Читать книгу Appeasement und Überwachung - Shimona Löwenstein - Страница 7

1.2. Lösung 1: Strafverbot, Versöhnungstraining und Antigewalt-Management

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Wie beim Schulversagen wird auch bei Jugendgewalt die Verantwortung meistens bei den Eltern gesucht. Hier geht die Bevormundung der Eltern noch weiter als bei den Anweisungen, wie sie die Schule unterstützen oder ihre Kinder für die Schule tüchtig machen sollten. Die Erziehung zu Hause – der eigentliche Bereich, der in der Befugnis der Eltern liegt – blieb vom pädagogisch-reformerischen Eifer keineswegs unberührt. Von der Geburt eines Kindes an verschickt man beispielsweise „Elternbriefe“, später „Schülerbriefe“ und andere Empfehlungen an die Eltern, mit denen sie durch pädagogische Ratschläge traktiert werden. Dazu gehören auch Beratungsstellen, Gruppen und Kurse für Eltern, in denen sie „unter fachlicher Anleitung“ lernen sollen, ihre Kinder freundlich und friedlich zu erziehen. [25] Im Sommer 2006 starteten zum Beispiel an 15 Berliner Schulen Pädagogikkurse für Eltern. Der Staat hat seine Erziehungsbefugnis somit in die private Sphäre hinein erweitert. Damit wird das Erziehungsrecht der Eltern allmählich ausgehöhlt und zu bloßer Erziehungspflicht umgedeutet, die sie überdies nach Anweisungen von „Fachleuten“ vollziehen sollen. Laut Bundesministerin Renate Schmidt müssen sich die Eltern umstellen und (neben anderen Pflichten) auch „Medienkompetenz“ erwerben. Sie sollen dafür sorgen, daß Kinder mit Gewaltspielen oder dergleichen nicht in Berührung kommen; sie müssen sich damit beschäftigen, was ihr Kind macht, und müssen ihm deutlich machen, daß Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen sind. [26] Auffällig dabei ist nicht nur das allzu oft wiederholte Wort „müssen“, mit dem quasi Untertanen in ihrer Elternfunktion von der Obrigkeit verordnet wird, was sie in bezug auf ihre Kinder zu tun und zu lassen haben. Das geschieht auch in einem rechthaberischen Ton, der eine nicht weiter hinterfragte Ansicht als indiskutable Wahrheit hinstellt.

Ein ähnliches Muster wird auch beim Problem des exzessiven Alkoholkonsums von Jugendlichen verwendet. Als „schwerwiegende Ursache“ wird von der Leiterin der Suchtprävention in Berlin Kerstin Jüngling die Präsenz von Alkohol sowie fehlende Kommunikation und Verantwortungslosigkeit in der Familie diagnostiziert – unabhängig davon, daß das heute beliebte Koma-Trinken mit dem hierzulande üblichen Alkoholgenuß wenig zu tun hat. Anschließend heißt es, daß die Eltern „Grenzen setzen müssen“. Da sie damit heute aber oft überfordert seien, sollte man sie darin unterstützen, ihre „fehlende Erziehungskompetenz“ wiederherzustellen. Sie müssen lernen, wie man ihren Kindern Grenzen setzt und sie sinnvoll über Themen wie Alkohol aufklärt. [27] Wieder eine verkehrte Argumentation und anmaßende Bevormundung als Quasilösung: Wie sollen Eltern ihren Kindern Grenzen setzen, wenn sie es nach Meinung der heutigen korrekten Pädagogik gar nicht dürfen, zumindest auf die gewöhnliche negative Weise? Den Eltern wird zwar die Schuld dafür gegeben, was ihre Kinder falsch machen, aber die Befugnis dafür entzogen, Gegenmaßnahmen so zu treffen, wie sie es selbst für richtig halten.

