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Kapitel 4

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Graham saß an seinem Schreibtisch und rieb sich über den Mund. Unglaublich. Einer von den neuen Angestellten hatte sich als sein katastrophaler One-Night-Stand herausgestellt. Wenigstens hatte Dan die Diskretion besessen, ihr Treffen in Wilmington nicht zu erwähnen. Graham hatte keine Lust, sich mit Terris Fragen herumschlagen zu müssen.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war Dan auch noch zu spät zu der Einstiegsbesprechung gekommen. Sein plötzliches Verschwinden hätte Graham ihm vielleicht noch durchgehen lassen können, aber von seinen Kollegen erwartete er mehr. Er hatte sich nicht den Arsch aufgerissen, damit andere es schleifen lassen konnten. Genau wie von sich selbst erwartete er von seinen Mitarbeitern harte Arbeit und dass sie zur Stelle waren, wo und wann sie gebraucht wurden.

Dan musste sich anpassen oder damit rechnen, dass er rausgeworfen wurde. Graham legte die Bedingungen fest, und solange Dan sich daran hielt, würden sie bestens miteinander auskommen. Und wenn Dans kleine Lady ihn zum Firmenpicknick begleitete, würde Graham sich von seiner besten Seite zeigen. Diskretion funktionierte in beide Richtungen. Er und Terri brauchten einen fähigen Verhandlungsführer, der außerdem noch sympathisch war. Dank seiner Berufserfahrung eignete sich Dan perfekt für die Stelle – zumindest auf dem Papier.

Geschäft. Es geht nur ums Geschäft.

Jemand klopfte an die Tür seines Büros. »Herein.« Graham blickte von einem Stapel Unterlagen auf und entdeckte einen zaghaft lächelnden Dan. Mit seinem widerspenstigen kastanienbraunen Haar wirkte er gelassen und selbstbewusst, und in dem tadellos geschnittenen Anzug sah er mindestens genauso gut aus wie in Trishorts. Der Blick aus seinen blauen Augen verriet Intelligenz und einen scharfen Verstand.

Wahrscheinlich hat ihm sein Charme bisher den Weg geebnet.

»Tut mir wirklich leid wegen heute Morgen«, kam Dan sofort zur Sache.

Graham wartete auf eine Ausrede, aber Dan sagte nichts weiter. Eine erfreuliche Überraschung. »Möchtest du dich setzen?« Graham wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und versuchte, sich nicht darauf zu konzentrieren, wie Dans Oberschenkelmuskeln den Stoff seiner Hose spannten, als er sich setzte.

»Danke.« Dan schien verschiedene Möglichkeiten durchzugehen, bevor er hinzufügte: »Und wegen letztem Samstag tut es mir auch sehr leid. Ich habe das Gefühl, dass ich mir schon zwei Minuspunkte eingehandelt habe.«

Graham stellten sich die Nackenhaare auf. »Das hätte sicher besser laufen können.« Er setzte ein Pokerface auf. Ihm persönlich mochte es scheißegal sein, ob Dan ihn leiden konnte, aber Terri war ganz vernarrt in ihn. Um ihretwillen würde Graham mit ihm auskommen. Später würde er vielleicht einen Ersatz für Dan finden, damit der nicht mehr für ihn, sondern für Terri arbeiten konnte. »Bist du mit deinem Büro zufrieden?«

Dan zog offensichtlich überrascht eine Augenbraue hoch. Hatte er etwa erwartet, Graham würde ihm wegen der kalten Dusche den Kopf waschen? »Mehr als das. Und die Aussicht ist fantastisch.«

»Gut.« Graham schluckte seinen Stolz hinunter und tat, als müsste er sich etwas Wichtiges auf seinem Computerbildschirm ansehen. Die berufliche Notwendigkeit, neue Bekanntschaften zu schließen, war ihm extrem unangenehm. Komplimente waren ein noch trügerischeres Terrain. Und angesichts dessen, wie intim er und Dan fast geworden wären, hatte Graham um so mehr das Bedürfnis, für sich zu sein.

»Ich habe die Entscheidung des Vierten Berufungsgerichts im Fall Weldon gegen Denton gelesen.« Dan überschlug die Beine und wirkte völlig entspannt. Seine Augen strahlten Wärme und stilles Selbstvertrauen aus. »Großartige Arbeit.«

»Vielen Dank.« Weldon, ein Fall, der unter den Whistleblower Protection Act fiel, war ein hart erarbeiteter Erfolg. »Wir wählen unsere Fälle sorgsam aus.« Graham war stolz auf seinen Instinkt. Und auf die Fähigkeit seiner Kanzlei, eine faire Ausgleichszahlung für seine Klienten herauszuholen, selbst wenn deren Fall nicht besonders spektakulär war.

Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Graham ließ sich nicht dazu herab, es mit belanglosem Small Talk zu füllen. Außerdem brauchte er einen Moment, um die Schmetterlinge in seinem Bauch in den Griff zu bekommen. Er hatte über die Jahre schon mit vielen attraktiven Männern zusammengearbeitet. Warum zum Teufel ging dieser hier ihm so unter die Haut?

