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KAPITEL 3: DIE BOUTIQUE

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Von diesem Tag an schien sich das Leben in unserem Haus nicht allzu sehr von den anderen vergangenen Tagen zu unterscheiden, obwohl wir einen neuen Nachbarn hatten. Die Wohnung war noch genau so still wie als sie noch leer stand.

Alles war ruhig und still, ausser dass meine Neugier nach dem jungen Mann geweckt wurde, ich horchte neugierig nach unten, lauschte irgendwelche Stimmen oder Bewegungen von ihm

wahrnehmen zu können, aber vergeblich, nichts rührte sich.

Dans aufstehen nahm ich heute frühmorgens wahr. Lag es etwa daran, dass ich mir es zur

Gewohnheit machte, zu horchen; normalerweise würde ich noch länger weiterschlafen.

Ich folgte meinem Mann. Während er sich im Badezimmer frisch machte, trug ich den

Frühstückstisch reichlich auf.

Das leise surren von Dans Rasierapparat hörte ich aus dem Badezimmer, er pfiff fröhlich während

dem rasieren. Ich schenkte mir schon, seinem fröhlichen Gesang zuhörend, eine Tasse Kaffee ein

und zog mich an das grosse Frontfenster zurück, nahm einen grossen Schluck und beobachtete

den erwachenden Frühlingsmorgen.

Welch unterschiedliches Panorama, dachte ich. Die Aussicht aus dem dritten Stock reichte über die Stadt hinaus, bis in die kleinen und mittelgrossen Hügeln am Horizont, welche die Stadt, wie im

Frühlingsmantel eingehüllt, umrahmten. Es war genau so schön, wie die Aussicht aus dem

Schlafzimmer in den Hintergarten mit seinen Blumen, Büschen und Sträuchern.

Nur der Schnellverkehr störte mich heute besonders. Es fuhren nicht nur Personen- und Lastwagen im Schritttempo, sondern auch die Strassenbahnen.

„Da ist er ja!“ Ich geriet in Erregung.

„Wer denn Liebes?“ fragte Dan, der mit dem Handtuch in der Hand soeben aus dem Badezimmer herauskam.

„Dieser John Derby, er steigt auf sein Fahrrad.“

„Er wird wohl wie jeder andere Bürger seiner Arbeit nachgehen, was ist schon dabei.“

„Jetzt ist er nicht mehr zu sehen“, meine Augen folgten ihm nach.

„Liebes, kontrollierst du diesen Mann?“

„Nein, rein zufällig stehe ich da, habe ich gesehen wie er…“, stellte meine Kaffeetasse auf den

Tisch, ging auf ihn zu, er roch so gut nach Frischem, legte meinen Arm um seinen Hals.

„Du bist ganz schön eifersüchtig, nicht wahr?“

„Hätte ich einen Grund?“

„Nein, du weiss doch, du bist mein Augenmerk, ich könnte jetzt hier dich…nehmen“, wollte ich ihn mit weiblichem Charme locken und gab ihm einen süssen Kuss.

„Die Arbeit ruft, Liebes, ich muss leider gehen.“

Er nahm in Eile das halbe Toastbrot mit Marmelade und Kaffee und eilte davon.

„Es ist mir langweilig“, beschwerte ich mich.

Nachdem Dan seine Jacke und seine Arbeitsmappe mit sich nahm, stand er schon vor dem Lift, kam aber zurück und gab mir den gewohnten sanften Kuss, während ich noch in der Tür stand, mit gelangweiltem Gesicht.

12-DAS VERSPRECHEN

„Warum gehst du nicht ein bisschen shoppen, Liebes. Kauf dir etwas Hübsches, dann kommst du

auf andere Gedanken!“

Sein zweideutiger Vorschlag war eigentlich keine schlechte Idee, aber dennoch.

„Ich habe so viel zum anziehen.“

„Jedes Jahr kommt etwas Neues raus; such dir was Schönes aus, Liebes. Auf Wiedersehen.“

Ein hübsches Kleid suchte ich mir im Kleiderschrank aus und zog es an.

