Читать книгу "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können" - Sigrid-Maria Größing - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеDen Lauf der Geschichte bestimmten, nicht erst seitdem es schriftliche Aufzeichnungen gibt – die Mächtigen. Es waren dies Menschen, die auf Grund besonderer Fähigkeiten berufen waren, über andere zu herrschen und deren Schicksal zu beeinflussen. Regeln und Satzungen allein garantierten keine Ruhe und Ordnung im Staat, nur ein Herrscher, der nicht als Mensch über seine Untertanen regierte, sondern einen göttlichen Auftrag vollzog, vermochte dies. Er entglitt gleichsam dem Kreis seiner Mitmenschen, wurde »übermenschlich«, unnahbar – von Gott gesandt.
Und trotzdem blieben die Kaiser und Könige, die Fürsten und Potentaten Menschen und handelten als solche, trotz aller Glorifizierung, trotz eines Zeremoniells, das sie zu Marionetten werden ließ. So sehr sich auch manche Kaiser und Könige bemühten, abgehoben von ihrem Volk gleichsam im luftleeren Raum zu schweben, so mußten sie doch am Ende ihres Lebens zur Erde, auf den Boden der Wirklichkeit, zurückkehren, belastet durch ihre Existenz als Mensch.
Dieses Buch soll die Habsburger, deren Gesichter und Gestalten sehr oft hinter undurchsichtigen Masken verborgen blieben, ungeschminkt zeigen, es soll dem Leser darlegen, welche Sorgen und Nöte, welche Vorlieben und Schwächen, aber auch welche zwischenmenschliche Probleme sie plagten. Mit einigen von ihnen hatte es das Schicksal gut gemeint, denn sie fanden in den von den Eltern arrangierten Ehen Glück und Zufriedenheit. Dabei waren persönliche Sympathie, ja Liebe kein Aspekt, nach dem dynastische Verbindungen beschlossen wurden. Einzig und allein politische Dimensionen, Landgewinn, wirtschaftliche Besserstellung, Übereinstimmung der Religion oder Allianzen, die durch die privaten Beziehungen leichter zustande kommen konnten, zählten. Keiner dachte dabei an die beiden Menschen, die ein Leben miteinander verbringen sollten. Schreckliche Überraschungen standen deshalb auf der Tagesordnung, wenn sich ein hübsches, blutjunges Mädchen bei der Trauung plötzlich einem völlig unattraktiven, ältlichen Manne gegenübersah, mit dem es in den nächsten Stunden das Bett teilen sollte. Kaum ein Chronist fand sich, der die Gefühle, die Enttäuschungen und die Tränen der Betroffenen aufzeichnete.
Das Leben der Herrscher und ihrer Frauen war geprägt von Freud und Leid, von Liebe und Tod. Denn allzu oft zerstörte ein früher Tod gerade die Ehen, die scheinbar im Himmel begonnen hatten wie bei Kaiser Maximilian I., der seine junge schöne Gemahlin Maria von Burgund über alles liebte und schon nach wenigen Jahren verlor. Selten überlebte eine Frau ihren Mann, ihr Tod in jungen Jahren war durch das alljährliche Kinderkriegen gleichsam vorprogrammiert.
Jahrhundertelang war das Leben der Herrscher unstet. Das immerwährende Herumziehen innerhalb der vielen habsburgischen Besitzungen brachte täglich neue Probleme mit sich. Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging, kannte keine eigentliche Residenzstadt. Er war ständig unterwegs, den Unbilden der Natur ausgesetzt und schon in jungen Jahren von einem Bündel von Krankheiten und Schmerzen geplagt. Gicht und Nierensteine, offene Beine und ein Rückenleiden machten ihm das Leben zur Hölle. Niemand konnte ihm helfen, die Ärzte standen ihm zwar mit guten Ratschlägen zur Seite und verordneten ihm Mixturen oder ließen ihn zur Ader, aber wirkliche Linderung seiner vielfältigen Leiden verschaffte ihm niemand. Daß dieser gepeinigte Mann Entscheidungen, die man ihm in einer von anhaltenden Religionsstreitigkeiten durchsetzten Zeit abverlangte, nicht immer zum Wohle aller traf, begreift man, wenn man seine körperliche Verfassung mitberücksichtigt.
In dem vorliegenden Buch wurde versucht, die menschliche Seite in der Geschichte dem Leser vor Augen zu führen. Dabei stand das Bemühen im Vordergrund, aus den oft blassen historischen Figuren Menschen aus Fleisch und Blut zu schaffen und ihnen Leben einzuhauchen, damit sie als leibhaftige Gestalten uns Heutigen erscheinen. Nur so wird es uns möglich sein, sie besser zu verstehen und ihre Taten in anderem Licht zu sehen.
Großgmain, September 1998Sigrid-Maria Größing