Читать книгу Weihnachtsgeschichten - Siegfried Mau - Страница 9

Оглавление

Anke kommt


Gerade war der Postkobold im Hause des Weihnachtsmannes und brachte, wie jeden Tag, einen riesigen Berg Post.

Wie immer waren viele Wunschzettel der Erdenkinder aus allen Teilen der Welt dabei, ein paar Rechnungen von Spielzeugzubehörlieferanten und ein auffallend rosa Umschlag, der angenehm nach süßem Parfum roch und vorne einen dicken Lippenabdruck von einem knallroten Lippenstift trug.

Diese Umschläge kannte der Weihnachtsmann nur zu Genüge. Der war von Anke.

Sofort runzelte der Weihnachtsmann die Stirn und sagte zu seiner Frau: »Ein Brief von Anke, was will denn wohl die Nervensäge wieder von mir? Geburtstag hatte ich nicht, deshalb wird es wohl keine Geburtstagskarte sein. Mal sehen, wie sie mich heute wieder nerven will.«

»Sei nicht so grummelig, sondern mach den Brief auf. Dann kannst du lesen, was sie von dir möchte«, antwortete die Frau des Weihnachtsmannes.

Gesagt, getan und schon öffnete der Weihnachtsmann den Brief und las, was seine kleine Schwester ihm geschrieben hatte.

»Hallo Schnurzilein!« Der Weihnachtsmann pustete heftig aus und schimpfte so vor sich hin. »Tausend und dreimal habe ich ihr gesagt, dass sie mich nicht immer Schnurzilein nennen soll. Was sollen denn die Bewohner des Weihnachtsreichs denken, wenn mich einer Schnurzilein nennt, ich bin doch kein Kater, ich bin der Weihnachtsmann und damit die größte Respektsperson im Weihnachtsreich.«

»Jetzt ärgere dich nicht schon beim ersten Satz, sondern lies weiter. Sonst erfährst du nie, was deine kleine Schwester von dir will«, kam sofort der Einwand seiner Frau.

Der Weihnachtsmann las langsam, aber immer noch ein wenig verärgert weiter.

»Also nochmal. Lieber Schnurzilein, du wirst es nicht glauben, aber ich habe in der Vorweihnachtszeit etwas Zeit gefunden. Deshalb komme ich euch besuchen und bleibe bis Weihnachten. Ich bin schon morgen früh da. Sicher freut ihr euch schon.

Einen dicken Kuss, deine kleine dich liebende Schwester Anke.«

Wieder musste der Weihnachtsmann durchpusten. »Die hat mir gerade noch gefehlt. Habe ich nicht schon genug Stress in der Vorweihnachtszeit? Alles bringt sie durcheinander. Nie steht ihr Mund still. Immer will sie irgendwas machen. Mein ganzer Tagesablauf wird gestört und was mich am meisten ärgert ist, dass sie so viel Spaß daran hat, mich immer wieder zu ärgern. Das hat sie schon als Kind gemacht. Ich erinnere mich nur zu gut daran, wie sie meinen Lutscher mit Salz bestreut, wie sie immer wieder meine Schnürsenkel verknotet oder wie sie die Münzen von meinem Taschengeld auf der Tischplatte festgeklebt hat. Letztes Mal als sie uns besucht hat, da hat sie mir eine Reißzwecke unter mein Stuhlkissen gelegt. Als ich dann mit ihr geschimpft habe, hat sie nur gekichert und gesagt, dass man bei so einem dicken Hintern eigentlich gar nichts spüren dürfte. Ich solle mich nicht so anstellen. Dann war da noch die Sache mit meiner Pfeife. Die hat sie mir einfach mit einem Pfeifenreiniger verstopft, so dass ich nicht mehr rauchen konnte. Und dass sie dann kichernd sagte, dass wir jetzt richtig gute Luft im Hause haben, das war ja wohl eindeutig zu viel. So etwas brauche ich im Moment wirklich nicht.«