Als ich mich vor dem Schrank im Spiegel betrachtete, wurde ich Zeuge, dass ich mit Anfang

dreissig immer noch jung gebliebene Kurven am Körper besass und das frische Aussehen im

Gesicht nicht verloren hatte.

„Du siehst immer noch sehr gut aus für dein Alter, Liebes“, hörte ich Dan in Gedanken mich loben

und überlegte mir, dass ich mich dabei glücklich schätzen musste, dass unsere Ehe mit Glück, Leidenschaft, Liebe und Harmonie gesegnet war.

Da Dan einen sehr guten Verdienst hatte, behauptete er bei jeder Gelegenheit „Du brauchst nicht zu arbeiten, Liebes. Ich verdiene genug für uns beide. Ausserdem sollte einer von uns das süsse Leben geniessen, und das bist du.“

Ja, nach dem Vorschlag von Dan war ich fest entschlossen, shoppen zu gehen und auf der Treppe zu laufen. Insgeheim wünschte ich, dass ich vielleicht…ja vielleicht diesen netten, jungen Mann

wieder treffen könnte. Am Treppenabsatz, von dem Gedanken beflügelt, konnte ich ohne Angst mit Leichtigkeit die Stufen herunterlaufen.

An der Stelle, wo ich John Derby zum ersten Mal gesehen hatte, blieb ich wie hypnotisiert stehen.

Was mir als Erstes an ihm auffiel, waren seine glänzenden Augen, sie funkelten wie zwei Smaragde;

irgend etwas in mir bewegte sich, als ich daran dachte, eine Erkenntnis oder Vorahnung, ja, die

Vorahnung, dass ein Geheimnis darin verborgen war. Ich wusste damals noch nicht, dass dieses

Geheimnis mich mitreissen, mein Leben von Grund auf ändern und alles in einer Tragödie enden würde.

Abschütteln wollte ich diese Gedanken von mir, ich ging die letzte Stufe hinunter. Der Lift hielt an

im zweiten Stock; und ich hielt den Atem an und wünschte, John Derby wäre es, obwohl ich wusste, nicht lange her ich ihn auf seinem Fahrrad wegfahren sah.

Als die Türe aufging, stieg Mrs. Martin, welche John gegenüber wohnt, aus.

„Guten Tag, Mrs. Martin“, sagte ich, um meine Überraschung zu verbergen.

Nachdem sie mich herzlich begrüsst hatte, sagte sie „Sie sehen wieder hinreissend aus, meine Liebe.“

„Oh, vielen Dank, Mrs. Martin, ich hoffe, Ihnen geht es gut.“ Sie beschwerte sich oft über Bein-

und Rückenweh.

„Wissen Sie, ich könnte es ruhig in meinem Alter zugeben, ohne jeglichen Neid“, fügte sie hinzu,

dann „O, ja, danke der Nachfrage, im Moment geht es mir soweit gut.“

Im Nu, nachdem ich mich von Mrs. Martin verabschiedet hatte, war ich schon ganz unten.

Wunderschönes, strahlendes Wetter erwartete mich draussen, musste blinzeln, weil ich die Sonnenbrille vergessen hatte.

Mit Strassenbahn fuhr ich bis in die Stadt.

13-DAS VERSPRECHEN

Die Boutique hiess –LADY M-, ich wusste zwar nicht, was das M zu bedeuten hatte, aber ich mochte

diesen Laden, kaufte meistens dort ein. Was ich auch von dort anhatte, es entsprach meistens

meinem Geschmack. Kleider, Röcke, Blusen, Jacken, Hosen, und…und…Es hatte nicht nur moderne,

sondern auch klassische Sachen, meistens wie gesagt nach meinem Geschmack, und passend meiner

Grösse.

Die Boutique befand sich in der Innerstadt, ich musste einige Schritte laufen nach dem aussteigen.

