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Kapitel 3

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Dan Parker verspätete sich nie. Aber ausgerechnet an seinem ersten Tag im neuen Job kam er fünfzig Minuten zu spät zu dem Termin mit der Personalabteilung. Das Hemd klebte ihm am Rücken und das in für ihn typischer Ich-hab-keine-Zeit-zum-Friseur-zu-gehen-Manier ein bisschen zu lang gewachsene Haar kringelte sich feucht in seinem Nacken, als er der Assistentin zum Konferenzraum folgte.

Hätte er nur das Angebot seiner Eltern angenommen, ein paar Tage in Raleigh zu bleiben, damit er und Lacey sich einrichten konnten. Aber er hatte sich nicht aufdrängen wollen. Schlimm genug, dass sie nach Wilmington fahren mussten, um auf Lacey aufzupassen, während er am Triathlon teilnahm. Sie kamen langsam in die Jahre, und er fühlte sich nicht wohl bei der Vorstellung, wie sie einer Vierjährigen nachjagten.

»Es tut mir so leid.« Carly, die Babysitterin, hatte um fünf Uhr morgens abgesagt und dabei geklungen wie der Tod auf Latschen. »Wenn es für Sie in Ordnung ist, können Sie Lacey heute zu meiner Schwägerin nach Durham bringen.«

Also war er mit einer noch halb schlafenden Lacey um sieben Uhr nach Durham aufgebrochen, aber auf dem Rückweg nach Raleigh hatte sich der Verkehr durch eine nicht enden wollende Baustelle gequält. Anfangs hatte Dan versucht, sich auf den Song im Radio zu konzentrieren, doch während die Minuten verrannen, fragte er sich, ob es nicht ein Fehler gewesen war, so schnell auf Terris Jobangebot anzuspringen. Vielleicht hätte er sich vor dem ersten Arbeitstag mehr Zeit zum Ankommen nehmen sollen. So, wie die Dinge standen, hatte er den Umzug in das neue Haus in weniger als einer Woche durchziehen und gleichzeitig eine Betreuung für Lacey organisieren müssen. An die vielen Kisten, die sich im Haus stapelten, wollte er gar nicht erst denken.

»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken, Mr. Parker«, hatte Carol von der Personalabteilung ihn beruhigt, als er sie vom Auto aus angerufen hatte. »Wir können den Papierkram auch nach Ihrem Treffen mit den Partnern erledigen.«

Die Assistentin hielt ihm die Tür zum Konferenzraum auf und warf dem gut aussehenden, in einen makellosen Designeranzug gekleideten Mann darin einen nervösen Blick zu.

Umringt von einer Schar junger Anzugträger stand er an eine Anrichte gelehnt da und sah mit seinem dunklen lockigen Haar, dem perfekt konturierten Kiefer und den durchdringenden grünen Augen aus, als wäre er soeben einer Werbeanzeige für einen italienischen Spitzendesigner entstiegen. Seine Miene erinnerte Dan an eine Marmorstatue: wunderschön und unergründlich. Und vertraut.

Verdammt. Es war Graham, der Typ, mit dem er vor zwei Tagen beinahe was gehabt hätte! Das läuft ja gar nicht gut. Er hatte sich wie ein totaler Arsch gefühlt, als er Graham in seinem erregten Zustand hatte verlassen müssen. Aber Lacey hatte sich übergeben und er hatte sie durch die Leitung schluchzen gehört… Wenn er nicht so ein netter Kerl wäre, hätte er gern erwähnt, dass die riesige Wolke Zuckerwatte, die seine Eltern ihr gekauft hatten, vielleicht die Ursache dafür war. Von den frittierten Hähnchenteilen und dem Milchshake zum Mittagessen gar nicht zu reden.

Die Assistentin murmelte etwas, dem Dan nicht ganz folgen konnte, wartete, bis er hineingegangen war, und schloss die Tür hinter ihm. Graham kam ihm nicht entgegen, obwohl Dan meinte, einen Schimmer des Wiedererkennens in dessen atemberaubend grünen Augen aufblitzen zu sehen.