»Ach, stell dich nicht so an, deine kleine Schwester hat auch gute Seiten. Denk mal daran, wie sich die Hauselfen immer freuen wenn sie kommt, wie sie mit unserem Flunsch oder mit unserem Drachen Dragofuera spielt und bei der Hausarbeit hilft sie mir auch immer. Dass sie nach dem Abspülen alle Sachen in die falschen Schränke räumt, damit kann man doch leben.«

»Ja, ja«, erwiderte der Weihnachtsmann, »beim letzten Male ist beim Herumtoben die Standuhr umgefallen und Dragofuera hat sie beigebracht, wie man Wurststückchen vom Teller klaut. Das wird ja wohl wieder heiter werden.«

Frau Weihnachtsmann lächelte nur und erwiderte gar nichts mehr. Aber als sie in die Küche ging, da hörte man sie leise sagen, dass jetzt wohl endlich mal wieder ein wenig Leben in die Bude kommen würde.

Der nächste Morgen kam und pünktlich um 9 Uhr morgens klingelte es an der Tür. Da war sie, Anke. Dicht umringt von einer Elfenkinderschar, die sich an ihrem auffallend bunten, weiten Rock festhielten oder aufgeregt an ihr herumzupften. Wohl nicht nur, weil sie alle Kinder im Weihnachtsreich liebten, sondern auch, weil sie immer eine riesige Tüte Süßigkeiten mit den besten Lutschern der Welt mitbrachte und jedes Kind gerne einen ergattern wollte.

Schon von draußen rief sie mit lauter Stimme: »Schnurzilein, ich bin da«, was den Weihnachtsmann wiederum die Augen verdrehen ließ. Flink huschte sie herein und dann drückte sie erst einmal den Weihnachtsmann und seiner Frau einen dicken Kuss auf die Wange, was bei beiden einen dicken, roten Lippenstiftabdruck hinterließ.

Auch der Flunsch und Dragofuera hatten natürlich mitbekommen, dass Anke da war und stürzten sich wie wild auf sie, um herumzutollen und sich natürlich ihre Streicheleinheiten abzuholen.

Leider ging dabei der Schirmständer im Flur zu Bruch. Der Weihnachtsmann schüttelte nur den Kopf und sagte, dass es ein antiquarisches Stück sei, aber Anke meinte nur, dass so ein altes Ding sowieso mal neu angeschafft werden müsste. Der wäre doch bestimmt schon vierhundert Jahre alt.

Die Frau des Weihnachtsmannes meinte, sie solle schnell ihr Gepäck auf ihr Zimmer bringen und dann in die Küche kommen. Dann würden sie ein besonders großes Frühstück vorbereiten und schon einmal ein wenig plaudern. So wie man es ja wohl von Frauen kennt.

Zehn Minuten später waren die zwei dann auch schon in der Küche.

Von außen hörte man schon ein Kichern hier, ein Kichern da und wie Frauen so sind, Gerede, Gerede und nochmals Gerede. Was da wohl ausgeheckt wurde?

Der Tisch wurde im Esszimmer gedeckt und Anke kicherte dabei immer wieder. So als wenn Sie irgendeinen Unsinn im Kopf hatte. Aber das mit dem Unsinn machen wäre ja bei Anke nichts Neues gewesen.

Dann setzten sich beide an den gedeckten Tisch und schickten einen der Hauselfen los, den Weihnachtsmann zu holen, der schon in der Werkstatt des Weihnachtsreichs nach dem Rechten schaute.

Er wurde sofort von Anke mit einem dicken Kuss auf der Stirn empfangen. Was er nicht bemerkt hatte war, dass Anke ihre Lippen vorher mit Honig eingeschmiert hatte. Jetzt hatte der Weihnachtsmann einen dicken, klebrigen Honiglippenabdruck auf der Stirn. Deshalb musste auch die Frau des Weihnachtsmannes kichern und der Weihnachtsmann grübelte vor sich hin, was wohl schon wieder so lustig sei.

