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Familie heute – Fakten zu ausgewählten Schwerpunktthemen

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Kulturelle, gesellschaftliche, politische und auch religiöse Rahmenbedingungen sind für Familien immer maßgebend und beeinflussen zudem die Arbeit mit Familien und Kindern. Diese weit gefasste Formulierung soll nicht die individuelle Verantwortlichkeit der Eltern für ihre Kinder oder die Verantwortung der Eltern für ihr eigenes Wohlergehen schmählern, vielmehr soll dies verdeutlichen, dass Familie, Elternschaft und Erziehung in steter Wechselwirkung mit einem breiten Spektrum an kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und religiösen Einflussgrößen stehen und das eine Betrachtung von Familie, Elternschaft und Erziehung losgelöst von diesen Elementen nahezu unmöglich ist. Gleiches gilt dementsprechend für die Gestaltung präventiver Maßnahmen zur Unterstützung in der Familienplanung oder werdender Eltern sowie für beratende oder Interventionsmaßnahmen im Trennungs- oder Scheidungskontext. Aktuell finden wir einerseits ein scheinbar stark ausgeprägtes Bewusstsein um die Bedeutung und Wichtigkeit sozialer Aspekte des menschlichen Zusammenlebens, wie z.B. soziale Ressourcen, Kommunikation und prosoziales Verhalten. Insbesondere die Zusammenhänge dieser Variablen mit der physischen und psychischen Gesundheit sind längst keine Geheimnisse mehr. Weiterhin gibt es inzwischen zahlreiche Programme, die präventive Unterstützung bieten, etwa für junge werdende Eltern oder für Eltern mit Kindern im Vorschulalter. Deutschlandweit, vor allem in den Großstädten, stehen zudem Anlauf- und Beratungsstellen für Familien zur Verfügung, die ganz individuelle Interventions-Maßnahmen bereithalten, wie etwa für Familien mit Kindern, in denen beide oder ein Elternteil alkoholkrank oder von anderen, illegalen Substanzen abhängig sind. Denn zum anderen können wir mit zunehmender Tendenz, neben dem oben beschriebenen, scheinbar stark ausgeprägten Bewusstsein über die Zusammenhänge sozialer Aspekte einerseits und dem menschlichen Wohlergehen andererseits, hohe Defizite und geradezu selbstzerstörerische Facetten innerhalb der Familien beobachten. Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, hat sich die Zahl der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen seit 1995 mehr als verdreifacht.


Abbildung 1 Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), Genesis-Online, Datenlizenz by-2-0;

www.govdata.de/dl-de/by-2-0; eigene Darstellung.

Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2015 Deutschlandweit insgesamt 129.485 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls nach § 8a Absatz 1 SGB VIII. In knapp 45.000 dieser Verfahren wurde im Ergebnis eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Im gleichen Jahr wurden 77.645 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, gem. § 42 SGB VIII. Weiterhin geht aus dem Drogen- und Suchtbericht der Drogen Beauftragten der Bundesregierung des Bundes-ministeriums für Gesundheit hervor, dass eine besonders relevante Konsumentengruppe im Bereich Crystal Meth, konsumierende Eltern sind und das jedes sechste Kind in einer Familie mit mindestens einem suchtkranken Elternteil aufwächst und allein in Köln 2015 über 17.000 Kinder betroffen waren (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Bundesministerium für Gesundheit, Juni 2016, S. 72-73). Bei diesen Zahlen ist ausschließlich die Rede von illegalem Methamphetamin. Aus dem gleichen Bericht geht weiter hervor, dass in Deutschland 2,65 Millionen Kinder bei suchtbelasteten Eltern leben. Wobei schätzungsweise 40.000 bis 60.000 dieser Eltern drogensüchtig sind. Alle anderen sind alkoholabhängig (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Bundesministerium für Gesundheit, Juni 2016, S. 117). Dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht 2017 ist auf Seite 83 zu entnehmen, dass „Studien zeigen, dass über 3 Millionen Kinder und Jugendliche – vermutlich deutlich mehr – mindestens einen suchtkranken Elternteil haben“ (Klein, Thomasius, & Moesgen, 2017). Mehr als 3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland werden von mindestens einem Alkohol- und/oder Drogenabhängigen Elternteil aufgezogen. Bereits in den Ende 2003 vereinbarten 10 Eckpunkten zur Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien, spricht die Drogenbeauftragte der Bundesregierung von über 2,5 Mio. Kindern unter 18 Jahren in Deutschland, die mit mindestens einem suchtkranken Elternteil aufwachsen (Hinze, & Jost, 2006). Angesichts der steigenden Zahl der Kinder und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien (Abbildung 2) seit Ende 2003 bis 2017, über einen Zeitraum von 14 Jahren und somit über 3,5 Legislaturperioden hinweg, konnten durch politische Maßnahmen offenbar keine wirksamen Effekte erzielt werden.


