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Drittes Kapitel.
Neue Freundschaft.

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Inhaltsverzeichnis

Augustle beträgt sich wie ein Minister und doch nicht wie ein Minister, und Frau Tippelmann wird ärgerlich. Warum es nicht gut ist, jemand beim Schlokoladetrinken zu stören, und warum Fräulein Laura sagt, Alette hätte nur Prinzessinnenschuhe. Trinle Grill patscht in den Frühlingsschmutz, und Alette Amhag vergißt die weite Welt.

Spazierengehen ist gut, namentlich wenn die Sonne so verheißungsvoll scheint, dachten auch die Grills. Die drei Geschwister arbeiteten flink und eifrig, die Mutter rüstete Wegzehrung, und als es drei Uhr schlug, trat der Vater aus seinem Arbeitszimmer und rief: »Wer ist fertig?«

»Wir!« Veit, Steffen und Trinle kamen angerast, nur das Kasperle gab keine Antwort, das fehlte.

Ein Weilchen scholl das Rufen nach ihm durch Haus und Garten, dann rannten die Geschwister auf die Gasse und ließen dort ihre Stimmen erschallen, aber kein Kasperle gab Antwort. Trinle lief hinüber zu Herrn Häferlein, vielleicht war der kleine Bruder bei seinem guten Freund, aber der Gehilfe wußte nichts von ihm, und Herr Häferlein war auch nicht da. Da rannte Veit zum Untermarkt hinab, Steffen zum Obermarkt hinauf, denn da und dort gab es allerlei gute Freunde, zu denen Kasperle manchmal ging, aber niemand wußte etwas von ihm. Frau Grill begann sich zu ängstigen. Ein Seitensträßchen der Löwengasse führte zum Fluß hinab; der war zwar seicht und mehr ein Bach, aber hineinfallen konnte so ein kleiner Dreikäsehoch wie Kasperle schon.

Mutterherzen zittern und zagen leicht, und wenn Mütter in Angst weinen, ist das unendlich traurig. Den drei Geschwistern wurden die Herzen schwer; sie standen ratlos auf der Löwengasse und wußten nicht, wo sie den Bruder suchen sollten.

Daran, in der Rose nachzufragen, dachten sie nicht; in alle Häuser schauten sie hinein, dies eine ließen sie aus. Mit Frau Tippelmann unterhielten sie keine Freundschaft; die war nicht sonderlich liebenswürdig, und die Grillschen Kinder gingen zu dieser Nachbarin nur, wenn sie ihr etwas von der Mutter bestellen sollten. Und doch saß Kasperle, der vielgesuchte Ausreißer, als ein sehr geehrter, bewunderter Gast in der Rose. In einem großen, nach dem Garten gehenden Zimmer thronte er auf einem zierlichen Sofa zwischen zwei neuen, aber schon sehr guten Freunden, zwischen Alette Amhag und dem Affen August.

Alette hatte nach den ersten Stunden in dem alten Haus, in das sie mit so frohem Herzen eingezogen war, gemeint, hier würde es ihr doch nicht gefallen. Es war doch alles so ganz, ganz anders, als sie es gewohnt war, und dann – Frau Tippelmann. Die zeigte kein bißchen Freude. Laura nannte sie gleich einen Sauertopf, und wirklich sah Frau Tippelmann auch gar nicht aus, als machten ihr die neuen Hausbewohner viel Freude. August besonders sah sie mißvergnügt an, und sie brummte: »Affen und wilde Bären soll niemand in sein Haus begehren.«

