Читать книгу "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können" - Sigrid-Maria Größing - Страница 9

»Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!«

Оглавление

FERDINAND I. UND ANNA VON UNGARN

Lange Schatten warf die Zukunft voraus. Das Weltbild der Menschen, die sich bis dahin im Schoße der Kirche geborgen gefühlt hatten, wankte. Christoph Kolumbus, der seefahrende Genuese, hatte Amerika entdeckt, und überall waren Abenteurer und Glückssucher unterwegs, um den Menschen des 16. Jahrhunderts neue Möglichkeiten zu zeigen, ihren Blick auf ferne Länder zu richten und alle bisher geglaubten Theorien in Frage zu stellen. Astronomen, Astrologen, Alchemisten, Philosophen forschten nach dem Unbekannten in der Natur, das nur darauf wartete, ans Licht geholt zu werden.

Aber auch im Inneren der Menschen selbst gärte es. Zweifel kamen auf, ob das, was die Kirche jahrhundertelang als absolute Wahrheit verkündet hatte, der einzig richtige Weg zum ewigen Heil sein sollte. Männer traten auf und wiesen neue Bahnen, beunruhigten mit ihren Theorien nicht nur den einfachen Christen, sondern auch den Kaiser. Es war schwierig, in diesen Tagen Herrscher zu sein; nur ein ungewöhnlicher Geist konnte die Probleme der Zeit erkennen und eine Lösung suchen.

Maximilian I. hätte die Fähigkeiten gehabt, der neuen Zeit die Stirn zu bieten, er war aufgeschlossen in allen Bereichen des Lebens und der Politik. Alles, was ihm fehlte, war das nötige Geld, um seine Interessen auch gebührend durchsetzen zu können. So sehr er auch stets versuchte, seine finanziellen Verhältnisse zu verbessern, so schwierig war es für ihn, Geldgeber zu finden. Er hatte keine glückliche Hand in diesen Dingen. Mehr Geschick bewies er, wenn es galt, günstige Heiraten abzuschließen, eine Voraussetzung, um die Vormachtstellung des Hauses Habsburg für die Zukunft zu sichern. Seine beiden Kinder Philipp und Margarete hatte er nach Spanien verheiratet, seine Enkel sollten verwandtschaftliche Beziehungen zu halb Europa knüpfen. »Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!« Ein Motto, das über den letzten Lebensjahren Maximilians geschrieben stand. Gelang es ihm, seine beiden Enkel Karl und Ferdinand günstig zu verheiraten, so konnten sie das Riesenreich noch vergrößern.

Schon Maximilian selbst hatte durch seine erste Gemahlin einen reichen Gebietszuwachs – Burgund mit seinen Nebenländern – erzielt. Sein Sohn Philipp erbte durch eine unvorhergesehene Fügung des Schicksals Spanien, Neapel, Sizilien und damit auch die neuentdeckten Länder, die zur spanischen Krone gehörten. Nach dem frühen Tod Philipps waren minderjährige Kinder und eine geisteskranke Witwe zurückgeblieben. Maximilian als Haupt der Großfamille traf weiterhin alle wichtigen Entscheidungen selbst. Das Weltreich, das in den Händen Juanas lag, war zuviel für einen einzelnen Menschen, nicht beherrschbar für einen Mann, eine Unmöglichkeit für eine gemütskranke Frau.

Der älteste Sohn Philipps, Karl, der in den Niederlanden aufgewachsen war, sollte Maximilians Erbe als Kaiser antreten. Karl hatte man bewußt in den Niederlanden erzogen, um aus ihm, in dessen Adern spanisches, burgundisches und österreichisches Blut floß, einen populären Herrscher zu machen. In seiner grüblerischen, bigotten Art hätte Karl aber wohl besser nach Spanien gepaßt, wo sein Bruder Ferdinand als Spanier erzogen werden sollte, der aber in den Niederlanden eher am Platze gewesen wäre. Dem vierten Kind aus der leidenschaftlichen Ehe zwischen Philipp dem Schönen und Johanna der Wahnsinnigen, dem jungen Ferdinand, schenkte man auch im Reich besondere Aufmerksamkeit. Im allgemeinen waren zwar später geborene Kinder nicht so interessant wie die Erstgeborenen, aber Philipp hatte nur diese beiden Söhne, so daß man immer zittern mußte, ob nicht einer eines plötzlichen Todes starb. Dann würde der andere in die Fußstapfen des Bruders treten müssen.

Ferdinand war am 10. März 1503 im spanischen Schloß Alcalá de Henares bei Madrid geboren worden und blieb lange Zeit zusammen mit seiner jüngsten Schwester Katharina in Spanien. Das fröhliche Kind war der Liebling seines Großvaters mütterlicherseits, nach dem er auch getauft worden war. Ferdinand von Aragon hatte keine besonders gute Beziehung zu seinem schönen Schwiegersohn gehabt, gar bald hatte er erkannt, daß Philipp ein machtgieriger, ziemlich rücksichtsloser, vor allem auf seinen Vorteil bedachter junger Mann war. Daß die Ehe seiner Tochter Juana nicht zum besten stand, war auch nicht zu übersehen.

Auch hier hatte der Tod Philipps so manchen Konflikt gelöst, bevor er zum Ausbruch gekommen war. Ferdinand sah deutlich, daß Juana auf keinen Fall die Regentschaft über Spanien antreten konnte. Einer der Söhne mußte der zukünftige König von Spanien sein. Für den Kaiser war es klar, daß der älteste Sohn Karl alle Macht in seinen Händen vereinigen würde, Ferdinand von Aragon allerdings hoffte auf seinen jüngeren Enkel.

Zunächst hatte man den kleinen Sohn und seine Schwester bei der Mutter gelassen, um ihr einen Trost zu gönnen. Als man aber sah, wie sehr sich Juana geistig und körperlich vernachlässigte, mußte man eine neue Obhut für die Kinder suchen.

