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3. Etablierung und Institutionalisierung
ОглавлениеHistorische Verortung der Gender Studies
Häufig wird die Entwicklung der Gender Studies aus der so genannten Zweiten Welle des Feminismus hergeleitet, die nach dem Abflauen der ersten Welle in den 1920er Jahren wieder aufkam (Schaser 2006; Schenk 1993). Das politische Klima der 1960er und 1970er Jahre, das nach dem Nationalsozialismus und Krieg entstanden sei, hatte das Erstarken der feministischen Bewegung wenn nicht erfordert, so doch zumindest stark begünstigt. Die Re-Maskulinisierung der nordamerikanischen und europäischen Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg, als Frauen auf dem Arbeitsmarkt die Lücken der gefallenen und gefangenen Soldaten gefüllt hatten, dann aber mit essentialistischen Argumenten erneut in die Hausfrauen- und Mutterrolle gedrängt wurden, lieferte Handlungsbedarf in vielerlei Hinsicht. Mehrheitlich im nicht-bürgerlichen, akademischen Milieu engagierten sich Frauen emanzipatorisch, um die angestrebte Realisierung der in den Grundgesetzen beider deutscher Staaten verankerten Gleichberechtigung voranzubringen (Nave-Herz 1993, 58–122). Legendär sind etwa die westdeutschen Aktionen gegen die Verschärfung des Abtreibungsparagraphen 218 (1971/72) oder diejenigen im Zuge der Reform des Familienrechts 1976. Nun ließe sich vermuten, dass solche sozialpolitischen Impulse kurzerhand in den wissenschaftlichen Diskurs eingegangen seien und unmittelbar die Institutionalisierung der Frauen- und Geschlechterforschung nach sich gezogen hätten. Seither hätte sich die feministische Kritik im traditionell männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb etabliert. In einer solchen historischen Erzählung wird „die Feministin“ zur Wissenschaftlerin und Aktivistin, die ihre ideologiekritischen Ansätze aus der Subkultur in die akademische Wissenskultur transportiert und fortan auf literarische Texte und literarhistorische Zusammenhänge angewendet habe. An dieser historischen Darstellung sind jedoch Zweifel anzumelden, erweisen sich doch die Erzählungen über die Frauenbewegung ihrerseits als spezifische Geschlechtskonstruktion (Thon 2008). Zum einen werden die Fragen der damals frauenbewegten Aktivistinnen und Wissenschaftlerinnen nicht über Jahre und Jahrzehnte hinweg dieselben geblieben sein. Zum anderen muss für die Literaturwissenschaft und Literaturgeschichtsschreibung gelten, dass die Kategorie Geschlecht nicht erst seit den 1960er Jahren eine wichtige Rolle spielt. Daran sind vielmehr ältere komplexe Diskurse und epistemische Prozesse der Wissensgenerierung beteiligt.
Egalität und Differenz
Die intellektuellen Impulse, die für eine akademische Institutionalisierung der Geschlechterforschung sorgten, gehen sehr weit zurück, nämlich bereits auf rege philosophische Debatten der Frühen Neuzeit. Schon die frühen Schriften der Querelle des femmes seit dem 14. Jahrhundert grenzten den Egalitätsfeminismus vom Differenzfeminismus ab, deren wichtigster Unterschied im Bestreiten oder Bekräftigen eines angenommenen natürlichen‘ Unterschieds zwischen den Geschlechtern besteht. Während der Aufklärung waren weibliche Gelehrsamkeit, aber auch die Auffassungsgabe der Frau, ihre soziale Stellung und ihre Relevanz für Wissenschaft und Dichtung immer wieder Gegenstand heftiger Debatten und zahlreicher Publikationen. Die Querelle des femmes weist einen Genitiv auf, der grammatisch unentschieden bleibt. Ist eine Auseinandersetzung über Frauen oder von Frauen oder beides gemeint? (Bock/Zimmermann 1997, 10). Somit ist der Status der Frau als Subjekt und/oder Objekt in sozialpolitischen und wissenschaftlichen Diskursen von jeher als ambivalente Position festgeschrieben. Die Schriften von Simone de Beauvoir, Betty Friedan, Kate Millett u.a. griffen im Zuge der 68er-Bewegung und der Neuen Frauenbewegung Ideen und Argumente auf, die in der Moderne bereits recht gut eingeführt waren, denen vor dem (sozial)politischen Hintergrund der 1960er und 1970er Jahre jedoch neue Relevanz zukam. Die Querelles werden unter wechselnden Bezeichnungen bis in die Gegenwart fortgeführt. Insbesondere durch die postfeministischen Impulse und die dadurch angeregte kritische Revision der Körperkonzepte hatten sie Anfang der 1990er Jahre noch einmal neue Fahrt aufgenommen (Benhabib/Butler et al. 1993).
