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ОглавлениеDas Weihnachtsgeschenk vom Großonkel
Dass der Weihnachtsmann selbst mal ein Geschenk bekommt und dass es dann auch noch so ungewöhnlich ist, hätte er selbst nie gedacht.
Da staunte er nicht schlecht. Zwei Tage vor Weihnachten wurde die Kiste vom Kobold Transportunternehmen Schnelle Wolke zugestellt. Kaum passte sie durch die Tür des Wohnzimmers und die vier Kobolde des Transportunternehmens mussten ganz schön schleppen.
Herr und Frau Weihnachtsmann staunten nicht schlecht über die große Kiste mit den auffälligen Lüftungsschlitzen und Frau Weihnachtsmann versuchte neugierig durch einen dieser Schlitze zu schauen, um herauszufinden, was wohl in der Kiste sein möge.
Aber man sah einfach nichts, was die Neugier natürlich nur noch vergrößerte.
Was alle nicht sofort gesehen hatten war ein Brief, der am oberen rechten Rand befestigt war.
»Schau, schau«, sagte der Weihnachtsmann, nachdem er den Brief entdeckt hatte. Sicher wird der Brief einiges erklären. Er entfernte vorsichtig den Brief von der Kiste und öffnete ihn.
Natürlich wollte Frau Weihnachtsmann sofort wissen, von wem die Kiste kam, aber der Weihnachtsmann meinte in seiner ruhigen Art nur, dass sie sich ein wenig gedulden solle. Er müsse erst seine Lesebrille suchen, die wieder einmal nicht dort lag, wo er sie hingelegt hatte.
Da konnte sie auch nicht liegen, da er sie nach oben auf seine Stirn gedrückt hatte, was wiederum ein Kichern bei Frau Weihnachtsmann hervorrief.
Nachdem dann die Brille auf der Nase saß, sagte er ihr, dass dieser Brief von seinem Großonkel Otto-Nikolas sei.
Dann las er den Inhalt des Briefes langsam vor.
»Liebes Kläuschen …«, »hoh«, sagte der Weihnachtsmann ein wenig grantig. »Tausendmal habe ich ihm schon gesagt, er möge mich nicht so nennen. Ich bin ein erwachsener Mann mit über einhundertzwanzig Kilogramm und kein kleines Kläuschen mehr.«
Wieder kicherte seine Frau und bat ihn dann aber weiterzulesen.
»… Hier ist ein kleines Geschenk für dich, welches ich selber vor langer, langer Zeit von meinem Großonkel erhalten habe. Es hat mir immer große Freude bereitet, ihm beim Spielen zuzuschauen, ihn zu streicheln und ihm kleine Kunststücke beizubringen. Auch die Spaziergänge mit ihm habe ich immer genossen und ich bin wenigstens vor die Tür gekommen. Er ist ein Leben im Haus gewohnt und braucht den Familienanschluss, da er der letzte seiner Art ist und sonst niemanden hätte. Dann würde er bestimmt vor Traurigkeit sterben. Ich selber bin jetzt zu alt für ihn und mein Rheuma zwingt mich, dieses Jahr den Winter an einem sonnigen Strand auf den Bahamas zu verbringen.
Da wären kleine Drachen wohl nicht so beliebt. Da du mir als Kind einmal gesagt hast, dass du dir auch gerne einen Drachen halten würdest wenn du groß bist, habe ich sofort an dich gedacht. Du wirst dem kleinen Dragofuera wohl ein gutes Herrchen sein. Ich schau dann mal nächstes Jahr irgendwann rein, um zu sehen, wie er sich so eingelebt hat.
Dein Großonkel Otto-Nikolas.«
Frau Weihnachtsmann schaute ein wenig verdutzt drein und stammelte nur die Worte »Drachen … neues Herrchen … für immer bei uns … Familienanschluss?!«
Dann fasste sie sich und sagte ein deutliches »Nein! Kommt gar nicht in die Tüte! Es ist doch wohl jedem bekannt, dass Drachen nach Schwefel riechen, sie brauchen viel Platz, stoßen beim Herumtollen und Herumfliegen mit dem Schwanz alles runter, verschrecken deine Rentiere und wenn sie Feuer speien, dann gibt es immer Brandflecken auf dem Teppich.«
Dann wurde das Nein so ungefähr fünfmal oder sechsmal wiederholt. Nein, nein, nein, nein und nochmals nein! Ungefähr so muss es sich angehört haben.
