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Tiger: Neuanfang mit Misstönen
ОглавлениеMit Museumsstücken lässt sich kein Krieg gewinnen – diese Einsicht liess sich Mitte der 1970er-Jahre nicht mehr verdrängen. Gemäss der anno 1975 einmal mehr erneuerten Verteidigungskonzeption sollte sich die Aufgabe der Schweizer Luftwaffe ab 1980 auf die Unterstützung der Bodentruppen beschränken. Dafür brauchte es definitiv keine schnellen Jäger mehr, sondern robuste, universell verwendbare und vor allem rasch und günstig erhältliche Flugzeuge, mit denen sich zumindest der Eindruck einer schlagkräftigen Luftwaffe erwecken liess. Dazu genügte eine «Proforma-Evaluation», oder wie es ein beteiligter Ingenieur beschreibt: «Eigentlich konnten wir nicht viel mehr tun als die Verkaufsprospekte studieren, ein paar Testflüge machen und dann den Antrag zum Kauf einer Flotte amerikanischer Northrop F-5E Tiger schreiben; eine realistische Alternative gab es nicht.»
Und so kam es: Ende August 1975 bewilligte der Bundesrat 1170 Millionen Franken für den Kauf von 75 Stück, also 15,6 Millionen Franken pro Flugzeug. Im Juni 1981 kam es dann noch zu einer Ergänzungsbestellung über 38 Stück für 770 Millionen Franken, also 20,4 Millionen Franken pro Flugzeug. Opposition oder auch nur eine ernsthafte Diskussion über den Sinn der Sache gab es nicht.
Es war ein hastiger Kauf, getätigt in einer Notsituation und ausschliesslich vom Bestreben geleitet, schnell, günstig und vor allem ohne weitere Skandale etwas auf die Beine zu stellen, was nach einer anständigen Flugwaffe aussah. Kampfkraft spielte keine Rolle: Der F-5E ist nur bei Tag und gutem Wetter einsetzbar, fliegt nur mit Mühe und für kurze Zeit schneller als der Schall und verhält sich zu einem zeitgemässen Kampfflugzeug ungefähr wie ein Smart zu einem Lamborghini. Dies jedoch mit voller Absicht, denn der F-5E wurde von der US-Regierung von Anfang an die Rolle eines «Placebo-Jägers» zugedacht: Das Flugzeug sollte aussehen wie ein Jäger, Lärm machen wie ein Jäger, die Schallmauer durchbrechen können wie ein Jäger – aber kein Jäger sein! Aus der Sicht der USA war dies eine überzeugende Strategie, wenn man sie im Lichte der strategischen Weltlage zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges betrachtet.
Die Konstruktion des F-5 geht auf die Zeit um Mitte der 1950er-Jahre zurück. Das war die Epoche, in der die USA und die damalige Sowjetunion den «kalten Krieg» ausfochten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wetteiferten beide Grossmächte um die Gunst und die Unterstützung zahlreicher junger Staaten (viele von ihnen ehemalige Kolonien europäischer Mächte), die in der neuen Weltordnung einen sicheren Platz zu ergattern suchten. Teil dieses Bemühens war der Aufbau einer eigenen Armee – weniger um sich zu verteidigen als um in der eigenen Bevölkerung den Ruhm ihrer Herrscher zu mehren, aufständische Volksgruppen in die Schranken zu weisen und einmal pro Jahr mit einer bombastischen Militärparade den Nationalfeiertag zu begehen. Zu diesem wiederum gehörten – und gehören manchenorts bis heute – schöne Paradeuniformen für die Soldaten und eine Luftwaffe, deren Kampfflugzeuge mit viel Lärm und mit Rauchspuren in den Farben der nationalen Flagge kunstvolle Figuren in den Himmel zeichnen.
Dazu, und nicht primär zur Verteidigung des Landes gegen einen äusseren Feind, brauchte es geeignete Flugzeuge. Sowohl die Sowjetunion wie auch die USA lieferten gerne und kostenlos ausgediente Jäger aus dem Koreakrieg, aber diese waren in der Regel nicht mehr lange zu gebrauchen und zudem alles andere als «sexy». In dieser kritischen Lage der Weltpolitik sah die US-Flugzeugherstellerin Northrop (heute Northrop Grumman) eine Chance. Unter der Bezeichnung N-156 entwickelte das Unternehmen auf eigene Kosten ein leichtes, einfaches und wartungsfreundliches Düsenflugzeug, dessen einziger Zweck es sein sollte, das Selbstbewusstsein amerikanischer Klientelstaaten (beziehungsweise von deren Herrschern) aufzupäppeln, ohne gleichzeitig das in der betroffenen Gegend der Welt existierende militärische Kräfteverhältnis zu stören und die Sowjetunion ihrerseits zu einer Aufrüstung zu veranlassen. Das Flugzeug sollte also wie ein ernsthaftes Kampfflugzeug aussehen, aber, wie es im amerikanischen Polit-Jargon ganz unverblümt hiess, «nonprovocative» sein, zu Deutsch: harmlos.
Nach anfänglichem Zögern erwärmte sich die US-Regierung für die Idee. Northrop peppte das Flugzeug technisch auf, und die USA lieferten es ab 1962 im Rahmen zahlreicher Militärhilfeprogramme unter der Bezeichnung F-5A in die halbe Welt, ab 1973 auch in der verstärkten und leicht modernisierten Version F-5E. Im eigenen Land wird der Typ, da militärisch annähernd wertlos, in einer vereinfachten und zweisitzigen Version namens T-38 als Schulflugzeug verwendet, ebenso in zahlreichen weiteren Ländern.