Die Schaufensterdekoration war dem Frühling angepasst, und bereits mit bunten, farbenfrohen

Kleidungsstücken ausgestattet, welche ich bewunderte. Ein ärmelloses, altrosa farbenes Kleid zog

meine Blicke auf sich. Daneben eine seidene Bluse…ein königsblauer Rock…Ich blickte wieder

zurück zum Kleid, musste dieses Kleid haben, es würde meine weiblichen Kurven zur Geltung

bringen und es würde Dan auch sehr gut gefallen.

Plötzlich erstarrte ich zum Denkmal, weder konnte ich mich bewegen, noch denken; irgend etwas

störte mich im Schaufenster.

Ja! Er stand einfach da. Ein von Sonnenstrahlen reflektierter, schwarzer Schatten zeichnete sich an

der Schaufensterscheibe ab.

Ein Mann stand da und war auf mich fixiert, ohne mit den Wimpern zu zucken. Es verging eine Minute, bis ich mich wieder besann und ich mich ihm zuwandte; da kehrte er mir den Rücken und mischte sich unter die anderen Passanten; auf einmal war er weg. Jedoch hatte ich das seltsame Gefühl, er kein Unbekannte zu sein. In der Annahme, dass es reiner Zufall war, trat ich nachdenklich

in die Boutique ein.

Zuerst sah ich mich ein wenig um. Die diesjährige Mode schien schrill und bunt zu sein. Es gab so

viele Sachen, die ich sofort mitnehmen würde, aber ich musste vernünftig handeln.

Die freundliche Verkäuferin, etwas stämmig, Anfang zwanzig mit Brille, kam mir entgegen. „Guten

Tag, kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie mich höflich.

„Sehr gern, das altrosa farbene Kleid im Schaufenster hat es mir sehr angetan; wenn ich es

anprobieren dürfte.“

„Aber gern, in Ihrer Grösse“, sie warf einen Blick auf mich, „Grösse 38.“

„Ja, ganz genau.“

„Sie schien ziemlich erfahren auf ihrem Gebiet zu sein und war in der Tat sehr nett. Sie holte sofort

das Kleid und begleitete mich zur Kabine. In der kleinen Kabine war es nicht sehr hell, aber der

grosse Spiegel warf ein schönes Bild aus, nämlich mein Bild. Das Kleid sass wie angegossen an

meinem Körper, ja, bestimmt hat Dan auch Freude daran, dachte ich.

Ein Schatten bewegte sich hinter dem Vorhang und ich glaubte, ein verzerrtes Gesicht an der

Spiegelkante zu sehen. Dieses Mal handelte ich schnell und zog den Vorhang zurück. Kein Mensch

war zu sehen, ausser die Kassiererin, die mit Etikettieren beschäftigt war und mit dem Rücken zur

Tür stand.

Als sie den Vorhang hörte, drehte sie sich zu mir um. „Wie hübsch Sie darin aussehen“, bestätigte

sie. „Vielen Dank.“

Mit lähmenden Schritten zog ich das Kleid aus, näherte mich, in Gedanken grübelnd, mit dem Kleid

in der Hand der Kasse. Die Kassiererin empfing mich freundlich und freute sich über das passende

Kleid. Nachdem ich bezahlt hatte, sagte ich noch nachdenklich, am Packtisch stehend;

14-DAS VERSPRECHEN

„Entschuldigen Sie bitte, haben Sie auch vorhin den Mann gesehen, der gerade eben vor meine

Kabine gelaufen war?“

Sie hatte wieder ihr gewinnendes Lächeln. „Sie müssen sich geirrt haben, Madame. Hier kommen

selten Herren rein. Es sei denn…“, diesmal bildete sich ein amüsiertes Lächeln auf ihren Lippen,

„…es sein denn, diejenigen wollen ihre Partnerin überraschen und verwöhnen.“

„Danke, Sie haben wohl Recht, ich habe mich geirrt.“

Es war mir peinlich, weil ich ja selber wusste, dass dies hier ein Damenboutique war; dennoch

dieser Schatten, dieser Mann. Und glaubte mit Gewissheit, ihn wie beim letzten Mal richtig

erkannt zu haben.

