Читать книгу Boat People - Sharon Bala - Страница 13

VERHANDLUNGEN April 2002

Оглавление

Los!, rief Chithra. Sie sprangen von ihren Sitzen und rannten den staubigen Weg entlang. Als Mahindan einem Hund ausweichen musste, überholte Chithra ihn mit ihren bimmelnden Fesselglöckchen.

Der Aprilhimmel leuchtete tiefblau, die Reisfelder waren saftig grün. In weiter Ferne trotteten Elefanten daher.

Mahindan holte sie am Staubecken ein. Eine Herde Wasserbüffel kühlte sich am flachen Rand ab, die Kolosse warfen sich ins Schilfdickicht und spritzten wild um sich.

Aiyo!, rief sie und prustete und lachte. Hättest beinah jemandes Ammachi über den Haufen gelaufen!

Poodi visari, scherzte er zurück. Nichts als Ärger.

Mahindan liebte ihr gemächliches Samstagsritual. Morgentee mit Milch in einem schattigen Eckchen. Idli, wenn die Mischung von Reis und Linsen über Nacht ausgegoren war. Dann der wöchentliche Gang auf den Markt. Später zu seinen Eltern, wo es ein großes Mittagsmahl für die ganze Familie gab, wo die Frauen kochten und die Männer über Politik sprachen und Zoten rissen. Mit gefüllten Mägen ging es zurück nach Hause, um dort den heißesten Teil des Tages zu verschlafen. Sein Leben lang würde Mahindan diese schläfrigen Nachmittage, das Surren des Deckenventilators, das gedämpfte Licht durch das Moskitonetz, als Bilder von Glück, von erfüllter Zufriedenheit im Gedächtnis tragen.

Sie überquerten den Spielplatz hinter dem hinduistischen Mädchen-College, wo zwei Frauen ein Transparent mit der Aufschrift Willkommen Zurück aufhingen. In der Nähe des Eingangs zog ein Mann ein erschreckendes rotes Schild mit Totenkopf und zwei darunter gekreuzten Knochen aus der Erde. Es war vier Jahre her, dass die Tamil Tigers die Garnison der sri-lankischen Armee aus Kilinochchi vertrieben hatten, aber ihre Abschiedsgeschenke – Landminen und Minenfallen – wurden immer noch gefunden und beseitigt.

Mahindan und Chithra parkten ihre Fahrräder in einer Seitenstraße und gingen zu Fuß auf den Markt. Fahrradrikschas warteten auf Fahrgäste, geparkte Motorräder auf ihre Besitzer. Menschen liefen geschäftig mit ihren Einkaufssachen und Kindern vorbei, alle grüßten freundlich und winkten in entspannter Wochenendheiterkeit einander zu.

How machan?

Komm doch heute Abend zu uns. Die Jungs spielen wieder Cricket.

Meenakshi! Wie oft muss ich dir sagen, dass du nicht auf das Ding klettern sollst!

Die Betreiberin des Internet-Cafés stand angelehnt an die Hintertür ihres Ladens. Sie war uralt, ihr Gesicht übersät mit Pockennarben und zerfurcht von zu viel Betelgenuss. Die in ein Betelblatt gewickelte Arecanuss, an der sie mit energischem Unterkiefer kaute, wölbte ihre rechte Wange. Als sie den Mund aufmachte, konnte Mahindan ihre geröteten Zähne und die Lücken dazwischen sehen.

Wie läuft’s mit dem Internet?, sagte er.

Sie drückte einen Finger in Chithras Bauch. Noch keine Babas? Dann mit anzüglichem Grinsen zu Mahindan: Zwei Jahre verheiratet. Weißt du eigentlich, was man da machen muss?

Je älter die Jungfer, desto länger die Nase, zischte Chithra, als die Alte sie nicht mehr hören konnte.

In ihrem Freundeskreis waren Mahindan und Chithra die Ersten gewesen, die geheiratet und einen Hausstand gegründet hatten. Ein Kind wollten sie vorerst noch nicht haben, die politische Lage war zu unsicher. Aber seit den Feuerpausen im Dezember und jetzt dem endgültigen Waffenstillstand im Februar wurde dieses Thema wieder aktuell.