Dann mache ich wohl am besten den Anfang. Leichter wird es auf keinen Fall… Dan wollte sich gerade vorstellen und sich für die Verspätung entschuldigen, als neben ihm jemand sagte: »Wie schön, dass du hier bist, Dan.«

»Terri.« Dan schüttelte ihr die Hand und sah erleichtert in Terri James' vertrautes Gesicht. »Schön, dich wiederzusehen. Bitte entschuldige die Verspätung.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Das passiert den Besten unter uns. Ich bin einfach froh darüber, dass du unser Angebot angenommen hast und für uns arbeiten möchtest.« Ihr Lächeln war immer noch so warm und herzlich wie damals während des Jurastudiums. Er entspannte sich etwas. »Erlaube mir, dir meinen Partner und besten Freund vorzustellen.« Sie deutete zu Graham hinüber.

»Das ist Dan Parker, Graham. Dan, ich darf dich meinem Partner vorstellen, Graham Swann.«

»Schön, Sie kennenzulernen, Graham.« Dan reichte ihm die Hand. In Situationen wie dieser war es immer besser, sich diskret zu zeigen. Falls Graham den verpatzten Abend zur Sprache bringen wollte, hatte er dafür noch reichlich Gelegenheit.

Wie hoch stand die Wahrscheinlichkeit, dass der sexy Graham mit den perfekten Hinterbacken sich als Graham Swann entpuppen würde? Der Mann war ziemlich bekannt in North Carolina: Er hatte sein Studium an der Vanderbilt University Law School als Klassenbester abgeschlossen, einen Vergleich über 4,3 Millionen Dollar für seinen ersten Fall von Diskriminierung bei der Einstellung erzielt und mit seinem Anteil eine der erfolgreichsten Kanzleien für Arbeitsrecht im Südosten gegründet. Und das alles, obwohl er erst 32 war, genau so alt wie Dan. Dass er auch Triathlet ist, stand aber nicht in seinem Lebenslauf.

Graham verzog keine Miene, als sie sich die Hand schüttelten, aber Dan merkte trotzdem, dass Swann mehr als nur verärgert war. Er war angepisst. Das konnte Dan ihm nicht verübeln, aber…

»Ich muss zu einem Meeting«, erklärte Graham an Terri gewandt. »Den Rest der Vorstellungsrunde schaffst du auch ohne mich.«

»War nett, Sie kennengelernt zu…«, setzte Dan an, doch Graham hatte sich schon weggedreht und steuerte auf die Tür zu. Dan seufzte. »Ich fürchte, ich habe keinen sehr guten ersten Eindruck hinterlassen.« Und es bestand wenig Hoffnung, dass er das mit den üblichen Nettigkeiten wettmachen konnte.

»Mach dir nichts draus.« Terri wedelte wegwerfend mit der Hand. »Er ist von Natur aus kratzbürstig, und in letzter Zeit ist es sogar schlimmer geworden. Wir ertrinken in Arbeit und er trägt die Hauptlast. In den letzten beiden Wochen war er fast jeden Tag bis Mitternacht hier. Sobald du und die anderen Neuen eingearbeitet sind, wird er sicher wieder ganz der Alte sein.«

»Davon bin ich überzeugt«, log Dan.

»Schon eingelebt?«, erkundigte sich Terri.

»Normalerweise starte ich sofort durch. Aber ein Umzug mit einer Vierjährigen ist eine etwas größere Herausforderung.«

»Das mit Benn tut mir wirklich leid. Wie geht es dir und Lacey?«

»Als Benn und ich sie adoptiert haben, hätte ich nie gedacht, als Witwer und alleinerziehender Vater dazustehen, bevor sie zwei ist«, gab Dan zu. »Aber wir schlagen uns durch. Die letzten Jahre waren zwar stressig, aber auch ziemlich wunderbar.« Trotzdem brauchten er und Lacey ein anderes Leben, das nicht nur aus Arbeit und Pendeln bestand und ihnen keine Zeit füreinander ließ. Deshalb hatte er diesen Job sofort angenommen, obwohl er dafür seine Anteile als Partner der an der Wall Street ansässigen Firma aufgeben musste, für die er seit seinem Abschluss gearbeitet hatte.

