesen.

„Ein Schutzengel“, stammelte der Mann vor sich hin. „Ich habe einen Schutzengel gesehen. Es war ein Schatten. Er hat mein Leben gerettet.“

Die Schatten von Paradell

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