Die Frauen wollten ihre Babys zur gleichen Zeit haben, und er konnte sich nichts Besseres vorstellen, als die Kinder in einem Schwarm von Cousins und Kusinen aufwachsen zu sehen, wo jede Tante auch eine Mutter und jeder Onkel auch ein Vater war. ­Chithra wollte mindestens vier Kinder haben, drei Jungen und ein Mädchen. Man muss schon eine gute Anzahl haben, sagte sie. Um jeden Verstorbenen zu ersetzen.

Der Markt war ein heruntergekommenes Gelände. Die Läden und Verkaufsstände waren dicht zusammengedrängt, die Käufer mussten schreien, um gehört zu werden, die Verkäufer taten ihr Bestes, sie alle zufriedenzustellen. Kinder und Hunde krochen ihnen zwischen den Beinen herum. Über dem ganzen Trubel dröhnte das rhythmische Klack-Klack der Hackmesser, mit denen die Männer Kothu zubereiteten. Um die Hüften hatten sie ihre Sarongs gebunden und stellten ihre Bäuche zur Schau. So standen sie da und zerschnitten Roti über heißen Platten, Rauchwolken vermischten sich mit Schweiß und Fliegen, mit den Gerüchen von gebratenem Gemüse und Chili-Pfeffer.

Mahindan konnte sich gut daran erinnern, wie der Markt während der Militärbesatzung ausgesehen hatte. Noch unverheiratet, hatte er bei seinen Eltern gewohnt und seine Mutter auf den Markt begleitet, vorgeblich um ihr die Taschen zu tragen. Die meisten Stände waren in diesen Tagen leer gewesen. Die wenigen Einwohner, die nicht geflohen waren, eilten mit gesenktem Blick ein und aus, möglichst schnell an den bewaffneten Patrouillen vorbei. Jedes Mal, wenn Mahindan und seine Mutter einem dieser Soldaten näher kamen, krallte sie sich ein wenig fester in seinen Arm.

Jetzt aber platzte der Markt förmlich aus den Nähten, und das Geschäftsgewimmel schwappte in die Seitenstraßen über. Hühner in engen Käfigen erwarteten ihr Schicksal. Girlanden hingen von den Dachbalken der Läden herab. Chithra ging schnurstracks auf einen Fischstand zu und Mahindan blieb hinter einem Lieferjungen stecken, der sein Fahrrad mit einem Büschel aus hunderten von reifen Bananen beladen hatte und es mühsam durch die Menschenmasse schob.

Chithra sah sich die Makrelen an, prüfte mit zwei Fingern ihre Festigkeit. Die Fische lagen wie ein glänzendes Band aus schillernden Schuppen und schwarz glänzenden Augen aufgereiht auf einem stabilen Holztisch. Anchovis und Sardinen wurden in Plastikeimern feilgeboten.

Der Fischer trug einen Sarong, seine wohlbeleibte Frau einen blauen Polyester-Sari. Sie nahmen die Fische in ihre bloßen Hände, hielten ihren Kunden zur Begutachtung eine gelbe Flosse oder ein riesiges Auge unter die Nase. Die Frau hatte sich einen Behälter mit Garnelen wie ein Wickelkind um den Bauch gebunden. Mit der freien Hand zählte sie dem Kunden das Wechselgeld ab.

Jetzt bin ich dran, sagte Chithra und schubste einen Mann zurück, der sich vordrängeln wollte.

Der Mann gab Mahindan einen vorwurfsvollen Blick. Der verbiss sich das Grinsen und zuckte nur mit den Achseln, was so viel heißen sollte wie: Was kann ich da schon machen?

Der Fischer legte Chithras Makrele auf die Waage. Dreihundert Rupien.

Nein?!, rief sie halb fragend laut aus. So viel?

Aber sehen Sie doch, wie frisch die ist. Der Fischer steckte einen Daumen in die rosa Kiemen und wies mit der anderen, halb geballten Hand beschwörend gen Himmel: Dieser Bursche ist vor ein paar Stunden noch lustig herumgeschwommen.

Chithra hob den Kopf und stemmte eine Hand in die Hüfte. Ah, aber das ist ja ein Winzling von einem Fisch, sagte sie. Wie wär’s mit zweihundert?

Packpapier kam auf den Tisch. Der Fisch wurde eingewickelt.

Zweihundert, sagte der Fischer. Wie kann ich denn für so wenig verkaufen?

Ich bin eine arme Frau, ich muss mein Geld zusammenhalten, sagte Chithra.

Alle müssen ihr Geld zusammenhalten, sagte er. Zweihundertfünfzig.