Der junge Ferdinand wurde ganz im spanischen Sinn erzogen, er lernte Spanisch, Französisch, Italienisch und Flämisch. Schon bald erkannte man die große Aufgeschlossenheit des Knaben, der sich für Literatur und die schönen Künste interessierte. Dazu kam sein heiteres, sonniges Wesen, das im Gegensatz zu der eher mißtrauischen, verschlossenen Art seines älteren Bruders stand. Es gab Pläne, ihn mit einer französischen Prinzessin zu verloben, der Kaiser aber hatte anderes vor. Maximilian war mit dem Jagiellonenkönig Wladislaw II. von Ungarn (als König von Böhmen Wladislaw V.) übereingekommen, dessen Tochter Anna mit einem habsburgischen Prinzen zu vermählen; Maria, die Enkelin Maximilians I., sollte den jungen Ludwig, den Sohn Wladislaws, heiraten. Nach intensiven Verhandlungen von beiden Seiten wurde beschlossen, daß Maximilian stellvertretend für einen seiner Enkel die blutjunge Anna zum Altar führen, während ihr Bruder Ludwig Maria sein Ja-Wort geben sollte. Der Kaiser wußte nämlich zu dieser Zeit, man schrieb das Jahr 1514, noch nicht, welcher seiner Enkel die ungarische Prinzessin zur Frau bekommen sollte. Wladislaw setzte zwar alles daran, daß der zukünftige Kaiser Karl seine Tochter ehelichen sollte, aber Maximilian wollte noch einige Zeit verstreichen lassen, um die politischen Konstellationen abzuwarten und dann erst eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Nachdem sich die beiden Herrscher geeinigt hatten, zog man mit großem Gefolge nach Wien, um dort 1515 die Doppelhochzeit zu feiern. Dieses Ereignis sollte als der erste Wiener Kongreß in die Geschichte eingehen. Die Chronisten berichteten von einem riesigen Fest, das mit eindrucksvollem Gepränge abgehalten wurde. Man verstand in dieser Zeit zu feiern, und die Lustbarkeiten dehnten sich über viele Wochen aus. In den Quellen findet man ausführliche und anschauliche Berichte über die Hochzeitsfeierlichkeiten: Der enge Vertraute Maximilians, Johann Spießhammer, der im Stil der Zeit seinen Namen latinisiert hatte und sich als Chronist Cuspinianus nannte, schildert in anschaulichen Worten das große Ereignis, das zu einem einmaligen Fest für Wien und den Kaiser werden sollte. Es war ein Treffen von drei mächtigen Herrschern, hinter dem das Ziel des Kaisers stand, die drei Länder Böhmen, Ungarn und Österreich durch ein Ehebündnis zu vereinen.

Die Könige aus Ungarn und Polen zogen zum Schloß Trauttmansdorff in der Nähe von Wien, wo die erste Zusammenkunft stattfinden sollte. König Wladislaw war schon sechzig Jahre alt und ließ sich in einer Sänfte tragen, während Anna in einem von sechs Schimmeln gezogenen Prunkwagen beim Schloß vorfuhr. Der polnische König hingegen, der Bruder Wladislaws, dem man Lebenslust und Frohsinn ansah, ritt auf einem edlen Roß, dessen Geschirr von Gold und Edelsteinen strotzte. Auch der junge Ludwig kam zu Pferde, umgeben von den Mächtigen des Reiches. Alles erwartete die Ankunft des Kaisers, viel Volk war gekommen, um das Schauspiel mit eigenen Augen sehen zu können, man hatte den weiten Weg aus Böhmen, Ungarn und Polen, ja selbst aus der Tartarei nicht gescheut, um das einmalige Fest miterleben zu können. Gaukler und Taschenspieler, Traumdeuter und Handleserinnen tummelten sich hier und unterhielten die Wartenden mit ihrer Kunst. Endlich ertönte von ferne heitere Musik, glänzende Reiter in blinkenden Rüstungen galoppierten heran, und dann sah man auch ihn, den Kaiser.

Maximilian war nicht mehr jung, als er zum glanzvollsten Fest des Jahrhunderts nach Wien kam. Er war sechsundfünfzig, und die Jahre hatten tiefe Furchen in seinem einstmals männlich schönen Gesicht hinterlassen. Jetzt aber strahlte er, als er seiner mit Gold und Purpur verzierten Sänfte entstieg. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Macht, nach einem Leben voller Geldsorgen, voller Auseinandersetzungen mit dem französischen König, mit Bürgern und Bauern. Alles schien jetzt vergessen. Die Gesandten der mächtigsten Staaten Europas waren nach Wien gekommen, um ihm zu huldigen und die Hochzeit seiner Enkelin zu verschönern. Die Abgesandten Spaniens, Englands, Bayerns, Württembergs, Mecklenburgs und anderer Länder gaben dem Fest durch ihre Anwesenheit ein feierliches Gepräge. Dazu kamen noch die Adeligen aus dem Reich und aus Österreich, die es nicht versäumen wollten, hier in Wien dem Kaiser die Ehre zu erweisen.

Nachdem Maximilian seiner Sänfte entstiegen war, ging er auf die Kinder zu und reichte ihnen freundlich die Hand. In lateinischer Sprache rief er laut aus: »Dies ist der Tag, den der Herr gesendet. Lasset uns freudig und fröhlich sein.« Als die große Menge des Volkes die Worte des Kaisers hörte, brach ein unwahrscheinlicher Jubel aus, die Kinder schmiegten sich an Maximilian, und Wladislaw konnte vor Rührung kein Wort herausbringen. Man war sich der bedeutungsvollen Stunde bewußt, die Zeichen der Zeit standen gut für eine endgültige Vereinigung der drei Länder im Osten. Freilich konnten die Anwesenden damals noch nicht erahnen, wie eng Böhmen und Ungarn in den nächsten vier Jahrhunderten mit dem Schicksal Österreichs verknüpft sein sollten. Die Weichen hiezu wurden bei der Wiener Doppelhochzeit gestellt.