Abbildung 2 Kinder und Jugendliche mit mindestens einem suchtkranken Elternteil

(Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Bundesministerium für Gesundheit, 2003-2017).

Künftig sollen Kinder aus suchtbelasteten Familien noch stärker unterstützt werden. Denn eine Suchterkrankung oder der Missbrauch von Alkohol und anderen legalen oder illegalen Substanzen durch die Eltern, wirkt sich nicht nur negativ auf die Gesundheit und die Lebensumstände der Eltern aus, sondern kann auch für die Kinder und Jugendlichen nachhaltige negative Folgen haben: die sozio-demografischen Bedingungen für die Kinder können negativ beeinflusst werden. Das bedeutet, dass die Kindern später, auf Grund der Substanzkonsumstörung der Eltern und den damit verbundenen inner- und außerfamiliären Problemen, möglicherweise einer niederen Einkommensgruppe angehören werden und von Armut betroffen sein können. Weitere Probleme, mit welchen die Kinder und Jugendlichen aus Familien, in denen es zu Substanzkonsumstörungen kommt, konfrontiert sein können, sind soziale Ausgrenzung, Vernachlässigung, wenig Verlässlichkeit, unsichere Bindung oder Trennung von den Eltern. Konflikte, Aggressivität und Gewalt in der Familie sowie psychische Erkrankungen der Kinder, können weitere negative und nachhaltige Auswirkungen einer Substanzkonsumstörung der Eltern sein. Vielleicht lassen sich die Ursachen für diese paradoxen Umstände, dem hohen Bewusstsein über soziale Aspekte einerseits und den gleichzeitig zunehmenden asozialen Verhältnissen in unserer Gesellschaft andererseits, in der Unfähigkeit und den Schwächen des Homo sapiens finden. In Anbetracht einer solchen Entwicklung im beschriebenen Zeitraum, darf man nicht von einer positiven Bilanz sprechen. Die Drogenbeauftragte wünscht sich für die kommenden 4 Jahre eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Rolle des Alkohols und das, was wir als Gesellschaft bereit sind, für die Alkoholprävention zu tun. Bleibt zu hoffen, dass nach weiteren 4 Jahren Diskussion die Gesamtbilanz dann etwas positiver ausfällt. Vielleicht sollte man dazu die gewünschte Diskussion, über die Rolle des Alkohols und mögliche Präventionsmaßnahmen noch ein wenig weiter ausdehnen. Falls nicht schon in den letzten 14 Jahren geschehen, könnten in die Diskussion beispielsweise Bereiche, wie Produktion, Vertrieb und Marketing sowie Kosten und Steuern stärker einbezogen werden, anstatt den Fokus allein auf den Konsumenten und Folgeprobleme zu richten. Symptombehandlung ist wichtig aber Symptombehandlung ist keine Ursachenbehandlung. Offensichtlich liegen die Prioritäten in völlig anderen Bereichen, als beispielsweise dem Wohlergehen der erwähnten Kinder und Jugendlichen, deren Eltern oder Elternteil Substanzabhängig sind. Wie aus dem Kurzbericht Crystal Meth und Familie – Zur Analyse der Lebenssituation und des Hilfebedarfs betroffener Kinder hervorgeht, lag bei den Substanz konsumierenden Eltern zumeist ein niedriger sozioökonomischer Status vor (Klein, Dyba, Moesgen, & Urban, 2015), was natürlich nicht gleichzeitig bedeutet, dass in den höheren sozialen Schichten keine Substanzen konsumiert werden. Ein weiteres zu beobachtendes Phänomen: es besteht seit über 25 Jahren scheinbar ein chronischer Mangel an Plätzen in Kindertagesstätten sowie ein Mangel an ausreichend Personal im Betreuungs- und Bildungsbereich bzw. ein Mangel an finanziellen Mitteln. Bereits 1990 stellt der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge fest, dass zu wenig Ganztagseinrichtungen wie Krippen, Tagespflege, Kindergärten und Horte für alle Altersgruppen zur Verfügung stehen, welche die Vereinbarkeit von Familien-pflichten und Erwerbstätigkeit ermöglichen (Sander, 1999). Ein Trend, der sich bis heute offensichtlich fortsetzt und der, in Anbetracht aktueller Prognosen zu weiter steigenden Schülerzahlen in den kommenden Jahren, längst überfälliges politisches Handeln zwingend erforderlich macht. Scheinbar wurden auch hier auf politischer Ebene die Herausforderungen im Bereich Bildung und Betreuung verkannt oder aber die Bedürfnisse von Familien in diesen Bereichen sind aus politischer Perspektive ebenfalls von geringerer Priorität. Zu diesem Schluss muss man fast zwangsläufig gelangen, wenn man den beschriebenen Mangelzuständen auf der einen Seite, überhöhte Investitionen in anderen Bereichen gegenüber stellt. Hinzu kommt, dass der vorherrschende Personalmangel in der Sozialwirtschaft, die in den non-profit Bereich fällt, sich nicht nur negativ auf die Qualität der Betreuung und Ausbildung der Kinder auswirkt. Vor dem Hintergrund steigender psychischer Belastungen am Arbeitsplatz und damit einhergehendem zunehmenden Krankenstand, zeigt sich deutlich, dass auch die Gesundheit der in diesem Bereich tätigen Arbeitskräfte offenbar unter den beschriebenen Mangelzuständen leidet. Die Förderung des betrieblichen Gesundheitsmanagements in diesem Zusammenhang ist ein sehr wichtiges und nützliches Instrument der Schadensbegrenzung. Doch auch hier gilt: Symptom-behandlung ist keine Ursachenbehandlung. Die eigentlichen Ursachen, nämlich Personalmangel, Überforderung der Arbeitskräfte und damit einhergehende Leistungseinbußen und Qualitätsverlust, sollten nicht verkannt werden.