Das Problem des Koma-Trinkens wird massiv aufgebauscht, obwohl der tatsächliche Alkoholkonsum von Jugendlichen nachweislich kontinuierlich sinkt. [28] Hinter der Anprangerung der Eltern steckt aber in diesem Fall noch etwas anderes: Alkoholvergiftungen von Jugendlichen, aus deren vermeintlichem Anstieg Rückschlüsse auf „drohende Gefahren“ für die ganze Gesellschaft geschlossen werden, obwohl es sich nur um einige Fälle handelt (beispielsweise der Anstieg von 23 auf 31 Jugendlichen unter 15 Jahren in Berlin), dienen als Vorwand für die Vorbereitung weiterer Eingriffe ins Leben der Menschen. Nach der Antiraucherkampagne wird der Alkoholkonsum als nächstes Objekt einer allgemeinen Reglementierung angepeilt: Alkohol gehöre zu unserer Alltagskultur; die Kinder wollen daher ebenfalls davon probieren, kennen aber ihre Grenzen nicht, lautet zum Beispiel ein politisch korrektes Zeitungskommentar. Das Innehalten der gesamten Gesellschaft sei gefragt. [29] Mit weltfremden Bildern und Aufforderungen auf Straßenplakaten nach dem Schema einer Imagekampagne predigt man dann den jungen Menschen „Kenne deine Grenzen!“, als könnte jemals so etwas irgend jemanden ansprechen. Es gibt aber keine Hinweise dafür, daß sich Jugendliche deshalb betrinken, weil zu Hause Alkohol getrunken wird; ein Vergleich mit dem Drogenkonsum, der nicht zu unserer traditionellen Alltagskultur gehört und dennoch bzw. eher gerade deshalb ein weit größeres Problem darstellt, würde den behaupteten Zusammenhang als unbegründet erkennen lassen. Die ganze Argumentation ist schief und irreführend: Die Gleichsetzung von Komatrinken mit normalem Alkoholgenuß und die Schuldzuweisung der Alltagskultur bzw. den Eltern stellt an sich ein problematisches und den Eltern gegenüber ungerechtes Urteil dar.

Es ist schwierig, Kinder zu erziehen, wenn die Erziehung ständig durch äußere Einflüsse beeinträchtigt wird: Die Kinder stellen überzogene Ansprüche auf Konsum und Vergnügen, die ihnen durch Werbung und Gruppenzwang in ihrer Umgebung aufgedrängt werden, und erwarten von den Eltern, diese ganz selbstverständlich zu erfüllen. Diesem gesellschaftlichen Druck wagen sich nur die wenigsten entgegenzustellen, um nicht als „Rabeneltern“ angesehen zu werden. Umgekehrt sagt den Kindern niemand, sie sollten etwa ihre Eltern achten, ihnen gehorchen oder gar dankbar sein. Im Gegenteil: Es wird ihnen erzählt, daß sie „Kinderrechte“ hätten, die sie sodann als Recht auf Taschengeld, Unterhaltung, Arbeitsverweigerung, auf Widerspruch, Frechheit und Straffreiheit mißverstehen. Den Eltern allein werden in steigendem Maße Pflichten auferlegt, die weit über bloße Fürsorge hinausgehen, während zugleich ihre Autorität als Erzieher untergraben wird. Wie sollen sie dann angesichts solcher Zumutungen und der allgemeinen gesellschaftlich akzeptierten Gehorsamsverweigerung seitens der Kinder in ihrer „Erziehungskompetenz“ nicht „überfordert“ sein? Sie werden von der Gesellschaft nicht unterstützt, wenn sie versuchen, ihren Kindern Grenzen zu setzten oder sie gar zu Bescheidenheit, Rücksicht und Pflichtbewußtsein zu erziehen, sondern im Gegenteil als Autorität in Frage gestellt. Sie werden dazu angeleitet, mit welchen Mitteln sie ihre Kinder zu erziehen haben, sobald aber diese Mittel versagen, wird ihnen die gesamte Verantwortung angelastet. Sollten sie dagegen zu anderen Maßnahmen greifen, wie etwa autoritären Anweisungen und Strafen, bis zu traditionellen Körperstrafen, dann gilt es in den Augen der antiautoritären Erzieher als Fehlhandlung, die als Ursache für spätere Gewalttätigkeit der Jugendlichen, ja als Mißhandlung angesehen wird.

