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Nächster Akt des Trauerspiels: Corsair

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Der Mirage-Skandal platzte im Herbst 1964. In der Folge dauerte es ziemlich genau acht Jahre, bis sich das Drama wiederholte – zwar mit anderen Protagonisten, in einem gewandelten weltpolitischen Umfeld und auf einem fortgeschrittenen technischen Niveau, aber nach einem ähnlichen Drehbuch. Diesmal ging es nicht um ein Jagd-, sondern um ein Erdkampfflugzeug, und die Geschichte endete nicht mit einer reduzierten und überteuerten Flotte, sondern mit einem Nullentscheid – ausser Spesen nichts gewesen. Das Reizwort hiess Corsair, unter Technikern «Ling-Temco-Vought (oder kurz LTV) A-7 Corsair II».

Nach der Einführung der Mirage war die Schweizer Luftwaffe bezüglich Raumschutz, das heisst Abwehr angreifender Flugzeuge, und Aufklärung recht gut aufgestellt. Für die Bekämpfung von Erdzielen – Gebäude, Strassen und Brücken, feindliche Panzer, Fahrzeuge und so weiter – fehlten jedoch zeitgemässe Flugzeuge. Neben einigen relativ brauchbaren Hunter-Jets waren in diesem Segment nur veraltete Maschinen der Modelle de Havilland Venom (Baujahre und technischer Stand 1952–1958) und Vampire (1948–1952) vorhanden. Inzwischen hatte sich jedoch die strategische Weltlage verändert, und gemäss der 1966 an die neuen Verhältnisse angepassten Strategie der schweizerischen Landesverteidigung war nun nicht mehr der Luftkampf die primäre Aufgabe der Luftwaffe, sondern die Bekämpfung von Bodenzielen. Es bestand also ein unbestrittener und dringender Bedarf für ein leistungsfähiges Kampfflugzeug dieser Kategorie. Der Corsair II sollte das Problem lösen.

Der Prozess der Typenwahl war komplex und wird hier nur stark gerafft beschrieben. In einer sogenannten Vorevaluation wurden acht Flugzeugtypen summarisch untersucht, unter ihnen auch inexistente Phantasieprodukte wie die AR-7, eine theoretisch angedachte, aber nur als Papierskizze existierende Weiterentwicklung der Ende der 1950er-Jahre gescheiterten schweizerischen Eigenentwicklung P-16. Klarer Sieger in diesem Ende 1969 beendeten Prozess war der A-7E Corsair II. Der französische Typ Milan – eine Art heruntergekochte Mirage – war schon damals eine Option, hatte jedoch keine Chancen. Nach heftigen Interventionen der französischen Regierung kam es zu einer Zusatzevaluation unter Einbezug des eigentlich ausgeschiedenen Milan, die im März 1971 mit einer gut dokumentierten und durch Zahlen belegten Rangfolge endete. Danach stand mit 100 Vergleichspunkten erneut der Corsair an erster Stelle, gefolgt vom ebenfalls amerikanischen A-4S Skyhawk (ein Kampfflugzeug für den Einsatz ab Flugzeugträgern) und dem Milan mit 59 Punkten.

Die Sachlage war klar, doch jetzt begannen die Diskussionen erst richtig heiss zu werden – wohl nicht zuletzt deshalb, weil erneut das politisch unerwünschte, den französischen Wirtschaftsinteressen zuwiderlaufende Modell Corsair die Rangliste anführte. Parallel zu den Diskussionen zogen die Bewerber alle Register, allen voran die Firma Dassault als Herstellerin des Milan. Politiker und Journalisten wurden zu «Informationsreisen» nach Frankreich eingeladen, teuerste Plätze im Live-Programm des Nachtklubs «Moulin Rouge» inbegriffen. Das mag den einen oder anderen Schweizer Gast beeindruckt haben, an den mangelhaften Qualitäten des Milan änderte es ebenso wenig wie am Trommelfeuer der französischen Lobbyisten.

In dieser verfahrenen Situation sah der Bundesrat nur noch einen Ausweg aus dem nicht enden wollenden Hickhack: Eine Flugerprobung der führenden Kandidaten, und zwar gleichzeitig im April und Mai 1972, unter identischen Bedingungen und ohne die Möglichkeit, sich nachträglich mit Argumenten wie «schlechtes Wetter» oder ähnlichen Schutzbehauptungen herausreden zu können. (Nebenbei bemerkt: Vergleichbare Tests im Jahre 2019 fanden gestaffelt und unter verschiedenen Umweltbedingungen statt.)

Die Versuche begannen damit, dass der Corsair pünktlich in der Schweiz eintraf, der Milan jedoch wegen technischer Probleme erst mit drei Wochen Verspätung. In der Halbzeit der Versuchsperiode am 11. Mai 1972 hatte der Corsair 100 Prozent der bis dahin geplanten Flüge absolviert, beim Milan waren 25 Prozent aus technischen Gründen ausgefallen. Weitere Details erübrigen sich – das Bombenschiessen wurde für die Franzosen zum Desaster. Der beste Treffer des Milan aus 1500 Meter Distanz war schlechter als der schlechteste Treffer des Corsair aus 4000 Meter Distanz, oder mit anderen Worten: Der Milan war als Erdkampfflugzeug schlechthin unbrauchbar. Dassault rechtfertigte die peinlichen Resultate später mit der Behauptung, die Bombenziele (mit Tüchern markierte Flösse auf dem Neuenburgersee) seien «mit Anti-Laser-Farbe behandelt» gewesen; so habe das auf Lasertechnik gestützte Feuerleitsystem des Milan sie nicht erkennen können – im Unterschied zum Zielsystem des Corsair, das mit Radartechnik arbeitete.

So klar die Resultate der vergleichenden Flugversuche auch waren, nach dem monate-, ja jahrelangen Trommelfeuer französischer Lockungen und Drohungen war der Kauf eines amerikanischen Kampfflugzeuges keine realistische Option mehr. So fällte der Bundesrat den inzwischen sprichwörtlich gewordenen Nullentscheid: weder Corsair noch Milan, sondern gar nichts und als Lückenbüsser ein paar uralte, militärisch so gut wie unnütze, aber wenigstens politisch unbelastete zusätzliche Hunter.

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