Etablierung in der Germanistik
Die Literaturwissenschaften sind für die jüngsten theoretischen Debatten, aber auch die Institutionalisierung der Gender Studies während der letzten drei Jahrzehnte als überaus wichtige Disziplinen einzuschätzen. Neben der Pädagogik und Soziologie, die während der 1980er Jahre eine ebenfalls tragende Rolle in der Etablierung genderspezifischer Erkenntnisinteressen spielten, waren die Vertreterinnen und Vertreter der Literaturwissenschaften scheinbar am ehesten bereit, Konzepte der Kritischen Theorie, der Sozialgeschichtsschreibung oder der dekonstruktivistischen Philosophie aufzugreifen. Zu dieser Bereitschaft, die eigene Fächerperspektive zu überdenken, trug sicherlich auch die unbefriedigende Situation der Nachkriegsgermanistik bei, die sich überwiegend auf textimmanente Interpretation konzentriert hatte. Der große methodische Wurf mit hoher gesellschaftskritischer Relevanz war seit der Neuorganisation nach dem Nationalsozialismus ausgeblieben. Zudem hatte man personell große Schwierigkeiten zu bewältigen, denn die Generation der Väter war nicht vollständig abgetreten, und so kamen Impulse aus marxistischen, feministischen und psychoanalytischen Konzepten den Jüngeren gerade recht. Die veränderten Perspektiven auf die Medien des Literarischen wurden zudem recht zügig inner- und außeruniversitär weiterentwickelt. Während in den USA die Women’s Studies reüssierten, wurden in der BRD zunächst zögerlich die Curricula für geschlechtsspezifische Fragestellungen geöffnet. Vor allem die Rezeption des französischen Poststrukturalismus brachte es mit sich, dass Theorien postmoderner Feministinnen in Deutschland längere Zeit den erkenntnistheoretischen Ton angaben. Erst durch die erneuten Impulse der US-amerikanischen Gender Studies Anfang der 1990er Jahre erlangte auch die europäische Diskussion neue akademische Aufmerksamkeit. Der Austausch zwischen amerikanistischen, anglistischen, germanistischen und romanistischen Literaturwissenschaften wird seither auf intensivem Niveau betrieben. Dies betrifft gleichermaßen die Kooperation u.a. mit der Intersektionalitätsforschung sowie den Postcolonial Studies und Queer Studies (vgl. Kap. VI).
Internationale Impulse
In den feministischen literaturwissenschaftlichen Neuansätzen seit den 1960er und 1970er Jahren wurden historische und literarische Texte zunächst primär auf ihre frauenfeindlichen und sexistischen Aussagen hin untersucht. So unterzog Kate Milletts Sexual Politics (1969; dt. Sexus und Herrschaft, 1971) zahlreiche Autoren des 18. bis 20. Jahrhunderts einer kritischen Analyse – insbesondere auch die Schriften Sigmund Freuds –, während Margret Ellmann den Literaturbetrieb auf seine geschlechtsspezifischen Ausschlussmechanismen abklopfte (1968). 1985 lag mit Toril Mois Buch ein wichtiger Überblick über die anglo-amerikanische und französische feministische Literaturwissenschaft vor (Moi 1989), der bereits deutlich zwischen der feministischen Kritik an Autoren (Feminist Critique) und dem frauenzentrierten Ansatz einer feministischen Literaturwissenschaft (Feminicentric Criticism) unterscheidet. Diese Unterscheidung hatte vor allem Nancy K. Miller mitgeprägt, die sich neben der Analyse von Frauenbildern in der Literatur (1980) vor allem konsequent der Wiederentdeckung vergessener anglo-amerikanischer Autorinnen widmete (1988). In Millers Arbeiten steht die Frage nach einer möglichen weiblichen Autorschaft im Mittelpunkt. Auch für die deutschsprachige Literatur stellte sich heraus, dass Literaturgeschichtsschreibung und Interpretationsgeschichte große Lücken aufwiesen, was die mangelhafte Darstellung von Autorinnen und ihrer Werke betraf. Erste umfangreiche Literaturgeschichten wurden begonnen und in den 1980er Jahren publiziert (vgl. Kap. II.2). Bereits Mitte der 1970er Jahre stellte Silvia Bovenschen die entsprechenden Fragen nach einer weiblichen Ästhetik der deutschsprachigen Autorinnen und konfrontierte etwas später in ihrer umfangreichen Studie Die imaginierte Weiblichkeit kulturelle und philosophische Repräsentanz des Weiblichen mit der historischen kreativen Frau (1976; 1979). Für die nachfolgenden beiden Jahrzehnte ist die fortwährende Auseinandersetzung mit den Ansätzen der französischen und anglo-amerikanischen Literaturwissenschaft zu beobachten (Berger 1985; Fischer/Kilian et al. 1992; Lühe 1982).