Langsam setzte er sich hin, weil er wohl damit rechnete, sich auf eine Reißzwecke zu setzen, aber da war keine. Die fand er erst, als er mit seinem linken Fuß in seinen Hausschuh schlüpfte und es richtig pikste.

Sein dickes »Au« brachte wieder nur ein Kichern der beiden Frauen hervor und der Weihnachtsmann wollte sich nichts anmerken lassen, kochte aber schon förmlich im Inneren.

Er setzte dann erst einmal seine Brille auf, um die Zeitung lesen zu können.

Was er nicht bemerkt hatte war, dass Anke die Brillenbügel ebenfalls mit Honig beschmiert hatte. Die klebten jetzt natürlich sofort an dem Bart des Weihnachtsmannes und seinen Ohren fest. Das merkte er sofort und nahm die Brille wieder ab, was natürlich ziemlich unangenehm an den Barthaaren ziepte.

Er schnaufte zweimal heftig, wurde rot im Gesicht und alle erwarteten förmlich seinen verärgerten Aufschrei. Aber wieder tat er so, als wenn überhaupt nichts gewesen wäre. Wieder kicherten die beiden Frauen.

Dann wollte der Weihnachtsmann seine Zeitung aufschlagen, aber siehe da, irgendjemand hatte doch tatsächlich die Seiten verklebt. Wer konnte das wohl gewesen sein?

Der Weihnachtsmann verzog seine Oberlippe nach rechts, kräuselte die Stirn, holte tief Luft, machte eine Faust und alle erwarteten förmlich das große Donnerwetter, aber wieder geschah nichts. Er legte die Zeitung an die Seite, nickte nur ein wenig und wollte dann sein gekochtes Ei essen.

Er suchte den Eierlöffel, aber fand ihn nicht. Als er sich ein wenig bückte, um zu schauen, ob er vielleicht auf dem Boden gefallen war, nutzte Dragofuera direkt die Gelegenheit, um dem Weihnachtsmann ein halbes belegtes Brötchen vom Teller zu stehlen.

Ihr könnt euch vorstellen, dass der Weihnachtsmann dies überhaupt nicht gut fand. Aber den Trick hatte Anke ihm beigebracht.

Als sie dann noch scheinheilig fragte, ob er einen Eierlöffel bräuchte und sagte, dass sie einen abgeben könnte da sie zwei habe, lief der Weihnachtsmann rot an. Eigentlich war es schon dunkelrot. Das brachte die beiden Frauen aber wieder nur zum Kichern.

Er nahm den Eierlöffel und wollte damit sein gekochtes Ei aufschlagen. Aber irgendwie konnte er die Eierschale nicht zerschlagen. Anke hatte das Hühnerei nämlich gegen ein Gipsei ausgetauscht.

Der Weihnachtsmann nahm es aus dem Eierbecher und schaute es ungläubig an.

Dann wurde er noch dunkelroter im Gesicht, machte beide Hände zu Fäusten, atmete tief durch, zog die Stirn nach unten und dann plötzlich lachte er so laut los, dass die Bilder der Großeltern an der Wand vibrierten und Drogofuera und der Flunsch sich in den obersten Winkel des Dachstuhles verzogen, weil sie nicht wussten, was denn wohl passiert war.

Dann sagte der Weihnachtsmann immer noch unter großem Lachen: »Anke, wie kann sich ein Mensch nur so viel Unfug in so kurzer Zeit ausdenken?«

Dann nahm er seine kleine Schwester in den Arm und drückte sie ganz fest.

Wegen dem Honig im Bart des Weihnachtsmannes klebten die beiden erst einmal ein wenig mit den Wangen zusammen, was wiederum einen großen Lachanfall bei allen dreien auslöste.

Was Anke noch für Scherze in den nächsten Tagen mit dem Weihnachtsmann machte, ist nicht überliefert. Alle wissen, dass der Weihnachtsmann seine kleine Schwester trotzdem sehr lieb hat und dass es wohl sehr lange gedauert hat, bis er die letzten Honigreste aus seinem Bart herausgewaschen hatte.


Weihnachtsgeschichten

Подняться наверх