In der Tat gibt es Fälle grausamer Mißhandlung von Kindern, ja der Tötung durch Vernachlässigung oder Sadismus, die lange unentdeckt bleiben. [30] Mit der Gewalttätigkeit von Jugendlichen haben diese Fälle überhaupt nichts zu tun, mit Körperstrafen nur selten. Nur hat man unter dem Vorwand solcher Grausamkeiten alle Körperstrafen gesetzlich verboten, und damit selbst einen Klaps auf den Hintern eines hysterischen oder aggressiven Kindes zur kriminellen Handlung erklärt. Ein feines Unterscheidungsvermögen zwischen Strafen als Erziehungsmaßnahmen und tatsächlichen Mißhandlungen, die meist im Verborgenen geschehen und bei denen die Täter oft ungeschoren davonkommen, scheinen die Reformpädagogen und ihre politischen Förderer nicht zu besitzen. Als der Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge auf einer Podiumsveranstaltung der CDU über das Thema „Jugendkriminalität“ äußerte, er lasse sich bei der Kindererziehung „einen Klaps“ nicht verbieten, wurde er vom Fraktionschef der Grünen Volker Ratzmann wegen „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ angezeigt. Die danach zur Schau getragene öffentliche Empörung nicht etwa über die Anzeige, sondern über die Äußerung des Staatsanwalts zur Unsinnigkeit des „Klapsverbots“, erinnert in ihrem hysterischen Ton, ihrer Unverhältnismäßigkeit und Ausdrucksweise wieder an fanatische Anhängerschaft vergangener Regime: Man warf ihm vor, er wolle sich „über den erklärten Willen des Gesetzgebers hinwegsetzten“, daß es eine „gewaltfreie Erziehung“ stattzugeben habe; dies sei ein „Unding“ und „nicht tolerabel“. Abgesehen davon, daß das Verbot kontraproduktiv ist, in manchen Fällen etwa zu anderen raffinierten Strafen und dem Trend nach eher zur steigender Gewalttätigkeit von Jugendlichen führt, die keine spürbaren Gegenmaßnahmen mehr zu befürchten haben, bedeutet es schon an sich eine Einschränkung des Erziehungsrechts der Eltern.

Die subtile Ideologie einer straffreien „alternativen“ Erziehungsform, die im Grunde genommen Nichterziehen bedeutet, steht immer im Hintergrund dieser Umerziehungsversuche entmündigter Eltern. Eine ähnliche Fehldeutung des Sachverhalts zeigt auch die Diskussion über Gewalt an den Schulen allgemein, die den gängigen Übergriffen nichts entgegenzusetzen wagt, als freundschaftliche Gespräche mit den Tätern, etwa in der Art: „Ich finde es gut, daß du mir erzählst, wie du deinen Mitschüler angespuckt hast, aber ich finde es trotzdem nicht gut, daß du es gemacht hat.“ Man solle den Gewalttäter nicht rügen, weil man damit sein Vertrauen verlieren könnte; auf keinem Fall dürfe man seine „Würde“ verletzen. Die richtige Lösung sei ein „gemeinschaftliches Miteinander“. [31] Ganz ernsthaft wird behauptet, daß man, wenn die bisherigen Strafen nicht greifen, auf Strafen an sich verzichten solle. Wo der gesunde Menschenverstand eine andere, in der Regel härtere Strafe als Maßnahme vorschlägt, läuft hier die pädagogische (wie auch juristische) Diskussion eher in Richtung Verzicht auf Strafen überhaupt.

All diese möglicherweise gut gemeinten Äußerungen gehen in ihrer Furcht vor Vergeltung und Strafe, die von vornherein als „schwarze Pädagogik“ diffamiert wird, von falschen Voraussetzungen über die Motive der Gewalttäter aus und erreichen schließlich durch ihre Bemühungen, die Täter als akzeptierte, wenn auch fehlgeleitete Partner „auf gleicher Augenhöhe“ zu behandeln, eher das Gegenteil ihres vorgestellten Ziels. Sie fördern die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen, indem sie deren Ansicht bestätigen, daß sich Gewalt lohnt, da man dadurch Aufmerksamkeit, ja Zuwendung gewinnt, die man durch unauffälliges Verhalten nicht erhält. Dadurch hat das pädagogische Mißverständnis durch eigene Tabus auch die Schule außerstande gesetzt, wirkungsvoll gegen Gewalt vorzugehen. Deswegen werden unerwünschte Verhaltensweisen, wie Gewalttätigkeit gegen Mitschüler, lange geduldet, die Lehrer greifen nur selten ein, schauen lieber weg oder verschieben die Verantwortung in die Zuständigkeit von Beratern, Psychologen, Sozialarbeitern und anderen in der blühenden Hilfeindustrie Tätigen. Nur im Extremfall findet eine Quasibestrafung durch „Klassenkonferenzen“, zeitweiliges Schulverbot, Versetzen in andere Klassen oder an andere Schulen statt. Schließlich werden solche Kinder, die man nie richtig zu bestrafen wagte, als „problematisch“ oder „schwer erziehbar“ eingestuft und ggf. an Sonderschulen abgeschoben. Mit dem Loswerden der „Problemkinder“ glaubt man dann die Probleme gelöst zu haben.