Wollte man sich einen ersten Überblick verschaffen, so ließe sich die Institutionalisierung der Gender Studies für die deutschsprachige Literaturwissenschaft in mehrere große, wechselwirksame Bereiche einteilen. Um die Wissensressourcen der Gender Studies allen Mitgliedern der Gesellschaft zugänglich zu machen, bedurfte es vieler kleiner Schritte auf unterschiedlichsten Ebenen. Die nächsten Abschnitte skizzieren die bereits erfolgte Enzyklopädisierung und Akademisierung der Gender Studies sowie deren überaus wichtige Vernetzungsstrukturen.
Zeitschriften und Buchreihen
Zu erwähnen sind zuallererst die deutschsprachigen Zeitschriftengründungen, die Öffentlichkeit und Plattformen zum Austausch schufen. Drei ausgewählte und etablierte Organe müssen an dieser Stelle genügen: Ein wichtiges Diskussionsforum sind die Feministischen Studien, die seit über 25 Jahren aktuelle Themen und Theorien aufgreifen. Das Netzwerk Frauenund Geschlechterforschung NRW gründete die Zeitschrift Gender; in der Schweiz erscheint figurationen. gender, kultur, literatur. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht sind diese Zeitschriften überaus ergiebig, weil sie sowohl den inter- als auch intradisziplinären Dialog führen. Aus der Vielzahl von Netzprojekten ist die Online-Zeitschrift Querelles-net hervorzuheben, die sich auf die Rezensionen aktueller Forschung konzentriert und jeweils themenspezifisch aufarbeitet. Für die Kommunikation und Diskussion von Forschungsergebnissensind gleichermaßen die im Laufe der Jahre gegründeten Buchreihen sehr wichtig, weil sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die nötigen Foren zur Publikation ihrer Forschungsergebnisse bieten – meist im Format von Dissertationen, auch Habilitationen sowie von Tagungsbänden. Literaturwissenschaftlich relevant sind insbesondere die Editionsreihen „Ergebnisse der Frauen- und Geschlechterforschung“ (1984–2007), „Geschlechterdifferenz & Literatur“ (1994–2002), die große und kleine Reihe „Literatur – Kultur – Geschlecht“ (seit 1992), „GenderCodes“ (seit 2006) u.a.m.