Sie gab ihm das Geld, ehe er es sich noch anders überlegen konnte, und der Fischer schüttelte grinsend den Kopf. Ihr Frauchen ist ganz schön clever, versicherte er Mahindan.

Als sie zum Gemüsestand kamen, sagte Chithra, dass sie Kool machen wollte, eine Fischsuppe. Sie kauften grüne Bohnen, Spinat, Maniok, Karotten, Kürbis und eine weiße Aubergine. Die Paprikaschoten gefielen ihr nicht.

Die sind nicht frisch genug, erklärte sie der Frau.

Zwei für den Preis von einer, gab die Frau zurück. Haben Sie meine Eier gesehen?

Mahindan wollte sie gerade daran erinnern, dass sie keine Eier mehr hatten, aber Chithra warf schnell ein: Wir brauchen keine Eier.

Nur zwanzig Rupien, sagte die Frau.

Beladen mit ihren Einkäufen gingen sie weiter. Chithra musste über die Eier lachen.

Wie schön, alles billiger zu bekommen, frotzelte er.

Wieso billiger? Die Aubergine war viel zu teuer.

Alle betrieben das gleiche Spielchen. Sie warfen den Preis wie einen Ball hin und her, haderten über angebliche Makel, nur, um Druck auszuüben.

Wie können Sie so viel verlangen?

Können Sie nicht ein bisschen runter gehen?

Weiter runter geht’s nicht, Sir. Absolut nicht.

Sie schlenderten durch die Süßwarengeschäfte, wo es nach Rosenwasser und zuckersüßem Sirup duftete. An den Fleischerläden gingen sie vorbei. Der Mann, der kleine Statuen und Öllampen verkaufte, war gut im Geschäft. Alle heiraten, sagte Chithra.

Im Trockenwarenladen schaufelte Mahindan roten Reis aus einem zwei Fuß hohen Fass. Chithra wog Palmyra-Wurzelmehl ab. Am Ladentisch bekamen sie Cashewnüsse und Rosinen.

Können Sie da nicht was machen?, fragte Chithra, und eine extra Handvoll wurde ihr stillschweigend dazugegeben.

Mahindan fand diese Verhandlungen immer etwas peinlich. Wenn Chithra richtig loslegte – bei einer größeren Summe war sie ganz in ihrem Element –, ging er nach draußen und drehte ein paar Runden. Chithra ihrerseits konnte seine Empfindlichkeit nicht verstehen.

Als sie noch nicht lange verheiratet waren und Mahindan einmal allein auf den Markt gehen musste, weil Chithra krank und mit Bauchschmerzen darniederlag, war sie entsetzt, als er zurückkam. Achtzig Rupien für ein Kilo Reis! Dreihundert für ein Kilo Orangen? Wie viel dann für die Eier? Sie fasste sich an die Stirn und jammerte: Aiyo! Die werden dich dein Leben lang über den Tisch ziehen. Diese Gauner lachen sich ins Fäustchen, wenn sie dich sehen: Hier kommt der Dumme, der gestern aus dem Ei gekrochen ist.

Wie wäre es wohl, wenn es feste Preise gäbe? Das wollte ­Mahindan in seiner Autowerkstatt ausprobieren. Als er das Geschäft von seinem Vater übernommen hatte, stellte er unverzüglich eine Preisliste mit der Erklärung auf, dass diese Preise unverhandelbar seien. Sein Vater hielt das für hellen Wahnsinn, aber schon nach einem Jahr hatten seine Kunden sich an seine Festpreise gewöhnt.

Ihr letzter Stopp war bei dem Töpferladen, der sich hinter dem Markt befand.

Wie findest du diesen hier? Chithra hielt ihm einen Wasserkrug mit dickem Bauch und langer dünner Tülle hin: orangefarbene Terrakotta mit rotem geometrischem Muster. Sie könnten ihn zu Hause gründlich mit kochendem Wasser ausspülen, drei Mal, und dann für ihr Trinkwasser benutzen.

Wie du willst, sagte Mahindan.

Chithra war durchaus wählerisch bei der Anschaffung kleinerer Haushaltsgegenstände. Was sie an Hausrat besaß, sollte zusammenpassen, aber nicht gleichförmig sein. Noch schwebte sie in dem jungen Glück, Herrin ihres Hauses zu sein.