Heiraten, bei denen die zukünftigen Eheleute gar nicht anwesend waren, entsprachen ganz dem Stil der Zeit. Wenn man bedenkt, daß es in den bedeutenden europäischen Herrscherfamilien durchaus üblich war, Söhne und Töchter im Kleinkinderalter zu verheiraten, kann man sich vorstellen, daß diese Eheschließungen immer durch Stellvertreter vorgenommen wurden. Die Kinder wuchsen heran, und erst wenn sie in der Lage waren, die Ehe tatsächlich zu vollziehen, machte man sie miteinander bekannt. Die betreffenden jungen Eheleute hatten dann überhaupt kein Einspruchsrecht mehr. Viele der Töchter wurden förmlich als Heiratsgut verschachert. Was spielte es schon für eine Rolle, wie die Brautleute aussahen oder ob sie zueinander paßten! Erstaunlicherweise gab es aber doch genügend junge Leute, die sich aneinander gewöhnten und sich in gewissem Maße auch sympathisch waren.

Die Doppelhochzeit von Wien war unter den gleichen Voraussetzungen vereinbart worden. Aber ein glücklicher Zufall wollte es, daß die zwölfjährige Anna zwar vorerst stellvertretend mit dem Kaiser selbst verheiratet wurde, dann aber einen Mann bekam, der im Alter gut zu ihr paßte. Zunächst aber mußten alle in Wien die langen und überaus prächtigen Zeremonien über sich ergehen lassen, und die wenigsten der Zuschauer dachten bei dem eindrucksvollen Schauspiel an die Menschen, die hier für ein Leben lang miteinander verbunden wurden. Nach der ersten Unterredung im Schloß Trauttmansdorff, die über eine Stunde gedauert hatte, zog sich Maximilian nach Laxenburg zurück, während der König von Polen in Enzersdorf übernachtete. Der ungarische König blieb mit seinen Kindern in Trauttmansdorff. Am 17. Juli wurde in Schwechat eine Zusammenkunft angesetzt, dann erst zog man mit großem Gepränge in Wien ein. Cuspinianus berichtet:

»Aus der Stadt zogen dem Kaiser und den Königen auf eine Viertelmeile des Weges entgegen an tausend fünfhundert Bürger und Bürgersöhne, alle in Scharlach gekleidet; vor ihnen her ritten sechs mit ritterlicher Würde geschmückte Ratsherren in silbernem Harnisch, um die Fürsten im Namen der Stadt mit Gruß und Geschenken zu bewillkommnen. Nach diesen kamen fünfhundert deutsche Landsknechte mit langen Spießen und Handröhren, alle schön und gleich gekleidet. Bis an die steinerne Brücke vor dem Stubentor giengen sämmtliche Ordensgeistliche, die alle Heiligthümer ihrer Kirchen mit sich trugen. Diesen folgten Schulknaben in großer Menge, deren jeder ein mit dem ungarischen, polnischen und österreichischen Wappen bemaltes Fähnlein trug. Hierauf kam die übrige Clerisei von Wien, dann alle Studenten, Professoren und Doctoren der Universität, endlich die Zechen oder Handwerkszünfte mit ihren Fahnen, sechzig an der Zahl.«

Macht und Ansehen des Kaisers waren auf ihrem Höhepunkt angelangt. Maximilian empfing nun den Lohn für sein jahrzehntelanges Bemühen, das Habsburgerreich nach bestem Wissen und Gewissen zu beherrschen, Recht und Ordnung walten zu lassen und trotzdem der neuen Zeit, wenn auch nur in geringem Ausmaß, die Türen zu öffnen.

Nach den Vertretern des Volkes, des Adels, der Universität und der Handwerksleute folgten in dem farbenprächtigen Zug die Reitereien der verschiedenen Völker, Ungarn, Böhmen, Polen, Mährer, alle von ihrer Musik begleitet. Der österreichische Adel ließ es sich nicht nehmen, dem Kaiser die Ehre zu erweisen und war vollzählig erschienen, ebenso wie die Räte und Berater des Kaisers und der Könige. Der Kaiser und der König von Ungarn wurden in Sänften getragen, der König von Polen und Ludwig zogen es vor, auf prachtvollen Pferden durch das jubelnde Volk zu reiten. Die Damen, Anna von Ungarn, und Maria, die Enkelin Maximilians, fuhren in prächtigen Kutschen zum Dom St. Stephan, wo der Bischof von Wien, Georg von Slatkonia, über die Anwesenden den Segen sprach. Danach zogen sich alle in ihre Palais zurück, Maximilian, Wladislaw und die Kinder wohnten in der Burg, wo man sich von den Strapazen bei köstlichem Essen, einem edlen Tropfen und fröhlicher Musik erholte.

Am 22. Juli 1515 fand die eigentliche Vermählung im Stephansdom statt. Es war eine eindrucksvolle Feier, ganz nach den Vorstellungen der Zeit. Der Kaiser, die Könige Wladislaw und Siegmund von Polen sowie der junge Ludwig waren in golddurchwirkten Brokat gekleidet. Sie standen auf der rechten Seite, die beiden Bräute nahmen in der Mitte Platz. Als apostolischer Legat war der Kardinal von Gran gekommen, der päpstliche Nuntius, der Kardinal von Gurk und weitere vierzehn Bischöfe und Prälaten sollten den Segen Gottes für die beiden Ehepaare erflehen. Die Kirche war prachtvoll mit Blumen und Teppichen geschmückt, Kerzen erhellten das dunkle Gemäuer. Nachdem Maximilian vor dem Grabmal seines Vaters, Friedrichs III., den kaiserlichen Ornat übergezogen hatte, den man auf eine Million Gulden schätzte, ließ er sich mit der kleinen Anna von Ungarn trauen, stellvertretend für einen seiner Enkel.