Enzyklopädisierung
Angesichts der beträchtlich gestiegenen Zahlen von Einzelinterpretationen sowie der übergreifenden Darstellungen zur genderorientierten Sozialund Diskursgeschichte war es seit Mitte der 1990er Jahre dringend geboten, das angehäufte Wissen knapp und zugänglich aufzubereiten. Diese angestrebte Enzyklopädisierung versucht jedoch nicht nur, Verbindlichkeit und Zugänglichkeit zu schaffen, sondern auch Bilanz zu ziehen und weiterführende Fragen aufzuwerfen. 1995 legten Bußmann/Hof einen Sammelband in erster Auflage vor, der die Relevanz der Geschlechterforschung im geisteswissenschaftlichen Fächerspektrum porträtiert (2. Aufl. 2005). Ein ähnlich konzipierter Band erschien einige Jahre später und erweiterte das vorgestellte Fächerspektrum (Braun/Stephan 2006). Den Schwerpunkt auf die „kritische Darstellung der Bedeutung, welche Geschlecht als Analysekategorie in den aktuellen Theoriedebatten spielt“, setzte der Überblicksband Gender@Wissen (Braun/Stephan 2005, 29). Darin wurden einzelne Themenfelder – z.B. Identität, Körper, Gewalt/Macht, Natur/Kultur u.a.m. – durchquert und auf ihre historische und systematische Interdependenz mit der Geschlechterkategorie befragt. (Für dieses Konzept in den anglo-amerikanischen Gender Studies vgl. Cranny-Francis 2003.) Mit dem Metzler Lexikon Gender Studies wurde dann erstmals im deutschsprachigen Raum das Wissen der Gender Studies umfassend nach „Ansätzen – Personen – Grundbegriffen“ systematisiert und komprimiert (Kroll 2002). Das von einer romanistischen Literaturwissenschaftlerin herausgegebene Lexikon konzentriert sich nicht nur auf die Philologien, sondern erfasst den Forschungsbereich und seine zentralen Konzepte darüber hinaus in vielen sozial- und kulturwissenschaftlichen Aspekten. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive folgte kurz darauf das Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, das genderspezifische Konzepte in umfänglichen Überblicksartikeln darstellt (Becker/Kortendiek 2004).
Didaktisierung
Zur enzyklopädischen Tendenz gehören auch die seit den 1990er Jahren erscheinenden Studieneinführungen in die Geschlechterforschung, die einen knappen Überblick über feministische Literaturtheorie und -wissenschaft bieten wollen (Eagleton 2003; Lindhoff 1995; Osinski 1998). Zuletzt erschienen Einführungen in die Gender Studies mit kultur- und literaturwissenschaftlichem Schwerpunkt (Schößler 2008) sowie aus germanistischer Perspektive (Becker-Cantarino 2010). Hinzu kommen Überblicksdarstellungen über Teilbereiche wie etwa die Erzählforschung (Nünning/Nünning 2004) und Queer Studies (Degele 2008; Kraß 2005). Zu erwähnen bleibt, dass Mitte der 1990er Jahre die Gender Studies auch Einzug in Facheinführungen und Nachschlagewerke der etablierten germanistischen Literaturwissenschaften hielten. Auch dies ist ein unübersehbares Zeichen für die zunehmende Akzeptanz der Forschungsrichtung innerhalb des Faches. Den gut eingeführten Studienbüchern aus den 1970/80er Jahren wurde für die Neuauflage jeweils ein eigenes Kapitel hinzugefügt, das auf knappstem Raum die Methoden der Gender Studies skizziert und sie gleichgewichtig neben andere Ansätze wie etwa den Strukturalismus oder die Diskursanalyse stellt (z.B. Erhart/Herrmann 1996, u.ö.; Wagner-Egelhaaf/Petersen 2009; Weigel 1995 u.ö.).
Normierung und Reflexion
Ohnehin kann für die 1990er Jahre ein stark wachsendes Interesse an der Literaturtheorie beobachtet werden, so dass seither kaum eine neuere Einführung oder Textanthologie ohne einen obligatorischen Abschnitt zur Genderforschung erschienen wäre. Im US-amerikanischen Wissenschaftsjargon entstand für dieses Phänomen der Begriff ‚gender piece‘, der die pflichtbewusste Abhandlung einer vermeintlichen Modeerscheinung beschreibt. Hingegen beklagte Sigrid Weigel die deutsche literaturwissenschaftliche Geschlechterforschung als stark begrenzte Wissenschaft „in einem säuberlich umzäunten Gebiet“. Diese Begrenzung stelle „zugleich den unberührten Ablauf des übrigen Betriebs“ sicher (Weigel 1995, 686). Damit ist jedoch nur ein Teil des dialektischen Dilemmas jeglicher Anerkennungsstrategie angesprochen. Denn offensichtlich birgt jede erfolgreiche Etablierung zugleich die Gefahr, dass das Spezifische im Allgemeinen aufgeht und somit seine Konturen verliert. Das ‚gender piece‘ ist zwar in der so genannten Mitte der Fächerkulturen angekommen, sorgt aber gerade deshalb für keine besondere Aufmerksamkeit mehr. Weigel plädierte deshalb schon früh für eine Politik des „Stand- und Spielbeins“ (1995, 687), deren Pendelbewegung die begleitende Reflexion und strategische Institutionalisierung gleichermaßen erlaube.