Das Verlangen nach der neuen Schuhsaison im nahe gelegenen Schuhgeschäft war gross. Doch ich

zögerte, hatte jegliche Lust verloren. Draussen schaute ich mich nochmal um, konnte aber keinen

verdächtigen oder dunklen Schatten mehr im Schaufenster entdecken. Trotzdem war ich nicht

gewillt, irgendwelche Schuhe zu kaufen und eilte nach Hause.

Aber beim vorbeigehen konnte ich es doch nicht lassen und schaute das italienische Schuhgeschäft

an. Neues aus Roma, stand darunter; Sommerschuhe, wo man hinsah. Offene, geschlossene Schuhe, Stiefel, Stiefeletten, mit oder ohne Absätze, machten keinen Eindruck mehr auf mich.

Die Gedanken verfolgten mich auch daheim. Was war mit mir los? Mechanisch liess ich die

Wohnungstür einen Spalt offen, wollte horchen und lauschen nach draussen. Weil ich angespannt war und hin und wieder an der Tür horchte und wartete, kam ich nur langsam mit Haushalt und

Kochen voran.

Endlich gegen siebzehn Uhr vernahm ich von unten einen leisen Klick. Es musste John Derby sein.

Mrs. Martin, seine Nachbarin, bewegte sich eher geräuschvoller, weil sie kein gutes Gehör hatte.

Aber dieses geheimnisvolle Gesicht, ich hätte schwören können, dass er es war; dann wiederum,

war er nicht heute Morgen mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren? Nun konnte er unmöglich dieser

Schatten sein.

Als Dan heimkam, war ich mit der Hausarbeit immer noch im Rückstand, meine Gedanken gerieten durcheinander. Für einen Moment dachte ich, meine Fantasie gehe mit mir durch; Früchte meiner

Illusionen spielten wieder Streiche mit mir, so verzweifelt war ich.

„Du bist so abwesend, Liebes“, fragte mich Dan interessiert.

Auf mein Schweigen sagte er. „Ich dachte, du hättest dir etwas Hübsches beim Shoppen gekauft.“

„Ja, ein Kleid“, sagte ich gedankenlos.

„Und, macht es dir keine Freude?“

„Doch schon.“

„Aber?“ Er verlangte präzisere Antworten von mir, doch ich setzte mich immer noch damit

auseinander, warum John, ein so netter, junger Mann, mir nachstellte.

Dan war nicht nur ein leidenschaftlicher Liebhaber, sondern auch ein sehr guter, verständnisvoller Partner.

Er nahm mich in seine Arme und sah mir liebevoll in die Augen. „Wir müssen Geduld haben,

Liebes, ein Kind wird nicht von einer Zauberhand geboren.

15-DAS VERSPRECHEN

Auch wir werden eines Tages eines besitzen. Du wirst es sehen, das musst du dir bewusst sein.“

Dan deutete meinen Missmut mit einer Kinderlosigkeit und tröstete mich zärtlich in seinen Armen.

Auch in dieser Nacht; obwohl Dan ein sehr guter Liebhaber war;

„Du bist noch immer so abwesend und verkrampft“, warf er mir sanft vor.

„Wir Menschen sind eben nicht immer in gleicher Stimmung, es gibt halt so Tage.“

„Du warst doch sonst immer im Liebesspiel so liebevoll.“

„Vielleicht ist heute nicht mein Tag.“

Er streichelte sanft und verständnisvoll meine Haare. „Geduld, mein Liebling, Geduld“, sprach er

mir sanft zu.

Ich fand in dieser Nacht keine Ruhe, suchte nach Spuren und plausiblen Erklärungen, die immer

noch Rätsel aufgaben, warf mich unruhig im Bett hin und her, während ich Dans gleichmässige

Atemzüge hörte und horchte nach einer Bewegung oder ein Zeichen von unten.

16-DAS VERSPRECHEN

Das Versprechen

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