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ANMERKUNG DES FRANZÖSISCHEN ÜBERSETZERS
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Der Name des Sheikh ist der Nachwelt nur als der des Verfassers des Parfümierten Gartens bekannt geworden; es ist das einzige Buch, das ihm zugeschrieben wird.
Obgleich sich in diesem Buche viele Irrtümer und Fehler finden, die größtenteils zu Lasten der Nachlässigkeit und Unwissenheit der Abschreiber gehen, und obgleich auch der Gegenstand des Buches nicht nach jedermanns Geschmack sein wird, ist es doch offensichtlich, daß diese Abhandlung aus der Feder eines Mannes von großer Gelehrsamkeit stammt, der ein umfassenderes Wissen von Dichtung und Medizin besaß, als man es bei den Arabern anzutreffen gewohnt ist.
Da die Araber gewöhnlich den Namen ihres Geburtsortes dem ihrigen hinzufügen, dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß der Sheikh aus der im Süden des tunesischen Königreiches am See Sebkha Melrir gelegenen Stadt Nefzaoua2 des gleichnamigen Distriktes stammte.
Der Sheikh selbst berichtet, daß er in Tunis gelebt hat, und vermutlich wurde das Buch auch dort geschrieben. Der Überlieferung nach hatte er sich aus einem besonderen Anlaß zu dem Werk verpflichtet, das im Widerspruch zu seinem einfachen Geschmack und seinen abgelegten Gewohnheiten stand: Dem Bey von Tunis sei hinterbracht worden, daß er im Rechtswesen, im Schrifttum und der Heilkunde sehr bewandert sei, und der Herrscher habe ihm deshalb das Amt des Kadi angeboten. Nefzawi wollte sein zurückgezogenes Leben nicht aufgeben, um ein öffentliches Amt zu bekleiden, jedoch habe er den Bey durch eine offene Weigerung nicht beleidigen wollen, um so weniger, da eine solche ihm selbst hätte gefährlich werden können; er habe daher lediglich um einen kurzen Aufschub gebeten, um ein Buch vollenden zu können, an dem er gerade schrieb.
Diese Bitte sei ihm gewährt worden, und nun habe er das Buch niedergeschrieben, dessen Abfassung er schon seit längerer Zeit geplant hatte. Das Erscheinen des Werkes habe jedoch den Verfasser in einer Weise bekanntgemacht, daß es fortan völlig unmöglich gewesen sei, ihn als Kadi wirken zu lassen.3
Diese Überlieferung, für die sich in den Geschichtswerken jener Zeit keinerlei Bestätigung findet und die den Sheikh Nefzawi als einen Mann von geringer Charakterfestigkeit erscheinen läßt, ist wenig glaubhaft. Man muß nur einen flüchtigen Blick in das Buch werfen, um die Überzeugung zu gewinnen, daß der Verfasser von den löblichsten Absichten beseelt war und daß er für sein Werk nicht nur keinen Tadel verdient, sondern im Gegenteil mit der Abfassung desselben der Menschheit einen dankenswerten Dienst erwiesen hat. Merkwürdigerweise findet sich in der Literatur der Araber kein einziger Kommentar zu diesem Buch; der Grund dafür ist vielleicht darin zu suchen, daß der Gegenstand, den es behandelt, seriöse und gelehrte Männer unnötigerweise abgeschreckt hat – ich sage unnötigerweise, weil dieses Buch, mehr als jedes andere, nach Kommentaren verlangt; schwerwiegende Fragen werden darin behandelt, und es öffnet ein weites Feld für Untersuchungen und Meditationen.
Was könnte wichtiger sein als das Studium der Prinzipien, die das Glück von Männern und Frauen – wegen ihrer wechselseitigen Beziehungen – begründen? Beziehungen, die ihrerseits wieder vom Charakter, der Gesundheit, dem Temperament und der Konstitution abhängen, die zu studieren recht eigentlich die Aufgabe der Philosophen ist.4 Ich habe mich bemüht, diese Unterlassung einigermaßen gut zu machen, indem ich eine Anzahl von Anmerkungen eingefügt habe, die zwar – das weiß ich sehr wohl – unvollständig sind, trotzdem aber eine gewisse Orientierung bieten.
