Читать книгу Dein Licht durchbricht die Dunkelheit - Sharon Garlough Brown - Страница 8
ОглавлениеHeiligabend
Meine liebe Wren,
heute Abend habe ich zugesehen, wie Deine Pastorin Dir ein Stück Brot gereicht und Dir den Abendmahlskelch an die Lippen gehalten hat, damit Du daraus trinkst. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, hat sie gesagt. Du hast das Brot gekaut und den Saft getrunken, dann bist Du wieder erschöpft ins Bett gefallen und eingeschlafen.
Ich weiß, im Moment kannst Du Dich an vieles nicht erinnern. Die Trauer hat eine zu tiefe Kluft gerissen. Und in dieser Situation vertrauen wir den tiefen Geheimnissen und empfangen im Glauben, was wir mit unserem Verstand und unserem eigenen Bemühen nicht fassen können. Wir nehmen Christus an, seinen Tod und sein Leben, und zwar genau dort, wo wir selbst den Tod erleben und … warten. Und wenn wir selbst beim Warten keine Hoffnung mehr haben, dann lassen wir andere für uns hoffen.
Vor ein paar Wochen hast Du mich gefragt, ob ich in meinen Kursen im New Hope-Zentrum auch manchmal meine eigene Geschichte erzähle. Ich habe das verneint; ich tue es nicht, weil ich nicht möchte, dass das, was ich vermittle, mich selbst in den Mittelpunkt stellt. Wenn wir schweres Leid erlebt haben, kann es passieren, dass unser Zeugnis zu einer Ablenkung oder sogar zu einem Stolperstein wird für Menschen, die sich schwertun, ihre eigenen Verluste zu betrauern, besonders dann, wenn sie versucht sind, ihren Schmerz mit dem von anderen zu vergleichen oder dagegen aufzuwiegen, um ihn sich so von der Seele zu halten. Aber im Reich Gottes gibt es keine „Helden im Leiden“. Wenn ich also jetzt ein wenig von meiner eigenen Geschichte erzähle, dann tue ich es mit dem Gebet, dass meine Worte die Aufmerksamkeit nicht auf mich lenken, sondern darauf, wie Jesus mir mitten in meinen Verlusten begegnet ist und mich daran hat wachsen lassen. Und das hoffe ich auch zuversichtlich für Dich – dass der kaum erträgliche Schmerz, den Du erlitten hast und noch jetzt spürst, ein Weg wird, der Dich zu einer innigeren Gemeinschaft mit dem einen führt, der ihn mit Dir zusammen erleidet.
Schon jetzt, am Anfang, ist mir bewusst, dass wir als Erzähler unserer eigenen Geschichte nicht zuverlässig sind. Aber wer sonst könnte sie von innen heraus erzählen? Manches, wovon ich Dir schreibe, weiß ich nur aufgrund der Berichte anderer, die mir nachträglich schilderten, was ich gedacht und gefühlt habe, als ich in meinen tiefsten, verzweifeltesten Tiefen steckte. Ich werde versuchen, Dir das gleiche Geschenk zu machen, die Dinge festzuhalten, die Du gerade jetzt nicht selbst festhalten kannst, an die Du Dich aber später vielleicht erinnern möchtest. Und wenn ich Einzelheiten notiere, die Du lieber vergessen würdest, dann vergib mir bitte.
Heute Abend werde ich die Christuskerze anzünden und mir – für uns beide – aufs Neue die Wahrheit vor Augen führen, die mir in solchen Zeiten ein Trost ist: dass das Wort Mensch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, wenn auch nur wie in einem dunklen Spiegel. Jesus schenkt uns Heil und macht uns heil, indem er seinen verwundeten, zerbrochenen Leib hingibt – seinen Leib, der für uns zerschlagen wurde –, auch wenn das überhaupt nicht nach Heil und Ganzheit aussieht. Wir nehmen diese Wahrheit an – im Glauben. Heute Abend werde ich mir auch – wieder für uns beide – aufs Neue die Wahrheit einprägen, die in Zeiten wie diesen schwer anzunehmen ist und der wir nur so schwer vertrauen: dass das Licht in der Finsternis scheint und dass die Finsternis es nicht überwinden wird.
Liebes, heute Nacht wache ich mit Dir.
Herzlich
Kit