Die kleine Alette wußte nun nichts davon, daß Menschen, die lange einsam waren, nicht so rasch den Weg zu anderen Menschen finden. Sie selbst war wie ein Schneckchen; tippte jemand an ihr Seelenhaus, gleich kroch sie hinein. Sie war immer in allem Reichtum, der sie umgab, ein einsames Kind gewesen. Ihre Mutter war früh gestorben, und der Vater hatte sie oft auf seine Reisen mitgenommen, sie auch wohl bei Freunden untergebracht. Da hatte sie einmal in Südamerika gelebt, in Indien, in Japan, immer in reichen, üppigen Häusern, aber immer fremd, immer im Grunde heimatlos. Immer hatte sie gemeint, am besten auf der Welt müßte es in Breitenwert sein, der Stadt, aus der ihr Großvater stammte. Weil sein Vater so oft und so viel davon gesprochen, hatte Herr Amhag das einstige Familienhaus gekauft. Und als er nun wieder eine weite Reise unternehmen mußte, gab er Alettes Bitten nach und beschloß, diese mit einer Stiefschwester seiner verstorbenen Frau nach Breitenwert zu schicken. Doch diese Tante erkrankte, als Herr Amhag auf Reisen war; sie scheute daher die weite Reise und übergab Alette Frau Juana van Bachhoven, der Frau eines reichen Großkaufmanns, die eine Europareise unternahm. Diese versprach, Alette selbst gut und sicher nach Breitenwert zu bringen, und gab der Kleinen zur Bedienung ihre eigene Zofe Laura.

Laura Budicke oder Fräulein Laura, wie sie sich am liebsten nennen hörte, tat zwar oft recht fremdländisch, sie war aber aus Berlin und hatte nur einige Jahre im Ausland gelebt. Sie fand freilich die Zumutung, in einer kleinen deutschen Stadt zu leben, grauslich, aber sie tat es schließlich gern um Alettes willen. Das hinderte sie nicht, in den ersten Stunden in der Rose alles zu tadeln, und das einzige, was ihr in Breitenwert gefiel, war eigentlich das blonde, rotbäckige Kasperle, das sie freudestrahlend zu Alette brachte. »Da hast du jemand,« rief sie. »So'n Junge! Unsern August will er sehen!«

Kasperle war gar nicht schüchtern. Zu ihm waren immer alle Menschen nett und freundlich, und in der ganzen Löwengasse verwöhnte man Kasperle Grill. Er fand es daher gar nicht erstaunlich, als lieber Gast in die Rose geholt zu werden, und er streckte Alette Amhag zutraulich seine dicke, etwas schmutzige Patsche hin und fragte: »Wo ist Augustle?«

Alette war fast schüchterner als Kasperle, aber nach fünf Minuten war doch die Freundschaft geschlossen, und Kasperle versprach höchst vergnügt: »Weißt, Alettle, ich besuch dich alle Tage, dich und Augustle!«

»Na, und wo bleibe ich?« fragte Fräulein Laura neckend. »Werde ich gar nicht genannt?«

Kasperle sah sich ein wenig verlegen um. Er blickte von Alette zu August und von August zu Laura, und endlich rief er: »Dich besuche ich doch mit, weil du dem Augustle sein Tantle bist.«

Damit war Fräulein Laura zwar nicht einverstanden; eine Affentante mochte sie nicht genannt werden, doch Kasperle sah sie so treuherzig mit seinen runden, blauen Augen an, daß all ihr Groll schwand und sie vor sich hin brummte: »So'n niedlichen Jungen habe ich noch nie gesehen, der könnte wirklich gleich hier drüben in dem alten Muffelhaus bleiben.«

August schien auch seine Freude an dem Gast zu haben, jedenfalls tat er alles, um den zu unterhalten. Er machte die tollsten Sprünge, schoß wundervolle Purzelbäume und saß mal auf dem Tisch, mal unter dem Tisch, er spazierte auf dem Fensterbrett entlang und setzte sich dann wieder höchst feierlich auf einen Stuhl.

»Wie'n Minister!« behauptete Laura. Sie tat, als sähe sie jeden Tag einen Minister irgendwo sitzen. Kasperle jauchzte. Alette lachte, und ihr Lachen lockte Frau Tippelmann herbei. Die vergaß für ein Weilchen ihre viele Arbeit, sie blieb an der Türe stehen und lauschte still diesem klinghellen Gelächter. Sonst pflegte sie immer zu sagen: »Am vielen Lachen erkennt man den Narren.« Heute schwieg sie zu allem lustigen Lärm in dem sonst so stillen Hause. Doch da bekam August plötzlich seine Ministerrolle satt und sprang Frau Tippelmann auf den Kopf, gerade als müßte das so sein.

»Wie drollig!« rief Laura.

