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Die Schichten in der Gesellschaft, von meiner Sicht

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Im Laufe der Jahre habe ich die Erkenntnis erlangt, dass die Gesellschaft hier geteilt ist. Es gibt Menschen, die der erwünschten Normalität irgendwie noch nicht gewachsen sind. Eine Personengruppe verhält sich oft abwertend und distanziert anderen Gruppen gegenüber. Zu denen gehört nicht nur die Gruppe der Ausländer. Sie sollen sich so verhalten, dass man erkennt, dass sie zu den normalen Menschen gehören. Also nicht in der Öffentlichkeit Bier trinken. Ausländer sollen bitte Theaterbesuche vermeiden, das passt nicht ins Bild. Die Gesellschaft hat Vorurteile und die sollen auch bestätigt werden, sonst kippen die Erwartungen an die Verhaltensmuster einiger Menschen. Die Schubladendenker fühlen sich ansonsten diskriminiert. Alles was Karl May mal berichtet hat, stimmt irgendwie nicht mehr. Wenn ich mit meinem Auto vor dem Supermarkt parke, schauen mich die Leute entsetzt an und denken bestimmt: Wo hat er den Wagen her? Sie leben alle auf unsere Kosten, von unseren Steuergeldern. Wirtschaftsflüchtlinge oder gar Mafiastrukturen. Es ist einfach nicht mehr schön in diesem Land. Es gibt zu viele Ausländer. So stelle ich mir oft die Sprechblasen vor, die in den Köpfen bei den Einheimischen entstehen. Sie haben keine Ahnung, wie viel Geld ich jetzt schon für die Steuer bezahlt habe. Es sind aber natürlich nicht alle so harmlos. Es gibt Schlimmere. Sie spucken dir vor die Füße, beschimpfen dich laut, oft kommt es sogar zu Übergriffen. Wenn man hier in dem Land leben will, muss man das auch in Kauf nehmen. Solch ein Satz gehört stereotypisch zu den Schuldzuweisungsmechanismen. Nicht mein Problem. Wegschauen. Aus diesem Grund ist eine unterlassene Hilfeleistung auch strafbar. Ich muss also helfen, auch wenn der betroffene Ausländer ist. Nicht aus Solidarität, sondern als Folge aus dem Gesetz.

Solche Regelungen gibt es in der kollektiven Gesellschaft nicht. Wenn man dem anderen nicht hilft, wird man von der Gemeinschaft in der Regel ausgeschlossen. Ich habe dies aber bisher nie erlebt. Man hilft in der Regel immer, auch Fremden.

Zu den gehassten Personengruppen gehören aber auch, nach der Zeit der SPD-Regierung, die Harz-IV-Empfänger. Dieses Wort wurde neu kreiert, als ich bereits in Deutschland war. Ich kann also behaupten, die Entwicklung des Wortes beobachtet und mitbegleitet zu haben. Es sind eigentlich ganz nette Menschen, die einfach nur Pech im Leben hatten. Jeder kann ganz schnell arbeitslos werden. Deswegen steht die Gesellschaft permanent unter Druck, den Job zu erhalten. Man lebt nicht nach Zielen, die man erreichen will, sondern man ist hier viel eher auf der Flucht vor dem Abgrund. Sobald einer stehen bleibt, fällt er ins tiefe Loch der Arbeitslosigkeit. Andere denken: Wenn ich stehen bleibe, erreiche ich meine Ziele nicht. Diese Einstellung schützt vor Depressionen oder auch vor einer Krankheit, von der ich bisher nur hier in Deutschland gehört habe: Burn-out.

Es existiert auch ein Abgrenzungswort, womit die Deutschen sich gegenseitig bezeichnen, wenn sie das Verhalten anderer Menschen nicht nachvollziehen können: Assis. Dieses menschenverachtende Wort ist vergleichbar mit dem in der Nazizeit geprägten Begriff der Gesellschaftsschädlinge. Deshalb muss man sich erst einmal mit dem Begriff und seiner Geschichte auseinandersetzen, bevor man zum Beispiel den Ausdruck Assi-TV benutzt.

Für diese Gruppe von Menschen gibt es in der Gesellschaft bestimmte Discounter, Supermärkte oder auch Kleidungsläden. Ich habe von anderen oft den Satz gehört: „Ich kaufe nicht beim Discounter ein, da stinken mit die Assis zu sehr, beim besten Willen nicht.“ Wenn ich dann als Ausländer in die Supermärkte gehe, muss ich mich erst einmal entscheiden. Habe ich den ganzen Tag im Garten gearbeitet und bin dreckig oder habe ich gerade Ferien und bin deshalb unrasiert und trage kein gutes Outfit. Dann gehe ich zu den Discountern. Ein ungepflegter Ausländer im Supermarkt ist ein Assi, ein ungepflegter blonder Deutsche ist ein Hippie. Wenn ich aber ruhige Musik hören möchte und in Ruhe guten Wein kaufen will, gehe ich zu anderen Supermärkten, die auch super teuer sind. Das ist doch krank, oder? Ich persönlich gehe gern zu Aldi und stöbere durch die Angebote dort.

Heutzutage sind die Menschen, vor allem aber die jüngere Generation, mehr i-sozial als alles andere. Sie haben i-pod, i-watch und viele andere i-…. Sie zählen nicht mehr zu den Festnetztelefonierern. Facebook und Co. stehen auf der Tagesordnung. Dies sind die besten Kanäle, die zu einer Verbindung zur modernen Gesellschaft führen, im Sinne der Globalisierung. Alle sind smart und auch i-sozial.

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