Der Weihnachtsmann setzte sich erst einmal in den großen Ohrensessel im Wohnzimmer und atmete einmal kräftig durch. Jetzt brauche ich einen starken Nordpolrum. Das muss ich mir erst einmal alles durch den Kopf gehen lassen. So etwas kann ich ja gerade überhaupt nicht gebrauchen, dachte er so für sich. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn langsam der Stress am größten wird.
Dann erklang ein fast ängstliches Piepsen aus der Kiste. Langsam kamen ein kleines Näschen, dann zwei große braune Augen hervor, bis sich dann der ganze Kopf mit den beiden langen, flauschigen Ohren zeigte.
Ängstlich schauten diese Augen erst den Weihnachtsmann und dann seine Frau an.
»Oh«, sagte diese, »der ist ja süß. So groß wie ich gedacht habe ist der ja gar nicht.«
Langsam näherte sie sich der Kiste, um den Kleinen einmal richtig anzuschauen. Als sie nahe genug an der Kiste war, machte Dragofuera einen großen Sprung und landete genau in den Armen von Frau Weihnachtsmann. Direkt schleckte er ihr ganzes Gesicht mit seiner lila Zunge ab. Dabei winselte er vor Freude. »Hi, Hi, das kitzelt und wie weich sein Näschen ist und er riecht ja auch gar nicht nach Schwefel.« Dragofuera kuschelte sich direkt ganz fest an Frau Weihnachtsmann, als ob er sie schon tausend Jahre kennen würde und als wolle er nie wieder von ihrem Arm herunter.
Und auch Frau Weihnachtsmann hielt ihn ganz fest und kuschelte mit dem Kleinen.
»So ein kleines süßes Kerlchen können wir doch so kurz vor Weihnachten nicht einfach wieder zurückschicken, zumal ja Großonkel Otto-Nikolas sowieso nicht zuhause ist. Wer soll sich dann um ihn kümmern? Wir behalten ihn erst einmal hier und schauen, ob es irgendwelche Probleme gibt. Sein Körbchen stellen wir oben in die Dachbalken über den Kamin. Dort hat er es warm und kann alles überschauen.«
»Aber, aber«, sagte der Weihnachtsmann. »Hast du nicht gerade noch gesagt, das kommt überhaupt nicht in die Tüte? Sagtest du nicht, er macht Brandflecken, stößt Dinge um und riecht nach Schwefel? Sollten wir das nicht noch einmal überdenken? Und verträgt er sich überhaupt mit unserem Flunsch und unserer Hausmaus Friedolina?«
»Typisch Mann«, seufzte Frau Weihnachtsmann. »Du siehst immer nur erst einmal, wo es Probleme geben könnte. Du wirst sehen, Dragofuera wird sich schon mit den anderen Haustieren verstehen. Hast du schon den Brief von deinem Großonkel vergessen? Du kannst ihn streicheln und ihm Kunststücke beibringen und er will täglich einen Spaziergang mit dir machen. Dann kommst du wenigstens häufiger vor die Tür und verschwindest nicht immer direkt nach dem Abendessen auf dem Sofa. Dragufuera bleibt, basta aus!«
Da konnte der Weihnachtsmann nicht mehr nein sagen, das hätte sowieso nichts mehr gebracht.
Denn das Wort von Frau Weihnachtsmann ist eben Gesetz im Hause des Weihnachtsmannes.
Wie sich Dragofuera eingelebt hat, was er für Streiche im Hause des Weihnachtsmannes gespielt hat und ob er sich mit dem Flunsch und der Hausmaus Friedolina vertragen hat, dass wollt ihr jetzt sicherlich noch wissen. Aber das sind alles andere Geschichten.