Wie stark haben sich der Familienbegriff und damit verbundene Werte aber tatsächlich gewandelt? Was ist heute aus dem geworden, was einst die Grundlage aller funktionsfähigen Strukturen der Gesellschaft war? Welche Einflüsse von Familie und Familienklima auf die Gesundheit kennen wir bereits? Welche Familien profitieren heute vielleicht mehr und welche weniger von den Gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unserer globalisierten Welt? Was wir wissen ist, dass es scheinbar Gewinner und Verlierer gibt. Aber wie lassen sich die Zusammenhänge zwischen den Veränderungen der Umwelt und der Gesellschaft, den Veränderungen der familiären Strukturen und dem menschlichen Wohlbefinden so regulieren, dass eine Entwicklung in Richtung eines Idealzustands zumindest angestoßen wird, der aber natürlich wahrscheinlich nie erreicht werden kann? Wenn auch die Rollenverteilungen innerhalb der Familien und die Anforderungen und Rahmenbedingungen durch Umwelt und Gesellschaft sich gewandelt haben, so sollten sich Lebens- oder Ehepartner mit Kindern, auch wie bereits vor 200 Jahren, gegenseitig ergänzen, unterstützen und zusammen-halten. Denn nur der Zusammenhalt, auch und ganz besonders in schwierigen Zeiten, kann das Weiterbestehen der Gemeinschaft gewährleisten. Wie auch auf übergeordneten Ebenen, wie beispielsweise in der Politik oder Wirtschaft, ist ganz besonders eine innerfamiliäre Kommunikationskompetenz eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für ein positives Gelingen. Authentizität der Eltern sowie deren Bewusstsein über ihre Vorbildrolle gegenüber ihren Kindern sind weitere wichtige Aspekte, die wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder und des Familienklimas haben.