Bei zweifelhaften und schwierigen Stellen, und wo die Meinung des Verfassers nicht klar ausgedrückt zu sein schien, habe ich mich bei den Gelehrten der verschiedensten Glaubensbekenntnisse nach Aufklärung umgesehen, und mit ihrem freundlichen Beistand wurden in der Tat manche von mir im Anfang für unüberwindlich gehaltene Schwierigkeiten überwunden. Es ist mir eine Freude, diesen hilfreichen Geistern hiermit meinen Dank aussprechen zu können.
Von den Schriftstellern, die sich mit ähnlichen Themen befaßt haben, läßt sich kein einziger zur Gänze mit unserem Sheikh vergleichen, denn sein Buch erinnert den Leser gleichzeitig an Aretino, den Verfasser von „Eheliche Liebe“, und an Rabelais; die Ähnlichkeit mit letzterem ist zuweilen so auffallend, daß ich gelegentlich in Versuchung kam, Parallelstellen aus „Gargantua und Pantagruel“ anzuführen.
Was die Abhandlung des Sheikh so einzigartig macht, ist die Ernsthaftigkeit, mit der die laszivsten und obszönsten Themen dargestellt sind. Es ist offensichtlich, daß der Verfasser von der Wichtigkeit seines Themas überzeugt ist, und sein Wunsch, den Mitmenschen nützlich zu sein, ist das einzige Motiv für seine Anstrengungen.
Um seinen Ratschlägen mehr Gewicht zu verleihen, zögert er nicht, Zitate aus religiösen Schriften anzuführen, und ruft in manchen Fällen sogar die Autorität des Koran an, des heiligsten Buches der Muselmanen.
Man kann annehmen – obgleich sein Werk kein Sammelwerk ist –, daß es nicht ausschließlich dem Genie Sheikh Nefzawis entsprungen ist, sondern mehrere Abschnitte vermutlich von arabischen und indischen Schriftstellern entlehnt wurden. So ist etwa der Bericht von Mosailama und Sheja dem Werk des Mohammed Ben Djerir el Taberi entnommen; die Beschreibung der verschiedenen beim Koitus einzunehmenden Stellungen sowie der in jedem einzelnen Fall angemessenen Bewegungen stammt aus indischen Werken; und in dem Kapitel über die Auslegung von Träumen scheint das Buch des Azzedine el Moccadesi „Vögel und Blumen“ zu Rate gezogen worden zu sein. Hieraus ist dem Autor aber keineswegs ein Vorwurf zu machen, sondern sicherlich ist im Gegenteil ein Schriftsteller zu loben, wenn er sich die Erleuchtungen von Gelehrten vergangener Zeiten zunutze macht, und es wäre undankbar, wollte man den Nutzen nicht anerkennen, der dadurch seinen Lesern, die in der Kunst des Liebens noch Anfänger waren, erwuchs.
Es ist nur zu bedauern, daß dieses in vielerlei Hinsicht vollständige Werk eine große Lücke aufweist, indem ein unter den Arabern allgemein verbreiteter Brauch überhaupt nicht zur Sprache kommt. Ich meine die auch von den alten Griechen und Römern bestätigte Vorliebe für Knaben vor Frauen oder sogar dafür, mit letzteren wie mit Knaben zu verkehren.
Hierüber sowie über die gegenseitigen Vergnügungen von Frauen, sogenannten Tribaden, hätte sich wohl manches Lehrreiche sagen lassen. Dasselbe Stillschweigen hat der Autor in Bezug auf die Sodomie [den Verkehr mit Tieren] gewahrt. Nichtsdestotrotz beweisen zwei Geschichten, deren eine von gegenseitigen Liebesbezeigungen zweier Frauen handelt, während in der anderen von einer Frau, die sich der Liebesdienste eines Esels versichert, berichtet wird, daß der Autor über solche Dinge Bescheid wußte. Es ist daher unentschuldbar, daß er auf diese Besonderheiten nicht ausführlicher eingegangen ist.
Gewiß wäre es für uns interessant gewesen, zu erfahren, welche Tiere durch ihre natürliche Veranlagung und körperliche Beschaffenheit am besten geeignet sind, einem Manne oder einer Frau Vergnügen zu bereiten, und welche Folgen solcherlei geschlechtliche Verbindungen haben können.