Sie standen hinter einer jungen Frau, die einen ähnlichen Krug kaufte. Der Ladeninhaber nannte einen Preis und sie bezahlte ihn anstandslos. Er wickelte den Krug in Zeitungspapier, und sie machte ihm dafür ein Kompliment. Sie sprach mit einem unbestimmbaren Akzent. Sie trug kurze Jeans und ein rotes T-Shirt. Ihr Haar war glatt zurückgekämmt und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Australien, schätzte Mahindan. Obwohl er wusste, dass Leute aus England und Amerika zurückgekehrt waren. Auch aus Kanada.

Das ganze Land hatte so lange den Atem angehalten, und jetzt endlich, seit dem von Norwegen vermittelten Waffenstillstand, schien es, als ob sie alle wieder ausgeatmet hätten. Bauern gingen auf ihre Reisfelder zurück, Familien nahmen die Vorhängeschlösser von ihren verlassenen Häusern ab. Menschen, die vor Jahrzehnten ausgewandert waren, schickten ihre erwachsenen Kinder zurück und überfluteten den tamilischen Norden mit westlichem Geld.

An der Hauptverkehrsstraße entstand ein neues Stadtzentrum. Das Krankenhaus war neu gebaut worden, Postamt und Busbahnhof waren voll betriebsfähig. Wiederaufbau und Instandsetzungen – all die Bauarbeiten, die begonnen hatten, als die Tigers vor vier Jahren die Armee vertrieben, wurden jetzt mit neuem Optimismus wieder in Angriff genommen.

Sehr beliebt heutzutage, sagte der Ladeninhaber, als er sie bediente. Er wickelte den Krug in Zeitungspapier und sagte: Dreihundert Rupien.

Hundertfünfzig, sagte Chithra mit fester Stimme. Ich bin keine von diesen Ausländerinnen.

Kaum hatten sie den Laden verlassen, rief sie jemand von irgendwoher.

Braut und Bräutigam!, sagte Chithra.

In einer Wolke von Eau de Cologne rauschte Ruksala heran, ihr zur Seite der getreue Rama. Die jungen Frauen beschnupperten sich flüchtig an den Wangen, erst rechts, dann links.

How machan?, begrüßte Mahindan seinen Cousin mit einem kräftigen Schlag auf den Rücken. Alles fertig für Freitag?

Rama nickte lebhaft. Ja, ja, alles fertig. Wir kommen gerade von Kumurans Laden. Du weißt doch, dass er den von seinem Vater übernommen hat?

Ich habe davon gehört, sagte Mahindan.

Girlanden, Essen, alles bestellt und vorbereitet?, fragte Chithra. Die Musiker?

Ruksala hakte sich bei Chithra ein, und zu viert gingen sie weiter, die Frauen voran, die Männer hinterher. Jetzt gibt es nichts mehr zu tun, außer zu entspannen, sagte Ruksala.

Und was ist mit der Öllampe, habt ihr euch entschieden?, fragte Chithra.

So, sagte Mahindan und schlang den Arm um die Schultern seines Cousins. Deine letzte Woche als Junggeselle.

Die letzte Woche, bestätigte Rama, der beim Gehen die Füße leicht nach außen kehrte. Rama gehörte zu den jungen Männern, die von der Ehe nur profitieren konnten. Von dem Ansehen, das er gewann, wenn er seine Frau vorstellte. Bei diesem Gedanken fragte Mahindan sich, ob andere seine eigene Ehe nicht auch so sahen.

Mahindan und Chithra packten ihre Einkäufe in die Fahrradkörbe und schoben die Räder neben sich her. Sie ließen das Gedränge im Stadtzentrum hinter sich und überquerten ein offenes Stück Land hinter dem Amman Kovil. Das war ein im dravidischen Stil erbauter Tempel mit einem pyramidenähnlichen Turm und einer von feinen Gravuren und Skulpturenreliefs bedeckten Fassade. Wie ein großer Teil von Kilinochchi, war auch der Tempel verdeckt durch ein Baugerüst aus Bambusholz. An Werktagen arbeiteten dort die Maler schwer daran, den Skulpturen ihren Glanz zurückzugeben.

Hast du gehört, dass Shangam wieder zurück ist?, sagte Rama.

Ach ja? Die Tigers haben ihn nach Hause geschickt?, sagte Mahindan.

Er kommt heute Abend an den See.