Die innerfamiliären Faktoren befinden sich in ständiger wechselseitiger Beziehung zu weiteren außerfamiliären Einflussgrößen. Hohe Anforderungen der Arbeitswelt und gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen erfordern von den Familien zeitliche und logistische Flexibilität, Planungs- und Kalkulationsgeschick sowie ein gewisses Maß an physischer und psychischer Robustheit im Sinne von körperlicher Gesundheit und der Fähigkeit mit verschiedensten Formen des Stress adäquat umgehen zu können. Kurzum, Eltern müssen belastbar sein um dem hohen Leistungs- und Anpassungsdruck gerecht werden zu können. Wie wir sehen, stehen Zahlreiche außerfamiliäre Faktoren in Wechselwirkung mit einer Vielzahl innerfamiliärer Faktoren. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zu halten um das Familienklima insgesamt nicht zu gefährden. Dies gilt gleichermaßen für die klassische Kernfamilie, die Adoptivfamilie, für Zweit-, Stief und Patchwork Familie, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft und Ehe sowie für Alleinerziehende. Was sich bei den genannten Modellen unterscheidet, sind die Strukturen und die jeweiligen Anforderungen an die Mitglieder. Was es für jeden Einzelnen tatsächlich bedeutet, diese Balance zu wahren, ist wiederum von verschiedenen individuellen und familiären sowie insbesondere von Biografischen Faktoren abhängig.