Als Anna ihm einen kostbaren Blumenstrauß aus künstlichen Blüten überreichte, richtete der Kaiser folgende Worte an sie:

»Wiewohl Wir itzt Euer Liebden das Wort gegeben, daß Ihr Unser Gemahlin seyn sollet, so ist doch solches geschehen im Namen Unserer beiden abwesenden Enkel und in der Meinung, Euer Liebden an einen von denselben zu vermählen, den Wir auch hiermit Euch ehelich versprechen. Und weil mein Enkel Carl die Königreiche Castillien und Arragonien, sein Bruder Ferdinand aber das Königreich Neapel zu erben und zu erwarten hat, so erklären und nennen Wir hiemit Euer Liebden eine Königin, und wollen Euch zu einer solchen gekrönet haben!«

Nach diesen Worten setzte Maximilian der jungen Anna die Krone auf.

Anschließend wurden Ludwig von Ungarn und Maria getraut. Ein allgemeines Lob des allmächtigen Gottes beschloß die Feier, bei der auch noch zweihundert Jünglinge zum Ritter geschlagen wurden.

Noch eine weitere Heirat wurde an diesem Tage feierlich begangen: der besondere Liebling des Kaisers, Siegmund von Dietrichstein, heiratete die schöne Barbara von Rottal. Der Kaiser selbst und der ungarische König führten die Braut zum Altar.

Das Fest der Vermählung war zwar vorüber, aber die Zeit der Feiern und Turniere noch lange nicht. Tagelang wurde gegessen und getrunken, mehr als dreihundert Speisen aufgetragen, der Wein floß in Strömen und die goldenen, mit Edelsteinen besetzten Pokale wurden nie leer. Erst am 29. Juli trennte man sich in herzlichster Freundschaft. Am 3. August wurde in Neustadt ein offizieller Freundschaftsbund besiegelt.

Maximilian und Wladislaw sollten sich nicht mehr wiedersehen, denn schon ein Jahr später raffte der Tod den Ungarnkönig dahin. Sein Sohn Ludwig folgte ihm auf den Thron. Für den jungen König standen schwere Zeiten bevor, er hatte in einer verworrenen, unruhigen Zeit das Erbe seines Vaters angetreten. Die Türken stießen immer heftiger nach Westen vor, und jeder, der auf dem ungarischen Thron saß, wurde über kurz oder lang mit diesem gewaltigen Problem konfrontiert.

Die schönen Tage von Wien waren auch für die jungen Mädchen vorbei. Anna wurde nach Innsbruck gebracht, um sich auf die Ehe mit einem der Kaiserenkel vorzubereiten. Noch hoffte sie im geheimen auf Karl als Gemahl; von Ferdinand hatte sie bis jetzt nur wenig vernommen. Sie stellte sich ganz auf Karl ein, und ihr Bruder, König Ludwig II. von Ungarn, forderte geradezu die Einlösung des »Versprechens« von Wien. Seine Schwester sollte Karl, den Kaiser heiraten! Für beide, für Ludwig und Anna war es zunächst eine große Enttäuschung, als sie erfahren mußten, daß man für den jungen Kaiser eine andere Frau vorgezogen hatte. Anna wußte natürlich nicht, daß sie mit dem jüngeren Bruder eigentlich das große Los gezogen hatte, denn Ferdinand hatte nicht nur ein fröhliches und gewinnendes Wesen, er war zudem äußerst gebildet und fähig, eine Frau von ganzem Herzen zu lieben. Außerdem führte er ein wesentlich ruhigeres Leben als sein Bruder, der ständig in dem riesigen Reich unterwegs war, alle Unbilden des Reisens auf sich nehmen mußte und dabei schon in jungen Jahren seine Gesundheit einbüßte.

Ferdinand war von frühester Jugend auf gewöhnt, sich mit Büchern und Musik zu beschäftigen. Von seinem großen Lehrmeister Erasmus von Rotterdam hatte der junge Prinz viele Lebensweisheiten übernommen. Dazu kam ein reges Interesse an der Archäologie, der Geschichte und an allem, was seine Vorfahren betraf. Er stellte eine Münzsammlung zusammen und begann nach Kunstschätzen, die im Besitz der Familie waren, Ausschau zu halten, um sie im geeigneten Rahmen aufzubewahren. Er war ein in weiten Dimensionen denkender junger Mann, ganz im Stil der Renaissance, ohne allerdings persönlich in den lockeren Lebenswandel, der damals herrschte, zu verfallen. Sein Leben war eher asketisch, Schwelgereien und vor allem Völlerei, an der sein Bruder beinahe zugrunde ging, verachtete er zutiefst. War Karl V. ein ungewöhnlich großer Esser und Trinker, der die auserlesensten Leckerbissen liebte und selbst noch in der Einsiedelei des Klosters St. Yuste in Spanien, die er selbst gewählt hatte, täglich die raffiniertesten Speisen genoß, so pflegte Ferdinand nur einmal am Tag zu essen. Obwohl er schon sehr früh sein Tagwerk begann – er stand im Morgengrauen auf –, aß und trank er nichts bis zu Mittag. Dann wurden ihm einfache Speisen serviert, denen er aber auch nur mäßig zusprach. Allerdings war Ferdinand ein toleranter Mensch und achtete die Gewohnheiten anderer. In persönlichen Dingen zwang er niemandem seinen Willen auf, er forderte auch nicht von seiner Familie dieses Maßhalten im Essen und Trinken. Sein zweiter Sohn, der den Namen des Vaters trug, war eher ein Genießer, der manchmal so lange aß und trank, daß ihn seine heilkundige Frau Philippine Welser anschließend kurieren mußte.