»Hat sich was, drollig!« schalt Frau Tippelmann ärgerlich. »Potzwetter, so ein unnützer Wicht!« Und ripsch, rapsch holte sie August von seinem seltsamen Sitz herunter und trug ihn in eine leere Stube. »Hier kannst du dir die Wände begucken,« brummte sie, »zu mehr bist du nicht nütze.«

Kasperle jammerte August laut nach, bis Laura tröstete: »Sei nur gut, mein Engelchen, nachher kommt August wieder. Jetzt sollt ihr erst Schokolade trinken; Alette hat heute so wenig gegessen. Gleich geh ich und sag's Frau Tippelmann.«

Engelchen wurde Kasperle nie genannt, und Schokolade bekam er selten zu trinken, aber beides gefiel ihm, und sein Gesicht hellte sich schnell wieder auf. Da lief Fräulein Laura eilig, das süße Getränk zu bestellen. Doch Frau Tippelmann sagte nicht gleich: »Ja, ich koche,« sie schüttelte bedenklich den Kopf und murrte: »Schokolade, so einfach am Wochentag, das ist in Breitenwert nicht Sitte.«

Laura lachte sie herzhaft aus. Sie erzählte dann schnell, wie reich Herr Amhag und wie verwöhnt Alette sei, und der guten Frau Tippelmann wurde es himmelangst, als sie von all den Landhäusern, Zimmern, Gärten, Dienern und Kleidern hörte, an die Alette gewohnt war. Wie ein Schnurrädchen zählte Fräulein Laura her: »Dies muß Alette haben und das, und eigentlich müßte hier eine Köchin sein, ein Diener, Wagen und Pferde oder ein Auto, und das Haus ist zu alt und der Garten zu klein. Na ja, es dauert nicht lange!« fügte sie hinzu.

»Ist auch gut,« brummte Frau Tippelmann. »Freilich, das will nicht in meinen Kopf hinein, daß so 'n schönes altes Haus, in dem die reichen Amhags so lange gelebt haben, für so 'n kleines Mädchen zu eng sein soll. Na, meinetwegen, ich halt's mit dem Wort: »Was dich nichts angeht, darein misch dich nicht!«

Sie ging und kochte Schokolade; sie tat es mit schwerem Herzen, denn das fremde Wesen im Hause bedrückte sie. So viele Seufzer sie aber auch ausstieß, die Schokolade geriet doch gut dabei, und Kasperle Grill freute sich.

Alette Amhag hätte nie gedacht, daß sich jemand so sehr über Schokolade und Kuchen freuen könnte wie ihr kleiner Gast. Der krähte vor Vergnügen, behauptete, er sei furchtbar schrecklich hungrig und schmauste dann auch wie ein nimmersattes Wölflein. Das arme verbannte Augustle vergaß er für ein Weilchen vollständig, aber auch den Spaziergang, die Eltern und die Geschwister.

Die suchten inzwischen ihr Kasperle mit wachsender Angst. Der Vater tröstete zwar: »Wir finden ihn schon; in unserm Breitenwert geht nicht leicht ein Kind verloren,« doch der Mutter Herz wurde schwer vor Sorge.

Trinle heulte verzweifelt, und die Brüder rasten immer wieder die Gasse entlang und schrieen des Bübles Namen. Tiefbetrübt und schier ganz und gar verzagt war Herr Baldan. Der gehörte zu den Menschen, die immer gleich ein Unglück vermuten. Stand am Himmel eine tellergroße Wolke, dann sagte er sicher: »Es gibt ein Gewitter,« und regnete es einen Tag, dann redete er von einer ungeheuren Überschwemmung, die kommen würde. An diesem Nachmittag klagte er immerzu: »Das Kasperle ist verloren, ganz sicher. Ich hab's gleich geahnt; ein Tag, der so anfängt, mit Affen und so viel Geschrei und Trara, der bringt Unheil.«

Er redete das zu dem Gehilfen, und der erwiderte spöttisch: »Na ja, eins haben wir schon gehabt, den Streit mit Herrn Häferlein.«

»Nun,« rief Herr Baldan, »ist daran nicht etwa der Affe schuld, der August?«

»August! August!« schrie es draußen ganz laut und gellend, und Herrn Baldan blieb vor Schreck der Mund offen stehen. Was war das?

