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3. Spott über Berlin und die Berliner
ОглавлениеWie jeder echte Berliner, machte sich Humboldt gerne über Missstände in seiner Heimatstadt lustig. Er hatte einen ausgesprochenen Sinn für Witz und Ironie. Um nicht in den schon von Theodor Fontane an Humboldt-Biographen gerügten Fehler der ständigen Schönfärberei[34] zu verfallen, soll aber nicht verschwiegen werden, dass die kritischen Urteile nicht immer nur humorvoller Art waren. Er konnte auch recht bissig sein, etwa wenn er Berlin mit der Weltstadt Paris verglich. „Männer von Talent,“ schrieb er, „finden [in Paris] bald und dauernd Anerkennung; in Berlins nebuloser Atmosphäre, die den Gesichtskreis ringsum verschleiert und wo Alles und Jedes nach der Schreiber-Schablone gemessen wird, kann davon nicht die Rede sein.“[35]
Vor Humboldts Moquerie war nichts und niemand sicher. Hatte er als junger Mann noch die „reizende anmutsvolle Natur“[36] gepriesen, die er auf dem elterlichen Schloss Tegel genoss, so klagte er am „Abend eines bewegten Lebens“ dem Fürsten Pückler gegenüber, dass er die „Unnatur“ der Berliner Umgebung verscheuchen müsse, indem er sich aus seiner Erinnerung Palmenwälder dahin „zaubere“, wo „verkümmerte Coniferen als Hasenheide sich bis an die chinesische Grenze in einförmigem Zuge dahinziehen.“[37] Positive Äußerungen über Berlin und seine Bewohner sind in Humboldts Briefen ausgesprochene Mangelware, dagegen ist die Zahl abwertender Urteile Legion.
Da heißt es bei ihm etwa: Berlin sei „eine moralische Sandwüste, geziert durch Akaziensträucher und blühende Kartoffelfelder,“[38] in Berlin werde „alles und Jedes nach der Schreiberschablone gemessen.“[39] Er nannte Berlin eine intellektuell verödete, kleine, unliterarische und dazu überhämische Stadt,[40] „wo man monatelang gedankenleer an einem selbstgeschaffenen Zerrbild matter Einbildungskraft naget.“[41] Die Berliner, „die wenig zur Anerkennung fremden Verdienstes geneigt sind, immer besseres zu besitzen glauben, als man ihnen bringt,“[42] hörten nicht auf, ihm zu versichern, er werde hier „sehr, sehr glücklich“ sein – zuletzt werde er es noch „selbst glauben.“ Wie unzufrieden Humboldt in Berlin und mit den Berlinern allerdings sein konnte, zeigt die folgende Briefpassage:
„[…] es ist die alte edle Sitte meiner Vaterstadt den Berliner in abstracto über alle andere Städtebewohner Europa’s zu erheben, aber mit Tigerkrallen und Berliner Gossenkoth auf jeden loszuziehen der sich erfrecht einen concreten Berliner ein Individium, besonders wenn er einen Semitischen Namen führte, öffentlich im Auslande zu rühmen.“[43]