Und letztlich schweigt der Sheikh sowohl über die Genüsse, die ein Mund oder die Hand einer schönen Frau spenden kann, als auch über den Cunnilingus.5
Was mag das Motiv für diese Auslassungen gewesen sein? Das Stillschweigen des Autors kann nicht seiner Ignoranz zugerechnet werden, denn seine Schilderungen offenbaren einen derartigen Umfang und eine so große Mannigfaltigkeit an Kenntnissen, daß ein Zweifel an seinem Wissen ausgeschlossen ist.
Sollten wir den Grund für diese Lücke vielleicht in der Verachtung, die der Muselmane in Wahrheit für Frauen empfindet, suchen und darin, daß er vielleicht der Meinung ist, es entspreche nicht seiner Manneswürde, sich zu anderen Liebkosungen herabzulassen als jenen, die den Gesetzen der Natur entsprechen? Oder hat der Verfasser die Erwähnung derartiger Themen vielleicht unterlassen, um nicht selbst in den Verdacht zu geraten, solche Vorlieben zu haben, die von anderen als entartet angesehen werden?
Wie dem auch sein mag – das Buch enthält viele nutzbringende Informationen und eine große Menge kurioser Fälle, und ich habe diese Übersetzung angefertigt, weil ich die Überzeugung Sheikh Nefzawis, die er in seiner Einleitung äußert, teile: „Ich schwöre bei Gott, es ist mein Wunsch und meine ernsthafte Absicht, daß das Wissen, welches in diesem Buch versammelt ist, größere Verbreitung finden soll. Nur ein Stumpfsinniger und ein Feind der Erkenntnis würde versuchen, es zu ignorieren oder sich darüber lustig zu machen.“
1Anmerkung in der Autographie-Ausgabe: „Der Leser, wenn er dieses Werk genauer studiert, sollte nicht vergessen, daß die Bemerkungen und Kommentare des Übersetzers vor 1850 geschrieben wurden, als man noch wenig über Algerien und gar nichts über Kabul wusste. Er wird deshalb nicht überrascht sein, daß einige kleine Details nicht dem Stand des Wissens entsprechen, das seit damals erworben wurde.“
2Im Distrikt Nefzaoua befinden sich viele isolierte Dörfer, alle im Flachland, umgeben von Palmbäumen mit großen Wasser-Reservoirs im Zentrum. Die Pilger glauben, das Land heiße Nefzaoua, weil es dort tausend „zouas“ gibt (eine Kapelle, in der ein Marabout begraben ist), und es wird vermutet, daß es ursprünglich El Afoun Zaouia hieß. Doch diese arabische Etymologie scheint nicht korrekt, da, gemäß arabischen Historikern, die Namen der Örtlichkeiten älter sind als der Islamismus. Die Stadt Nefzaoua ist von einer Mauer umgeben, die aus Steinen und Ziegeln errichtet ist; sie besitzt sechs Tore, eine Moschee, Bäder und einen Markt; im Umland gibt es viele Brunnen und Gärten.
3Vielleicht war die unter diesen Umständen entstandene Schrift nicht das vorliegende Buch, sondern nur ein bedeutend kürzerer Vorläufer desselben mit dem Titel „Die Fackel des Universums“.
4„Wir müssen uns nicht fürchten, die Vergnügungen der Sinne mit den höchsten geistigen Vergnügungen zu vergleichen; geben wir uns nicht dem Irrtum hin, zu glauben, daß es natürliche Vergnügungen von zweierlei Art gibt, von denen die eine unedler als die andere sei; die edelsten Vergnügungen sind die großartigsten.“ – (Essai über die moralische Philosophie, von M. de Maupertuis, Berlin 1749.)
5Paediconibus os olere dicis;
Hoc si, sicut ais, Fabulle, verum est,
Quid credis olere cunnilingis?
Die Münder der Päderasten, sagst du, riechen schlecht;
Wenn das wahr wäre, wie du beteuerst, Fabulus,
Was denkst du dann über jene, welche die Vulva lecken?
MARTIALIS, XII. Buch, Epigramm 86.