»Terri hat mir erzählt, dass wir aus der gleichen Ecke stammen.« Dan lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Graham sah ihm in die Augen. Das Bedürfnis, nervös das Gewicht zu verlagern, verging und er eroberte die Kontrolle über das Gespräch zurück. »Oh. Und von wo wäre das?« Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, nie zu viel über sich selbst preiszugeben. Sogar Terri, die er beim Vorbereitungskurs für die Rechtsanwaltsprüfung kennengelernt hatte, wusste nur das Nötigste. Die Vergangenheit ließ man am besten ruhen.

»Carletonville. Meine Familie lebt immer noch da draußen.« Dan lachte leise. »Sie gehen immer noch zu allen Footballspielen der Merrill High.«

Graham ließ sich nicht anmerken, dass ihm bei dem Namen das Herz in die Hose gerutscht war. Sein Nacken fühlte sich kalt und klamm an. »Wie nett«, kommentierte er gleichmütig. »Hast du auch gespielt?«

»Ja. Aber das ist lange her.« Dan seufzte und schüttelte den Kopf. »In einem anderen Leben.«

»Verstehe.« Graham warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er musste dieses Gespräch bald beenden, wenn er Haltung bewahren wollte.

Glücklicherweise nahm Dan den Wink zur Kenntnis und erhob sich. »Ich halte dich wahrscheinlich von etwas Wichtigem ab. Wir können uns sicher später unterhalten.«

»Meine Assistentin blockt uns morgen früh ein paar Stunden, damit wir die Strategie besprechen können.« Graham lächelte und fügte hinzu: »Schön, dich an Bord zu haben.«

»Danke nochmals.«

Graham sah Dan nach und hatte große Mühe, sein Unbehagen zu verbergen. Als Dan die Tür hinter sich schloss, ließ Graham den angehaltenen Atem entweichen. Wie hatte ihm das bisher entgehen können?

Der unbesiegbare Danny Parker. North Carolina All-State Quarterback des Jahres. Ein Vollstipendium an der Carolina. NCAA All-America Quarterback. Sicherer Kandidat für die Profiliga, bis er sich im letzten Collegejahr das vordere Kreuzband gerissen hatte und Football aufgeben musste.

Graham dachte, er hätte vergessen, wie es sich anfühlte, im Schlamm zu sitzen, während das halbe Footballteam ihn auslachte, aber da hatte er sich geirrt. Die Erinnerungen kamen mit Macht zurück und brachten den fünfzehn Jahre alten Schmerz und die Erniedrigung mit sich.

Am Tag darauf hatte Graham das Orchester verlassen. Im Juni heiratete seine Mutter zum zweiten Mal, sie zogen nach Memphis und er nahm den Namen seines Stiefvaters an. Im letzten Collegejahr wuchs er fast zwanzig Zentimeter und ließ die Highschool und seine Vergangenheit als Pummelchen hinter sich. Am College stellte sich heraus, dass er gar kein Asthma hatte – er war nur allergisch gegen den Schimmel in ihrer Wohnung in Carletonville gewesen. Er begann mit Krafttraining, sein Zimmergenosse zeigte ihm, wie man Racquetball spielte, und er joggte regelmäßig. So brachte er sich in Form. Dann imitierte er den Kleidungsstil der beliebten Studenten, wurde an einer großartigen Jurafakultät angenommen und sah nie wieder zurück.

Jimmy Zebulon, der pummelige Junge mit dem pickelübersäten Gesicht, hatte Carletonville vor fünfzehn Jahren verlassen und war nie zurückgekehrt. Jimmy hatte sich ein neues Leben aufgebaut und die Erinnerungen und die Schande aus seinem Gedächtnis verbannt. Es war ihm prächtig ergangen.

Bis jetzt.

Dieses Kind bist du nicht mehr. Dieser Junge würde er nie wieder sein. Er würde es klaglos durchstehen und seinen Job machen. Wie er es von den Leuten erwartete, die er einstellte. Falls Dan Parker so gut war, wie Terri behauptete, würde er kein Problem damit haben, mit ihm zusammenzuarbeiten. Dan musste nie von dem erbärmlichen Jungen erfahren, der Danny für etwas Besonderes gehalten hatte. Denn Daniel Parker war nichts Besonderes. Er war nur ein weiterer Highschoolsuperstar, aus dem ein ganz normaler Kerl mit einem ganz normalen Job geworden war.

Genauso normal wie der Rest von uns.

Graham griff nach der Wasserflasche auf seinem Schreibtisch und trank sie mit ein paar Schlucken halb aus. Entspann dich. Denk nicht mehr dran. Trotzdem zitterten seine Hände.

Verdammt. Nicht nur waren er und Dan fast miteinander im Bett gelandet – er hatte gerade den Typen eingestellt, der im Mittelpunkt des schlimmsten Jahres seines Lebens gestanden hatte! Das war das Jahr gewesen, in dem er festgestellt hatte, dass er schwul war. In dem er sich zum ersten Mal verliebt hatte. Und das er gerade erst begonnen hatte, aus seinem Gedächtnis zu löschen.

Das Jahr, in dem James Graham Zebulon aufgehört hatte zu existieren und in dem J. Graham Swann geboren worden war.

Swanns Vergeltung

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