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Mein Vater war es mit Hilfe seiner wohlmeinenden Kontakte gelungen, nach seinem Rausschmiss bei der Polizei direkt in den Vollzugsdienst hinüberzuwechseln. Dort wo wir wohnten war ein Frauengefängnis. Die Frauenstrafvollzugsanstalt Mersheim. Seitdem ich meinen Vater kannte, arbeitete er im Frauenstrafvollzug.

Obgleich das mein Leben lang schon so gewesen und somit normal war, kam es mir eines Tages seltsam vor. Überall gab es Frauen- und Männertoiletten; im Schwimmbad und in der Schule waren die Umkleideräume nach Geschlechtern getrennt. Meine Mutter war sogar in einem Mädchengymnasium gewesen, ehe mein Vater sie mit meiner ältesten Schwester geschwängert hatte und sie ohne Abschluss von der Schule abgegangen war. Sogar zuhause bekam mein Bruder Extraprügel, wenn er sich nachts bei uns im Mädchenzimmer versteckt hatte.

Wie also kamen männliche Vollzugsbeamte in den Frauenknast?

Nicht etwa, dass ich meinen Vater damals verdächtigt hätte, das irgendwie auszunutzen. Genau genommen lag meine Arglosigkeit aber einzig daran, dass ich nicht darauf gekommen wäre, wie er das hätte nutzen können.

Bei uns Kindern war ihm sein Job immer schon von Nutzen. Gerne führte er mich vor die Mauer, hinter der er täglich verschwand, packte mich im Nacken und hielt mich fest wie ein Stück Vieh. Mir blieb nur, auf die gewalttätig hohe Mauer, gesäumt mit in Schlaufen gelegtem Stacheldraht, zu starren, bis seine Hand nachließ.

„Da schau hin! Schau hin!“

Brandgefährlich war es, die Augen zu schließen. Denn immer bekam er das mit. Dann schüttelte er meinen Kopf in einem irren Tremolo, wie ein frischgebackener Vater, der sein brüllendes Baby tötet.

„Schau hin! Da schau hin!“

Ich sah auf die Gefängnismauer, den Stacheldraht und das trübselige Gebäude dahinter und würdigte, was ich sah, in einer meines Vaters Vorstellungen angemessenen Form: Ich machte mir vor Angst in die Hose.

„Dort hinter Mauern und Stacheldraht“, versprach er mir heiser, „dort werden wir uns wieder sehen! Mach du nur weiter wie bisher! Da drin werd ich dich eines Tages Willkommen heißen! Willkommen, Schätzlein, Herzallerliebst – du wirst sehen! Eines Tages sehen wir uns wieder!“

Erst später, viel später, habe ich darüber nachgedacht, was ein Psychopath wie mein Vater im Frauengefängnis anrichtet. Was er dort treibt.

Hat sich das irgendjemand außer mir je gefragt?

Schocker (Herzallerliebst)

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