Wie erfolgreich die neue gewaltfreie Pädagogik ist, unterstützt durch die verständnisvolle Behandlung der Täter durch die Justiz, sieht man an der Zunahme von Gewalt hauptsächlich bei Jugendlichen. [32] Insbesondere nach den Vorfällen an der Neuköllner Rütli-Hauptschule, wo Unterricht ohne Polizeiüberwachung unmöglich geworden war, wurde deutlich, wie die moderne Pädagogik angesichts des Desinteresses der Schüler am Unterricht und deren zunehmend aggressiven Verhaltens (besonders arabischstämmiger Jugendlicher) vollständig versagte. [33] Nichtsdestoweniger reagierte die pädagogische Prominenz wieder mit einem Musterprojekt aus der Kategorie friedlicher Gewaltbekämpfung, nämlich mit der Einführung einer Wahlpflicht-AG Boxen. Schließlich versuchte man mit diversen Tanz- und Medienprojekten bis hin zum Tragen einer besonderen „Rütli-Mode“ die Problemschule zu einem Vorzeigeprojekt umzuwandeln. [34] Das scheint ihnen inzwischen auf eine Weise gelungen zu sein: Das ständig erweiterte Großprojekt für 35 Millionen Euro mit Grundschule, Kindergarten und weiteren geplanten Einrichtungen (Elternhaus, sozialpädagogischer Dienst, „Lernwerkstatt“ usw.) heißt jetzt „Campus Rütli“. [35] Warum aber ausgerechnet gewalttätige Jugendliche Boxen lernen sollten, fragte niemand, und ob ihnen der „Break-Dance“ oder was auch immer sie jetzt in der neuen „Gemeinschaftsschule Neukölln“ machen (vom Unterricht wird nichts gesagt), dazu hilft, anständige Menschen zu werden, bleibt zweifelhaft.

Die nie geahndete Gewalt beginnt mit brutalem Umgang gegenüber Mitschülern (Erpressungen, Drohungen, Schlägen), steigert sich zu Überfällen auf den Straßen durch Jugendbanden an Kindern oder Obdachlosen und reicht bis hin zu grausamen Morden aus „Frust“ oder Langeweile. Beispiele davon sind etwa der grausame Mord, verübt von drei Jugendlichen an einem sechzehnjährigen Jungen, [36] der unmotivierte Totschlag eines Obdachlosen durch acht Jugendliche, [37] die alle mit überaus milden Strafen geahndet wurden. [38] Am letzteren Fall ist bezeichnend, daß das „motivlose Verhalten“ von meist jugendlichen Tätern bei Prozessen strafmildernd wirkt. Es war hierbei von „gruppendynamischen Prozessen“ und davon die Rede, daß das Opfer eigentlich kein Mensch mehr gewesen sei, „sondern eine Sache, auf die man eintreten kann“. Das Töten aus Langeweile ist somit nach dieser Logik weniger schlimm als motivierte Taten. [39] Als ein weiterer kaum faßbarer Fall, der vermeidbar gewesen wäre, hätten die Richter nicht bei dem bereits vorbestraften und auffälligen Gewalttäter Haftverschonung erlassen und die „Jugendhilfe“ mit ihren politisch korrekten Postulaten nicht vollständig versagt, kann der Mord eines siebenjährigen Kindes durch einen Sechzehnjährigen „aus persönlichem Frust“ genannt werden. [40] Kennzeichnend für all diese Fälle sind die Verantwortungsverweigerung der Gesellschaft sowie die entgegenkommende Behandlung der Täter, die dem Paradigma des Nichtstrafens der neuen Pädagogik folgt.