»Das freut mich. Lass mich wissen, wenn ich dir irgendwie helfen kann, in Ordnung?«

Er lächelte sie an. »Danke. Der Makler und die Umzugsfirma, die du uns empfohlen hast, waren bereits eine große Unterstützung.«

»Deine Eltern leben in den Bergen, stimmt's?«

»In der Nähe von Asheville«, bestätigte er.

»Graham stammt von da oben. Er besitzt ein tolles Haus, ganz in der Nähe vom Blue Ridge Parkway, das langsam Staub ansetzt. Aber jetzt bist du ja hier und kannst ihm einen Teil der Arbeitslast abnehmen.«

»Du sagtest, er hätte ein paar große Fälle, deren Prozess bald ansteht. Ist da was Interessantes dabei?«, fragte Dan.

»Schon möglich. Das sind Grahams Babys, er wird dir mehr darüber sagen können«, erklärte Terri. »Er verhandelt die Fälle, bei denen es um Angestellte geht. Ich kümmere mich um Arbeiter, Schlichtungsverfahren und erledige die meiste direkte Zusammenarbeit mit den Klienten. Wir haben ein paar Überschneidungen und ein paar der Mitarbeiter arbeiten an beidem mit, aber meistens bleiben wir in unserem Zuständigkeitsbereich. Solltest du dich je entscheiden, auf die dunkle Seite überzuwechseln, sag mir Bescheid. Ich zeig dir gern, wie's geht.«

»Darauf komme ich vielleicht zurück, wenn ich ein bisschen Zeit zum Einleben hatte. Im Moment freue ich mich drauf, weniger Zeit mit der Durchsicht von Dokumenten und mehr Zeit im Gericht zu verbringen.«

»Den Wunsch kann ich dir erfüllen. Die Kinderschar da drüben« – sie nickte zu der Gruppe frischgebackener Anwälte hinüber, die sich an Kaffee und Donuts gütlich taten und den Ausblick über die Stadt bewunderten – »wird den Großteil der Recherche für Grahams Team übernehmen. Außerdem fängt nächste Woche eine neue Rechtsanwaltsgehilfin an.«

»Klingt himmlisch.«

Terris Handy piepste. »Mist. Ich habe in fünf Minuten eine Telefonkonferenz mit einem Vertreter der Gewerkschaft. Findest du allein zurück in die Personalabteilung? Sie haben noch ein paar Formulare für dich, die du ausfüllen musst.«

»Kein Problem. Ich finde schon hin.«

»Gehen wir nach Feierabend was trinken?«, fragte Terri.

»Ich wünschte, ich könnte. Aber ich muss Lacey vom Babysitter abholen.« Er lächelte. »Sobald ich eine Betreuung für sie gefunden habe, komm ich gern darauf zurück.«

»Abgemacht. Und wir können jederzeit die Mittagspause zusammen verbringen,« bot sie an.

»Mittagessen klingt perfekt.«

»Ich schreib dir.« Sie ging auf die Tür zu. »Und komm bitte zu mir, wenn du etwas brauchst.«

»Mach ich. Danke.«

Eine Stunde später, nachdem er einen Stapel Formulare für die Personalabteilung ausgefüllt hatte, schloss Dan die Tür zu seinem neuen Büro hinter sich und atmete tief durch. Nach drei Jahren, in denen er Lacey dabei hatte zusehen müssen, wie sie um sieben Uhr abends auf dem Heimweg vom Hort einschlief, statt von ihm ins Bett gebracht zu werden, hegte er keinen Zweifel daran, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Jetzt musste er nur noch Mr. Groß, Düster, Unglaublich Sexy und Mächtig Angepisst davon überzeugen, dass auch er mit Dans Einstellung die richtige Entscheidung getroffen hatte...

Swanns Vergeltung

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