Von der Gasse herein tönte das Rufen, tönte lautes Geschrei; die Stimmen der Grillschen Kinder waren vor allen andern zu hören. Der Provisor stürzte hinaus.

Um Himmelswillen, man brachte gewiß Kasperle, seinen Liebling!

»Wo ist er, wo ist er?« Herrn Baldans Rufen mischte sich in das Geschrei der andern.

»Da ist er, da ist er,« jauchzten ein paar Buben.

»O du heiliger Bimbam, was ist das?« Der Provisor knickte vor Schreck zusammen, denn etwas Schwarzes war ihm auf die Schulter gesprungen, das saß da und wollte anscheinend dableiben, denn Herr Baldan fühlte sich recht fest umklammert.

»August, August, da ist er!«

Der Gehilfe griff rasch zu und packte den kleinen Ausreißer und Tunichtgut, den Affen August, am Genick und suchte Herrn Baldan zu befreien. Leicht ging es nicht, denn der vierbeinige August zappelte und fauchte wütend und gab in seiner Angst seinem unschuldigen Namensvetter heftige Ohrfeigen.

Die beiden Auguste waren wütend aufeinander, und die Umstehenden taten noch, als wäre die ganze Sache eine lustige Geschichte; sie lachten, und selbst Trinle Grill hörte ein paar Augenblicke auf zu heulen.

Da schrie plötzlich Veit: »Er hat Kasperles Mütze!« und mit raschem Griff entwand er dem Affen eine kleine dunkelblaue Mütze. »Die gehört Kasperle! Ja, aber wo ist Kasperle?«

»In der Rose, denn von dort kommt der Affe,« rief der Vater.

»In der Rose, unser Kasperle?« Die Kinder rannten dem Vater nach, die Mutter nicht minder geschwinde. Herr Baldan schrie dem Gehilfen zu: »Aufpassen!« und raste nach, und die ganze Gesellschaft langte drüben vor der Rose an und spazierte in das Haus hinein, und Frau Tippelmann wußte erst nicht wie und was, als sie den Hausflur so voller Menschen sah. Aber da erblickte sie Frau Grills blasses Gesicht, sie verstand. Schnell riß sie eine Türe auf und rief: »Da ist er!«

Ja, da war er. Wie ein kleiner Prinz thronte er mitten auf dem Sofa und schickte sich gerade an, die vierte Tasse Schokolade auszutrinken. Er pustete schon ein wenig, sein Bäuchlein war schon ganz dick, aber er wollte doch noch von dem süßen Trank schlürfen, der ihm so gut schmeckte wie weiland den alten Deutschen der süße Met. Und einen Bart hatte das Kasperle schon, um den ihn ein Raubritter beneiden konnte, so breit war der.

Es ist nicht gut, wenn einer beim Schokoladetrinken allzu sehr überrascht wird. Hupp! machte die Tasse, und am Kasperle rann ein braunes Bächlein herunter. Er wollte die Tasse wegsetzen und warf die von Alette um, und auf dem weißen Tuch floß ein brauner See.

»Kasperle, du hier?«

»Aber Kasperle, wie kommst du hierher?« riefen Eltern und Geschwister.

Frau Tippelmann sah nur den braunen See; sie schalt ärgerlich: »Zu viel Dung wirft den Wagen um.«

Am tiefsten war Alette Amhag vor den vielen fremden Menschen erschrocken. Sie stammelte zitternd: »Er hat mich nur besucht.«

»Ja,« rief Kasperle weinerlich, denn ihm fing es an ungemütlich zu werden, »ich besuch' sie alle Tage. Alettle ist meine Freundin, und sie ist – ist – ne – Indianerin!«

Da war es heraus, das schwere Wort, und es tut wohl, wenn man so von banger Angst erlöst wird. Sie lachten alle, selbst Frau Tippelmann schmunzelte, und am allerlautesten lachten Herr Baldan und Kasperle. Frau Grill nahm ihr beschmiertes Bübchen auf den Arm und sagte zärtlich: »O du böser Schelm, wie habe ich mich um dich gesorgt!«

Alettes Augen wurden da groß und weit; eine unendliche Sehnsucht stieg jäh in ihrem kleinen Herzen auf, auch einmal so an einer Mutter Herzen ruhen zu können, und unwillkürlich flüsterte sie leise: »Ach, Kasperle, du hast es gut!«

