Читать книгу Ich träume auf Deutsch - Shahir Nashed - Страница 7
Bin hier gelandet, im Osten
ОглавлениеIm Moment wohne ich in einer sehr kleinen Stadt im Osten Deutschlands. Hin und wieder erzählt man mir von den DDR-Zeiten. Dies kann ich jedoch nicht so gut einordnen, da die meisten Deutschen, die ich bislang nur als Touristen in meinem Heimatland kennengelernt habe, diese Zeit nicht sehr häufig erwähnten. Die deutsche Geschichte ist auch kein typisches Thema, worüber man während des Urlaubs redet. Somit stand ich meiner ersten Herausforderung auch schon gegenüber: Was ist der Unterschied zwischen den Bürgern im Osten und den Bürgern im Westen? Was sind das für Typen? Was muss man eigentlich wissen, wenn man im Osten lebt? Würde ich noch im Westen leben, wäre das kein Problem, da ich bei den Wessis gelernt habe, nicht sehr viel über die Ossis zu reden. Streng genommen nehmen sie den Osten gar nicht so richtig wahr. Das ist zumindest mein Eindruck.
Als ich mit meiner Frau im Westen Deutschlands Urlaub machte, wurde unser gemeinsames Kind krank. Wir mussten folglich zum Arzt. Nach dem Arztbesuch regte meine Frau sich mächtig auf, da der Arzt sie nicht angesprochen hatte. Sie sagte, er habe sie nicht einmal angesehen. Ich hatte dies nicht so wahrgenommen. Ich konnte mir vorstellen, dass der Arzt wohl dachte, da der ausländische Mann das Machtwort in der Familie innehat, rede ich mit ihm. Aus der Sicht meiner Frau lag die Ursache darin, dass sie einen Ostdialekt hat. Jeder sieht das anders.
„Ach du grüne Neune“, war ein Ausdruck, den ich neulich gehört habe. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, welche neune man eigentlich meint. Es gab auch ein Kabarett unter dem Motto „Jammer-Ossi und Besser-Wessi“. Ich hatte genug Probleme in meinem Heimatland wegen ethnischer und religiöser Zugehörigkeit, jetzt muss ich mich mit einem Problem befassen, welches eigentlich nicht so direkt mit mir zu tun hat. Aber wer sich integrieren will, muss sich informieren!
So habe ich auch mal das Wort Selters für Wasser benutzt, weil man das Wort hier stets gebraucht und laut der Erklärung für Integration, soll ich ja das aufnehmen, was die Leute hier sagen und machen. In einem Westladen, als ich nach Wasser für meinen Sohn mit der Bezeichnung Selters fragte, schaute man mich nur sehr verwundert an! In dem Moment wurde mir klar, manchmal ist es im Westen besser lieber „Kanakendeutsch“ als „Ostdeutsch“ zu sprechen. Mit denen kennen sie sich besser aus und die Vorurteile halten sich im Rahmen. Die Ausländer können ja nicht behaupten, sie wären immer ein Teil Deutschlands gewesen. Die Ossis schon! Als ich das Wort Kanake zum ersten Mal hörte, fühlte ich mich nicht angesprochen. Ich suchte nach der Herkunft des Wortes und fand heraus, dass das Wort eine Bezeichnung für einen Ureinwohner Neukaledoniens sei. Aus dieser Erfahrung nahm ich mit, dass es doch nicht so gut ist, alles einfach so aufzunehmen, ohne es zu hinterfragen. Ich muss die Begriffe selektiv aufnehmen, denn ich muss aufpassen, wo und wie ich welches Wort benutze. Von daher stellt sich die Frage, von wem soll ich was aufnehmen?