Ferdinand I. war wohl eine Ausnahme in einer lebensfrohen und sinnenfreudigen Zeit. Er wußte, daß er mit Anna von Ungarn versprochen war, und er hielt sich daran. Wenn andere Söhne aus allen Adelsschichten ihre galanten Abenteuer hatten – auch sein Bruder Karl –, so lebte der junge Prinz in völliger Keuschheit, was viele seiner Zeitgenossen nicht verstehen konnten. Die Renaissance hatte den menschlichen Körper wiederentdeckt; in Kunst und Literatur, in Liedern und Schwänken stand der Leib in seiner Schönheit, aber auch mit seinen Schwächen im Mittelpunkt. Man wollte auf der Erde, im Diesseits, alles erleben, was die Kirche den Gläubigen für das Jenseits versprach. Sitte und Moral waren in der Denkweise dieser Zeit überkommene Begriffe, man machte sich die Moralgesetze selber. Gut war, was einem gut tat. So lebte nicht nur der Adel, auch das Bürgertum und selbst die Bauern hatten nicht mehr den drohenden Finger der Geistlichen vor Augen, man versuchte so viel wie möglich an irdischem Genuß zu erhaschen. Die Städte waren Zentren der Lebenslust, und es galt für Bürger und Bürgerinnen nicht verwerflich, möglichst viele Liebhaber zu besitzen. Man sah nichts Schändliches in der Fleischeslust, im Gegenteil, die Literatur der Zeit rühmte geradezu besonders begehrenswerte junge Männer und Mädchen, die in der Liebeskunst erfahren waren. Man gestattete nicht nur den Männern ungewöhnlich viele Freiheiten, auch die Frauen mußten nicht mehr züchtig zu Hause sitzen und die Kinder hüten, auch sie genossen, wo immer und wann immer sich eine Gelegenheit bot.

In dieser turbulenten Zeit wuchs der junge Ferdinand heran, ohne sich vom Strudel der Sinnlichkeit mitreißen zu lassen, obwohl er, wie sich später herausstellte, durchaus zu großer Leidenschaftlichkeit fähig war. Aber das Mädchen seines Herzens war noch nicht gekommen, er vermißte nichts, wenn er sich nicht für die Frauen am spanischen Hof oder in den Niederlanden interessierte.

Karl und Ferdinand sollten sich erst im November 1517 in dem spanischen Dorf Mojados westlich von Valladolid persönlich kennenlernen. Man kann nicht sagen, daß sich die Brüder von Anfang an nahestanden. Es war Ferdinand, der den Bann brach, indem er seinem älteren Bruder, als sich dieser die Hände wusch, spontan ein Handtuch reichte. Es war nur eine Geste, zeigte aber doch, daß der Jüngere dem Älteren mit der Ehrfurcht entgegenkam, die ihm vom Alter und von seiner Position als zukünftiger Kaiser her gebührte.

Dabei stand es zu dieser Zeit noch nicht einmal fest, daß Karl wirklich als Nachfolger Maximilians Kaiser werden sollte. Die Sympathien einiger Mächtiger galten dem jüngeren Ferdinand. So versuchte auch Margarete, Karl dazu zu bewegen, zugunsten seines jüngeren Bruders auf den Thron zu verzichten. Ob dies der Grund dafür war, daß sich Karl innerlich von seiner Tante zurückzog, obwohl sie für ihn, solange er denken konnte, Ersatzmutter gewesen war, wissen wir nicht.

Natürlich versuchte auch Ferdinand von Aragon, der den jüngeren Enkel über alles liebte, seinen Einfluß geltend zu machen. Karl gab aber sehr deutlich zu erkennen, daß er unter gar keinen Umständen willens war, auf die Kaiserwürde zu verzichten, und auch Ferdinand akzeptierte die Einstellung des Bruders, vielleicht auch deshalb, weil er wissen mußte, daß er im Spiel um die Macht nicht ganz leer ausgehen würde. Schon Maximilian hatte eine Teilung des Reiches vorgeschwebt, er hatte erkannt, daß Gebiete von solch riesigem Ausmaß niemals von einer Person regiert werden konnten. Obwohl er sich seinen Enkeln gegenüber wahrscheinlich nicht äußerte, gibt es genügend Hinweise dafür, daß er der Ansicht war, beide Enkel sollten das Weltreich erben, jeder nach seinen Ambitionen. Merkwürdigerweise war es für Karl selbstverständlich, daß er über Spanien und die überseeischen Gebiete regieren wollte; er hatte aber nicht die Absicht, auf Teile des heutigen österreichischen Gebietes zu verzichten. So wollte er vor allem die Herrschaft über Tirol ausüben, ein Land, das durch seine Silbervorkommen zu den reichsten Gebieten im Alpenraum gehörte. Freilich konnte Karl mit dem Silber kaum rechnen, obwohl er an allen Ecken und Enden Geld brauchte, um seine Wahl zum Kaiser gegen den König von Frankreich durchzusetzen, denn seit den Tagen Maximilians waren die Silberminen von Schwaz an die Fugger verpfändet, die jährlich 200 000 Gulden Einnahmen daraus bezogen. Der Schuldenberg, den Kaiser Maximilian hinterlassen hatten, war unübersehbar hoch, und weder Karl noch Ferdinand wußten, wie sie jemals die Gläubiger befriedigen sollten. Nur guter Willen und verschiedene Privilegien konnten vor größeren Unruhen bewahren.

Die Brüder einigten sich relativ rasch, welche Aufgaben sie in dem Weltreich übernehmen wollten, das ihnen der Großvater hinterlassen hatte. Ferdinand anerkannte Karl als Kaiser, und dieser teilte das Reich im Vertrag von Brüssel, 1522. Ferdinand wurde außerdem als Statthalter eingesetzt, das heißt, als Vertreter des Kaisers, wenn dieser außer Landes oder auf Kriegszügen war. Dadurch erhielt der jüngere Bruder eine Fülle von Macht, denn die österreichischen Gebiete des Reiches waren sprachlich ein geschlossenes Gebiet, das die Habsburger seit Generationen regierten. Karl hatte dem Bruder schließlich auch Tirol und die Vorlande übertragen; daß Böhmen und Ungarn das Reich im Osten abrunden würden, war im Jahr 1522 noch nicht vorherzusehen.