Nur Frau Grill hörte das leise Wort, und Frau Grill verstand in kleinen traurigen Herzen zu lesen und verstand es, linde zu trösten. Sie zog Alette, die aufgestanden war und schon neben ihr stand, herzlich an sich und sagte liebevoll: »Willkommen in deiner Väter Heimat! Möge es dir hier gut gehen! Du hast schon mit unserm Kasperle Freundschaft geschlossen, ich hoffe, wir andern kommen auch daran.«

»Das will ich meinen! Die Amhags und die Grills waren allezeit gute Freunde,« rief Herr Grill. »Aber nun, wenn wir nicht bald laufen, läuft uns die Sonne davon; unser schlimmes Kasperle hat uns schon um eine Stunde Zeit gebracht.«

»Spazierengehen!« rief Kasperle, dem dies plötzlich wieder einfiel. »Alettle geht mit.«

»Wenn sie will, kann sie es tun, und wenn sie gescheit ist, tut sie es!« Herr Grill nickte Alette auch zu, als wäre die seit vielen Jahren in Breitenwert daheim, und die schüchterne Alette verlor die letzte Befangenheit und sagte: »Ich möchte so gern!«

»Spazierengehen!« Laura sah so entsetzt drein, als wäre Spazierengehen und In-den-Krieg-ziehen einerlei. »Das ist nichts für unsere Alette, die fährt nur,« rief sie protzig, »die hat auch nur Prinzessinnenschuhe.«

»O du lieber Himmel, das arme Kind,« entfuhr es Frau Tippelmann. Kasperle aber fragte neugierig: »Sind die von Gold?«

»Nein,« erwiderte Alette rasch, »ich kann mit meinen Schuhen schon gut spazierengehen. Ach, bitte, bitte, ich will mit!«

»Na, meinetwegen,« brummte Laura, »mir soll's recht sein, aber wenn das die gnädige Frau van Bachhoven hört, die fällt gleich um vor Schreck.«

»Sie steht auch wieder auf,« erklärte Frau Tippelmann. »Märzensonne ist gesund.«

»Und allzu viele Sprichwörter sind ungesund,« schalt Laura halblaut, die fand, Frau Tippelmann habe gar nichts drein zu reden. Dann ging sie aber doch, für Alette die Sachen zu rüsten, und als sie dabei geschwind zum Fenster hinausblickte und die Gasse so freundlich im Sonnenschein liegen sah, wäre sie am liebsten auch spazierengegangen. Sie sputete sich darum; wenigstens sollte Alette noch recht im Sonnenschein wandern.

Ein paar Minuten später standen die Wanderlustigen wirklich auf der Löwengasse, und Alette bekam ganz blinkeblanke Augen vor Freude. Die Grillschen Kinder lachten darüber und sagten: »Du tust, als wärst du noch nie spazierengegangen.«

Nein, eigentlich hatte das Alette auch noch nie getan. Sie war gefahren, so behaglich als möglich, auf großen Schiffen, in Kraftwagen, in den schnellsten Schnellzügen, aber noch niemals war sie auf Wiesen- und Feldwegen richtig spazierengelaufen. Täglich hatten kostbare Blüten die Zimmer, die sie bewohnte, geschmückt, aber noch nie hatte Alette Amhag ein paar winzige weiße Schneeglöckchen selbst gepflückt, wie es Trinle Grill an diesem Nachmittag tat. Sie patschte dabei tief in den weichen Frühlingsschmutz hinein, und Alette patschte ihr jauchzend nach, und sie tat, als hätte sie einen goldenen Schatz gefunden, so sehr freute sie sich. Ihre Freude steckte die andern an, und es wurde ein sehr fröhlicher Spaziergang. Die Grills gingen andere Wege als Herr Häferlein, aber sie fanden die Heimat von rechtsum so lieblich als der Kaufmann es von linksum tat. Und Alette war begeistert und schloß Freundschaft mit Trinle, Veit und Steffen und vergaß Frau van Bachhoven, Paris und die ganze weite Welt über Breitenwert und dem Löwengäßle.

Rose, Linde und Silberner Stern: Erzählung für die Jugend

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