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Resümee

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Im Laufe des 19. Jahrhunderts beginnen Frauen, sich in allen Bereichen der Literatur zu artikulieren (im Drama57 nur mit starken Einschränkungen). Neben der Lyrik, die sich sowohl formal als auch inhaltlich stark an der Klassik (Paoli, Najmájer) orientiert (mit gewissen Einschlägen des Subjektivismus bei Ada Christen), neben den journalistischen Genres, ist es vor allem der Roman, der bevorzugt wird. Häufig sind es, wie nicht anders zu erwarten, Liebes- und Familiengeschichten, denen man aber nicht so ohne weiteres bloße Trivialität zuschreiben kann. Frau/Man darf nicht vergessen, dass sich in dieser Zeit das Konzept der Ehe völlig verändert. Das Recht und die Aufgabe der Eltern, die Kinder nach ökonomischen Kriterien durch die Ehe materiell sicherzustellen, wird zunehmend in Frage gestellt und durch das Recht der Betroffenen ersetzt, die Ehe auf der Basis der gegenseitigen Zuneigung zu schließen; Romane spielen bei der Propagierung dieser Idee eine wichtige Rolle.58

Häufig finden wir auch den Gesellschaftsroman, dessen Kritik sich auf die bürgerliche Gesellschaft und ihre Institutionen (Ehe, Militär) bezieht und die Geschlechterrollen thematisiert. Die Kritik nähert sich naturalistischen Programmen. Gegen Ende des Jahrhunderts erweitert sich das Spektrum um die Arbeiterschaft (bei Kautsky) und um die Prostituierten (Troll, Jerusalem – auf die wir noch zurückkommen werden).

Die mit Kautsky beginnende ideologische Literatur im Rahmen der Arbeiterbewegung59 wird sich im Laufe des 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Strang der Frauenliteratur entwickeln, sowohl in den 30er Jahren als auch in den 70ern (Leitner, Feldmann, Körber, Kerschbaumer, Jelinek …). Auch der in der Zeit so beliebte historische Roman wird von Frauen aufgegriffen und bildet eine eigene Traditionslinie.

Selbst der Kriminalroman findet sich bereits in dieser Zeit, und Auguste Groner hat den Detektiv als Serienhelden vorweggenommen – ihr Wiener Polizist Joseph Müller (später wird er Detektiv) tritt in 17 Erzählungen und Romanen auf.60 Groner hat ihren Platz unter den Begründer/inne/n des Kriminalromans, der allerdings in der angelsächsischen Literatur höher geschätzt wird. Diese höhere Wertschätzung bewirkt, dass sich eine größere Zahl von Autoren und Autorinnen – Letztere sind in diesem Bereich besonders stark vertreten – des Genres annimmt, womit ein hohes Maß an Qualität garantiert wird. Wir sind hier wieder einmal mit dem Phänomen konfrontiert, dass gute, gehobene Unterhaltungsliteratur im deutschsprachigen Bereich von der Literaturwissenschaft systematisch ignoriert wird. Die heutige Unbekanntheit Groners verdankt sich also einem doppelten Ursprung: Frau plus Kriminalroman.

Auffällig ist, dass der in der Zeit ebenfalls äußert beliebte Heimatroman im österreichischen Raum bei Frauen nicht zu finden ist. Und auch sein Vorläufer, die Dorfgeschichte,61 findet sich lediglich im Titel von Ebner-Eschenbachs Dorf- und Schlossgeschichten, die weder in dieser Doppelstruktur noch in ihrem humanistischen Impetus der idealisierenden Tendenz der Dorfgeschichte entsprechen. Die Literatur von Frauen im 19. Jahrhundert in Österreich ist eine ausgesprochen städtische Literatur, das Land kommt lediglich als „Sommerfrische“ vor, nicht als Lebensraum.62 Erklärungsmöglichkeiten für dieses Phänomen sind nicht leicht zu finden. Die Verfasser der Heimatromane sind, wie inzwischen hinlänglich nachgewiesen ist, häufig Lehrer, Kleinstadthonoratioren, sie stammen nicht direkt aus dem bäuerlichen Bereich. Der Beruf der Lehrerin beginnt sich im 19. Jahrhundert erst langsam zu etablieren,63 aus ihm stammen sowohl zahlreiche Literaturrezipientinnen als auch Produzentinnen wie z. B. Paula Grogger, deren „Dorfroman“ Grimmingtor allerdings erst 1928 publiziert wird. Diese Verspätung könnte natürlich auch auf die verzögerte Industrialisierung Österreich-Ungarns (mit Ausnahme von Böhmen) hinweisen, die die nostalgische Verklärung einer vorindustriellen Zeit im 19. Jahrhundert noch nicht so zentral erscheinen lässt.64

Österreichische Schriftstellerinnen 1800-2000

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