Freilich hatte Ferdinand nicht nur Länder übernommen, er war mit einer Bürde von weltgeschichtlicher Bedeutung beladen worden: mit dem Kampf gegen die Türken, den noch seine Kinder und Kindeskinder fortführen mußten. Viel Geld und noch mehr Blut kostete der Krieg gegen die Osmanen, die sich in ihrem Drang nach dem Westen von niemandem aufhalten lassen wollten. Der junge König von Ungarn, Ludwig II., der als König keine eindrucksvolle Rolle spielte, da er zum Spielball zweier machthungriger Parteien geworden war und sich nie eindeutig entscheiden konnte, für wen er eigentlich war, verlor auf dem Schlachtfeld von Mohács 1526 sein Leben, ohne einen Erben zu hinterlassen. Seine junge Witwe Maria, die Schwester Karls und Ferdinands, versuchte in Ungarn noch einige Zeit mit geschickter Hand die habsburgischen Interessen zu vertreten, ohne es natürlich verhindern zu können, daß die Türken immer weiter nach Westen vorrückten und nur durch ein mächtiges Heer aufzuhalten waren.

Durch den Tod Ludwigs wurde der alte Traum der Habsburger, Ungarn und Böhmen zu erwerben, wahr, und gleichzeitig erfüllte sich auch menschliches Glück. Denn so sehr sich Anna, wahrscheinlich unter dem Einfluß ihres ehrgeizigen Bruders, gegen Ferdinand als Gemahl gestellt hatte, so glücklich wurde die Verbindung ein Leben lang.

Sie paßten gut zusammen, der eher zierliche, nicht allzu große Ferdinand mit seiner ausgeprägten Unterlippe, dem blonden Haar und den lebhaften, fröhlich dreinblickenden Augen, die Lebensmut und Güte ausstrahlten, und die kleine Königstochter. Die Zeitgenossen überbieten sich geradezu in der Lobpreisung ihrer äußeren Schönheit, und ein venezianischer Gesandter beschreibt sie als »bellissima, onestissima«. Ein Porträt aus dem Jahre 1521 zeigt ein zartes, rundliches Mädchengesicht mit einem kleinen, schönen Mund. Das rötlichblonde Haar und die blauen Augen, für eine ungarische Königstochter eher ungewöhnlich, hatte Anna von ihrer romanischen Mutter geerbt. Sie war auch nicht allzu groß, und so bildeten Ferdinand und sie ein ausgewogenes Paar.

Auch auf ihre geistige Ausbildung hatte schon ihr Vater Wladislaw Wert gelegt, und als Anna nach dem ersten Wiener Kongreß in Innsbruck weiter erzogen wurde, achtete man darauf, daß sie neben anderen weiblichen Fertigkeiten wie Handarbeiten und Sticken auch geistige Interessen pflegte. Ferdinand schätzte ihre politische Umsicht und ihr Geschick, im richtigen Augenblick das Richtige zu tun, ein Leben lang, er hörte gern auf ihren Rat, setzte sie, wenn er außer Landes war, als seine Vertreterin ein und betraute sie mit der Regentschaft, eine Auszeichnung, die nur wenigen Frauen von Herrschern zuteil werden sollte.

Nach den Jahren des Erwachsenwerdens in Tirol, die sie mit ihrer zukünftigen Schwägerin Maria verbracht hatte, mit der sie ihr ganzes Leben hindurch eine innige Freundschaft verbinden sollte, feierten Ferdinand und Anna im Jahre 1521 endlich wirklich Hochzeit. Die Stadt Linz war dazu ausersehen, den festlichen Rahmen für dieses große Ereignis zu bilden. Linz sollte auch in Hinkunft immer eine besondere Rolle im Leben Ferdinands spielen.

Anna wurde in feierlichem Zuge aus Tirol nach Linz gebracht, sehr zum Mißfallen der Tiroler, denn die Innsbrucker hatten sich von der Hochzeit des Kaiserenkels mit der Königstochter großen finanziellen Gewinn erhofft. Der Bräutigam brach aus dem Rheinland auf und nahm mit seinem Gefolge den Weg über Heidelberg nach Augsburg. Er reiste in erlauchter Begleitung; der Salzburger Erzbischof Matthäus Lang und Herzog Ludwig von Bayern gaben ihm die Ehre. In Augsburg veranstaltete Jakob Fugger für die hohen Herrschaften ein rauschendes Fest. Die Fugger hatten längst eine besondere Beziehung zu den Habsburgern, die auf Gegenseitigkeit beruhte: das Geld spielte hier wie dort die Hauptrolle. Danach zogen der Bräutigam und seine Getreuen weiter nach Regensburg, wo sie als Gäste des Bischofs verweilten. Zu Schiff setzten sie ihren Weg fort gen Linz und kamen am Dreifaltigkeitssonntag an.

Dicht gedrängt standen die Menschen am Ufer der Donau, um den Kaiserenkel zu begrüßen. Bischof Georg Slatkonia, der schon die Trauung in Wien vorgenommen hatte, holte den achtzehnjährigen Prinzen und seine Begleiter ab. Eine schier endlose Zahl von weltlichen und geistlichen Würdenträgern hatte den oft weiten Weg nach Linz nicht gescheut, um durch ihre Anwesenheit das Hochzeitsfest zu verschönern. So sah man unter den Gästen den Kardinal und Bischof von Trient, Bernhard von Cles, den Bischof von Laibach, Bischof Berthold Pistinger von Chiemsee, Johann von Brandenburg, Herzog Ernst von Bayern, seinen Bruder Herzog Wilhelm, Kasimir von Brandenburg, den kaiserlichen Gesandten Andreas de Burgo, den Probst von Preßburg, Hieronymus Balbi, der sich schon als Unterhändler bei den Heiratsplänen Karls V. einen Namen gemacht hatte, die Grafen von Gradisca und Siegmund Herberstein. Der Bruder der Braut, König Ludwig von Ungarn, war nicht erschienen, und auch seine Vertreter hatten nur zögernd den Weg nach Linz angetreten, brachten aber um so reichlichere Hochzeitsgeschenke mit. Der ungarische Adel stattete die Braut überreichlich mit Gold, Silber und Seidenballen, Perlen und Juwelen aus. Allein das Geschenk des Bischofs von Fünfkirchen soll einen Wert von 10 000 Dukaten besessen haben. Ferdinand hatte mit Anna nicht nur eine schöne, junge, liebenswürdige Braut bekommen, auch ihre Aussteuer konnte sich sehen lassen und besserte die beinahe leeren Kassen des Bräutigams gehörig auf. Ferdinand und sein Bruder Karl hatten ja noch für Jahre an den Schulden des Großvaters zu tragen.