Die Berliner Jugendrichterin Kirstin Hiesig beschrieb in ihrem Buch Das Ende der Geduld aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit jugendlichen Gewalttätern die schleichende Brutalisierung und den Hemmungsverlust von Kindern und Jugendlichen hauptsächlich ausländischer Herkunft. Sie empfahl (neben bereits früher geforderter Verkürzung der Jugendgerichtsverfahren) statt der bisherigen unwirksamen Praxis geschlossene Heimerziehung für kriminelle Kinder und härtere Strafen für Gewalttäter. [41] Die Reaktionen auf ihr kurz nach ihrem (angeblich freiwilligen) Tod erschienenen Buch waren üblicherweise wieder hohe Zustimmung in der Bevölkerung und den Sachverhalt verharmlosende Kritik seitens politisch korrekter Eliten: Statistiken besagen, die Jugendkriminalität sei gesunken, das Anzeigenrisiko für Ausländer liege höher als bei deutschen Gewalttätern, und es sei schließlich nachgewiesen, daß das Einsperren von kriminellen Kindern ihre Rückfälligkeit erhöht statt sie zu senken, weil sie in der Strafanstalt die falschen Leute kennenlernen. Im großen und ganzen sei Hiesig nur verbittert und psychisch erschöpft gewesen, im wesentlichen aber im Unrecht. [42] Mit einer solchen Bewertung, in der praktische Erfahrungen herabgesetzt oder wegerklärt werden, entfernt sich die theoretische Gewaltbekämpfung (ähnlich der marxistischen Theorie) zunehmend von der alltäglichen Wirklichkeit. Drei Jahre nach Hiesigs Tod kritisiert ein anderer Jugendrichter, Andreas Müller, der am Amtsgericht Bernau bei Berlin tätig ist, die unsäglichen Zustände in der deutschen Rechtsprechung, und plädiert für ein schnelles und konsequentes Durchgreifen als Prävention gegen weitere Straftaten. [43] Doch solche auf realen Erfahrungen gegründeten Urteile werden innerhalb der verzerrten Wahrnehmung der politisch korrekten Weltanschauung (vom Müller als „Sozialromantik“ bezeichnet) ausgeblendet.

Oft geht es aber gar nicht mehr um Verhinderung von Gewalt an Schulen oder Vermeidung einer wachsenden Jugendkriminalität, die sich insbesondere an Hauptschulen oder ähnlichen schlechten Schulen (das Verschwinden der Hauptschulen durch Zusammenlegung mit den Realschulen bedeutet natürlich nicht das Verschwinden der Gewalttätigkeit selbst) derart ausbreitet, daß man mit den damit verbundenen Problemen nicht mehr zurechtkommt. Der „Kampf gegen Gewalt“ erfüllt gewissermaßen eine Alibi-Funktion für eigene Unfähigkeit, der Gewalttätigkeit Einhalt zu gebieten; er bietet auch eine Verdienst- und Profilierungsmöglichkeit an gesellschaftlichen Übeln, [44] die häufig mit der Phrase beginnen: „wir machen uns stark“ für oder gegen etwas und aus vielen nutzlosen Aufrufen, Aktionen und sonstigen Maßnahmen mit Selbstzweckcharakter bestehen. An vielen Schulen gibt es sog. „Mediationsräume“ und „Mediatoren“ oder „Konfliktlotsen“. Auch die Verkehrsbetriebe bieten Ausbildungskurse für Schülerbegleiter in Bussen an, die Konflikte und Vandalismus verhindern sollen; [45] es werden Theaterstücke aufgeführt und Filme zum Thema „Gewalt“ gezeigt, Kurse oder Seminare zur Teambildung und „Anti-Gewalttraining“, Rollenspiele, Wettbewerbe [46] und Ähnliches veranstaltet in der illusorischen Erwartung, daß man Gewaltlosigkeit trainieren könnte oder sollte. Maßnahmen zur Konfliktprävention, genannt auch „Konfliktmanagement“, die angeblich Gewalt vorbeugen sollen, indem sie künstliche Konfliktsituationen erfinden, vorspielen und diskutieren, [47] finden viel Zuspruch bei friedliebenden Pädagogen, nutzen aber meist nur den Veranstaltern selbst. Abgesehen von der kaum beweisbaren Annahme, daß Gewalt tatsächlich (nur) aus Konflikten entsteht, haben solche harmlosen Spielchen mit der brutalen Realität, in der es um Erpressung, Folter oder Mord geht, natürlich nichts zu tun. Daß sie nur bei denjenigen Anklang finden, die ohnehin mit Gewalt nichts im Sinn haben, dürfte klar sein.

Appeasement und Überwachung

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