Samstagabends versammelte sich das junge Volk zum Sonnenuntergang am See. Flaschen mit hausgemachtem Palmwein gingen von Hand zu Hand. Chelva spielte Gitarre, und sie sangen alte Beatles-Songs. Oder Jeyanthi brachte ihren CD-Spieler mit und legte Tamil-Rap auf. Angefeuert vom Alkohol, tanzten sie wie wild, bis einer von ihnen, mit Sicherheit Rama, stolperte und ins Wasser fiel und die Mädchen in simuliertem Entsetzen aufkreischten.

Wir müssen für Shangam ein nettes Mädchen finden, sagte Ruksala. Jetzt, wo wieder Frieden ist.

Wer weiß, wie lange, sagte Chithra.

Die Sonne schien durch die Bäume und zeichnete diagonale Schatten auf die Erde. Affen baumelten an ihren Schwänzen und hielten gestohlene Früchte in den Pfoten. Ein Hund schnüffelte sich durch einen Abfallberg.

Ein Mann und eine Frau donnerten auf einem Motorrad vorbei, beide mit Schutzhelm, und Chithra zischte verächtlich durch die Zähne. Sie meinte, dass es Wahnsinn sei, wenn einmal Ausgewanderte in ihre unsichere Heimat zurückkehrten.

Warum sollen wir unsere besten Leute an andere Länder verlieren?, sagte Ruksala.

Chithra denkt nur an die steigenden Preise auf dem Markt, frotzelte Mahindan, der dem Gespräch über Krieg und vorübergehenden Frieden einen Riegel vorschieben wollte.

Aber schon sagte Rama: Die Verhandlungen werden was bringen. Man sieht doch, was die Europäer für Kosovo getan haben.

Mahindan und Chithra sahen sich kurz an. Sie hatten keine Ahnung, was in Kosovo vor sich ging, oder wo genau Kosovo auf der Landkarte zu finden war. Mahindan zog die Augenbrauen hoch, so als wollte er sagen: Was hast du uns denn da wieder aufgetischt.

Abwarten, sagte Rama. Dieser Waffenstillstand ist gerade mal der Anfang.

In den letzten zehn Jahren hatte die LTTE – Liberation Tigers of Tamil Eelam den Norden Tamil Eelam mit der Hauptstadt Kilinochchi beherrscht. Hier sprachen sie alle dieselbe Sprache, verehrten dieselben Götter. Die Tamilen hatten ihre eigene Polizei, ihre eigenen Banken und Geschäfte. Die Tigers hatten eine Oase errichtet, in der die von der Regierung auferlegten Quoten und Sprachgesetze, all die Maßnahmen, mit denen die tamilische Minderheit entrechtet werden sollte, nichts ausrichten konnten. Jetzt mussten die Singhalesen es nur noch offiziell bestätigen: die Insel teilen und den Tamilen ihr eigenes Land geben.

Die Singhalesen werden uns nie in Ruhe lassen, sagte Chithra. Das werden die mit ihren Schutzhelmen und Sonnenbrillen niemals begreifen.

Rama aber setzte auf Kompromiss: Selbstverwaltung und keine Trennung. Tamil Eelam als autonome Provinz innerhalb eines vereinigten Sri Lanka. Er sagte: Wer finanziert denn die Regierung? Norwegen. Der größte Geldgeber.

Und jetzt, wo Norwegen beide Seiten zusammengebracht hat, sagte Ruksala, müssen die Singhalesen und etwas abgeben.

Es war schon immer so: auf der einen Seite Rama und Ruksala mit ihren von globalen Medien und internationalen Pandits geprägten Argumenten, auf der anderen Seite Chithra mit ihrem instinktiven Zynismus. Mahindan versuchte, sich aus diesen Debatten herauszuhalten. Was geschehen würde, würde geschehen. Wozu diese Diskussionen? Damit erreichte man ja doch nichts.

Eine Schlangenbrut, diese Singhalesen, sagte Chithra. Norwegen oder nicht, die finden schon einen Trick, die Verhandlungen platzen zu lassen. Sie sah sich um und fügte leise hinzu: Wenn nicht die, dann Prabhakaran. Unseren Kerlen traue ich auch nicht.

Krieg ist nicht gut fürs Geschäft, sagte Rama. Schlechte Ökonomie. Die Norweger werden eine Lösung finden.

Ruksala war anderer Meinung: Die Singhalesen sind mit ihrem Krieg am Ende, glaube ich. Die haben ja gesehen, dass sie gegen unsere Jungs nicht ankommen. Die sind klug genug, uns nicht weiter zu bekämpfen.

Boat People

Подняться наверх