Schon am Tag nach dem ersten Zusammentreffen der beiden jungen Leute – auch die Braut zählte achtzehn Lenze – nahm der Erzbischof von Salzburg, Matthäus Lang, die Trauung in der Pfarrkirche von Linz vor. Als hätte die Stadt das große Ereignis schon Jahre vorher geahnt, hatte man die Pfarrkirche nach dem großen Brand von 1509 vollkommen erneuern lassen, die dreischiffige Basilika erstrahlte in vollem Glanz.

Vielleicht war es Liebe auf den ersten Blick, was die Königskinder zusammenführte, und diese Liebe hielt bei beiden ein Leben lang an. Obwohl Ferdinand vorher keine besonderen Beziehungen zu Mädchen oder jungen Damen aus dem Adel gehabt hatte, war er von Anna vom ersten Augenblick an fasziniert. Was ihre Väter und Großväter als politische Eheschließung gedacht hatten, wurde zu einer echten Liebesheirat und im Laufe der Jahre zu einer der glücklichsten Ehen im Hause Habsburg. Auf die Vorhaltungen seiner Ratgeber, die Ferdinand überreden wollten, nicht ohne sexuelle Erfahrungen in die Ehe zu gehen, hatte der Prinz nur kurzerhand geantwortet: »Natura sagax satis docebit« (Die weise Natur weiß sich zu helfen). Und er sollte recht behalten, er brauchte keine vorehelichen Abenteuer, um mit seiner Anna glücklich zu werden. Im Laufe der Zeit schenkte ihm seine Gemahlin fünfzehn Kinder, die alle (bis auf zwei, die im Kindesalter starben) in einer harmonischen Familie aufwuchsen, weil die Eltern einander liebten.

Drei Tage lang wurde ununterbrochen gefeiert, eine Lustbarkeit löste die andere ab, und der Wein floß in Strömen. Die erlesensten Delikatessen waren nach Linz gebracht worden, um auch die verwöhnten Spanier aus Ferdinands Gefolge zufriedenzustellen. Alles hatte man bei den Speiseplänen bedacht, nur nicht, daß das Geschirr knapp werden könnte: Es gab eine solche Menge von Köstlichkeiten für die riesige Zahl von Gefolgsleuten und geladenen Gästen, daß man sich aus dem benachbarten Steyr 200 Zinnschüsseln ausleihen mußte.

Nach dem üppigen Essen und reichlichen Trinken ergötzte man sich an vielfältigen Ritterspielen. Der Erzherzog war in dieser Kunst ein besonderer Experte. Er hatte nicht nur am spanischen Hof eine ganze Anzahl von ritterlichen Turnieren gesehen und selbst daran teilgenommen; in Burgund war er ein begeisterter Mitstreiter gewesen, und auch im deutschen Raum galt er als hervorragender Ritter. Am Linzer Hauptplatz waren Tribünen für die adeligen Herren und Damen errichtet worden, um die Turniere gut beobachten zu können. Schon damals galt der Hauptplatz von Linz, der sich fast bis zu den Ufern der Donau zog, als einer der schönsten in den österreichischen Ländern. Von der Schmalseite her ritten nun in bunter Folge die Kämpfer auf ihren prächtig geschmückten Pferden ein. Der Jubel kannte keine Grenzen, wenn ein siegreicher Ritter sich vor den Ehrengästen verneigte. Aber der Wein, den sowohl die Gäste als auch die Österreicher wie Wasser in sich hineingegossen hatten, hätte das prunkvolle Fest beinahe zu einer Bluthochzeit werden lassen. Vielleicht unterschätzten die Spanier, die mit Ferdinand gekommen waren, die österreichische Mentalität und glaubten sie weniger hitzig als das südländische Temperament: Mitten in den Festlichkeiten begannen einige Spanier ihre österreichischen Gastgeber zu provozieren und zum Kampf auf Leib und Leben herauszufordern. Sie ließen ihr Ansinnen öffentlich am Rathaus anschlagen, und als die österreichischen Kontrahenten auf diese Aufforderung nicht reagierten, um die fröhlichen Feiern nicht durch einen blutigen Kampf zu stören, schmähten die Spanier die Österreicher und bezichtigten sie der Feigheit.

Nun mußten die Einheimischen, ob sie wollten oder nicht, handeln. Sebastian von Losenstein wurde dazu ausersehen, die Ehre seiner Landsleute wiederherzustellen und den Kampf aufzunehmen. Er wich mit geschickter Taktik den Attacken seines Gegners so lange aus, bis der Südländer Anzeichen von Müdigkeit zeigte. Dann schlug Losenstein zu, gab seinem Pferd die Sporen, daß das Tier ganz nahe an das Roß des Spaniers herankam. Das Pferd Losensteins war abgerichtet und verbiß sich sofort in das des Spaniers. Losenstein selbst schwang einen Bihänder (ein langes, schweres Schwert) mit solcher Wucht auf den Helm des Gegners, daß das Metall wie Zunder zerbrach. Mit dem nächsten Schlag hätte der Österreicher dem Gegner den Kopf vom Leibe getrennt, wäre nicht Ferdinand schnell dazwischengesprungen. Die Spanier wußten nun, daß sie sich nicht als großmäulige Fremde aufzuführen hatten, daß sie, wollten sie nicht nach der Hochzeit mit Gewalt aus der Stadt gejagt werden, sich wie Gäste zu verhalten hatten und das Gastrecht nicht mißbrauchen durften. Auch den Österreichern war durch die Tat Losensteins Genugtuung gegeben.

Auf die Hochzeitsfeierlichkeiten von Linz folgten unruhige Zeiten für den jungen Ehemann. Die Türken bedrohten erneut die Ostgrenze des Reiches. Nach dem Fall von Belgrad wandte sich Ludwig von Ungarn hilfesuchend an seinen Schwager, aber der Kaiser hatte weder Truppen noch Geld, um ein schlagkräftiges Heer gegen den Feind aufstellen zu können. In ganz Europa verkannte man die Gefahr, die von den Osmanen drohte, und nach Aussagen eines Zeitgenossen gab es keine Hoffnung, denn ein jeder wartete, bis ihm »selbst die Wand heiß« wurde.