Akademische Etablierung
Im Rückblick erscheint genau diese Strategie realisiert worden zu sein, zumal sie sich Mitte der 1990er Jahre bereits abgezeichnet hatte. Die Universitäten und Fakultäten installierten Gender Studies im Längs- und Querschnitt der Fächer. Innerhalb der einzelnen Disziplinen wurden Lehrstühle und Professuren hauptsächlich oder teilweise der Genderforschung gewidmet. Dies sollte die angestrebte Verankerung im Lehrangebot, eine Verbesserung der Bibliotheksakquisition und die Förderung spezifischer Forschungsprojekte gewährleisten. Für die letzten zehn Jahre ist eine Stabilisierung der personell basierten Etablierung zu beobachten: Während für 1993 zehn Universitätsprofessuren in den Sprach- und Literaturwissenschaften mit Genderdenomination zu zählen waren (Nave-Herz 1993, 94), gibt es 2013 mehr vergleichbare Stellen, nämlich 14 literaturwissenschaftliche Genderprofessuren mit Teil- und Volldenominationen (Datenquelle: www.zefg.fu-berlin.de, Stand 31.8.2013). Die Installierung eigenständiger Professuren für allgemeine Frauen- bzw. Geschlechterforschung ist hingegen rückläufig (1993: 38; 2013: 4 ständige Professuren und 3 Gastprofessuren in wechselnder Besetzung). Die universitäre Entwicklung tendiert somit deutlich zu einer Integration der Genderforschung in die einzelnen Fächer, was für eine Spezialisierung und Ausdifferenzierung der Erkenntnisinteressen spricht.
Forschungszentren
Die Aufgabe der Vernetzung, die fächerübergreifende Professuren nun immer weniger übernehmen, fällt hingegen den seit den 1980er Jahren vielerorts gegründeten Zentren für Frauen- bzw. Geschlechterforschung zu. Aus dieser Vielzahl sind vor allem die Zentren an der FU Berlin und der Universität Bielefeld hervorzuheben, deren Arbeit seit über 30 Jahren Bestand hat. Bewährt hat sich an vielen Fakultäten, das genderspezifische Lehrangebot einzelner Institute zu koordinieren, in einem speziellen Vorlesungsverzeichnis auszukoppeln und mit flankierenden Angeboten wie Ringvorlesungen und Gastvorträgen zu ergänzen. Die Zentren arbeiten häufig eng mit den jeweiligen Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten zusammen und organisieren entsprechende Fördermaßnahmen wie Stipendien, Workshops, Coaching u.ä. Die neuen BA-/MA-Studiengänge Gender Studies werden mittlerweile sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen angeboten und zumeist sowohl interdisziplinär konzipiert als auch mit Hilfe der Zentren organisiert. Zukünftig müssten ebenso Graduiertenschulen und Genderforschungszentren noch stärker zusammenarbeiten, denn immer deutlicher entwickelt sich auch das Promotionsstudium zu einem modularisierten und konsekutiven Studiengang. Im Übrigen sind auch die Graduiertenkollegs der DFG für die bundesweite Etablierung der Gender Studies sehr effektiv gewesen und sind es noch, denn seit Anfang der 1990er Jahre bildeten sie zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Geschlechterforschung aus.
Die Etablierung und Institutionalisierung der Gender Studies kann in einer Zwischenbilanz durchaus als Erfolgsgeschichte bewertet werden. Gerade die oftmals divergierenden Strategien haben zu entsprechend vielfältigen Aktivitäten in Forschung und Lehre sowie deren Vernetzung geführt. Obgleich die hohe Relevanz der Gender Studies heute nicht mehr mit dem früheren unangemessenen Legitimationsdruck belegt ist, gilt es auch für sie, sich kontinuierlich den wissenschaftlichen Anforderungsroutinen der Plausibilisierung und Profilierung zu stellen. Die zunehmende Verbreitung von Methode und Begrifflichkeit bietet bekanntlich nicht nur die willkommenen Chancen, sich durchzusetzen und anerkannt zu werden. Sie birgt gleichermaßen die Gefahr der begrifflichen und konzeptuellen ‚Verwässerung‘. Auch dies ist ein dialektischer Prozess, der bedacht sein will, währenddessen die Diskussionen ertragreich weiterlaufen und der Ansatz immer wieder aufs Neue erprobt und reflektiert wird.