Die innerfamiliären Rahmenbedingungen werden in erster Linie durch die Eltern sowie alle weiteren Familienmitglieder, entsprechend ihrer jeweiligen Rolle und entsprechend ihrer persönlichen Wertvorstellungen organisiert, geregelt und gestaltet. Außerfamiliäre Rahmenbedingungen werden durch Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gestaltet, wobei hier ein direkter Zusammenhang mit den sozioökonomischen Status der Familien besteht. Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Einkommens- sowie Sozialpolitik liegen, ebenso wie alle weiteren politischen Teilgebiete, außerhalb des familiären Einflussbereiches und können selbst durch politische Wahlen nur indirekt und bedingt von den Familien beeinflusst werden. Der sozioökonomische Status einer Familie hängt hingegen direkt von den politischen und wirtschaftlichen Einflüssen ab. Gleichzeitig haben es die Familien in der Hand, innerhalb der gegebenen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen, ihren jeweiligen sozioökonomischen Status mitzugestalten. Dies setzt, neben fairer Chancengleichheit und Gerechtigkeit persönliches Engagement, Motivation und Intelligenz voraus. So können Familien beispielsweise über den Bildungsgrad entscheiden, den ihre Kinder anstreben werden oder Eltern können gemeinsam mit ihren Kindern herausfinden, welche berufliche Ausbildung in Frage kommen könnte. Wie wir sehen, gestalten sich sowohl innerfamiliäre als auch außerfamiliäre Rahmenbedingungen, Grundvoraussetzungen und Anforderungen an die Familien mitunter durchaus sehr komplex und sind für die Familien immer eine spannende Herausforderungen und gleichzeitig aktive Zukunftsgestaltung. Die Bewältigung dieser Herausforderungen kann nicht jedem in gleichem Maße gut oder schlecht gelingen. Zweifelsohne spielt hierbei auch die jeweilige soziale Schichtung bzw. der jeweilige sozioökonomische Status eine wesentliche Rolle. Gering-verdiener oder prekär Beschäftigte verfügen offenkundig über andere Möglichkeiten als sozioökonomisch besser Gestellte. Vor dem Hintergrund von Erwerbseinkommen oder Unterhalts-zahlungen, kann eine Trennung oder Scheidung auch finanziell eine zusätzliche Belastung darstellen. Scheidungen oder Trennungen und Familienzerrüttung kommen in allen sozialen Schichten, selbst in den besten Familien vor, was die Menschen wieder auf eine Stufe stellt. Ein weiteres, in der Familien-psychologie zu beobachtendes Phänomen ist, dass scheinbar alles austauschbar geworden ist: Ehemann oder Ehefrau können ausgewechselt werden und, gerade in Zeiten in denen Zweit-, Stief- oder Patchwork Familien zum Alltag gehören, verkommen selbst leibliche Kinder zu austauschbaren Objekten. Die Palette der Einflussgrößen ist enorm: eine Reihe von außerfamiliären Faktoren, wie Werktätigkeit, sozioökonomischer Status und gesellschaftliche sowie politische Rahmenbedingungen, wirken in wechselseitiger Beziehung mit den innerfamiliären individuellen Faktoren, wie psychische Beschaffenheit, soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen, direkt auf Familie, Familienklima und familiäre Lebensgestaltung. Künftige Eltern sollten sich daher ganz bewusst mit den Themen Familie und Familienplanung intensiv beschäftigen. Hierfür kann frühe präventive Arbeit, die eine Sensibilisierung für diese Themen beinhaltet, hilfreich sein. Denn die mit Familie verbundene Verantwortung, ganz besonders den eigenen Kindern gegenüber, ist hoch. Zerrüttete Familien sind längst keine Seltenheit mehr. Es gehört inzwischen zu ganz alltäglichen Erscheinungen, dass Kinder beispielsweise nur einen Elternteil haben. Insgesamt ist zu beobachten, dass die teilweise ohnehin schon komplexen Familienstrukturen sich scheinbar immer komplexer gestalten und somit immer größere, sowohl innerfamiliäre als auch außerfamiliäre, Herausforderungen entstehen, wodurch den Familienmitgliedern in zunehmendem Maße persönliche Ressourcen abverlangt werden. Versuche der Schadens-begrenzung bei Familienzerrüttung finden sich immer wieder in Zweit-, Stief- oder Patchwork Familien. Deren Gelingen setzt eine Reihe von Fähigkeiten, Kompetenzen und Ressourcen voraus. Denn die mit dem Familienleben verbundenen Herausforderungen gestalten sich entsprechend der jeweiligen Familienkonstellation, psychischer Beschaffenheit ihrer Mitglieder, deren Biografien und nicht zuletzt in Abhängigkeit aller relevanter Umweltvariablen, wie Arbeitsplatz, Mehrgenerationenfamilie oder dem sozioökonomischen Status der Familie. Das Zusammenleben einer jeden Kernfamilie wird somit von ganz individuellen inner- und außerfamiliären Faktoren beeinflusst und fällt dementsprechend ganz unterschiedlich komplex aus. Bei aller Komplexität sollte Familie jedoch immer ein Ort der Geborgenheit sein, an dem man einander vertrauen kann, sich gegenseitig respektiert, zueinander hält, für einander einsteht und an dem man Rücksicht aufeinander nimmt. Auch Stief-, Zweit- oder Patchwork Familien können genauso gut funktionieren wie die klassischen, weniger komplexen Familien. Wobei an dieser Stelle ausdrücklich gesagt sein soll, dass die klassischen Familien bei weitem nicht von den bereits erwähnten Problemen ausgenommen sind. Ein positives Familiengelingen mit einem angenehmen Familienklima setzt voraus, dass die Mitglieder der Familie aktiv am Prozess Familie mitarbeiten und alle sich gegenseitig respektieren, achten, wertschätzen, einander zuhören und miteinander reden. Dies ist jedoch gerade im Kontext von Scheidung oder Trennung und damit verbundener Familienzerrüttung erfahrungsgemäß oft sehr schwierig. Denn in Scheidungsfamilien und besonders in vollständig zerrütteten Familien, werden bei den Kindern erfahrungsgemäß genau die Aspekte am stärksten beeinträchtigt, die für ein positives Familiengelingen mit einem ausbalancierten Familienklima so wichtig sind, nämlich sozial-emotionale und kommunikative Kompetenzen. Dies trifft sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder zu, wobei davon ausgegangen werden kann, dass die Bewältigungsarbeit für die Kinder im Nachgang deutlich schwieriger ausfallen dürfte. Des Weiteren werden im Rahmen von Zweit-, Stief- oder Patchwork Familien deutlich mehr persönliche Ressourcen benötigt, als in herkömmlichen Familien. Denn es müssen i.d.R. Bedürfnisse von mehreren Personen Berücksichtigung finden als in den klassischen Familien. Folglich kann man zum einen von mehr Abwechslung und mehr zur Verfügung stehenden sozialen Ressourcen im größeren Familienkreis ausgehen, zum anderen kann der mitunter deutlich größere Personenkreis auch ein höheres Konfliktpotential bedeuten. Können die Familienmitglieder diesen Anforderungen gerecht werden und verfügen sie über die nötigen Kompetenzen und Ressourcen, so wird, wie die herkömmliche Familie, auch die Stief-, Zweit- oder Patchwork Familie funktionieren können. Der größte Vorteil, den die Zweit-, Stief- und Patchwork Familie gegenüber der klassischen Familie oft bietet, ist die Menge an sozialen Ressourcen, die gleichzeitig eine höhere Flexibilität und einen Mehraufwand an psychischer Energie bedeuten kann. Letztlich sollte jede Familie synonym für Einheit, Zusammenhalt, Geborgenheit, Wärme, Schutz und Wegweisung stehen.

Familie, Lebensgefühl und Gesundheit

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