Für Ferdinand sollte der Kampf gegen die Türken zur Lebensaufgabe werden, die ihn aber zugleich seinen Ländern, in die er als Fremder gekommen war, näherbrachte. Er sah seine Bestimmung darin, die österreichischen Gebiete und damit letztlich das ganze Abendland vor diesen Feinden zu schützen und versuchte sein Bestes, um seinen neuen Staat zur Zufriedenheit aller zu regieren.

Seine Frau Anna stand ihm, wo immer es ging, mit Rat und Tat zur Seite. Er trennte sich selten von ihr, nur wenn es unumgänglich notwendig war. Selbst auf schwierigen und gefahrvollen Reisen begleitete sie ihn, und allen kam dies so ungewöhnlich vor, daß verschiedene Ratgeber des Erzherzogs und späteren Kaisers ihren Herrn daraufhin ansprachen. Man meinte, es sei eine teure Angelegenheit, wenn die Gemahlin des Herrschers ihrem Mann immer Gesellschaft leiste. Denn Anna reiste selbstverständlich nicht allein, ihre Kammerfrauen und Bediensteten bildeten ein umfangreiches Gefolge. In einer Zeit, die den Reisenden wenig Annehmlichkeiten bot, vor allem einer jungen Frau, die beinahe immer in gesegneten Umständen war, war es notwendig, daß wenigstens die Diener und Dienerinnen mitzogen. Natürlich kostete dies alles Geld, und die Kassen Ferdinands waren meist bedenklich leer. Aber er nahm allen Vorwürfen die Spitze, wenn es um seine geliebte Frau ging und meinte, « es sei besser, die Unkosten auf seine Gattin zu verwenden als auf Buhlerei«.

So oft es ging, kehrte das Herrscherpaar in Linz ein. Ferdinand hatte die Burg als Witwensitz für seine Schwester Maria ausbauen lassen. Annas erstes Kind kam hier zur Welt, und vier Jahre später wurde in Linz der zweite Sohn Ferdinand geboren, der Lieblingssohn des Kaisers und wohl auch seiner Frau, die darauf bestanden hatte, einen Sohn nach dem Vater zu nennen. Der erstgeborene Sohn war aus Verehrung für den berühmten Großvater Maximilian getauft worden. Jedes Jahr erwähnen Urkunden den Aufenthalt Ferdinands und seiner Familie in der Stadt an der Donau, hier fand er Ruhe und Geborgenheit vor den Türken oder vor der Pest in Wien. Die Burg hatte man komfortabel ausgestattet, Ferdinand hatte für Anna eigens ein Badezimmer einrichten lassen und befohlen, das Prunkbett der Bianca Maria Sforza, der zweiten Gemahlin Maximilians, von Innsbruck nach Linz zu bringen. Es ist bezeichnend, daß Ferdinand, der als Kind nie eine eigentliche Familie kennengelernt hatte, ein rührender Ehemann und fürsorglicher Vater war, der sich ständig persönlich um das Wohl von Frau und Kindern sorgte. So ließ er sich über die Ausbildung seiner beiden älteren Söhne genau informieren und überwachte, wenn er anwesend war, ihre Aufgaben. Die Prinzen wurden auch nicht von privaten Lehrern erzogen, sie besuchten in Innsbruck eine Art öffentliche Schule, wo sie mit anderen Kindern zusammenkamen, um so Kontakt zum Volk zu finden. Außerdem ließen Ferdinand und Anna die beiden ältesten Söhne schon sehr bald in den wichtigsten Sprachen ihrer Länder unterweisen, Deutsch, Böhmisch, Polnisch und auch Latein standen auf ihrem Tagesprogramm. Berühmte Lehrer wurden engagiert, um den Kindern eine umfassende Bildung zu vermitteln. Es spricht von Weitblick und Weltoffenheit sowohl Ferdinands als auch Annas, daß beide eine ausgezeichnete Ausbildung all ihrer Kinder als Grundlage für ein erfülltes Leben betrachteten. Liebe und Vertraulichkeit sprechen aus den Briefen, die die Eltern während ihrer Abwesenheit an die Kinder richteten, sie erkundigten sich nach vielem, was auch andere Eltern wissen wollen, und gaben Ratschläge, wo sie vonnöten waren. Besonders der zweitgeborene Sohn Ferdinand bekam später die große Güte und Milde seines Vaters zu spüren, als er fürchten mußte, daß seine heimliche Ehe mit der Augsburger Bürgerstochter Philippine Welser zum Konflikt im Kaiserhaus führen würde. Zwar hat Ferdinand zeit seines Lebens seine Schwiegertochter nie zu Gesicht bekommen, seinem Sohn gegenüber zeigte er sich aber von einer Toleranz, die uns heute noch in Erstaunen versetzt.

Anna war für Ferdinand trotz der düsteren Wolken am politischen Himmel der ruhende Pol im Strudel der Zeit. Als sie am 27. Januar 1547 in Prag starb, ging für Ferdinand ein Teil seines Wesens verloren. Er ließ sich den Bart nicht mehr scheren, und sein Leben wurde noch genügsamer und karger. Nur bei offiziellen Anlässen zeigte er nach wie vor Prunk und Prachtentfaltung, weil er wußte, daß seine Völker das von ihm erwarteten. Er zog sich immer mehr zurück und berief seine beiden älteren Söhne in politische Ämter.

Noch auf dem Totenbett suchte er die Verbindung mit seiner geliebten Frau. Als tiefgläubiger Mensch wußte er, als er sein Ende nahen fühlte, daß es nicht mehr lange dauern würde bis zu einem Wiedersehen im Jenseits. Annas Bild und ihr Gebetbuch sollten ihm im Tode helfen, den Weg zu ihr zu finden.



Подняться наверх