Читать книгу Kommunalpolitik - Siegfried Frech - Страница 15
Haltung der Bevölkerung
ОглавлениеUnd wie sah es im Land selbst aus? Die Zeit, in der Kuscheltiere am Bahnhof verteilt wurden, schien vorbei zu sein. In den Leserbriefspalten der Zeitungen war von »Asylchaos«, »Notstand«, »Flüchtlingswellen« und dringend gebotenen »Obergrenzen« die Rede, manche beschworen sogar den Untergang des Abendlandes herbei. (Das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Asyl ist nicht verhandelbar und kennt daher auch keine Obergrenze.) Die Übergriffe auf Flüchtlinge und Attacken auf deren Unterkünfte stiegen merklich an. Das Bundeskriminalamt (BKA) zählte 2015 offiziell 1005 Straftaten gegen Flüchtlingsheime, darunter auch Brandanschläge. 2016 ereigneten sich knapp 1000 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte.
Die Bevölkerung war in ihrer Haltung gespalten. Im März 2016 waren 55 Prozent der Deutschen der Meinung, Deutschland könne die vielen Flüchtlinge verkraften (ZDF-Politikbarometer, 18.3.2016). Der Anteil derjenigen, der in der Zuwanderung Vorteile sah, war mit 38 Prozent recht hoch, während ein ähnlich hoher Anteil von 41 Prozent eher Nachteile sah (ARD-Deutschlandtrend, Januar 2016). Ebenso glaubten 41 Prozent zuversichtlich an die Integration der Flüchtlinge (ZDF-Politikbarometer, 19.2.2016). Einer knappen Mehrheit, die positiv gegenüber den Flüchtlingen eingestellt war, stand eine knappe Minderheit gegenüber, die skeptisch bis negativ gestimmt war. Dies machte sich die Alternative für Deutschland (AfD) zunutze, die in mehreren Landtagskämpfen mit den Themen Flüchtlinge und Innere Sicherheit auf Stimmenfang ging. 2016 gelang ihr in vier Ländern (Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern) sowie bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus der Einzug in die Länderparlamente.
2017 bekam die Willkommenskultur weitere Kratzer. Eine knappe Mehrheit von 54 Prozent der Bundesbürger sah Deutschland einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge bei der Aufnahme weiterer Flüchtlinge an der »Belastungsgrenze« angekommen. Insbesondere in den neuen Ländern schien die Skepsis zuzunehmen. Dort waren der Umfrage zufolge nur noch 33 Prozent der Bürger nach eigenen Angaben davon überzeugt, dass die Gesellschaft Flüchtlingen »offen« aufnehme. Im Westen waren mit 65 Prozent etwa doppelt so viel Befragte dieser Meinung. Ebenso stieg der Anteil derer, die zusätzliche Belastungen für den Sozialstaat erwarten auf 79 Prozent. 65 Prozent waren der Meinung, Einwanderung verschärfe die Wohnungsnot in den Ballungszentren (Stuttgarter Nachrichten, 11.4.2017).